Deutschland
Sachsen
Weißeritzkreis
Ruppendorf (I)
Foto: Eichler (2009) |
PLZ:
01774
GPS:
N 50° 54.443', O 13° 36.130'
Standort:
Im mittleren Ortsteil, nordnordöstlich der Kirche, südlich vom
Platz, den die Straßenkreuzung bildet, südwestlich der Straße nach Reichstädt, bei der Brückenbrüstung.
Größe / Material:
42-47:35:12 / Grobkörniger Sandstein
Geschichte:
Eingeritzte Buchstaben: SSO-Seite auf der Kreuzung großes
lateinisches R (möglicherweise Ruppendorf), NNW-Seite auf der Kreuzung großes lateinisches B (möglicherweise Beerwalde).
Sage:
1. Grab aus den Hussitenkriegen.
2. Grab von an der Pest gestorbenen Schweden im 30jährigen Krieg.
3. Hier wurde ein Mensch ermordet.
4. Grenzkreuz, soll früher an der Flurgrenze zwischen Ruppendorf und Beerwalde gestanden haben.
Quellen und Literatur:
• Wiechel, H. - Alte Steinkreuze in Sachsen, in: Mitteilungen des Vereins für Sächsische Volkskunde Dresden, 1.Band (1897/99), Heft 11, 1899, S.2-6
• Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, Nr.220
• Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, Nachtrag, 1936, Nr.236
• Rudolph, Edgar - Das Ruppendorfer Steinkreuz, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde. 12.Jg., 1937, Heft 1, S.37-39
• Müller / Quietzsch - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Inventar Bezirk Dresden, 1977, S.111-112
• aktuelle Aufnahme von Peter Voigt, Heidenau
• Ergänzungen von Uwe Eichler, Bannewitz (Foto von 2009)
Das Ruppendorfer Steinkreuz
Von Edgar Rudolph, Hainsberg Sa.
In Ruppendorf (Amtsh. Dippoldiswalde) steht auf der Schulwiese zwischen Kirche und Dippoldiswalder Straße
nahe dem Höckenbach ein wenig in die Augen fallendes Sandsteinkreuz. Es ist eins der kleinsten unter den über 300 Steinkreuzen
unseres sächsischen Vaterlandes und trägt in großen lateinischen Buchstaben auf der einen Seite ein R und auf der anderen ein B.
Alte Ortseinwohner wissen noch, daß das Kreuz früher in Sträuchern versteckt war und erst nach der Beseitigung beim Straßenbau
zum Vorschein kam.
Die Ruppendorfer erzählen von ihrem Steinkreuz mehrere einander ähnliche Sagen: In den Hussitenkriegen soll
man Tote dort begraben haben. – Im Dreißigjährigen Kriege sollen an der Pest verstorbene Schweden dort beerdigt worden sein. –
Dort soll jemand ermordet worden sein.
Die rätselhafte Inschrift hat man bisher nicht deuten können. Man vermutet, daß die Buchstaben die
Namenszeichen eines dort ermordeten oder Beerdigten seien. Daß sie aber auf eine Begräbnisstätte Bezug haben könnten, ist ganz
von der Hand zu weisen; dazu liegt der Platz viel zu nahe am Bach. Mir ist eine andere Deutung der Buchstaben wahrscheinlicher:
das R heißt Ruppendorf und das B Beerwalde. Das Steinkreuz hat früher wahrscheinlich draußen an der Ruppendorfer - Beerwalder
Flurgrenze gestanden. Es ist eins der wenig bekannten Grenzkreuze. Schon die einander gegenüber (!) liegenden Buchstaben deuten
auf Grenzbezeichnung, und die verhältnismäßig geringe Größe des Kreuzes mag ebenfalls damit zusammenhängen. Warum man das
Grenzkreuz von seinem früheren Standort verschleppte und wann dies geschah, wird wahrscheinlich ein ungelöstes Rätsel bleiben,
ebenso, ob vor seiner Beschriftung, die kaum älter als 400 Jahre zu sein scheint, etwa schon anderen Zwecken gedient hat 1).
Bemerkenswert ist, daß es noch heute mit einem viel jüngeren Grenzstein fest verklammert ist. Es ist anzunehmen, daß es auch an
seinem neuen Standort ursprünglich ein Grenzmal war, später aber als ein solches nicht mehr angesprochen wurde, so daß man
sich genötigt sah, einen neuen Grenzstein daneben zu setzen.
Möchte das Steinkreuz als ein Kulturdenkmal unserer Vorfahren noch recht lange erhalten bleiben und
nicht das Schicksal teilen, das einigen anderen Ruppendorfer Steinkreuzen um die Mitte des Vorjahrhunderts widerfuhr!
1837 erwähnte nämlich der Ruppendorfer Pfarrer in der "Sächsischen Kirchengalerie", 1. Band, S.39,
einige Steinsäulen hinterm Dorf, welche die Gestalt eines Kreuzes hätten. Eines stelle in einer Blende 2)
die Maria dar (nicht die Hl. Anna, wie an späterer Stelle irtümlich zu lesen ist), die übrigen seien mit Ritterschwertern geziert. 1840
erwähnte Schiffner in seinem "Handbuch der Geographie, Statistik und Topographie des Königreichs Sachsen", Band II, S.237 auch
diese 6 Bet(!)kreuze, davon 5 beisammen stünden, Noch 1845 führte Schiffner ("Beschreibung von Sachsen", S.393) die 6
Ruppendorfer Betsäulen an. Aber schon 1857 mußte Dr. Bösigk nach Aussagen des Dippoldiswalder Kalkuators Gerhardt berichten,
daß "die wohlhabende Gemeinde Ruppendorf in neuerer Zeit alle diese figurengeschmückten Kreuze leider zu einem Steig über den
Bach verwandt habe" (Mitt. des Königl. Sächsischen Vereins für die Erforschung und Erhaltung vaterländischer Altertümer, Heft 10,
1857, S.37).
Möglicherweise standen diese Betkreuze in katholischer Zeit als Stationskreuze am alten von Beerwalde
nach Ruppendorf führenden Kirchsteig. Sie wären damit ein Gegenstück zu den noch teilweise noch vorhandenen Betsäulen am
gleichgerichteten Kirchweg Obercunnersdorf – Höckendorf und könnten wie diese ihren Ursprung den einstigen Herren der
benachbarten Kirchspiele Höckendorf und Ruppendorf, den Rittern von Theler, verdanken.
Wäre es nichtmöglich, etwaige Spuren dieser verschollenen Ruppendorfer Steinkreuze aufzufinden, wenn
man einmal unter allen Steigen und Brückchen des Ortes Umschau halten ließe?
1) Im Thüringer Kalender, Eisenach 1920,
S.36 wird eine Gruppe urkundlich 1480 als Grenzzeichen bezeugter und teilweise auf der Weichbildgrenze von Jena noch
vorhandener Steinkreuze erwähnt. Von einem derselben wird allerdings schon 1467 bei Grenzstreitigkeiten gesagt, daß es einst als
Sühnezeichen für einen Erschlagenen gesetzt worden sei. Es ist anzunehmen, dass es von Gerichts wegen nahe dem Tatort auf der
Gemarkungsgrenze an einem Wege aufgestellt werden mußte.
2) Blende = Bildnische. Eine solche findet sich an sächsischen Steinkreuzen ganz selten.
(Aus: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde. 12.Jg., 1937, Heft 1, S.37-39)
Ruppendorf (II)
Detailaufnahme Foto: Meyer |
Detail Schaft Foto: Eichler (2009) |
Detail Schaft Foto: Eichler (2009) |
GPS:
Standort:
Am nordwestlichen Ende des Ortes, am Anfang der "Freiberger Straße",
schräg gegenüber der Einmündung der "Dippoldiswalder Straße".
Größe / Material:
Sandstein
Geschichte:
Wird hier "Martersäule" genannt. In der älteren Literatur wird der
Bildstock den sieben Theler-Säulen zugerechnet, die jüngere Forschung kann aber keinen Zusammenhang bestätigen.
Am nordwestlichen Ende des Ortes, am Anfang der Freiberger Straße, schräg gegenüber der Einmündung der Dippoldiswalder Straße.
Wuchtige monolithische Sandsteinsäule, wohl aus der Mitte des 15.Jahrhunderts, mit einer breiten Nische im Kopfteil und einer kleineren Nische im Schaft.
In der oberen Nische ein auf Kupferblech gemaltes Bild mit Inschrift. In der unteren Nische steht ein Kreuz aus Eisen, der Korpus des Gekreuzigten fehlt.
Bilder und Ikonographie im Aufsatz: Ein von Hedi von Eckardstein auf Kupferblech gemaltes Bild: ein Säemann.
Inschriften am Aufsatz: Der aber Samen reichet dem Säemann, der wird auch das Brot reichen zur Speise. In den Notjahren 1931-32.
Die Bezeichnung Thelersäule ist unzutreffend. Die Säule scheint 1837 ein Bild der Maria enthalten zu haben. Sie wurde 1932 durch Hubert Ermisch vor einem
alten Haus, an dem sie als Torsäule am Hofeingang gedient hatte und an dem sie schief und halb eingesunken stand, geborgen und am jetzigen Standort neben dem
Haus aufgestellt. Dabei wurde das von der Dresdner Malerin Hedi von Eckardstein gemalte Bild eingefügt. Um die obere Nische herum stecken sieben hölzerne Dübel
im Stein und weisen auf ein dort befestigtes Gitter. In der unteren Nische wurde ein von Richard Rothenberger aus Freital geschaffenes Kruzifix aufgestellt, dem jetzt
leider der Korpus fehlt. Das 1932 vorgesehene geschmiedete Schutzgitter vor der unteren Nische ist nicht angebracht worden. Besondere Verdienste um die
Wiederherstellung der Säule hat sich Hugo Schulz aus Freital erworben. Die Einweihung war am 4. Mai 1932. (Eichler 2003)
Die Kapellen auf dem Wege von der Kirche zu Höckendorf nach Cunnersdorf gleichen mehr bloßen Betsäulen, und stehen
von den sieben nur noch zwei, die anderen fünf sind umgestürzt. Aber auch an diesen zwei übrig gebliebenen ist von Inschriften
nichts mehr zu erkennen. Die von Theler besaßen Höckendorf vom vierzehnten bis in das sechzehnte Jahrhundert. (Ziehnert 1881)
Sage:
Quellen und Literatur:
• Ziehnert, Widar - Die sieben Kapellen bei Höckendorf., in: Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden, Vierte Auflage, Annaberg 1881, S.192-198
• Ermisch, Hubert Georg - Die Theler-Säulen von Ölsa und Ruppendorf, in: Landesverein Sächsischer Heimatschutz. Band XXI, 1932, Heft 4 bis 6, S.183-191
• Eichler, Ulrich - Marter und Bildstock. Betsäulen in Sachsen, 2003, Nr.128
• aktuelle Aufnahmen von Denny Meyer, Dresden
• Ergänzungen von Uwe Eichler, Bannewitz (Fotos von 2009)
Die Theler-Säulen von Ölsa und Ruppendorf
Von Hubert Georg Ermisch.
Mit Aufnahmen des Heimatschutzes
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Theler-Säule von Ölsa nach ihrer Erneuerung |
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Theler-Säule in Ruppendorf in altem Zustande an alter Fundstelle |
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Theler-Säule in Ruppendorf in erneuertem Zustande |
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Bildschmuck in der Nische der Ruppendorfer Säule |
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Erneuerte Theler-Säule im Ruppendorfer Dorfbilde |
Die Sage erzählt: Konrad von Theler, einer aus dem alten Geschlecht der Theler, die in
Ruppendorf und Höckendorf zu Hause waren, erschlug im Zorn und Übermut den Pfarrer in Höckendorf, weil ihn dieser ermahnt hatte,
die Gottesgaben der Erde nicht zu missbrauchen und von seinem Mammon der Kirche ihr Teil zu geben. Zur Buße für diese Zornestat
wallfahrte er nach Jerusalem. Als er nach Jahr und Tag wieder die Heimat betrat errichtete er statt der damals üblichen Sühnekreuze
Betsäulen. Konrad von Theler starb 1361. Seine Grabplatte und sein Familienwappen in der Kirche von Höckendorf sind noch heute
gut erhalten.
Eine der Thelerschen Betsäulen steht auf der höchsten Erhebung zwischen Ölsa und Seifersdorf. Sie ist
auf der Generalstabskarte mit "Martersäule" bezeichnet. Der Blick schweift von diesem Platz über das schöne bergige Land hinweg.
Einsam steht sie am Feldwege. Der Weg bildet wohl einst die Straße zwischen Ölsa und Seifersdorf. Diese Betsäule ist unter allen
Vorhandenen die einzige, die nicht nur ihren alten Platz, sondern auch ihre alte Bestimmung bis heute, also über 580 Jahre hinweg
behalten hat. Noch1867 sind der Kirche von Seifersdorf 300 Taler gestiftet worden von einem der Ölsaer Bauern, damit von den
Zinsen jährlich 1 Taler für Erhaltung dieser Säule verwendet würde. Diese Stiftung fiel natürlich auch der Inflation anheim. Noch kurz
vor dem Weltkrieg ist aber aus Stiftungsmitteln das Kruzifix vergoldet und der Kasten in der oberen Steinnische angestrichen worden.
Am Stamm der Betsäule waren damals schon zwei Tafeln angebracht mit Inschriften. Auf der einen stand.
Gelobt sei Jesus Christus! |
Auf der anderen:
"Stehe stille, mein lieber Wandersmann,
Schaue an, was ich für dich getan,
Betrachte mein bittren Schweiß und Kreuzes Tod!
Nun setze Deine Reise weiter fort – mit Gott!"
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Diese Säule war in Vergessenheit geraten. Das Kruzifix hatten rohe Hände herausgerissen. Die Schrift auf
den Tafeln war unleserlich geworden und in der Bildnische hatte sich ein Wespennest breit gemacht. Der fast 3,00m hohe Sockel
der Sandsteinsäule war mit Ölfarbe überstrichen.
Im Herbst 1930 wurde unter möglichster Wahrung des alten Charakters diese Betsäule wieder hergestellt.
Die Schrifttafeln wurden erneuert, die Bildnische von dem Holzeinsatz befreit und mit einem schlichten handgearbeiteten Kruzifix
wieder ausgeschmückt. Ein schmiedeeisernes Gitter ist vor der Bildnische angebracht worden. Vor allem hat man aber den schönen
farbiggeaderten Sandstein von der Ölfarbenschicht befreit. Am 6. Dezember 1930 war man mit der Arbeit fertig.
Wesendlich schwieriger lagen die Verhältnisse bei der zweiten Thelerschen Betsäule in Ruppendorf. Gegenüber
der Molkerei an der Straßengabel Ruppendorf – Höckendorf und Ruppendorf – Oberkunnersdorf stand hinter einem Holzscheithaufen
schräg an der Mauerecke eines Hauses eine eigenartige wuchtige Steinsäule, die man lange Zeit als Torsäule für den Hofeingang
verwendet hatte. Noch heute zeigt die Säule, in das man der Holzriegel des Tores eingeschoben wurde. Die Säule war fast dreiviertel
Meter in der Erde versunken. Die Bildnische ist so eigenartig verzerrt, daß man annehmen muß, daß dies kein Zufall, sondern
wohlberechnete Absicht war.
Diese zweite Thelersäule wurde von ihrem – sicher nicht ursprünglichen – Platz fortgebracht. Man grub sie
zunächst frei und holte dann den wohl acht Zentner schweren Koloß aus der Erde heraus. Wenige Schritte vom seitherigen Platz vor
dem Giebel des alten Hauses und unter dem mächtigen Apfelbaum wurde die Säule neu versetzt. Sie ragt nun fast 3 Meter über dem
Boden heraus. Zur Sicherung ist eine Betonplatte darunter und ein Betonfuß darum gestampft worden. Da an dieser Ruppendorfer
Betsäule am Stamm eine Nische für das Kruzifix vorhanden war, wurde hierhinein wieder ein schlichtes handgearbeitetes Kruzifix
gestellt und die obere Bildnische mit einem auf Kupfer gemalten Bild geschmückt als Erinnerung an die Notjahre 1931/1932. Ein
Säemann ist trefflich in die eigenartige Form der Bildnische eingepasst. Darunter steht das Bibelwort: Der aber Samen reichet dem
Säemann, der wird auch Brot geben zur Speise. Wie Bild, Kreuz und Säule zu einer schönen Einheit geworden ist, so sind wiederum
Haus, Baum und Säule vorzüglich aufeinander eingestellt. Man kann wohl sagen, daß mit wenigen Mitteln nicht nur ein Stück alter
Kultur wieder aus dem Dornröschenschlaf erweckt wurde, sondern auch ein eigenartiges Kunstwerk entstand, dem nur zu wünschen
ist, daß es vor rohen Händen bewahrt bleibt.
Die Schrifttafeln der Ölsaer und die Bildtafeln der Ruppendorfer Säule wurden von der Dresdnerin Malerin
Hede von Eckardstein geschmückt. Die Kruzifixe und das Gitter fertigte der Kunstschlosser Richard Rothenberger in
Freital-Potschappel. Um die Wiederentdeckung der Säule von Ruppendorf, um die Werbung der Mittel für die
Wiederherstellungsarbeiten beider Betsäulen hat sich der bekannte Heimatfreund Hugo Schulz in Freital besonderes Verdienst
erworben. Er hat den Beweis erbracht, daß es auch in Notzeiten möglich ist, derartige Arbeiten des Heimatschutzes auszuführen,
wenn alle Organisationen und Vereine mit ähnlichen Zielen jede für sich zu ihrem kleinen Teil mithilft. Wenn Hugo Schulz in seinem
Bericht über das Werden dieser Wiederherstellungsarbeiten erzählt, daß er nirgends ganz umsonst angeklopft habe, daß überall ein
kleines Scherflein gegeben wurde, so kann man wohl hoffnungsvoll in die Zukunft der Heimatschutzbewegung blicken. Sie wird auch
diese Notzeit überwinden *).
*) Anmerkung der Schriftleitung: Die künstlerische Erneuerung beider Säulen leitete
der Verfasser
(Mitteilungen - Landesverein Sächsischer Heimatschutz. Band XXI, 1932, Heft 4 bis 6, S.183-191)