Deutschland Hessen Lkr. Fulda

Lüdermünd / OT von Fulda


Zeichnungen aus dem Staatsarchiv Marburg

Zeichnung bei
Mößinger (1939)

PLZ: 63041

GPS: N 50° 36,831', O 9° 36,870'

Standort: Rechts der Straße von Lüdermünd nach Hemmen an der Kreisgrenze zwischen Vogelsbergkreis und Landkreis Fulda.

Größe / Material: Kreuz: 144:92:25 / roter Sandstein
Sockel: 242:73:58 (90:73) / roter Sandstein

Geschichte: Das Kreuz bei Lüdermünd – an anderer Stelle auch "Hemmener Kreuz" genannt – zählt nicht nur wegen seiner Größe (Gesamthöhe 3,86m!) oder seines Alters (datiert 1383) zu den bedeutendsten Beispielen dieser Denkmalgattung. Auch seine künstlerisch ausgewogene Gestaltung und die handwerkliche Qualität der Steinmetzarbeiten sowie der Symbolgehalt der als Reliefs gestalteten Attribute haben das Kreuz in Fachkreisen weit über den Fuldaer Raum hinaus bekannt gemacht.
Das eigentliche Kreuz sitzt auf hohem, dreifach gestuften Sockel. Die oberste Sockelzone weist zwei gegenüberliegende spitzbogige, heute leere Bildnischen sowie als Attribute insgesamt fünf Abtskreuze, die sich auf alle vier Sockelseiten verteilen, und zwei Wappenschilde auf zwei Sockelseiten auf.
Die straßenabgewandte Seite des Kreuzes selbst trägt im Vierungsfeld einen Wappenschild mit Helm und Helmzier, auf beiden Armen je ein Abtskreuz und eine um den senkrechte Kreuzbalken umlaufende , heute durch Abwitterung nicht mehr lesbare Inschrift in gotischen Minuskeln (Willms) / Majuskeln (Riebeling).
Die der Straße zugewandte Seite des Kreuzes weist ebenfalls im Kreuzungsfeld einen Wappenschild – hier jedoch ohne Helm – auf, dazu auf Kopf und beiden Armen je ein Abtskreuz sowie auf dem Schaft ein Schwert mit geschwungener Parierstange.
(Siehe hierzu beigefügte Zeichnungen aus dem Staatsarchiv Marburg)
War noch für Riebeling (und Mößinger) unstrittig, dass das Kreuz als Grenzmal gesetzt worden ist, so wurde diese Deutung zwischenzeitlich in Zweifel gezogen (unter anderem von Marshall in "Grenzsteine des Schlitzerlandes, heute und gestern").
Nachforschungen in den im Marburger Staatsarchiv aufbewahrten Akten Fulda-Schlitz durch Günther Willms haben jedoch zweifelsfrei ergeben, dass das Kreuz 1383 als Grenz- und Friedensmal zwischen dem Hochstift Fulda (Fauldaer Abtskreuze) und den Herren von Schlitz, genannt Goerz (Wappenschilde) errichtet wurde und diese Funktion bis ins 19. Jh. ausübte, als auf Grund Kurhessischer und Hessen-Darmstädtischer Vereinbarung eine Grenzkorrektur vorgenommen wurde.
Aktenstücke in den Archivalien über Grenzkarten, Grenzbegehungen und andere Vorgänge gehen eindeutig von der Grenzmalfunktion aus.
Bemerkenswert ist Willms (1981) Hinweis in seinem Beitrag in "Buchenblätter" auf den Symbolgehalt von Anzahl und Art der Insignien auf dem Kreuz, der unmissverständlich die Lehenshoheit des Fuldaer Hochstifts dokumentiert. (Das Fuldaer Abtskreuz ist zehnmal, der Schlitzer Wappenschild viermal vertreten.) Auch ist auf Fuldaer Seite des Sockels nur das Kreuz, auf Schlitzer Seite das Kreuz über dem Schlitzer Wappen angebracht.
Auch das Schwert kann als Hoheitssymbol gedeutet werden.
Die erwähnte Inschrift, die nach Mössingers Recherchen 1767 noch lesbar war, enthält folgendes lateinisches Satzfragment:
Obiit in domino Winhihlus […] ecclesia […] pos […]
Anno Domini millesimo trecentesimo octogesimo tertio
primo majus collocata haec in pacem columba cruces
Nach Mößingers Übersetzung: Es entschlief in dem Herrn Winhihlus, Probst der Kirche zu […], im Jahre des Herrn 1383, am 1. Mai wurde als Friedensmal diese Kreuzessäule errichtet.
Daher ist es nicht abwegig, dem Kreuz auch die Funktion eines Sühnemals für den bei einer Fehde umgekommenen Propst Winhihlus zuzuschreiben.

Sage:

Quellen und Literatur:
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, S.125-126, Ziff.5323.5
Georg Eurich - Natur- und Kulturdenkmale im Vogelsberg und seinem Umland, 2001, S.93
Willms, Günther - Lüdermünder Kreuz - Grenz- und Friedensmal in Buchenblätter Nr.7, S.25-26 vom 4. April 1981
Azzola, Friedrich Karl - Eine ikonographische Besonderheit auf Steinkreuzen in Hessen und Siebenbürgen, In: Südost-Forschungen, Band XXVII (27), 1968, S.308-314
Mößinger, Friedrich - Das Hemmer Kreuz bei Fulda, In: Das Steinkreuz, 7.Jg. (1939), Nr.1/ 2, S.18-20
Recherche und aktuelles Foto von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund (Foto von 2002)
Ergänzungen von Leopold Hessek, Oedheim


Sühnekreuze & Mordsteine