Deutschland Sachsen Weißeritzkreis

Höckendorf (I)


Helmut Köhler bei
der Aufstellung 1972
Abbildung bei
Müller / Quietzsch
(1977)

PLZ: 01744

GPS:

Standort: Westlich der Ortsmitte, zwischen Großer Stieflitz und Ort, im spitzen Winkel des Wegeabzweigs nach Süd vom Verbindungsweg Höckendorf - Obercunnersdorf, 8m südwestlich vom Abzweig.

Größe / Material: 67:33:17 / grobkörniger Sandstein

Geschichte: Kopf gerade; wohl ursprünglich auch gerade Arme, einer fehlend, der andere stummelförmig; erhaltenes Schaftstück gerade. NW-Seite, etwas über dem Kopfansatz eingeritzt: zwei schräg gekreuzte, leicht s-förmige Striche.SW-Arm nur noch im Ansatz erkennbar, NO-Arm stark verstümmelt, unteres Schaftstück fehlt. Am 22.4.1972 unter Leitung des Landesmuseums für Vorgeschichte Dresden durch Helmut Köhler, Höckendorf, ortsfest aufgestellt. Das Kreuz wurde durch Stiftung aus rostfreiem Material auf einem bis in Erdgleiche reichenden Zementsockel aufgestellt. Kurt Jarausch, Höckendorf, gab Harald Quietzsch auf Befragung an, das Steinkreuz im Steinschüttmaterial für einen Wegeneubau gefunden zu haben. Dieses Material könnte nach Annahme von Herrn Jarausch von einem Feld an der Kleinen Stieflitz stammen. Diese mutmaßliche Fundstelle wurde durch H. Köhler und H. Quietzsch besichtigt. Der jetzige Standort liegt ungefähr zwischen mutmaßlich primärer und sekundärer Fundstelle. (Müller / Quietzsch 1977)

Sage:

Quellen und Literatur:
Müller / Quietzsch - Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Inventar Bezirk Dresden, 1977, S.106-107
aktuelle Aufnahme von Peter Voigt, Heidenau



Höckendorf (II)


Zustand 2010
Foto: Vogt

Erläuterungstafel

Zustand 1991
veröffentlicht bei
Eichler (2003)

GPS: N 50° 55,556', O 13° 35,164'

Standort: "Dorfhainer Straße", direkt am Abzeig des Kirchsteiges.

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: Benennung: "Thelersäule". Kopf und Nische teilweise mit neuem Sandstein restauriert, auf den Kopf neuzeitliche Dachsteine aufgesetzt. Auf der Erläuterungstafel neben der Säule ist zu lesen:
Die erste der Thelersäulen
errichtet durch Conrad Theler († 1361)
Conrad von Theler entstammt einem Freiberger Adelsgeschlecht, das an der Ausbeute der Erzgruben in der Gegend um Höckendorf beteiligt war. Der Überlieferung nach kehrte er von einem Raubzug mit reicher Beute zurück und verweigerte der Kirche den üblichen Anteil. Als der Pfarrer ihn öffentlich des Geizes bezichtigte, habe er ihn im Zorn erschlagen. Zur Buße soll er entlang des Kirchsteiges von Höckendorf nach Obercunnersdorf sieben Betsäulen errichtet haben - entsprechend der Wegstrecke, auf welcher Jesus sein Kreuz noch Golgota getragen hatte, auf einer Strecke von 1,7km. Davon sind noch diese erste Säule, die dritte am Waldrand der Großen Stieflitz sowie in Fragmenten die siebente in Obercunnersdorf erhalten.

Sandsteinsäule mit achteckigem Schaft und neuem viereckigem Sockel. Das Kopfstück ist mit einem Rest des Schaftes aufgesetzt, etwa so hoch wie die Säule darunter. Die breite Nische mit geradem Abschluß ist mit einer neuen Steinplatte flach geschlossen, die linke Wange der Nische fehlt, die rechte ist z.T. erhalten. Satteldach quer, mit Dachziegeln gedeckt.
Benennung: "Thelersäule". Die im Jahre 1974 von Herrn Fuchs erneuerte und 1998 von einem Auto stark beschädigte Säule ist im November 2001 restauriert und z.T. ergänzt wieder aufgestellt worden. Leider sieht die mit roten Biberschwänzen gedeckte Säule aus wie ein Werbeträger für die Dachdecker-Firma gegenüber. Die Säule war die erste von ursprünglich sieben Betsäulen eines Kreuzweges zwischen der Höckendorfer Kirche und Obercunnersdorf. Diese wurden angeblich von Conrad von Theler († 1361), der 1360 das heilige Grab zu Jerusalem besucht hatte, gestiftet. Die Strecke des Kreuzweges, der ursprünglich am Stieflitzgrund bei dem "Gottesacker im Feld" (Pestfriedhof) endete, entspricht der Entfernung vom Richthaus des Pilatus bis zum Berg Golgatha und ist 1538 Ellen lang. Jede Säule soll eine Bitte des Vaterunsers und einen Buchstaben des Namens CHRISTUS enthalten haben. Der Mord am Höckendorfer Pfarrer, der 1332 (!) Anlaß zur Reise nach Jerusalem gewesen sein soll, dürfte eine Erfindung aus dem 17.Jahrhundert sein. Mollerus (1653) berichtet zwar von Thelers Reise nach Jerusalem 1360 und von der Stiftung der Martersäulen, aber nicht von einem Mord. Zudem nennt Valentin König (1736) in seiner Genealogischen Adels-Historie von 1736 Conrad von Theler "gegen dem Höchsten gottsfürchtig, in seinem Gebethe andächtig, im Glauben beständig, und gegen die Kirche ehrerbietig". Rudolph (1941 / 1942) bezweifelt das Alter der Säulen. Seine Argumente (Pestfriedhof erst 1562 angelegt; Formvergleich mit anderen Säulen; Kreuzwegstationen erst um 1400 in Sachsen eingeführt) sind jedoch nicht zwingend. Für seine Behauptung, die Säulen seien von Caspar von Theler im Jahr 1500 errichtet worden und hätten in der Nische ein Marienbild enthalten, bleibt Rudolph den Beweis schuldig. Weitere "Thelersäulen" siehe Nr.46 und 75 sowie unter Verschwundene Betsäulen Nr. 34-37. (Eichler 2003)

[...] Dem Wetterkult dienten nebenbei bemerkt sicher die sieben Martersäulen zu Höckendorf, ein sogenannter Kreuzweg, der im Westen Deutschlands sehr oft vorkommt und gewöhnlich aus der doppelten Anzahl Stationen besteht. Hierbei finden Frühjahrsbittgänge statt, die, da sie meistens in der Osterwoche abgehalten wurden, mit der Leidensgeschichte Christi verflochten wurden. (Kalliefe 1920)

   Die Höckendorfer Kirchennachrichten vom Jahre 1846 bringen hierüber Conrad von Theler eigene Worte, welche einer Urkunde entnommen sein sollen. Sie heißen: "Was ich mitgebracht hatte, das wollte der Pfaff hineinschlucken, welches mir aber nicht anstund; weil nun das Verfluchen auf der Cancel auf mich losging und er mich so sehr verfluchte, sagte ich zu ihm: was habt ihr mich und mein Haus zu verfluchen, da Christus ja auch für mich gestorben und wieder auferwecket von den Toden, zu sitzen zu der rechten Hand Gottes und vertritt uns.
   Es war der Sonntag, an welchem das Evangelium: Jesus trieb die Teufel aus: Luc. am II. (am Sonntage Oculi) gepredigt wurde, Anno 1332, als ich den Pfaffen erstach und sogleich nach Jerusalem reiste, wo ich die heilige Stätte abmas, und als ich wieder nach Hause kam, ließ ich vom Dorfe Cunnersdorf an steinerne Capellen setzen, welche soviel auseinenderstanden, als unser Heiland mit dem schweren Kreuze gegangen ist, ehe er ausruhte, in jeder Capell stehen die sieben Buchstaben christus, welche Alles in unserm Herrn Jesu zu einem Gelübde gethan habe. Ich Cunrad Theler habe auch den 5.July 1334 den hohen Altar zu Höckendorf zu bauen angefangen, welcher den 6.October 1337 fertig worden ist, das Schnitzwerk ist aus Wien kommen und kostet 5000 Thaler und das Gold mit Vorhängen 24000 Thaler, und den 3.November ist selbiger durch einen Cardinal aus Rom geweihet worden."
   Diese Urkunde ist jedenfalls unecht, denn sowohl Moller in seiner Freiberger Chronik als auch König in seinem Adelslexikon, welche beide die Thelersche Reise nach Jerusalem mitteilen, erzählen nichts von einem Priestermorde, als der Veranlassung zu jener Wallfahrt. Vielmehr heißt es in dem angeführten Adelslexicon von Conrad Theler, daß derselbe gottesfürchtig, andächtig, im Glauben beständig und gegen die Kirche ehrerbietig gewesen sei. (Gottwald 1860 / Köhler 1886)

Sage: Über das Geschlecht der Edlen von Theler, sowie über deren reiche Silberzechen im Thale der wilden Weißeritz sind gar manche Sagen dem Anscheine nach seit Jahrhunderten im Munde des Volkes, und vorzugsweise die Sage vom Ritter Conrad von Theler, welcher seinen Hauspfaffen am Sonntage Oculi 1332 in der Sakristei der Burgkirche erstochen haben soll, weil dieser ihn von der Kanzel herab verflucht und von dem reichen Bergwerkssegen immer zu viel für die Kirche verlangt habe. Nach jener verbrecherischen That sein Conrad nach Jerusalem gezogen, um dort am heiligen Grabe Buße zu thun, und habe, als er am 5.Juli 1334 zurückgekehrt sei, von Höckendorf an sieben Bet- oder Marter-Säulen setzen lassen, von welchen gegenwärtig noch drei vorhanden sind, eren erste nahe am neuen Höckendorfer Kirchhofe steht. Auch habe derselbe den wertvollen Altarschrank bauen lassen, der gegenwärtig noch die dortige Kirche schmückt, und dessen reiche Vergoldung aus dem Goldbergwerke gewonnen sei, welches Conrad in der Höckendorfer Heide besessen. (Köhler 1886)

Quellen und Literatur:
Mollerus - Theatrum Freibergense Chronicum. Beschreibung der alten löblichen BergHauptStadt Freyberg in Meissen. 2.Abteilung (Annales), Freybergk 1653, S.62f.
König, Valentin - Genealogische Adels-Historie Oder Geschlechts-Beschreibung Derer im Chur-Sächsischen und angräntzenden Landen zum Theil ehemals, allermeist aber noch ietzo in guten Flor stehenden ältesten und ansehnlichsten Adelichen Geschlechter..., 3.Theil, Leipzig 1736, S.1108
Gräße, Dr. Johann Georg Theodor - Die 7 Martersäulen von Höckendorf, in: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Dresden 1855, S.189, Nr.239
Gottwald, Eduard - Das Geschlecht der Edlen von Theler und das Höckendorfer Bergwerk, in: Sachsengrün. Culturgeschichtliche Zeitschrift aus sämmtlichen Landen Sächsischen Stammes, hrsg. von G. Klemm, 1.Jg., Nr.2, Dresden 1860, S.18-22
Gottwald, Eduard - Die Sagen über das Geschlecht der Edlen von Theler und deren Erdbegräbniß, in: Mittheilungen des Königlich Sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer, 13.Heft, Dresden 1863, S.52
Ziehnert, Widar - Die sieben Kapellen bei Höckendorf., in: Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden, Vierte Auflage, Annaberg 1881, S.192-198
Köhler, Dr. Johann August Ernst - Die Sühne des Ritters Conrad von Theler, in: Sagenbuch des Erzgebirges, Schneeberg und Schwarzenberg 1886, S.569-570, Nr.757 mit Anmerkungen
Kalliefe, Hilmar - Rad, Hammer und Schwert auf Sachsens Steinkreuzen, in: Zeitschrift für Ethnologie 52/53, 1920/21, S.64-67
Rudolph, E. - Die Höckendorfer Thelersäulen. Eine kritische Betrachtung, in: Dresdener Neue Presse, 17.Jg., Nr.5 vom 2.2.1941
Rudolph, E. - Die sieben martersäulen zu Höckendorf, in: Rund um den Geisingberg, 20.Jg., Nr.6/7, Altenberg 1942, S.22f.
Eichler, Ulrich - Marter und Bildstock. Betsäulen in Sachsen, 2003, Nr.45
aktuelle Aufnahmen von Uwe Eichler, Bannewitz (Foto von 2008)
Bild-Ergänzung von Peter Voigt, Heidenau (Foto von 2010)
Ergänzungen von Kerstin Reichel, Oelsa



Höckendorf (III)


Zustand 2010
Foto: Vogt

GPS: N 50° 55,34', O 13° 34,566'

Standort: Am Kirchsteig zwischen Hökendorf und Obercunnersdorf direkt am Wald aus Richtung Höckendorf.

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: Benennung: "Thelersäule". Restaurierte Bruchstelle unterhalb des Kopfes, in der Säule rechteckige Vertiefung mit Loch.

Kirchweg, am Eingang zum Stieflitzgrund, Waldrand. Achteckige sandsteinerne Säule mit viereckigem Fuß, Kopfstück mit breiter Nische. Satteldach quer. Auf der Nordseite in Kniehöhe rechteckige Ausmeißelung (Lager für Absperrung?). Benennung: "Thelersäule". Zur Entstehungsgeschichte vgl. Nr.45. Weitere "Thelersäulen" siehe Nr.45 und 75. (Eichler 2003)

Sage: Im Jahre 1360 ist Konrad Theler, ein Freibergischer Patrizier, der Ermordung seines Schlosscaplans halber nach Rom und dann nach Jerusalem gezogen und hat im folgenden Jahre zu Höckendorf, welches sein eigen gewesen, von der Kirche an bis auf den Gottesacker in das Feld nach dem Maße, so er zuvor vom Richthause Pilati zu Jerusalem bis auf den Berg Golgatha genommen und 1538 Ellen soll getroffen haben, zum Gedächtnis und Erinnerung des Ganges des Herrn Christi zu seiner Kreuzigung, sieben steinerne Martersäulen aufrichten und an jede eine Bitte des Vaterunsers zeichnen lassen. Die Säulen sind an besagtem Orte noch zu sehen, und in der Sakristei der Kirche zu Höckendorf befindet sich auch das Bild des Ritters in kniender Stellung († 1361) in Stein gehauen noch jetzt. Von jenen sieben Kapellen oder Säulen stehen dermalen nur noch zwei, die fünf anderen sind umgestürzt. (Gräße 1855)

Quellen und Literatur:
Mollerus - Theatrum Freibergense Chronicum. Beschreibung der alten löblichen BergHauptStadt Freyberg in Meissen. 2.Abteilung (Annales), Freybergk 1653, S.62f.
König, Valentin - Genealogische Adels-Historie Oder Geschlechts-Beschreibung Derer im Chur-Sächsischen und angräntzenden Landen zum Theil ehemals, allermeist aber noch ietzo in guten Flor stehenden ältesten und ansehnlichsten Adelichen Geschlechter..., 3.Theil, Leipzig 1736, S.1108
Gräße, Dr. Johann Georg Theodor - Die 7 Martersäulen von Höckendorf, in: Der Sagenschatz des Königreichs Sachsen, Dresden 1855, S.189, Nr.239
Gottwald, Eduard - Das Geschlecht der Edlen von Theler und das Höckendorfer Bergwerk, in: Sachsengrün. Culturgeschichtliche Zeitschrift aus sämmtlichen Landen Sächsischen Stammes, hrsg. von G. Klemm, 1.Jg., Nr.2, Dresden 1860, S.18-22
Gottwald, Eduard - Die Sagen über das Geschlecht der Edlen von Theler und deren Erdbegräbniß, in: Mittheilungen des Königlich Sächsischen Vereins für Erforschung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer, 13.Heft, Dresden 1863, S.52
Ziehnert, Widar - Die sieben Kapellen bei Höckendorf., in: Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden, Vierte Auflage, Annaberg 1881, S.192-198
Köhler, Dr. Johann August Ernst - Die Sühne des Ritters Conrad von Theler, in: Sagenbuch des Erzgebirges, Schneeberg und Schwarzenberg 1886, S.569-570, Nr.757 mit Anmerkungen
Kalliefe, Hilmar - Rad, Hammer und Schwert auf Sachsens Steinkreuzen, in: Zeitschrift für Ethnologie 52/53, 1920/21, S.64-67
Rudolph, E. - Die Höckendorfer Thelersäulen. Eine kritische Betrachtung, in: Dresdener Neue Presse, 17.Jg., Nr.5 vom 2.2.1941
Rudolph, E. - Die sieben martersäulen zu Höckendorf, in: Rund um den Geisingberg, 20.Jg., Nr.6/7, Altenberg 1942, S.22f.
Eichler, Ulrich - Marter und Bildstock. Betsäulen in Sachsen, 2003, Nr.46
aktuelle Aufnahme von Uwe Eichler, Bannewitz (Foto von 2008)
Bild-Ergänzung von Peter Voigt, Heidenau (Foto von 2010)
Ergänzungen von Kerstin Reichel, Oelsa



Die sieben Kapellen bei Höckendorf.
Von Widar Ziehnert

(Die Kapellen auf dem Wege von der Kirche zu Höckendorf nach Cunnersdorf gleichen mehr bloßen Betsäulen, und stehen von den sieben nur noch zwei, die andern fünf sind umgestürzt. Aber auch an diesen zwei übrig gebliebenen ist von Inschriften nichts mehr zu erkennen. Die von Theler besaßen Höckendorf vom vierzehnten bis in das sechzehnte Jahrhundert. Konrad Theler starb 1361.)

"Ei, so bleibt mir vom Halse mit eurem Begehr,
   ich mag es euch nimmer gewähren.
Denn was ich auch gebe, doch würdet ihr mehr
   in der andern Minute begehren.
Die himmlischen Güter, die lobet ihr mir;
und trachtet nach ird'schen mit schnöder Begier?
   Das macht eurem heiligen Stande
      nur Schande!"

So Konrad von Theler, ein trotziger Herr,
   zu seinem Kaplane, Sylvestern,
der nun mit verdrüßlichem Pfaffengeplärr
   anhub seinen Ritter zu lästern:
"Der Tag wird einst kommen, wo der Geiz euch gereut!
Wann Gottes Verdammniß der Hölle euch weiht,
   dann wird, was ihr heute gesprochen,
      gerochen!"

So kreiste der Pater und stürzte davon,
   nachscholl ihm des Ritters Gelächter:
"Schlecht steht dir das Betteln, du armer Patron,
   doch wahrlich das Zürnen noch schlechter."
So höhnet der Ritter und lachet sich satt,
daß Sylvester zum Schimpfen nicht Worte g'nug hat,
   und läßt sich das Wüthen des Gecken
      nicht schrecken.

Doch als in der Predigt des Tages darauf
   der Pater ihn wieder verfluchte,
Da wallte der Ingrimm im Herzen ihm auf,
   daß am Pfaffen er Rache drob suchte.
Und da kommt in der Wuth ihm das Gräßlichste bei,
und er eilt nach der Predigt zur Sakristei,
   und stößt ihn mit blitzendem Schwerte
      zur Erde.

Wie winselt der Pater, wie krümmt er sich,
   Wie verflucht er den Mörder zur Hölle!
Der Ritter erbebte im Innern, und wich
   bestürzt von der blutigen Stelle.
Wild scholl ihm zu Ohren des Sterbenden Fluch,
ihn faßte Verzweiflung, er brüllte und schlug
   vor die Stirn sich und stürzte ohn' Oden
      zu Boden.

Und als er erwacht, ist die tobende Wuth,
   zum Jammer des Wahnsinns geworden;
dumpf heult er: "Wie stinken die Hände nach Blut!
   Wie sind sie so müde vom Morden!
Wie winselt, wie ächzet der fromme Kaplan!
Wie schreit meine Sünde zum Himmel hinan!
   Wie schreit sie zu Gott, mein Verbrechen
      zu rächen!"

So schlaflos drei Tag' und drei Nächte hiundurch,
   zerwühlet der Ritter die Betten;
aufspringt er am vierten, hinweg von der Burg
   zerrt's ihn wie mit eisern Ketten
hinaus in das Weite, und hastig gebeut
er einem der Knechte, bei guter Zeit
   Zwei Rosse zu satteln und zäumen
      ohn' Säumen.

Und als nun das Frühroth in Osten tagt,
   da bestellt er sein haus noch, und reitet
von dannen behend wie zu lustiger Jagd,
   vom teuersten der Knappen begleitet,
und spricht unterwegs: "Wohl haben wir weit,
denn siehst du, wir reiten zur Ewigkeit,
   d'rum laß uns nur sonder Verweilen
      recht eilen."

Der Knappe frägt ängstlich: "Wohin denn? wohin?
   Wohin, Herr, wollen wir reiten?
Euch ist so verzweifelt vergnüglich zu Sinn,
   das mag mir nichts Gutes bedeuten."
Da lachet der Ritter: "Armseliger Knecht,
was frägst du so unnütz? Doch, hast wohl recht.
   Will Trost mir und Ruhe für's Leiden
      erreiten!"

Jach spornt er den Rappen, und sprengt in den Wald,
   und kommt auf die Höh' eines Felsen,
und stiert in die Tiefe und schauerlich schallt
   seinVerzweiflungsruf in den Gehölzen:
"Hier finde ich Ruhe, hier find' ich ein Grab!
Hinunter, mein Roß! in die Tiefe hinab!
   Ich will ja der Hölle mein Leben
      gern geben!"

D'rauf hetzt er den Rappen mit Peitsche und Sporn,
   doch sonder Bewegen und Regen
steht das Roß, und stemmt sich kräftiglich vorn
   der entsetzlichen Tiefe entgegen.
Und der Knappe sprengt voller Bestürzung heran:
"Was soll das, Herr Ritter? Was ficht euch an?
   Ihr stürztet, that Gott nicht ein Wunder,
      hinunter!

Das ist nicht der Weg, einen Mord zu bereu'n,
   Der Selbstmord führet zur Hölle!
Mög' Gott euch den Frevel gnädig verzeih'n.
   Jetzt rasch und hinweg von der Stelle!
Laßt rathen euch, Ritter, und höret mich an,
ich hab' euch ja immer zum Besten gethan!
   Gott zeiget durch mich euch die Pfade
      zur Gnade.

In's heilige Land hin lasset uns zieh'n,
   um Vergebung zu flehn und bitten,
dort lasset uns beten und jammern und knie'n,
   dort, wo einst der Heiland gelitten.
An des heiligen Vaters hochheiligem Thron
in Rom, da erflehet euch Absolution!
   Dort ist die Vergebung der Sünden
      zu finden!"

So poltert der Knappe in ängstlicher Hast,
   und starr und versunken in's Sinnen, schweigt der Ritter dazu eine ziemliche Rast,
   und hält kaum die Thränen noch innen.
"Hast recht, du Getreuer! - so spricht er bewegr -
will harr'n und bereu'n, bis mein Stündlein schlägt,
   will pilgern nach heiligen Städten,
      zu beten."

Und sie reiten selbander wohl eilends nach Rom,
   und wenn sie ein Bethaus wo finden,
in jeder Kapelle, in jedem Dom,
   kniet der Ritter und bereut seine Sünden,
und jammert bei Tage und jammert bei Nacht,
bis daß sie die mühsame Reise vollbracht
   und Ablaß für's blut'ge Vergehen
      erflehen.

D'rauf reiten sie weiter und schiffen sich ein,
   und segeln zum heiligen Lande,
und landen beim siebenten Abendschein
   am palästinischen Strande,
und wenden sich freudig zur heiligen Stadt,
wo der Heiland am Kreuze gelitten hat,
   und betreten die heiligen Mauern
      mit Schauern.

Von Jerusalem krümmt sich ein steinigter Pfad
   gen Golgatha hin, und die Stellen,
von Christus mit dem Kreuze geruhet hat,
   bezeichnen sieben Kapellen.
Dort strömt es ohn' Ende von nah und von fern,
so Fürsten wie Bettler, so Diener wie Herrn,
   und hoffen Vergebung der Sünden
      zu finden.

Andächtig wohl knieet der Sünder Heer,
   und betet in inniger Wehmuth,
doch wie Conrad so brünstig fleht keiner mehr,
   keiner kniet in so reuiger Demuth.
Drob werden auch seine Gebete erhört,
die Ruhe allmälig ihm wiederkehrt,
   als ein Priester ihm, daß er entsündigt,
      verkündigt.

Da kehren die Beiden nach Deutschland zurück,
   und kommen zum heimischen Schlosse,
und der Ritter verkündet sein seltnes Geschick
   der Reisigen freudigem Trosse.
Drauf geht er zum Grab des erschlag'nen Kaplan:
"Magst du mir, was Böses ich an dir gethan,
   für dies und das bessere leben
      vergeben."

Und damit seine Reue nie werde alt,
   gebeut er am grauenden Morgen
dem greisen Vogte, wie möglich so bald
   für kundige Maurer zu sorgen.
Die müssen ihm sieben Kapellen erbau'n,
so wie sie bei Golgatha waren zu schau'n,
   in derselben Entfernung und Weite
      und Breite.

Und täglich durchwallt er die fromme Station,
   und betet in jeder Kapelle,
und sein alterndes Auge erblindete schon,
   doch im Herzen blieb's immer ihm helle.
Sein Begleiter dereinstens im heiligen Land,
führte jetzt auch dem Ritter mit sorglicher Hand,
   bis Gott ihn hinauf zu den Frommen
      genommen.

Jahrhunderte nagten mit fräßigem Zahn
   an den Mälern herzinniger Reue,
doch von den Kapellen auf grünendem Plan
   sieht der Wand'rer jetzt immer noch zweie.
Und d'rin, wo der Ritter die Mordthat vollbracht,
in der Sakristei kniet er in reisiger Tracht,
   und die steinernen Augen noch scheinen
      zu weinen.


(Ziehnert, Widar - Sachsens Volkssagen. Balladen, Romanzen und Legenden, Vierte Auflage, Annaberg 1881, S.192-198)



Höckendorf (IV)


Abbildung bei
Kuhfahl (1935)

GPS: N 50° 55,560', O 13° 35,248'

Standort: Im Vorraum des Einganges zur Kirche in Höckendorf.

Größe / Material: Sandstein

Geschichte: In der Kirche wurden 1907 zwei alte Grabplatten entdeckt, die zu den wertvollsten Kulturdenkmälern der Heimat gehören. Sie deckten die Gruft der sagenumwobenen Ritter von Theler. Die Platten gehören dem romanischen Kunststil an, ihre Entstehung fällt in die Gründungszeit der Kirche und des Ortes überhaupt, der im Jahr 1235 erstmalig erwähnt wird. Die Platten tragen verschiedene Zeichen. Beide Grabplatten tragen eine Säule, die auf einem Halbkreisbogen steht und mit einem Kreisbogen gekrönt ist. In beiden Kreisen befinden sich "Wiederkreuze" von verschiedener Form. Die wertvollste Platte zeigt außerdem noch eine Lilie und drei Radkreuze. Es handelt sich bei jener Zeichnung um die sinnbildliche Darstellung eines Baumes, des im christlich-nordischen Glauben verwurzelten Welten- oder Jahres- oder Lebens- oder anderen Schicksalbaumes. Die Darstellungen auf den frühchristlichen Höckendorfer Grabplatten sind Zeugnisse germanischen Gottvertrauens, das keine Todesfurcht kennt, weil ihm das Sterben ein ewig neues Werden ist. (Ähnlich in Ottendorf bei Pirna). (Über Berg und Tal 1938).

   Andererseits befinden sich gerade in Sachsen verschiedene mannshohe Steintafeln, die als "Grabplatten" angesprochen werden, obwohl sie wahrscheinlich schon seit langen Zeiten aufrecht an Kirchen und Wegen stehen.
   Die interessanteste von ihnen ist an der Westseite des Dorfkirchleins zu Höckendorf bei Dresden angebracht. Merkwürdigerweise wird sie im Inventarisationswerk der Kunstdenkmäler1) nicht erwähnt, obwohl die Kunstwerke der alten Ansiedlung sowie die Grabmäler und Stiftungen des ansässigen ritterlichen Geschlechts der Theler im übrigen gewürdigt werden; insbesondere findet eine Bußfahrt des Konrad von Theler von 1360 nach dem Heiligen Lande und die Errichtung eines noch vorhandenen Betstationweges Erwähnung.
   Aus der Abbildung 1 läßt sich unschwer erkennen, daß ein beschädigtes Gesteinstück mit einem Reliefkreuz und eingemeißelten Kreiszeichnungen auf eine Bodenplatte gestellt ist, die das Ornament fortsetzt und unter dem Urbogen eine deutlich ausgebildete Irminsul zeigt. Bei Betrachtung in der Natur ergibt sich dabei mit Sicherheit, daß der Unterteil überall - also nicht bloß im Bereich des Regenfalls - eine stärkere Verwitterung aufweist, als die kanten und Flächen des aufgesetzten Stücks, und daß er vor allen Dingen aus einer weißlichen Sandsteinsorte besteht, die schwerlich demselben Bruch entstammen wie der dunklere Oberteil.
   Es wäre also möglich, daß die Platte mit dem Kreuz aus einer anderen Kunst- und Glaubensepoche herrührt als die mit der Irminsul.
   Besiedlungsgeschichte und Urkunden geben keine Anhaltspunkte. Zu bemerken ist noch, daß der benachbarte, besser erhaltene Monolith aus gleicher Gesteinsart besteht wie der Oberteil. (Kuhfahl 1935)
1) Steche, Bau- und Kunstdenkmäler im Kgr. Sachsen, 1888, 2.Heft. Dippoldiswalde. S.40.

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Sächsische Grabplatten aus dem Mittelalter, in: Germanien, Heft 10, 1935, S.313 (Rubrik: "Aus der Landschaft")
Über Berg und Tal, Nr.12, 1938
recherchiert und bebildert von Peter Voigt, Heidenau (Foto von 2010)
Ergänzungen von Kerstin Reichel, Oelsa



Höckendorf (V)


Abbildung bei
Kuhfahl (1935)

GPS: N 50° 55,560', O 13° 35,248'

Standort: Im Vorraum des Einganges zur Kirche in Höckendorf.

Größe / Material:

Geschichte: In der Kirche wurden 1907 zwei alte Grabplatten entdeckt, die zu den wertvollsten Kulturdenkmälern der Heimat gehören. Sie deckten die Gruft der sagenumwobenen Ritter von Theler. Die Platten gehören dem romanischen Kunststil an, ihre Entstehung fällt in die Gründungszeit der Kirche und des Ortes überhaupt, der im Jahr 1235 erstmalig erwähnt wird. Die Platten tragen verschiedene Zeichen. Beide Grabplatten tragen eine Säule, die auf einem Halbkreisbogen steht und mit einem Kreisbogen gekrönt ist. In beiden Kreisen befinden sich "Wiederkreuze" von verschiedener Form. Die wertvollste Platte zeigt außerdem noch eine Lilie und drei Radkreuze. Es handelt sich bei jener Zeichnung um die sinnbildliche Darstellung eines Baumes, des im christlich-nordischen Glauben verwurzelten Welten- oder Jahres- oder Lebens- oder anderen Schicksalbaumes. Die Darstellungen auf den frühchristlichen Höckendorfer Grabplatten sind Zeugnisse germanischen Gottvertrauens, das keine Todesfurcht kennt, weil ihm das Sterben ein ewig neues Werden ist. (Ähnlich in Ottendorf bei Pirna). (Über Berg und Tal 1938).

Sage:

Quellen und Literatur:
Kuhfahl, Dr. G.A. - Sächsische Grabplatten aus dem Mittelalter, in: Germanien, Heft 10, 1935, S.313 (Rubrik: "Aus der Landschaft")
Über Berg und Tal, Nr.12, 1938
recherchiert und bebildert von Peter Voigt, Heidenau (Foto von 2010)
Ergänzungen von Kerstin Reichel, Oelsa


Sühnekreuze & Mordsteine