Müller / Quietzsch (1977) |
Torke (1983) |
Kuhfahl (1928) |
einer Karte von F.L. Aster (1780-1806) |
PLZ:
01768GPS:
Standort:
Westnordwestlich vom Ort am Fußweg nach Reinhardtsgrimma.Größe / Material:
160:93:38 / SandsteinGeschichte:
Bezeichnung: "Wittichkreuz" oder "Wittigs Kreuz" (nach zweifelhafter Inschrift). Kopf, Arme und Schaft zur Kreuzung zu verjüngend. Kopf durch Armverstümmelungen lang wirkend. S-Seite, unter dem Kopfansatz eingeritzt: WITTICH, verhältnismäßig jung. N-Seite, im Kopf eingeritzt: lineares, gleichschenkliges Kreuz; rechts daneben, größer eingeritzt: Dolch oder lineares Kreuz. In Begrenzung von Arm-, Kopf- und Schaftansatz linear abgegrenztes rechteckiges Feld, darin undeutbare Einritzungen: etwa lineares größeres Kreuz und ein kleineres. Starke alte Abschläge an beiden Armen, allgemeine oberflächliche Verwitterung. (Müller / Quietzsch 1977)Sage:
1. Hier soll Weichold von Bernstein auf Luchau um 1430 den Raubritter Wittich erschossen haben, doch wird der Ort des Kampfes auch mit "über dem Rittergut Reinhardtsgrimme" oder mit Ottendorf b. Pirna angegeben. Und ob man einem Räuber ein Kreuz setzte? Vielleicht war es als Sühnekreuz schon vorhanden.Quellen und Literatur:
Wenn man von dem Bergstädtchen Glashütte an der Müglitz die Staatsstraße nach Dippoldiswalde wandert, zweigt etwa fünfhundert Meter hinter der Stadt rechter Hand ein kleines Wiesental ab. Ein Feldweg steigt darin anfangs leicht, bald aber steil aufwärts und dort, wo das Tal sich weitend in den Hang ausläuft, steht am Rande jungen Fichtenwaldes, von Hecken malerisch umrahmt, ein altes Steinkreuz. Der Volksmund nennt es Wittichkreuz nach dem darauf eingeritzten Namen und den Gerüchten über einen Räuber Wittich, der hier getötet worden sei. Es soll auch nicht ganz geheuer sein an diesem Ort und wer zur mitternächtlichen Stunde hier vorübergeht, dem könnte wohl der Geist Wittichs erscheinen. Was hat man aber nun von alledem zu halten?
Der Chronist Laurentius Peccenstein berichtet in seinem Theatrum Saxonicum vom Jahre 1608 im zehnten Kapitel über diesen Wittich, über Wittichschloß und Wittichkreuz. Er hat als Quelle eine Handschrift des Reinerus Reineccius vom Jahre 1569 fast wörtlich verwendet. Nach beiden Quellen sei das folgende berichtet:
Auf dem Rittersitz Lochaw (heute Erbgericht Luchau bei Glashütte) saß einst der Ritter Weigold von Bärenstein. Er war in der Jagd und im Kriegshandwerk wohl geübt, und der letzte Umstand mag vor allem der Grund gewesen sein, dass ihn der Räuber Wittich besonders fürchtete, der "seyn auffenthalt in einem starken Felse, gelegen unter der itzigen Berkstadt Glasehütte" gehabt haben soll. Wittich, der noch "allerley böse Buben" zu sich gezogen, wurde vom markgrafen von Meißen öffentlich ausgekündigt und auf seine Ergreifung, ob tot oder lebendig, eine hohe "vergunstigung" ausgesetzt. Da er sich am meisten um den "von Bernstein" sorgte, der seiner "Tugent halben ihm vordechtig war", beschloß er "ihn hinterlistiglich hinwegzureumen, in meynunge durch solch Exempell andere abscheuig zu machen, sich an Ihme zuvorgreiffenn".
Eines Morgens begab er sich mit einigen Knechten "vor des von Bernsteins behausunge gegen der Lochaw, begeret ein Gespreche mit ihme", das ihm Weigold ohne Argwohn gewährte. Kaum war dieser vors Haus getreten, tat der Bösewicht mit seiner Armbrust drei Schüsse auf ihn, doch ohne Schaden. Weigold setzte mit seinen Reißigen den Fliehenden "auff dem Fuße nach" und holte sie ein. Er hielt Wittich zuerst "seine Untreue und sein verräterisch Gemüt" vor und griff dann zur Wehr. Auch der Räuber war "in solchenn sachenn wol geübet", aber Weigold behielt die Oberhand und tötete ihn. Sein Raubhaus wurde eingenommen und zerstört. "Über dem Ryttorsitz Reinharts Grymme" aber wurde wegen dieses Todschlages "das Kreuz aufgerichtet, das bis heute geblieben". Voll biederen und ehrsamen Gemütes lehnte Weigold allen Lohn und Dank des Markgrafen ab; doch da man in ihn drang, sich eine Belohnung auszubitten, stellte er ein höchst eigenartiges Begehren: man solle einen guten Hirsch, den er auf seinem Gebiete gehetzt und gefangen, wegführen und in Dresden über die steinerne Brücke, die über die Elbe gebaut war, laufen lassen.
Die oben geschilderte Begebenheit erwähnt Dr. Kuhfahl in Band VI, Heft 11 und 12 der Mitteilungen des Landesvereins Sächsischer Heimatschutz. Er berichtet nach Valentin Königs Adelshistorie (Leipzig 1707, Band I, Seite 22), die ich noch nicht daraufhin durchsehen konnte, ob König Näheres über seine Quelle angibt. Sicher scheint mir aber zu sein, daß die angeführte Zahl 1430 nur auf Schätzung beruhen kann. Über die älteste Geschichte der Bärensteins sind fast keine Urkunden mehr vorhanden, da sie zum größten Teile bei einem Brande des Rittergutes Ottendorf bei Pirna, daß der genannte Weigold von Bärenstein oder seine Nachkommen käuflich erwarben, verbrannt sind (Chr. Meißner - Umständliche Nachrichten von Altenberg, 1747, Seite 532 / Peccensteinius - Theatrum Saxonicum, 1608). Erwähnt sei nur, daß der Großvater Weigolds, Reinhold von Bärenstein, 1315 starb. Geht man von dieser Zahl aus, so dürfte sich der geschichtliche Vorgang sicher wesentlich eher als 1430 abgespielt haben.
Über die richtige Bestimmung des Ortes macht Dr. Kuhfahl Zweifel im Hinblick auf die oben angeführte Stelle geltend, daß dies Kreuz über dem Rittersitz Reinhardtsgrimma (siehe oben) errichtet worden sei. Neuere Feststellungen haben ergeben, daß der heutige Standort (1927) nicht der ursprüngliche ist. Die von Dr. Kuhfahl angeführte Notiz Bösigks (Bösigk, F.L. - "über Mordkreuze", Mitteilungen d. Kgl. Sächs. Altertumsvereins zu Dresden, 1857, Heft 10, Seite 31 ff), das Kreuz sei einmal umgefallen und wieder aufgestellt worden, läßt sich dahin erweitern, daß man Ende der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts das Kreuz von seinem alten Standort entfernte und nach Glashütte brachte, wo es bei einem Hausbau verwendet werden sollte. Mag nun bei dem Bauherrn damals ein Funken heimatkundlichen Gewissens aufgeglüht sein oder kam auch ihm die Furcht an, die die Mordkreuze allenthalben im Volke verbreiteten, sicher ist, man lud das Kreuz wieder auf und beabsichtigte wohl, es an seinen Standort zurückzubringen. Dem Fuhrmann mag die Last zu groß geworden sein. Er warf den Stein auf halbem Wege ab, und so kam dieser an seinen jetzigen Standort.
Nach den Angaben eines alten Einwohners von Luchau, der sich auf die eben geschilderten Ereignisse noch genau besinnen kann und auch die daran beteiligten Personen mit Namen zu nennen weiß, lag der ursprüngliche Standort des Kreuzes auf Glashütter Boden, nur wenige Schritte von dem Punkte entfernt, wo Cunnersdorfer, Luchauer und Glashütter Flur zusammentreffen. Nun läßt sich nachweisen, daß die Besitzer der hier angrenzenden Cunnersdorfer Fluren dem Rittergute Reinhardtsgrimma fronpflichtig waren, ja daß ein großer Teil dieser Fluren lange Zeit mit Reinhardtsgrimma in gleichen Händen war. Dieser Rittersitz hatte demnach damals eine größere Ausdehnung als heute, und der alte Standort des Kreuzes lag also dicht "über dem Ryttorsitz Reinharts Grymme", sofern man dabei die Besitzung als Ganzes, nicht nur das Rittergut, versteht.
Reinhardtsgrimma muß in hiesiger Gegend eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben; denn außer den beiden erwähnten Chronisten zieht zum Beispiel auch der "Pirnische Mönch" diesen Rittersitz zu näherer Ortsbestimmung heran. Er schreibt von: "Clasehutte in Meißen bey Reinartsgrimme" (Chr. Meißner - Umständliche Nachrichten von Altenberg, 1747, Seite 585).
Mag der geschilderte Vorgang auch eine sagenhafte Umkleidung haben, man kann ihn doch einen historischen Kern nicht absprechen. Konnte sich bessere Gelegenheit zur Anlegung eines Raubnestes bieten, als sie das unterhalb Glashütte besonders felsige und wilde Müglitztal bot? Daß das Erzgebirge manchem Raubritter, als den man Wittich sicher betrachten kann, Schlupfwinkel bot, wird in der sächsischen Geschichte auch anderorts erwähnt.
Als Wittich den Mißerfolg seines Anschlages erkannte, wird er ganz gewiß versucht haben, nach seinem Raubnest zu entkommen, das ihm sicheren Versteck bot und wo er vielleicht auch noch Helfershelfer hatte. Dahin führte der kürzeste Weg über jenen Ort, an dem das Kreuz früher stand. Es ist doch ganz unwahrscheinlich, daß er in Richtung auf das Schloß Reinhardtsgrimma floh, wo er nur auf neue Feinde treffen mußte. Das Steinkreuz, daß im Dorfe Reinhardtsgrimma fehlt, sowie das verschwundene Kreuz am Wege von Luchau nach diesem Orte läßt sich also kaum mit dem Ereignis in Verbindung bringen.
An der Echtheit der Inschrift auf Wittichkreuz ist, wie Dr. Kuhfahl bereits sagt, mit Sicherheit zu zweifeln, die geschichtliche Echtheit des Kreuzes glaube ich aber nach meinen Ausführungen als sehr wahrscheinlich dargestellt zu haben.
(Landesverein Sächsischer Heimatschutz, Mitteilungen Heft 7 bis 8, Band XVI, 1927)
In einer 1569 verfaßten Handschrift zur Geschichte des Geschlechtes von Bärenstein wird die Errichtung eines Steinkreuzes genannt im Zusammenhang mit der Erschlagung des Räubers Wittich durch Weigold von Bärenstein 1). Die Chronik berichtet darüber:
"Es waren die Zeit vnd nach schier bein menschen gedencken viell Raubhewser am Behemischen Gebyrge (wie es dan also pfleget zuergehenn das solche Leuthe auff denn Grentzenn am meysten sich auffhaltenn) vnd sol insonder einer dieser Reuber des nahmes Wyttich sein auffenthalt in einem starckenn felse, gelegen vnter der itzigen Berckstadt Glasehütte so damals nach ein wyldniss vnd gehöltz gewesenn, an dem wasser der Mügelitz gehabt habenn, welcher das ehr allerley böse Buben zu sich getzogenn, Meyssenn sehr aufsetzig wordenn, dermassen, das diesen Vnrats zu wehrenn die Marggraven so damals albereyt auch das Landgraffthums Döringenn ingehabt, verursachet wordenn, öffentlich auskundigen lassenn, Das wer diesenn Reuber Ihnen entweder lebendig oder Todt uberantwortten würde, derselbigen einer grossen vnd muglichenn bitte Vergünstigung habenn solte".
Nach einem mißglückten hinterhältigen Anschlag, den Wittich auf Weigold von Bärenstein in Luchau verübte, wurde der Räuber durch diesen verfolgt, zum Kampfe gestellt und erschlagen,
"...demnach sein Raubhawß eingenohmenn, vnd Zerbrochenn, wie woll doch solcher ortt bis auff den heutigen tag von Ihme Wyttichs schloß genant wirdt. Wie dan auch über dem Ryttersitz Reinharts Grymme dehnen von Cariß zustendig, das Kreutze so von wegenn dieses Todschlages damals auffgerichtet, nach byß anhero geblybenn".
(Sächsische Landesbibliothek Dresden) |
Die Chronik nennt für diesen Vorgang selbst keine Jahreszahl, aus anderen Angaben jedoch ist ersichtlich,
daß es um 1400 geschehen sein muß 2).
Der Bericht zeigt, daß auch bei einer Tötung von Rechts wegen (Wittich war ja als vogelfrei erklärt worden) ein Steinkreuz
aufgestellt wurde. Das erwähnte Steinkreuz ist mit Gewißheit nicht zu den Sühnekreuzen zu zählen. Es sollte dem Seelenfrieden des
Räubers dienen, der sein Leben aufgrund seiner Untaten verwirkt hatte, jedoch, gleichermaßen wie jeder andere, Hoffnung auf das
ewige Heil haben durfte.
mit der Eintragung "Am Wittichs creutz" (Auszugsweise Nachzeichnung aus der von S. Rüge 1889 veröffentlichten Karte, Blatt 7) |
Literaturverzeichnis:
1) Chr. Reynerum Reyneck Steinhemium: Ankunfts u. Geburts Stam d. Geschlechts der von Bernsteyn. Handschrift von 1569, Bl. 598a und b (Sächsische Landesbibliothek Dresden)
2) Weigolds Vater Walzig von Bärenstein kaufte 1361 ein Gut in Böhmen und der älteste der drei Brüder Weigolds starb 1383
3) C. F. Mosch 1816, S. 217
4) E. Glänzel: Das Wittichkreuz bei Glashütte. In: Mitt. d. Landesvereins Sachs. Heimatschutz, Bd. XVI, 1927, Heft 7/8, S. 318-320
(Torke, Horst - Alte Steinkreuze zwischen Dresden, Pirna und Sächsischer Schweiz, 1983, S.22-23)