Deutschland Niedersachsen Lkr. Hildesheim

verschwundesnes SteinkreuzHildesheim


Reststück des
verschollenen
Originalsteins,
Abbildung bei
Müller / Baumann
(1988)

Zeichnung bei
Hoffmann (1935)

PLZ: 31141

GPS:

Standort: In Nähe des alten Marktes.

Größe / Material: 112:96:? / Sandstein (Original-Stein)
96:75:32 (Nachbildung)

Geschichte: Das ursprüngliche, verlorengegangene Denkmal gehörte zu dem hohen Scheibenkreuztyp wie der hannoversche Siebenmännerstein, allerdings mit durchbrochener Scheibe, also Radkreuz. 1999 wurde ein eigenwillig gestaltetes Ersatzstück aufgestellt. (Müller 2007)

Bis zur Bombardierung der Stadt im Jahre 1945 vor einem Wohnhaus an der Grenze von Eckemekerstraße / Alter Markt.
Von dem "Schauteufelskreuz" genannten Radkreuz existierte nur noch das Unterteil. Zusammen mit anderen bedeutenden Steinen ist es während der Aufräumungsarbeiten zur vorläufigen Lagerung in die Ruine der Martinikirche (Bauteil des Roemer-Pelizaeus-Museums) gebracht worden, seitdem aber verschollen. Obwohl sehr verwittert und beschädigt, waren daran in Flachrelief eine in Beterhaltung mit erhobenen Armen knieende Gestalt, davor ein Wappenschild mit Schrägbalken sowie Helmzier mit Flügeln (oder Hörnern) zu erkennen. Der Archivar I. Zeppenfeldt, der das Denkmal noch unverstümmelt gekannt haben will, sagt aus der Erinnerung im Jahre 1811 über das fehlende Oberteil aus: Es war
"in durchbrochener Arbeit ein Kruzifix, mit einem Blumenkranze eingeschlossen in welchem rund herum die Inschrift stand: Anno MCCCCXXVIII in Die St.Steffani hie fuit interfectus Johannes".
Eine Zettelnotiz aus der Stadtarchivakte des Jahres 1620 gibt die Jahreszahl leider nur unvollständig, dafür aber den Grund der Denkmalssetzung an. Nach einem Vermerk "An dem Schueteuffelß Creutz.....XXVIII i(n) die Steffani hie fuit i(n)t(e)rfectus joha(n)nes" heißt es dann weiter: "Wie die Schuhteuffel gelauffen, sol einer von denselben einem Kürßner Jungen begegnet sein /: bier in einer Zinnen kannen zue holen :/ denselben erschrecken wollen, darüber der Junge ihn mit der Kann erschlagen." Daneben steht nun die u.E. willkürlich angenommene Jahreszahl MCCCCLXXVIII, für die keine Quelle erwähnt wird. Solange sich aber keine weiteren Belege über das tatsächliche Jahresdatum finden lassen, müssen beide Angaben (1428 und 1478) mit Vorbehalt angesehen werden. Dies auch deshalb, weil man nach heutigem Stand der Denkmalforschung geneigt ist, dieses Radkreuz eher dem Ende des 14. Jahrhunderts zuzuordnen. Nach Aktennotiz und zitierter Inschrift kann als gesichert gelten, daß am St. Stephans-Tag (26. Dezember) ein Bürger aus der Oberschicht der Stadtbevölkerung nahe dem ehemaligen Kürschnerhof von einem (der Belästigung wegen in Notwehr handelnden) Kürschnerjungen getötet wurde. - Der Todestag fällt in die Jahreszeit der sogenannten "Zwölften". Damals pflegte man in den Alpenländern wie in Niederdeutschland einen wahrscheinlich heidnischmythischem Denken entlehnten Brauch. Junge Männer, Patriziersöhne und deren gedungene Knechte, auch Studenten, zogen, als "Schauteufel" maskiert und in kostbaren Gewändern verkleidet, durch die Orte. Sinn ihres Tuns waren Vertreibung, Verscheuchung und Abschreckung der besonders in der dunkelsten Jahreszeit anwesend vermuteten Dämonen und bösen Geister. Das geschah durch Verkleidung, wildes Lärmen, Drohen und Züchtigen mit Ruten und Gerten, wobei es häufig zu tätlichen Übergriffen auf Begegnende, darunter Frauen und Jugendliche, kam. Solcherlei hat sich auch in Hildesheim nachweislich mehrmals abgespielt, sogar mit Todesfolge, worüber uns in diesem Falle ein Denkstein Kunde gibt, den wohl die Angehörigen des Toten haben setzen lassen. (Müller / Baumann 1988)

   In der Stadt Hildesheim steht an der Ecke Alter Markt und Eckemeckerstraße der untere Teil eines Denksteines, schriftlos, sehr beschädigt und verwittert. Löcher im Steine lassen darauf schließen, daß der nicht mehr vorhandene Oberteil, ein Kreuz, ehemals mit Eisenklammern darauf befestigt war. Auf dem noch vorhandenen Unterteil ist eine knieende betende Gestalt neben einem behelmten Wappenschilde zu sehen. Eine Abbildung findet sich in den "Kunstdenkmälern Hannover". Nach Mithoff soll auf dem vorhandenen Stücke oben ein Kruzifix in durchbrochener Arbeit, von einem Blumenkranze umschlossen, mit der Inschrift in gotischen Buchstaben: "Anno MCCCCXXVIII in die St. Steffani hic fuit interfectus Johannes", d.h. Im Jahre 1428 am Tage Sankt Stephanus wurde hier Johannes getötet, gestanden haben.
   Der Stein wird allgemein "das Schauteufelkreuz" genannt. Nach Mithoff ist die seltsame Bezeichnung darauf zurückzuführen, daß an bestimmten Festtagen als Teufel vermummte Bürgersöhne mit ihren Knechten in feierlicher Prozession, gefolgt von einigen Ratsherrn, die Stadt durchzogen. Dadurch sollte dargestellt werden, daß "durch Christi Geburt der Teufel als Feind und Nachsteller des Menschengeschlechts gedemütigt worden". Nach dem Umzuge sollen sich dann die "zur Schau gelaufenen Teufel" in den Straßen herumgetrieben haben. Bei einer solchen Gelegenheit soll 1428 der Lehrjunge eines Kürschners von einem Schauteufel durch einen im Scherze auf das Haupt geführten Schlag getötet sein. Seinem Andenken wurde der Stein errichtet. (Hoffmann 1935)

Für Westfalen und das Gebiet um Braunschweig und Hildesheim sowie in Rostock ist schon früh ein Fastnachts- und Weihnachtsbrauch überliefert, der eventuell auch Hinweise auf die Nutzung solcher Masken im Küstenraum geben kann. Der Lauf der Schreck bzw. Schauteufel ist in Braunschweig zur Fastnacht bereits 1293 belegt. Der Rat ließ durch Bürgermeister und Schreiber bekannt machen "wo de schodüvele ore dingk holden schullen".
Verschiedene Quellen beschreiben diesen Brauch als wildes Umherlaufen, bei dem es oft genug in echte Raserei ausgeartet zu sein scheint. So hatten die Anführer einer jeden Rotte des Stadtteils, in dem sie laufen wollten, einen Geldbetrag zu hinterlegen, um eventuelle Schäden im Voraus abzudecken. Schodüvele durften sich nicht in Kirchen, auf Kirchhöfen, in Badestuben oder Schulen zeigen. Despektierliche Aktionen gegen geistliche Personen waren verboten.
Das Aufeinandertreffen zweier Rotten führte in Hildesheim, wohl im Jahre 1378, zu einem Totschlag, von dem noch heute das Hildesheimer Schauteufelkreuz in der Nähe des alten Marktes zeugt. Aber schon 100 Jahre später war dieser Brauch so weit gezähmt, dass es feste Bekleidungsvorschriften gab und sich der Lauf der Schreckteufel zum Lauf der Schauteufel gewandelt hat. Das wilde Treiben hatte sich zu einem Festumzug entwickelt, der gesellschaftlich akzeptiert war. (Rasink 2004)

Sage: 1. Bezieht sich voll auf den o.a. Vorfall.
2. Ist ähnlich, nur daß hier der Schauteufel den Jungen erschlägt.
3. Den Schauteufeln begegnet eine Gruppe "echter" Teufel, wobei der oberste Höllenfürst den ihn am meisten Verhöhnenden tötet.
4. Ein in Not geratener Schuster bittet den Teufel um Geld. Er verspricht diesem dafür seine Seele, vorausgesetzt, daß er die ihm überlassene Summe nicht für einen Gott wohlgefälligen Zweck, trotz seiner Not, verwendet. Der Teufel geht auf das Geschäft ein, in der Annahme, der Schuster werde einen Teil des Geldes in seiner Not verbrauchen. Nach Jahresfrist kehrt er zurück. Auf die Frage an den Schuster, was dieser denn mit der Summe gemacht habe, hält dieser ihm ein von einem Goldschmied aus dem Gelde gefertigtes Kreuz entgegen mit den Worten: "Schau, Teufel, dieses Kreuz!" worauf der Böse das Weite sucht. Der Schuster läßt dann das Kreuz wieder einschmelzen, ist reich geworden und veranlaßt die Setzung des Denksteins als Dank an Gott für die Errettung.

Quellen und Literatur:
Schambach, Georg / Müller, Wilhelm - Das Schauteufelskreuz, in: Niedersächsische Sagen und Märchen, 1854, Nr.171, S.156-157
Kunstdenkmäler der Provinz Hannover, 1924, II.Band, 4, S.316, Fig.289
Niedersachsen, 17.Jg., Nr.15, Apr. 1912, S.402.
Mithoff, H.W. - Kunstdenkmale und Alterthümer im Hannoverschen, 3.Band, Fürstenthum Hildesheim, Hannover 1875, S.182
Müller / Baumann - Kreuzsteine und Steinkreuze in Niedersachsen, Bremen und Hamburg, 1988, Nr.3825.2
Hoffmann, Adolf - Die mittelalterlichen Steinkreuze, Kreuz- und Denksteine in Niedersachsen, 1935, S.38
Rasink, Bernd - Die Ledermaske aus Emden - Kinderspiel oder Zunftbrauch?, in: Archäologische Mitteilungen aus Nordwestdeutschland, Beiheft 42, 2004, S.672-676
Wikipedia - Schoduvel
recherchiert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda
Ergänzungen und aktuelle Aufnahme von Werner Müller, Elze


Sühnekreuze & Mordsteine