Deutschland Nordrhein-Westfalen Rheinisch-Bergischer-Kreis

Bensberg / OT von Bergisch-Gladbach


Rückseite
Foto: Lux (2012)

Zustand 2009
Foto: v. Laufenberg

PLZ: 51427

GPS: N 50° 57,090', O 7° 9,300'

Standort: Das Kreuz steht im Broicher Wald (Teilstück des Königsforstes) direkt an der "Brüderstraße" in Bensberg. Die heutige Brüderstraße geht vom "Rather Weg" rechts ab, kurz nach der A4-ABA Bensberg, verläuft südlich parallel zur A4 vorbei an der Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) und führt in einer Rechtskurve auf Höhe des Wanderparkplatzes "Brüderstraße" / "Broicher Straße" unter der Autobahn durch in den Königsforst, der hier "Broicher Wald" heißt. Von dort führt sie wie ehedem als Waldweg weiter über Moitzfeld bis nach Overath-Untereschbach. Rund 300m hinter der Unterführung links steht das Kreuz auf einer Grabenböschung links im Unterholz versteckt. Ursprünglich war es wohl auf einem mit Steinen befestigten Erdhügel aufgestellt.

Größe / Material: 70:37:15 / Andensit

Geschichte: Sühenkreuz / Mordwange (Barock) mit Winkelsegmenten und breiter auslaufendem Fuß in Bodenplatte, Andensit (Prophyrit, Vulkangestein). Höhe ca. 86cm (der Fuß steht teils, Platte ist versenkt im Erdreich), Balkenbreite 37.5cm, Tiefe rund 14cm. Wenig verwitterte Inschrift: 1636 / de[n] 1 de[c] / e[m]ber ist Dirrich / rütger der jun / ger zu / Drolshag / ne hier / ermord. Darunter eingetieft geschweifter Schild mit Hausmarke und den Initialen D. R.. Bei der Hausmarke handelt es sich wohl um die gekreuzten Schwerter unter einem Kreuz, womit Nikolaus Rütger, Pastor in Drolshagen, Bruder des Dietrich siegelte. (In der Literatur wird eine Ähnlichkeit mit dem zeitnah errichteten "Schwedenkreuz" in Belmicke / Kreis Olpe im Sauerland angenommen. Indes unterscheiden sich hier die unziselierten Winkelsegmente von den schneckenförmigen dort und die Type der Inschrift, hier Fraktur, dort Antiqua. Es muss daher nicht naheliegen, dass die Mordwange an der Brüderstraße außerhalb des Rheinlands, im Sauerland angefertigt und dann nach Bensberg verbracht worden wäre.
Geschichte der Mordwange: Dort, wo das Kreuz steht, heißt die Gegend heute noch "Broich", aus mhd. bruoch "Sumpfland", und bis in die Mitte der 1970er Jahre war zumindest der Streifen jenseits der Brüderstraße bis zur Bebauungsgrenze in den Stadtteilen Bensberg und Frankenforst immer noch durchgehend moorig. In der Zeit des Dietrich Rütger zogen sich indes weit mehr und ausgedehnte Moore zwischen dem Rhein und dem Aufstieg zum Bergischen Land hin. Durch diese Niederung führte die Brüderstraße als wichtigste Verbindung des Oberbergischen Landes zum Rhein hin wie auch als Pilgerstraße (Jakobsweg). Erst mit dem Bau der Köln-Olper Chaussee (1823-1834) verlor sie ihre Bedeutung. Dietrich Rütger war im Winter 1636/37, der als insgesamt trocken und streng gewesen gilt, auf der Brüderstraße wohl in Familienangelegenheiten unterwegs, als er ermordet wurde. Er war der zweite Sohn des Dietrich Rütger (* um 1540, Bürgermeister in Drolshagen 1588 - † 1611) und Enkel des Simeon Rüttger (Richter in Drolshagen 1562 - † 1582). Seiner Abstammung nach zählte er also zur politischen Führungsschicht der kurkölnischen und seit 1604 Hanse-, allerdings im wirtschaftlichen Abschwung befindlichen Stadt im Sauerland. Daher wohl die Bezeichnung "Junker" auf dem Kreuz, obgleich Dietrich nicht zum Adel gehörte. Der ältere Bruder Nikolaus war Pastor an St. Clemens in Drolshagen, von den Zisterzienserinnen präsentiert und von der Äbtissin Anna Elisabeth von Carthausen protegiert worden. Das Anrecht an der Kirche war seit 1550 zum ständigen Zankapfel zwischen Kloster und Stadt geworden. Im Zuge dessen wurde Nikolaus Rütger von den Bürgern Nachlässigkeit im Amt nachgesagt, Vorwürfe von Zauberei wurden erhoben und schon 1599 war die Mutter in die Inquisition hereingezogen worden. Insofern könnte Dietrich Rütger in dringlicher Angelegenheit seines Bruders Nikolaus zu den kurkölnischen Räten nach Köln unterwegs gewesen sein. Dringlich, weil Nikolaus Rütger noch 1636 resignierte und weil das Reisen durch das Bergische Land im strengen Winter 1636/37 äußerst unsicher war: Es herrschte der 30jährige Krieg und versprengte und marodierende Söldner des schwedischen Generals Baudissin machten das Land ebenso unsicher wie plündernde Kaiserliche mit spanischen Söldnern und den berüchtigten ›Kroaten‹ von der Militärgrenze. Herzog Wolfgang Wilhelm von Jülich-Berg beklagte sich beim Kaiser, dass der Mansfelder "zehnmal mehr seiner Untertanen habe ums Leben bringen lassen als die Schweden", dass nur noch ein Sechstel der Bevölkerung seines Herzogtums am Leben sei und befahl den Städten, die Tore zu verschließen. Überdies waren Räuberbanden unterwegs, die bekanntesten darunter wohl die "Pitheuer" und "Buschknebler", benannt nach ihren Foltermethoden, gnadenlose Erpresser und Mörder, die als Söldner ihr Handwerk gelernt hatten und denen nur schwer beizukommen war. Die "Buschknebler" zum Beispiel waren zwar häufig im Raum Barmen unterwegs, außerhalb des Rheinlandes im Wuppertal. Das hinderte sie aber nicht, im heutigen Köln-Dellbrück die Grafenmühle niederzubrennen und darin 16 Personen, Frauen und Kinder, zu ermorden. Unterschiede zwischen marodierenden Söldnern und auf eigene Rechnung arbeitenden Räubern bestanden für die Bevölkerung ohnehin nicht. In der Wirkung waren diese Gruppen völlig gleich. Zu allem Übel brachten die Horden die Pest, die besonders 1634-37 wieder im Bergischen grassierte. Dann, nahe dem Moor und in der Dunkelheit des Wintertages soll Dietrich Rütger von marodierenden Söldnern des schwedischen Generals Baudissin ermordet worden sein. Ob es sich bei den Mördern um Söldner unter wessen Fahne auch immer oder um Räuber gehandelt hat, Dietrich Rütger dürfte wohl kaum einen leichten Tod gefunden haben. (v. Laufenberg 02/2014)

Oben und am linken Arm Abschläge, Rückseite glatt. Inschrift: nur unwesentlich verwittert. (Lux 2012)

Südlich vom Orte im Broicher Walde steht an der alten "Brüderstraße", einem Handelsweg, der das Kölnische Sauerland und den Oberbergischen Kreis über Bergneustadt mit dem Rhein verbindet, ein Steinkreuz, das in seinen Formen dem von Belmicke (Kr. Olpe) ähnlich ist. Die Inschrift lautet:
1636
den 1 de
zember ist dirich
rutger der jun
ger zu
drolsha
gen hier
ermord
[...]
DXP
DXP=Gib ihm durch Christi Kreuzestod den Frieden (Dona Pacem). Dirich Rutger war Sohn einer altangesessenen Drolshagener Familie, die Richter und Bürgermeister gestellt hat. Es wird angenommen, daß er, wie ein Jahr vorher Peter Butz (vgl. das Steinkreuz in Belmicke / Kr. Olpe), von den marodierenden Schweden erschossen worden ist. (Brockpähler 1963)

Sage:

Quellen und Literatur:
Rheinisch-Bergischer Kalender, Jg. 1928, S.125f.
Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.101
Panofsky-Soergel, Gerda - Die Denkmäler des Rheinlandes (Bd.18-20), Rheinisch-Bergischer Kreis, 3 Bände, Düsseldorf 1972, Bd.1, S.58
Webrecherchen zur Genealogie der Rütger in Drolshagen
recherchiert und bebildert von Benno Lux, Lünne (Fotos von 2012)
Ergänzungen von Haro von Laufenberg (Foto vom 12.09.2009)


Sühnekreuze & Mordsteine