Werkzeuge an Steinkreuzen schärfen
In Wißmar bei Gießen wurde in jüngster Zeit ein Kreuz wieder aufgefunden, das als verschollen galt. Der Kreuzstein wurde vermutlich
von Waldarbeitern dazu benutzt um Beile und Äxte zu schärfen. Der Kreuzkopf ist fast ganz herunter geschliffen, ob nun der
Aberglaube auch hier eine Rolle gespielt hat, oder ob der Stein von seiner Struktur, seiner Körnung, als Wetzstein gut war, wir wissen
es nicht.
(H.P. Probst, Grünberg-Queckborn)
Auch von Torfstechern ist bekannt, dass sie ihre Schaufeln und Spaten an Grenzsteinen und Steinkreuzen zu
schärfen pflegten (vgl. Bevergern). Viele Grenzstein und Steinkreuze des Emslandes
zeigen deutliche Schleifspuren die auf diese Gewohnheit zurückzuführen sind.
(Benno Lux, Lünne)
Die sogenannten Wetzmarken
In den alten freien Reichsstädten und auch in den kleineren befestigten mittelalterlichen Orten sehen wir oft auf den Verkleidungsquadern
der Hauptausgänge aus den Kirchen, Rillen und Rundmarken, denen wir eine besondere Bedeutung im Mittelalter zuerkennen müssen. Mit den sog.
Schalensteinen und den darauf befindlichen Höhlungen, welche nach Ansicht einiger Gelehrten durch
Auswitterung entstanden sein sollen, auch mit den von dem Franzosen de Caumont für Opfersteine gehaltenen Findlingen der Buntsandsteinformation in den
Vogesen haben diese Längsrillen auf den Quadern an den Kirchenportalen nichts gemein.
Wir haben solche Marken an verschiedenen älteren Kirchen im Elsass, in Baden, in Württemberg und in der Pfalz vorgefunden und
aufgenommen.
Es unterliegt keinem Zweifel, dass diese Zeichen, die alle eine gleiche Lage und eine gleiche Grosse haben, künstlich entstanden sind
und auf eine religiöse Bedeutung zurückgeführt werden müssen.
Der Name "Wetzmarken" hat sich allgemein in den betreffenden Städten, wo sie -vorkommen, für diese Rillen erhalten.
Dr. Schaefer führt unter den Wahrzeichen der Stadt Braunschweig diese Zeichen an der Kirche an mit der Sage, dass dieselben von dem
Löwen herrühren sollen, der seinen daselbst begrabenen Herrn, den Herzog Welf, aufsuchte und da er in die Kirche nicht eindringen konnte, soll er mit seinen
Krallen die Einschnitte in die Stirnflächen der Quader eingekratzt haben.
Unanfechtbar ist das Urteil meines Freundes, des Herrn Dr. Mone in Karlsruhe, der sich in der Kenntnis der mittelalterlichen Kunst und
ihrer religiösen Bedeutung einen grossen Ruf erworben hat, dass diese Wetzmarken auf einen Weiheakt in der Kirche vor dem Ausmarsch der Zünfte aus der Stadt
gegen einen Feind zurückzuführen sind. Die Krieger versammelten sich zu diesem Zweck in der Kirche und nach Abhaltung der Messe und der Erteilung des
priesterlichen Segens, versäumten sie nie, am Ausgang aus der Kirche ihre Schwerter und Hellebarden noch in den Rillen zu wetzen. Dies geschah in dem Glauben,
dass durch diesen Vorgang der Sieg ihrer Warfen über den Feind und die glückliche Wiederkehr in die Heimat besiegelt sei.
Nach dem 30 jährigen Kriege dürfte dieser alte Gebrauch des Wetzens der Warfen an den Steinen der Ausgangspforte der Kirchen
aufgehört haben und es verlor sich seit dieser Zeit beim Volk die eigentliche Bedeutung der sog. Wetzmarken.
Wie viele solcher Quadersteine sind seit dieser Zeit durch Erneuerung der morschen Verkleidungen entfernt worden, aber wir sehen doch
noch allenthalben diese Rillen an unsern alten Kirchen.
Im beiliegenden Blatt haben wir eine Darstellung des Aufganges zum Portal der Stadtkirche zu Heppenheim gegeben.
Wir fanden solche in ähnlicher Weise an den Kirchen in Strassburg, Kollmar, Eppingen, Freiburg i.Br. etc. ausgeprägt.
Die Rund- und Wetzmarken hat Dr. H. Wankel in einer kleinen Schrift (Ollmütz 1884) besprochen. Es sollen sich solche an der
Mauritzkirche zu Ollmütz und an der alten Georgskirche zu Littau befinden. Wankel fand einen Opferstein mit einem Näpfchen und zwei Rillen bei Raigern in
einer 7m tiefen Brandgrube mit fünf menschlichen Skeletten, die Spuren der Opferung erkennen lassen.
Nach Hildebrand legt man noch heute in die Grübchen der Schalensteine in Schweden Opfergaben, Spielereien, Stecknadeln, Geld, um den
Elfen die Zeit zu vertreiben.
Im alten Testamente werden heilige und gesalbte Steine erwähnt. Wankel glaubt, dass diese Näpfchen und Rillen in die kirchliche
Ornamentik aufgenommen worden seien, da sie als Symbole der Thränen galten.
In Posen lebt die Sage, nach welcher am Portale die armen Seelen der Verdammten, die bei Lebzeiten die Kirche nie besuchten, des Nachts
verzweiflungsvoll an den Mauern der Kirche kratzten, um hinein zu kommen. Auch bestrich man diese Näpfchen mit Butter und Fett, um damit Hautausschläge und
Augenkrankheiten zu heilen.
Das Pulver dieser Steine gebrauchte man gegen Fallsucht und Kröpf. Meist werden diese Zeichen an den Kirchen von ehemals slavischen
Ländern gefunden.
Die Rundmarken sind 5cm gross, die Wetzmarken 15 bis 25cm lang 2-3cm breit. Dieselben kommen auch an den Cyrillischen Kreuzen
vor, die aus der Zeit der Einführung des Christentumes bei den Slaven herrühren, und oft an die Babafiguren der russischen Kurgane erinnern.
Andeutungen dieser Rillen und Grübchen scheinen auch als Ornament auf Gelassen der neolithischen Zeit dargestellt zu sein. Nach
Wankels Mitteilungen finden sich auch in den Grotten des Kymrischen Taurus Rillen und Näpfchen zu vielen tausenden eingehauen. Er fand sie auch auf alten
moslemischen Grabsteinen dieser Gegend (siehe Bonner Jahrbuch 1884 S.243).
(Naeher, Julius - Die Burgenkunde für das Südwestdeutsche Gebiet. München 1901, S.200-203)