Deutschland Nordrhein-Westfalen Lkr. Steinfurt

Bevergern


Einzeichnung:
Kreuz oder Armbrust?

Abbildung bei
Brockpähler (1963)

PLZ: 48477

GPS:

Standort: In der Landwehr, kurz vor dem Galgenkamp, bei einer Baumgruppe mit Sitzbank und einem ehemaliger Grenzstein.

Größe / Material: 108:75:24 / Sandstein

Geschichte: Das Kreuz wurde früher umgesetzt, der Sockel (80:62cm) wurde nachträglich aus Zement mit Ziegelbrocken hergestellt, er ist aber auch schon stark verwittert. Die noch unveränderte Rückseite zeigt jetzt zur Straße, Grund: Starke (offenbar als unschön angesehene) Abschabungen an der Vorderseite, von Schaufeln und Spaten herrührend. Offensichtlich aus Pietät wurde das an der Vorderseite eingravierte kleine Kreuz oder Armbrust dabei aber verschont. Nördlich des Standortes wurde bis etwa 1920 Torf gestochen, mein Vater hatte mir 2 reguläre alte Grenzsteine der ehemaligen Gemeindegrenze Bevergern zu Hörstel mit starken Abschabungen von Torfstechern gezeigt (einer ist an der Nordseite des 1975 angelegten Torfmoorsees wieder aufgestellt worden), an denen die Torfstecher in gleicher Weise ihre Arbeitsgeräte nachgeschärft hatten.

Steinkreuz aus Bevergerner Sandstein vom Huckberg, 108x76x23cm. Es steht westlich vom Orte an der alten Straße Rheine - Bevergern in der Flur "Landwehr", 30m von der Besitzung Wewel entfernt am Grabenrande (Meßtischblatt 3711 Bevergern, Planquadrat 5794/3402, linker Rand, Mitte). Dieser Weg war gleichzeitig Kirchweg Rodde - Bevergern. Nahebei liegt der "Galgenkamp".
Zeichen: Vorn kleines eingeritztes Kreuz, auf der Rückseite größeres eingeritztes Kreuz, von zwei dünnen Rillen rhombusförmig überdacht, und 2 mal 3 Wetzrillen. Auf dem Kopfteil eine näpfchenförmige Vertiefung von 2x4cm.
Geschichtliches: Vier Kreuze werden in der Bevergerner Stadterhebungsurkunde vom Jahre 1366 genannt. Darin bekunden Nikolaus, Graf von Tecklenburg, und sein Sohn Otto,

"... allen luden de dessen yeghenwordighen bref seet unde höret lesen unde betughet dar an openbare dat Wi hebben gheven unde ghevet in dessen breve e....sse stede olde vryheit to unser burch unde to unsen wigbelde ton Bevergheren en bynnen unde en buten ummelangh alzo vere alzo de ver steyne stat by den ver crucen, dar de vryheit mede gethekent is alzo dat desse vriheit sal staen mit underscede alzo hir na gescreven ist. ..."

Das mit den neuen städtischen Rechten ausgestattete Wigbold Bevergern war also damals mit vier Grenzsteinen umgeben, neben denen vier Kreuze standen. Ob das erhaltene Kreuz eines der vier in der Urkunde genannten ist, wird sich mit Sicherheit nicht feststellen lassen. Der Fundort spricht dafür. Die Gemeindegrenze verläuft heute zwar etwa 200 Meter weiter nördlich, doch sind die Stadtgrenzen im alten Heideland im Westen und Süden nach langen Streitigkeiten mit den Nachbarn um 1780 erheblich verändert worden*). Auch steht das Kreuz nicht mehr genau am alten Platz. Pastor Schriever, der die Standorte der vier Bevergerner Steinkreuze 1896 genau beschreibt, kennt das erhaltene nicht. Es lag zu seiner Zeit noch versunken im Graben und wurde erst 1930 vom Heimatverein Bevergern ausgegraben und am Fundort in einem gemauerten Sockel wieder aufgestellt.
Von den drei anderen Steinkreuzen im Verlauf der Ortsgrenze hat Schriever 1896 nur noch die Sockelsteine mit den ausgemeißelten kubischen Vertiefungen für den Fuß der Kreuze gesehen. Die des östlichen Kreuzes lag noch nach dem zweiten Weltkrieg nahe bei der Windmühle an der Straße nach Riesenbeck, ist aber dann bei Gelände- und Aufräumungsarbeiten, die durch den Tausch von Grundstücken nötig wurden, verschwunden.
- Das südliche Kreuz stand an der "Langen Stiege", einem Verbindungsweg zum alten Saerbecker Postdamm. In einer Katasterkarte von 1842 ist an dieser Stelle ein Kreuz eingetragen. Jetzt steht dort auf einer Erhöhung ein hohes Kreuz unter Pappeln. Die Grenze ist heute von dieser Stelle 500m entfernt.
- Das nördliche Kreuz stand in der Schlucht am Huckberg, sein Rest ist bei den Kanalbauten verschwunden.
In den Karten zu den Grenzverhandlungen Bevergern 17803 sind im Grenzverlauf außer "Kreuzkuhlen" nur in der südlichen Grenze mehrere Kreuze nicht näher bezeichneter Art als Richtpunkte eingezeichnet. (Brockpähler 1963)

Das in seinem Alter nicht bestimmbare Steinkreuz ist im Buch von Brockpähler genau beschrieben und nach Quellen und Literatur belegt. Danach hat es bereits 1366 vier Kreuze neben den Grenzsteinen der Freiheit Bevergern gegeben. Daß das Kreuz bei Wewel dazu gehört, muß allerdings bezweifelt werden; zu den in der Literatur erwähnten gehört es wohl kaum. 1930 wurde es vom Heimatverein in dem kleinen Bachlauf, an dem es heute steht, ausgegraben und wieder aufgestellt; in das neue Fundament wurden 1936 die für die Geschichte der Stadt wichtigen Jahreszahlen 1125 und 1366 eingemeißelt.
In dem groben Bossen befinden sich einige Einritzungen, von denen die auf der Westseite als Kreuzeszeichen gedeutet werden müssen. Die größeren Kerben der Ostseite sollen nach neueren Interpretationsversuchen eine Armbrust darstellen, womit das Kreuz zur Sühne für einen Mord oder Unfall aufgestellt worden sein könnte. Die Zeichen sind jedoch so unbestimmt - etliche Wetzauskerbungen und Abbrüche und Abschürfungen an den Rändern verunklären das Bild zusätzlich -, daß dieser Deutungsversuch im Bereich der Spekulation bleibt. (Breuing 1985)

*) Mit den erwähnten "Nachbarstreitigkeiten" hat es folgende Bewandnis: In früheren Jahrhunderten war Torf "der Brennstoff der armen Leute". Das zwischen Bevergern und Hörstel gelegene ehemalige Torfmoor wurde von Hörstelern und Bevergernern beansprucht. Grenzsteine wurden versetzt. Die Streitereien darüber gipfelten in der sogenannten "Plaggenschlacht" (mit Toten), in der die verfeindeten Torfstecher mit Spaten und Schaufeln aufeinander losgingen. Der Bischof von Münster hat den Streit geschlichtet und die 4 Grenzsteine aufstellen lassen.

Sage:

Quellen und Literatur:
Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.36-37
Breuing, Rudolf - Barocke Wegebilder und Kapellen im Kreis Steinfurt, 1985, S.306
Bedeutendes Denkmal geschützt, in: Regionalzeitung vom 06.03.2001
Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren
recherchiert und bebildert von Benno Lux, Lünne / Mai 2006



Bedeutendes Denkmal geschützt
Steinkreuz mit Armbrusteinzeichnung / Forschungsergebnisse

-rw- B e v e r g e r n. Zu den vom Rat in seiner jüngsten Sitzung unter Schutz gestellten Denkmalen gehört auch ein Steinkreuz an der Straße In der Landwehr. Es steht an einer Sitzbank neben dem Haus Nummer 34. Das Kreuz sieht nicht gerade wie ein bedeutendes Kunstwerk aus. Warum dann aber Denkmalschutz? Um eine Antwort auf die Frage zu finden, muß sich der Betrachter auf die dem Graben zugewandte Rückseite begeben und genau hinschauen: Dann erkennt er Konturen einer Armbrust. Und Kreuze wie dieses haben einen besonderen historischen Hintergrund.

Das Steinkreuz an der Straße In der Landwehr weist auf der Rückseite eine Armbrust-Einzeichnung auf. Sie ist aber nur andeutungsweise zu erkennen.
Foto: Wenning

   In dem "Heimatgeschichtlichen Kalender des Bezirkes Gera" aus dem Jahre 1982 erläutert Gerhard Ost "Die Armbrust auf Steinkreuzen". Soweit sie Sühnemale seien, stammten unsere Steinkreuze aus dem Mittelalter. Nach den bekannten Sühneurkunden wurde auf ihnen im sächsisch-thüringischen Raum und den angrenzenden Gebieten in der Regel die Waffe abgebildet, mit welcher der zu sühnende Totschlag begangen worden war. Dabei handelte es sich nach Angaben des Autors um Schwert, Beil, Dolch, Lanze, Winzermesser, Keule und nicht zuletzt die Armbrust.
   Im süddeutschen Raum kennzeichnete man Steinkreuze auch mit anderen Gegenständen wie Hammer, Schere oder Ackerreute, was dann auf den Beruf des Getöteten hinwies.
   Die Armbrusteinzeichnungen zeigen nach Angaben von Ost neben den Hauptteilen dieser Waffe, also Bogen, Sehne und Schaft, die Rundung über der Mitte des Bogens und oft auch das Kurbelgehäuse der Winde am unteren Ende des Schaftes.
   Auf dem Bevergerner Kreuz in der Landwehr sind auf den ersten Blick nur zwei sich kreuzende Linien zu erkennen. Für Gerhard Ost steht jedoch außer Frage, daß es sich um eine Armbrustzeichnung handelt. Ein anderer Forscher, Wilhelm Brockpähler, hatte 1963 ein Buch "Steinkreuze in Westfalen" herausgebracht, die Armbrust des Bevergerner Denkmals aber nicht erkannt.
   Daß es sich um ein für die Bundesrepublik recht seltenes Werk handeln muß, wird in dem Forschungsergebnis Ost's deutlich, die zahlreichen Schriften und Inventare hier verzeichneten nur ein Steinkreuz mit Armbrusteinzeichnungen, und zwar im Heimatmuseum von Walldorf (Baden). Stadtbaumeister Robert Eickel hat die Bedeutung des Armbrust-Steinkreuzes erkannt, als er dem Rat vorschlug, es unter Denkmalschutz zu stellen.
(Regionalzeitung vom 06.03.2001, Quelle: Werner Suer / Heimatverein Ibbenbüren)


Sühnekreuze & Mordsteine