Deutschland
Hessen
Werra-Meißner-Kreis
Röhrda / OT von Ringgau
die andere Seite |
Blick zum Standort |
Zeichnung: A. Schulze nach einem Foto von G. Seib |
PLZ:
37296
GPS:
Standort:
20m rechts der Straße nach Wißenborn, etwa 100m von deren Einmündung in die B 7.
Größe / Material:
58:36:21 / Muschelkalk
Geschichte:
Der Stein wird "Schneiderstein" genannt. Er hat auf einer Seite mehrere eingeritzte
Darstellungen wie Hammer (Form eines Nagelhammers), Fäustel, Meißel (?) und noch zwei andere Gebilde; eines
wird als schrägliegendes Kreuz angesehen. Auf der anderen Seite befinden sich 2 etwa 5cm auseinanderliegende parallele Rillen, die ein schräger Querstrich teilt.
Der Stein steht am alten Markweg von Eschwege zur Boyneburg. Er soll früher höher am Köhlerskopf gestanden haben. (Riebeling 1977)
Sage:
Man betrachtet den Stein wie einen Rebus und deutet Mordgeschichten daraus.
Quellen und Literatur:
• Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4826.4
• Schulze, Alfred - Schneiderstein bei Röhrda abermals durch Privatinitiative gerettet, in: Das Werraland, Heft 1, 1976, S.9
• recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Fotos vom Aug. 2007)
Schneiderstein bei Röhrda abermals durch Privatinitiative gerettet
von Alfred Schulze
Im Werraland wurde wiederholt über die Bedeutung von Steinkreuzen und Kreuzsteinen berichtet, so in Heft 2, Juni 1969, S.22ff. und in Heft 4,
Dezember 1973, S.58ff.
Selbstverständlich stehen diese Steine unter Denkmalschutz, und man sollte annehmen, daß zum Beispiel eine Behörde wie das Kulturamt Hersfeld nicht nur
durch Zeitungsartikel über die Schutzwürdigkeit solcher Steine informiert ist! Der Schneiderstein an der ehemaligen Lochmühle bei Röhrda ist wahrscheinlich, wie der
Schneiderstein am Hundsrück, ein ehemaliger Markstein (Grenzstein). Es gilt als ziemlich sicher, daß diese Steine ein Alter von etwa 450 bis 500 Jahren haben. Der
Röhrdaer Stein stand früher dicht am Lautenbach und war eines Tages in dem sumpfigen Gelände umgesunken.
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Zeichnung: A. Schulze nach einem Foto von G. Seib |
Peter Hartmann aus Röhrda, damaliger Besitzer der inzwischen abgerissenen Lochmühle, hatte das bemerkt und beschloß, den Stein zu retten. Er wußte damals
nichts von dessen historischer Bedeutung, urteilte aber mit der Bedachtsamkeit eines Menschen, der mit wachen Sinnen seine Umgebung beobachtet. Er war der
Meinung, daß ein solcher Stein, der irgendwann einmal dorthin gesetzt worden war, auch einen bestimmten Zweck gehabt haben müsse. Also sollte er auch weiterhin
erhalten bleiben! Peter Hartmann holte den Stein aus der sumpfigen Wiese und setzte ihn 50 Meter weiter ostwärts an den Hang. Dort stand er an einem schmalen Pfad
etwa 15 Jahre lang, von der Straße aus gut zu sehen.
Im Sommer 1975 wurde der Fußweg, der von der Lautenbachtalstraße zum Wald hinführt, zu einem Fahrweg ausgebaut. Verantwortlich für diesen Wegebau war das
Kulturamt Hersfeld.
Eines Tages alarmierte uns der Eschweger Eckart Krüger, Mitglied im WTV und Geschichtsverein, mit der Nachricht, daß der Schneiderstein verschwunden sei. An
einem Samstagnachmittag suchten wir gemeinsam das Gelände ab. Schließlich fanden wir den Stein, an der Oberseite schon angeschlagen, in einem Haufen
zerschlagener anderer Steine. Wir zerrten ihn etwa 10 Meter hangaufwärts bis zu einer Hecke und bedeckten ihn mit Gras und Laub, um ihn vor weiterer Zerstörungswut
zu bewahren. Dennoch konnte er dort nicht lange liegen bleiben; es mußte schnell gehandelt werden. Bevor die Baukolonne am Montag wieder zur Arbeit anrückte,
mußte er an anderer Stelle sicher aufgestellt sein. Wer konnte so kurzfristig diese Arbeit übernehmen? Bereits am Sonntagmittag berichtete mir Eckart Krüger, daß er
zusammen mit seinem Vater den Stein gesichert und gut sichtbar neu aufgestellt habe.
Für diese schnelle Hilfe sei den beiden Herren, zugleich im Namen der Deutschen Steinkreuzforschung und der Arbeitsgemeinschaft Denkmalforschung in Hessen,
herzlich gedankt. Der Schneiderstein bei Röhrda, ein Markstein, errichtet, um einen Weg zu kennzeichnen. Das Kreuz oben links soll wohl auf den nächstgelegenen
Markstein hinweisen: den Schneiderstein am Hundsrück, der tatsächlich auch Kreuzform hat. Das sich rechts anschließende winklige Gebilde weist wahrscheinlich auf
einen von dort abzweigenden wichtigen Weg hin. Steinaxt und Steinhammer scheinen auf einen am Lotzenkopf gelegenen Steinbruch aufmerksam zu machen.
Von den einstmals ungezählten Tausenden dieser Steine im mittel- und nordeuropäischen Siedlungsgebiet vom Atlantik bis zu den Alpen und bis tief in den
europäischen Osten hinein sind heute nur noch wenige tausend Zeugen einer noch nicht ergründeten Vergangenheit erhalten.
Vorgänge wie der oben geschilderte unterstützen die Befürchtung der Skeptiker, daß das Denkmalschutzjahr als "Festrednerjahr" zu versanden droht und daß trotz
aller Beteuerungen für die Zukunft unserer Vergangenheit nicht mehr viel übrig bleibt.
Wäre es nicht auch ein Stück lohnenswerte Kulturarbeit für den WTV und für die anderen Wandervereine in Hessen, sich dieser Denkmale anzunehmen, ihren
Bestand wandernd kennenzulernen und zu sichern?
(Das Werraland, Heft 1, 1976, S.9)