Deutschland
Hessen
Lkr. Bergstraße
Stallenkandel / OT von Wald-Michelbach
Rückseite |
PLZ:
69483
GPS:
N 49° 34,803', O 8° 48,321'
Standort:
Am alten Weg von Stallenkandel nach Gadern, ziemlich auf dem höchsten Punkt.
Das Denkmal ist an landschaftlich ganz hervorragender Stelle plaziert, mit einer über die Berge des westlichen Odenwalds bis weit in die Rheinebene reichenden
Fernsicht.
Größe / Material:
155:?:? / Sandstein
Geschichte:
TK 6418 Weinheim (R 86000, H 93720), 155cm, Bild 16
Der aus einem Block gehauene, leicht gefaste Bildstock steht etwa 20m vom Weg entfernt im Feld. Das bis auf die Hälfte abgebrochene Häuschen, dessen
heutiger Zustand möglicherweise auf das Abschlagen kleinerer Stückchen zur Steinmehlgewinnung zurückzuführen ist, wies auf beiden Seiten Nischen auf und
gehört damit zu den extrem seltenen Bildstockformen. Die dem Weg zugewandte Nische ist etwas tiefer als die rückwärtige. Der Übergang vom Schaft zum
Häuschen ist durch mehrere waagrecht verlaufende Scharrierungen hervorgehoben.
Auf dem Schaft vorne: IHS mit Malteserkreuz über dem H; darunter 1708 / S W. Auf der Rückseite des Schafts: Ebenfalls
IHS mit darüber eingehauenem Malteserkreuz, welches durch eine senkrechte Linie mit dem Querbalken des H verbunden ist, unter dem außerdem
noch ein V eingehauen ist. Eine Sockelplatte ist nicht sichtbar, doch steht der Bildstock so fest, daß er vermutlich in einer tiefer im Boden steckenden
Platte verankert ist. Bedauerlich, daß der Bildstock durch mehrere aufgepinselte Wegmarkierungen, zu deren Anbringung Flurdenkmäler offenbar geradezu
herausfordern, verschandelt wird. (Schäfer 1981)
[...] Wenig später sehen wir etwa 15 Meter im Feld einen alten Bildstock.
Dieser hatte ursprünglich auf beiden Seiten Nischen und gehört dadurch zu den seltenen Bildstockformen. Auf dem Schaft vorne sehen wir die Buchstaben IHS
mit dem Malteserkreuz über dem H, darunter 1708/SW. 1708 bedeutet die Jahreszahl der Aufstellung und SW die Abkürzung seines Stifters Simon Weil. (Wanderkarte 9)
Sage:
1. Der Sage nach sollen sich hier zwei Ritter (Ritterstein) während einer Hungersnot
wegen einer Maus gegenseitig getötet haben.
2. Weiter heißt es, daß der Stein nicht entfernt oder versetzt werden darf, da sonst ein Unglück geschehen würde.
Tatsächlich wird noch heute um den Bildstock herumgepflügt, da ein Unglück droht, wenn man ihn versetzt.
Die Sage findet man u.a. auch zum Kreuz im nicht weit entfernten Unter-Abtsteinach.
3. Wer schon von der Kreidacherhöhe aus den Bergrücken entlang nach der Tromm gewandert ist, hat gewiß die alte, etwa 1,80 Meter hohe Steinsäule oberhalb
vom Dörfchen Stallenkandel gesehen.
Nun, der eine oder der andere ist neugierig und will wissen, was für eine Bedeutung dieser alte Stein hat.
Wenn man eine Aufklärung für solche alte Dinge haben will, muß man die ältesten Leute in den in der Umgebung liegenden Dörfern fragen. Manche von diesen
wissen noch von ihren Eltern, Groß- und Ureltern her, daß an dieser Stelle, wo heute diese Steinsäule steht, sich zwei Soldaten wegen einer Maus ermordet haben.
Vielleicht war es so:
"Es war im Anfang des 18. Jahrhundert. Eine große Hungersnot brach im Lande aus. Die Ernte auf den steinernen Bergrücken verdorrte, alle sonstigen Früchte
gingen zu Grunde. Die Bevölkerung wurde von einer wilden Panik ergriffen. Um nicht Hungers zu sterben, wurden alle Haustiere, so auch Hunde und Katzen geschlachtet.
Als der ganze Vorrat aufgezehrt war, griff man auch zu Ratten und Mäusen.
Nicht nur dieses Unglück allein traf diese Leute, sondern sie wurden noch von ihren Höfen vertrieben. Denn Räuber hatten sich zu großen Scharen
zusammengefunden, die Vorläufer des Schinderhannes und des Hölzerlings (Hölzerlips) und seine Genossen und durchzogen plündernd und verheerend die Dörfer.
Die Einwohner flüchteten sich in die Wälder und versteckten sich dort.
Diesem Rauben und Morden sollte ein Ende gemacht werden. Es wurden Regierungssoldaten in alle Gegenden ausgesandt.
Auch sie litten unter Hunger und Hitze.
Zwei solche Soldaten wanderten auf dem Trommrücken dahin. Der eine von ihnen sah, wie sich eine Maus aus ihrem Verstecke entfernte. Wild wie ein Tiger
sprang er auf seine Beute los, triumphierend hielt er sie seinem Kameraden entgegen. Dieser ließ sich nicht foppen, er riß das noch zappelnde Tierchen seinem
Kameraden aus der Hand, um damit seinen Hunger zu stillen. Nun standen sie sich als schlimmste Feinde gegenüber. Der, welcher sich seiner Beute beraubt sah,
ging gleich zum Angriff über, indem er sein Schwert zog und unbarmherzig auf seinen Gegner einhieb. In der Notwehr nahm der Angegriffene seine Pistole und schoß
seinen Gegner nieder. Matt durch den großen Blutverlust legte sich der Mörder nieder und starb.
Die Räuber waren gefangen und hingerichtet. Der Himmel wurde freundlicher, die Sonne schien milder, die Wolken spendeten reichlich Regen.
Die Bauern kamen wieder aus ihren Verstecken hervor.
Ein Bauer fand beim Pflügen Skelette, verrostete Schwerter, Helme u.s.w. Bei einer Untersuchung der Überreste, stellte sich heraus, daß es sich um zwei
Regierungsbeamte handelte.
Zum Andenken an die beiden Soldaten und die damals herrschende Not errichteten die umliegenden Gemeinden an der Mordstelle einen Stein, in welchen die
Anfangsbuchstaben der gefallenen Soldaten eingehauen sind, und der heute noch in einem etwas verfallenen Zustande erhalten ist."
Wenn du jetzt an diesem Stein vorbeiwanderst, denkst du gewiß an diese märchenhafte Sage. (H.M. 1931)
Quellen und Literatur:
• Schäfer, Fritz - Die Bildstöcke im Kreis Bergstraße, 1981, S.57, Nr.21.1
• Wanderkarte 9, TF 20-9, Der Überwald, 1:20.000, Hessisches Landesvermessungsamt, 2000, Rückseite Wanderung W3
• Eine Steinsäule am Wege. Eine Sage aus meiner Heimat. H.M. in: Die Starkenburg, 8.Jahrgang, 1931, Nr.2/3, S.72
• Matthes, Richard - Die Steinsäule vom Stallenkandel, in: Sagen aus
dem Kreis Bergstraße, Bensheim 1952, 2. Auflage 1972, S.49, Nr.64.
• Recherche, Wegbeschreibung, aktuelle Infos und Aufnahme von Leopold Hessek, Oedheim
• zusammengestellt und bearbeitet von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach