Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Zur Standortverteilung von steinernen Flurdenkmalen in Ostthüringen
Von Werner Dietzel

Die verschiedenen Formen unserer steinernen Flurdenkmale und die darauf erkennbaren Darstellungen sind seit längerer Zeit Gegenstand der Forschung. Auch schon der Mensch vergangener Jahrhunderte hat bereits nach deren Sinn und Bedeutung gefragt, nachdem der ursprüngliche Anlaß allzu schnell in Vergessenheit geriet. Diese altersgrauen, oft mit schwer deutbaren Ritzzeichnungen versehenen Steine sind Mittelpunkt von vielen Sagen geworden; um manches Flurdenkmal hat sich ein ganzer Sagenkranz gerankt. Im Volk wurden sie vielfach in Zusammenhang mit Kriegsereignissen früherer Jahrhunderte gebracht, wie die vielen Schweden- und Franzosenkreuze zeigen. Außer Form und dargestellter Symbolik waren Sagen und alte Namen der Flurdenkmale sowie urkundliche Überlieferungen zur Entstehungsursache Gegenstands der Forschung.

Wenn auch Ursprung und Alter, Sinn und Bedeutung nur bei wenigen steinernen Flurdenkmalen bekannt sind, so ist doch für eine repräsentative Anzahl davon dieser Problemkreis so eindeutig geklärt, daß eine Verallgemeinerung durchaus gerechtfertigt ist.

Diese Flurdenkmale wurden fast ohne Ausnahme vom 14. bis zur ersten Hälfte des 16.Jh. gesetzt. Durch schriftliche Überlieferungen sowie durch erhaltene Sühneurkunden ist ihr Charakter als Sühnemal vielerorts urkundlich belegt (vgl. Sühneurkunden von Neustadt/Orla 1465, Orlamünde, 1514; Rudolstadt, 1443 und Jena, 1500; Deubler / Künstler / Ost 1977; Ost 1977). Neben materiellen Leistungen gegenüber den Angehörigen eines Erschlagenen sowie sonstigen Bußleistungen mußte der Totschläger ein "Sühnekreuz" als Zeichen der vollzogenen Sühne setzen. Die spätwittelalterlichen Rechtsgrundlagen des Setzens von Sühnemalen wurden in verschiedenen Publikationen der letzten Jahre behandelt. Nachdem diese Problemkreise mehr oder weniger erforscht sind, viele namhafte Steinkreuzforscher haben sich hier Verdienste erworben, erscheint es angeraten, auch die Standorte der Steinkreuze einmal näher zu betrachten.

Dabei stößt man immer wieder auf ihre Funktion als Grenzkreuze. Schon im 15.Jh. und früher werden Steinkreuze als Grenzkreuze erwähnt (Deubler / Künstler / Ost 1977). Ohne ihre ursprüngliche Bedeutung als Sühnekreuze oder Unfallmale in Frage zu stellen, regt doch dieser so frühe Funktionswandel, oft nur wenige Jahrzehnte nach dem Setzen des Kreuzes, zum Nachdenken an. Wurden solche Kreuze, wie man bisher annahm, als markante Punkte in der Feldflur nachträglich in Grenzsteine umfunktioniert, indem man Grenzen nach diesen markanten Punkten korrigierte, oder wurden sie gleich bei ihrer Aufstellung an Grenzen gesetzt? Hier soll nicht etwa die Grenzzeichentheorie von Helbig (1905; 1906) neu belebt werden, sondern im Gegenteil, die von vielen Steinkreuzforschern erkannte Häufung der Steinkreuze an Grenzen soll erörtert und auf eine neue Art erklärt werden.

Da bietet sich das längst verschwundene Kreuz an der Saalfelder Weichbildgrenze bei Reschwitz als Beispiel an (Künstler 1975). Am Sperberhölzchen, am jetzigen VEB Rotstern, war innerhalb des Weichbildes der Stadt Saalfeld 1441 ein Mann erschlagen worden. Der Junker von Lengefeld zu Reschwitz zog diese Rechtssache an sich und ließ den Täter neben anderen Sühnemaßnahmen ein Steinkreuz setzen. Jedoch nicht am Tatort, der ohnehin nicht der Gerichtshoheit des Lengefeld unterstand, sondern am Rotenbach an der Grenze seines Grundbesitzes zum städtischen Weichbild, mehrere hundert Meter vom Tatort entfernt, ließ er es aufstellen. 1442 wurde dann mit bewaffnetem Aufgebot als Gegenzug von der städtischen Seite aus ein herzogliches Halsgericht an diesem Kreuz abgehalten, um die Rechtelage zu bereinigen. Das Steinkreuz erscheint bereits in den ersten Protokollen der Weichbildumgänge ab 1554 als Grenzmarkierung. 1742 wurde an der Stelle des verschwundenen Kreuzes ein Weichbildstein gesetzt.

1416 wurde ein Mann in Röblitz, das als Stiftsdorf dem Abt des Benediktinerklosters Saalfeld unterstand, tödlich verwundet. Der Verwundete konnte sich aber auf schwarzburgischem Gebiet retten, wo er dann verstarb. Der Abt forderte von Grafen von Schwarzburg die Herausgabe der Leiche oder zumindest ein Leibzeichen, damit "eine Gerichte nicht geschwächet wurden" (Devrient 1904). Nach Übergabe eines Leibzeichens ließ der Abt sofort in Röblitz ein Halsgericht halten. Ein früher an der Flurgrenze zwischen Röblitz und Unterwellenborn stehendes Kreuz, das jetzt in eine Hauswand an der Einfahrt zum Zementwerk eingebunden ist, könnte auf diesen Rechtsfall zurückgehen. In der "Beschreibung des Amtes Saalfeld 1673“ ist es als Grenzpunkt aufgeführt (Koch 1900).

Bereits ab 1429 wird das Gorndorfer Steinkreuz als Grenzmarkierung zwischen Saalfeld und Gorndorf erwähnt (Künstler 1975). Ursprünglich besonders als Abgrenzung der Hutgerechtigkeit erwähnt, stand es bis 1967 neben dem die Stadtgrenze markierenden Grenzstein. In Auswirkung von Straßenbauarbeiten wurde es umgesetzt.

Zu erwähnen ist auch das Oberwellenborner Kreuz, das auf der Gemarkungsgrenze zwischen Oberwellenborn und Unterwellenborn stand (Frdl. Information von Herrn Dipl.-Kunsthistoriker G. Werner, Saalfeld).

Zwei weitere, aber inzwischen verschwundene Kreuze an der Saalfelder Stadtgrenze werden in Zusammenhang mit der Weichbildgrenze ebenfalls sehr früh erwähnt, so das Wöhlsdorfer Kreuz, 1429 erstmalig genannt, dann 1485, 1593 und 1742, und das Cröstener Kreuz 1506, 1527, 1538, 1593, 1674 und 1742 (Deubler / Künstler / Ost 1977).

In Zusammenhang mit dem jahrhundertlang andauernden "Saalfeld-Kaulsdorfer-Bergkrieg" (Schmidt / Pfeiffer 1959), bei dem es um die Ausübung des Bergregals auf dem "Roten Berg" ging, - der "Rote Berg" war zu allen Zeiten durch seine Erzlager umstrittenes Bergbaugebiet der verschiedenen Mächte - ist folgendes Ereignis interessant: Um 1480 sollte der Mühlheinz aus Kaulsdorf auf Betreiben der Grafen von Schwarzburg auf dem Roten Berg beim "steinernen Kreuz am Pfennigstein" mit dem Schwert hingerichtet werden. Damals wurden von Saalfelder Seite 100 Mann aufgeboten, um die Hinrichtung dort zu verhindern (Schmidt 1933). Das "steinerne Kreuz am Pfennigstein", dessen Rolle als Grenzkreuz im umstrittenen Gebiet zum Ausdruck kommt, wurde damit, unabhängig von seiner Entstehungsursache, zum Platz einer beabsichtigten Gerichtshandlung gewählt, was die Gegenpartei nicht zulassen konnte, damit, wie es beim Röblitzer Rechtsfall heißt, "ihre Gerichte nicht geschwächet wurden". Im Falle Pfennigstein heißt dies auch Verhinderung des Versuchs der Untergrabung der städtischen Berghoheit auf dem Roten Berg.

Die wahrscheinlichen Grenzbeziehungen des Sammelsteines auf der Heide bei Reichenbach wurden von mir bereite an anderer Stelle ausführlich erörtert (Dietzel 1960). Dieser Stein steht an einer Gemerkungsgrenze. Durch eine Grabung ist festgestellt worden, daß er dort an primärem Standort steht (Saal 1968).

Das verschwundene Eybaer Steinkreuz wurde in Zusammenhang mit Eybaer Triftgerechtsamen genannt (Deubler / Künstler / Ost 1977). In der Beschreibung des Amtes Eyba 1850 bis 1859 heißt es, daß am Steiger ein Kreuzstein stand (Steinkreuze und Kreuzsteine werden erst seit jüngerer Zeit exakt unterschieden). Der Standort war "an dem Schlag oder Landwehr nahe dem Schrankacker an der Saalfelder Stadtgrenze unterhalb Eyba" (Knopf 1962). Im Bereich des beschriebenen Ortes steht heute noch ein Weichbildstein mit der Jahreszahl 1742, der wohl bei der systematischen Versteinung der Saalfelder Weichbildgrenze die Funktion übernehmen mußte, die das Steinkreuz vorher jahrhundertelang hatte.

Das ebenfalls verschwundene Arnsgereuther Steinkreuz wurde als "Gerichtsgrenzstein" bezeichnet (Lehfeldt 1889).
Aber auch außerhalb des Kreises Saalfeld sind sehr frühe Grenzbeziehungen von Flurdenkmalen eindeutig zu erkennen.

Bereits 1466 wurde das Steinkreuz in der Nähe der Rasenmähle zwischen Jena und Burgau bei Grenzstreitigkeiten erwähnt (Deubler / Künstler / Ost 1977).

Bei einer Grenzberichtigung bei Rodacherbrunn ist bereite 1356 von einem Kreuz die Rede (Deubler / Künstler / Ost 1977). Dieses Kreuz gehört damit zu den frühesten, von denen wir Kunde haben, und ist gleichzeitig in Zusammenhang mit einer Grenze genannt.

Im Kreis Rudolstadt besaßen die Steinkreuze von Oberhasel und Röbschütz sowie auch das Paulinzellaer Nonnenkreuz Grenzcharakter, ebenso einige verschwundene Kreuze wie die ehemaligen Königseer Weichbildkreuze und der "Creuzstein am rothen Berg bei Kuhfraß" (frdl. Hinweis von Herrn Dr. Deubler, Rudolstadt).

In der neuesten umfassenden Publikation der Flurdenkmale des Bezirkes Gera sind in 26 Fällen überlieferte Grenzbeziehungen von Steinkreuzen bzw. eingehauene Grenzkerben im Kopf des Kreuzes erwähnt, wobei erkennbar wird, daß sich diese Zahl wesentlich erhöht hätte, wenn die Untersuchungen auch unter diesen Gesichtspunkt geführt worden wären.

Ein vor kurzer Zeit in Wortlaut publizierter Grenzstreit aus Arnstadt rundet dieses Beispiel ab (Unger 1979). Kämpfe um Hutungs- und Triftrechte sind in Thüringen und Sachsen im 15. und 16.Jh. gegenüber anderen deutschen Gebieten sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht besonders hervortretend und auch gegenüber anderen Klagen und ökonomischen Forderungen erstrangig. So konzentrierten sich beispielsweise solche Beschwerden in der Südherrschaft der Grafen von Schwarzburg-Blankenburg (Quietzsch 1975). Ursache war, durch die ständig steigenden Wollpreise angeregt, die über Gebühr ausgeweitete grundherrschaftliche Schafhaltung.

Durch die Steinkreuzforschung ist man zu der Erkenntnis gelangt, daß der Ort der Aufstellung eines Sühnekreuzes vorwiegend davon bestimmt wurde, daß möglichst viele Menschen daran vorbeigingen, durch deren Gebete die arme Seele des ohne letzte Ölung Dahingeschiedenen möglichst bald aus dem Fegefeuer erlöst werden sollte. Dies erscheint mir doch für viele Steinkreuzsetzungen als unzureichende Begründung, zumal manche an recht unzugänglichen Orten stehen. Beispiel ist hier wieder des von mir erwähnte Steinkreuz von 1441/42 im Rotenbachtal bei Reschwitz. Die Stelle des Totschlages am Sperberhölzchen wäre, am Verbindungsweg zwischen Saalfeld und Reschwitz liegend, doch nach dieser Begründung viel geeigneter gewesen. Da der Vorgang schriftlich belegt ist, ist wohl die Sache kaum in Zweifel zu ziehen (Künstler 1975).

Es kann damit festgestellt werden, daß viele Steinkreuze wohl erst geraume Zeit nach ihrer Entstehung zu Grenzzeichen umfunktioniert worden sind, daß sie aber oft eine Bedeutung bezüglich Grenzen bereits mit dem Setzen hatten, wie am Beispiel Reschwitz schriftlich belegt ist, in vielen anderen Fällen zumindest Grenzbeziehungen wenige Jahrzehnte nach der Entstehung des Kreuzes nachweisbar sind, so daß auch hier der ursächliche Zusammenhang mehr oder weniger deutlich wird. Die bisherige Fragestellung war zumeist auf Entstehungsursache, Zweckbestimmung und späteren Funktionenwandel von Flurdenkmalen gerichtet. Es scheint näherliegend zu sein, nach dem Entstehungsanlaß, im Normalfall Sühne eines Totschlages, aber auch nach der eigentlichen Zweckbestimmung in bezug auf den Standort zu fragen.

Da die geistlichen oder weltlichen Territorialherren als Gerichtsherren die Beauflagung zum Setzen des Steinkreuzes gaben, legten diese auch gleichzeitig den Ort fest, an dem sie ihre Gerichtsbarkeit dokumentieren wollten. Das war eben fast immer ein an der Territorialgrenze weit vorgeschobener Punkt, auch wenn dieser mit dem Tatort nicht identisch war. Dazu war das Kreuzsymbol besonders geeignet. Die streitsüchtigen Feudalherren des späten Mittelalters haben ihnen unliebsame Grenzzeichen von Gegenspielern wohl oft einfach beseitigt. Das Kreuzsymbol forderte da etwas mehr Respekt als eine andere Grenzmarkierung. Außerdem gab das Setzen eines Sühnekreuzes den willkommenen Anlaß, mit großem Aufwand und dorthin befohlener Bevölkerung an dem jeweiligen Grenzpunkt Gericht zu halten. Das Abhalten eines Halsgerichtes an besonderen Grenzpunkten war der eigentliche, die Gerichtshoheit dokumentierende Akt. Das Steinkreuz war das an den Gerichtsakt erinnernde Symbol, das zumindest Jahrzehntelang nachwirkte, wenn der andere Grenzanlieger nicht Gegenmaßnahmen ergriff .

Bereits an anderer Stelle wird eine Häufung von Steinkreuzen in der Nähe alter Gerichtstätten erwähnt (Timpel / Sieber 1974). Gerichtsstätte und Steinmale dienten auch hier dem gleichen Zweck, der Demonstration der Gerichtshoheit.

Es erhebt sich nun die Frage, warum weltliche und geistliche Feudalherren wie auch Städte daran interessiert waren, ihre Gerichtshoheit an bestimmten Stellen zu dokumentieren.

Im hohen Mittelalter bildete sich in den Niedergerichten eine Gerichtsperiode heraus, die an das alte Volksrecht wieder anknüpfte. Im Falle der "handhaften Tat konnte ein Niedergericht auch Todesurteile fällen, ein Recht, das bis dahin nur den Grafen im Auftrage des Königs zustand. Die Grafen versuchten, ihre Stellung zu wahren. Sie ließen es zwar zu, daß das Niedergericht die Verhandlung bis zum Urteil führte, verlangten aber die Auslieferung des Delinquenten zur Vollstreckung.

Es war nicht bedeutungsvoll, wer ein Urteil fällte, sondern wer es unter seiner Gerichtshoheit vollstrecken ließ. Das Recht, Galgen und Rad zu haben, wurde heiß umkämpft. Den Grafen ist es aber über das Hochmittelalter hinaus immer weniger gelungen, ihr Prestige zu wahren. Die Grafengerichte sanken zu reinen Standesgerichten herab und bildeten im Spätmittelalter keine Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit mehr. Die Sühnegerichtsbarkeit, die im Hochmittelalter wegen ihrer Geldbußen zur Zuständigkeit der Niedergerichte gehörte, machte deren Entwicklungsweg zur neuen, staatlichen Hochgerichtsbarkeit mit.

Den Territorialherren diente die hohe Gerichtsbarkeit neuen Stils zu einer ungeheueren Machtsteigerung, sie wurde zu einer der Grundlagen der Landeshoheit (Mitteis 1974).

Territorialherren, Städte und ländliche Feudalherren waren ständig bestrebt, ihre Gerichtshoheit in ihrem Gerichtsbezirk zu wahren. Bei Städten entsprach diese dem städtischen Weichbild. Mit den Territorium der Gerichtshoheit waren auch zumeist weitere zusätzlich erworbene Privilegien verbunden, wie das der Niederjagd, der Fischerei sowie auch Bergbaurechte und Rechte bezüglich Trift und Hutung, die alle gegen ständige Angriffe geschützt werden mußten, wie vielerlei urkundliche Erwähnungen beweisen. Versuchte Angriffe von Landjunkern auf die Niederjagd und das Fischereirecht der Stadt Saalfeld sind aus den Jahren 1542 und 1586 schriftlich überliefert (Roth 1913).

Nachfolgender Bericht schildert ein Ereignis, das der Sicherung des Fischereirechts in der Saale dienen sollte:

"Als anno 1595, Montags den 24 Martii ein Gerücht nach Saalfeld kam, daß ein Weib bei Tauschwitz unter Kaulsdorf in die Saale gefallen und ertrunken wäre, hat der Rat den Fiscal dahin geschickt, die Sache in Augenschein zu nehmen, ob es in des Rates Gerichten, welche sie in der Saale hergebracht, geschehen, und als man solches festgestellt, ist der Stadtrichter Wolf Albrecht mit seinen Schoppen hinausgeschickt worden, das ertrunkene Weib aufzuheben, hat aber wider Erwarten gefunden, daß die von Beulwitz zu Eichicht und Löhme es schon aufgehoben und in der Kirche von Bretternitz beigesetzt. Alldieweil sich nun der Rat darüber beschwert, schrieb Hans Heinrich von Beilwitz zu Lohma an den Rat und bat, das Jemand Rats wegen den 26 Martii hinauskommen an den Ort, da der Körper aufgehoben, besichtigen möge. Worauf der Rat abermals Wolf Albrechten mit 50 bewehrten Bürgern hinausgeschickt und den Körper gütlich begehren lassen. Nachdem nun derselbe an den verlangten Ort gebracht wurde, und die von Beulwitz denselben mit Güte nicht wollten herausgeben, haben die Abgeordneten des Rats durch Assistenz des Saalfeldischen Schößlers, der Beulwitzschen mündlichen Protestation ungeachtet, ihn mit Gewalt an sich genommen, nach Saalfeld gebracht und allda begraben. Worauf der schriftliche Protest der Herren von Beulwitz am 28 Martii einging und im folgenden viel Schriftwechsel geführt wurde" (Devrient 1904).


Zum besseren Verständnis dieses Falls sei noch angefügt, daß das Fischereigericht der Stadt Saalfeld in der Saale bis oberhalb Breternitz ging. Die Frau war am Ufer der Saale bei Breternitz angeschwemmt worden. Die Gerichtshoheit hatten also am Ufer (Breternitz) die Herren von Beulwitz, in der Saale die Stadt Saalfeld. Eines ist sicher zu erkennen, im Spätmittelalter und auch bis gegen Ende des 16.Jh. war man peinlich darauf bedacht, seine Rechtshoheit auch an den scheinbar unwesentlichsten Punkten zu behaupten.

Zur Sicherung der mit dem Weichbild der Stadt Saalfeld zusammenhängenden Rechte finden, ab 1554 urkundlich nachweisbar. Weichbildumgänge statt, in deren Protokollen die Weichbildgrenze beschrieben ist und wo auch u.a. Steinkreuze genannt werden. Dem feierlichen Umzug als Darstellung der Macht des Gemeinwesens kam aber auch die Bedeutung einer rechtlichen Festlegung zu, für beide Anlieger von bindender Art, die galt, wenn ihr nicht in feierlicher Weise widersprochen wurde (Roth 1913).

Die mit Amtspersonen und Bevölkerung abgehaltenen Weichbildumgänge des 16.Jh. sind wesensverwandt mit den in der Feldflur, an Gemarkungs- oder Weichbildgrenzen abgehaltenen Halsgerichten des Jahrhunderts davor.

Schon der Sachsenspiegel legt fest, daß derjenige, der Malbäume und Marksteine setzt, den dabei haben soll, der an der anderen Seite Land hat. Wenn aber wie im Falle der Gerichtsbezirke die Zuständigkeit umstritten ist und wo kein Grundbesitz, sondern nur Gebiete mit bestimmten Privilegien abzugrenzen sind, da konnte man nur besondere Anlässe nutzen, diese Rechte an dem jeweiligen Ort zu demonstrieren. Die Steinkreuze, die im 19. und 20.Jh. noch an den gleichen Stellen an Gemarkungs- und Weichbildgrenzen standen, an denen sie zwischen dem 14. und 16.Jh. in Zusammenhang mit Gerichtsgrenzen u.A. urkundlich genannt sind, befanden sich mit Sicherheit von Anfang an an solchen Grenzen. Gemarkungsgrenzen von Dorf- oder Stadtfluren sowie Weichbildgrenzen sind, von Ausnahmen abgesehen, seit dem späten Mittelalter unverändert. Zumindest trifft diese Feststellung auf das behandelte Territorium zu. Alle in dieser Arbeit erwähnten steinernen Flurdenkmale stehen bzw. standen an Gemarkungs- und Weichbildgrenzen. Solche Gemarkungsgrenzen waren auch oft gleichzeitig Grenzen zwischen verschiedenen Territorialherren.

Als Zusammenfassung kann man somit folgendes herausstellen:

  1. Durch Helbig (1905; 1906) wurde eine These veröffentlicht, nach der Steinkreuze als Grenzzeichen gesetzt worden sein sollen. Für die Richtigkeit dieser These gibt es keinerlei Anhaltspunkte.

  2. Eine These besagt, daß Steinkreuze oft aus Dörfern und von anderen Orten in die Feldfluren versetzt worden sind, um sie als Grenzsteine zu benutzen. Dies mag manchmal vorgekommen sein, ist aber nicht typisch. Der Sammelstein bei Reichenbach steht am ursprünglichen Standort, an einer Gemarkungsgrenze (Deubler / Künstler / Ost 1977), damit ergibt sich ein Argument gegen die These von Umsetzungen der Kreuze an Grenzen. Das Setzen von Grenzsteinen kam im 15.Jh. auf, und erst im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurden alle Grenzen nach und nach versteint. Bereits aus der Mitte und dem Anfang des 15.Jh. gibt es jedoch relativ häufig Erwähnungen von Steinkreuzen bei Grenzbeschreibungen in Urkunden (vereinzelt sogar schon im 14.Jh.).

  3. Eine weitere These geht von einer Häufung von Totschlagsaffären auf Triften, d.h. an Grenzen, aus, die zu dieser Anordnung von Steinkreuzen geführt haben sollen (Saal 1981).

  4. M.E. ist die Häufung von Steinkreuzen an Grenzen dadurch entstanden, daß an Grenzpunkten, besonders im umstrittenen Gebiet, häufig Gerichtshandlungen vorgenommen wurden, um die Gerichtsbarkeit an dem betreffenden Punkt zu dokumentieren, und dabei wurden auch bei Totschlag Sühnekreuze gesetzt. Dies führte im Laufe von reichlich zwei Jahrhunderten zu einer Häufung von Steinkreuzen an Grenzen, die Helbig zu seiner irrigen Meinung verleitet hat. Gerade meine Argumentation richtet sich u.a. gegen Helbigs Behauptung von den als Grenzzeichen gesetzten Steinkreuzen. Besonders bei uns in Thüringen, wo Lehns- und Besitzrechte von Herzögen, Markgrafen, Grafen, Erzbistümern, Städten und Klöstern eng verzahnt waren, taucht in Urkunden immer wieder das Abhalten von Halsgerichten in der Feldflur auf. Der spätmittelalterliche Lehnsherr mußte als Gerichtsherr seine Präsens an vielerlei Punkten seines zerstückelten Besitztums zeigen. Benachbarte Dörfer gehörten oft verschiedenen Territorialherren, z.B. waren dies in unserer Gegend die Grafen von Schwarzburg, die Grafen von Mansfeld und das Haus Brandenburg, die Grafen von Orlamünde, das Amt Saalfeld und die Stadt Saalfeld und damit Wettin (Haus Sachsen), das Kloster Saalfeld, das als Fürstabtei bis zur Reformation einen Abt mit dem Status eines Reichsfürsten hatte, usw. Die Liste ist nicht vollständig. Jedenfalls gab es Grund genug, an möglichst vielen Punkten im Gelände die Gerichtshoheit zu demonstrieren und erworbene Rechte zu verteidigen.

Auch wenn Steinkreuze oft an Wegen und Straßen stehen, so spricht das nicht gegen, sondern eher für die dargestellte These, da das Abhalten eines Halsgerichtes und Aufstellen eines Sühnekreuzes an eine. vielbenutzten Grenzübergang sicher die größte öffentliche Wirkung hatte. Religiöse und profane Gesichtspunkte haben sich wohl zu allen Zeiten vermischt.

Literatur:
Deubler, H. / Künstler, R. / Ost, G.: Steinerne Flurdenkmale in Ostthüringen. Gera, 1977. S.20 ff.
Dietzel, W.: Der Sammelstein. Rudolstädter Heimathefte 3/4 (1980) S.79 - 82. Rudolstadt.
Helbig , K.: Die Steinkreuze in Königreich Sachsen als Grenzzeichen. - Mitt.d.Ver.f.sächs. Volkskunde 3 (1905) S.369 - 389; 4 (1906) S.120-131.
Knopf, A.: "Auf der Judenstraße". - Saalfelder Kreisecho 3 (1962) Nr.42. Saalfeld.
Koch, E.: Aus der Beschreibung des Amtes Saalfeld in Jahre 1673. Saalfische. - Saalfeld, 1900. Nr.4.
Künstler, R.: Ostthüringische Flurdenkmäler im Lichte urkundlicher Überlieferungen - Ausgrab, u. Funde 20 (1975), 5, S.257f. Berlin.
Künstler, R.: Ostthüringische Flurdenkraäler a.a.O., S.254.
Lehfeldt, P.: Bau und Kunstdenkmäler Thüringens, 6. Herzogtum Sachsen-Meiningen, Amtgerichtsbezirk Saalfeld, Oena 1889, S.7.
Mitteis, H.: Der Staat des hohen Mittelalters. Weimar 1974. S.24 -244.
Ost, G.: Die Orlamünder Sühneurkunde. - Urgeschichte u. Heimatforsch. (1977) 14 . S.53 - 57. Weimar.
Quietzsch, H.: Der Kampf der Bauern um Triftgerechtigkeit in Thüringen und Sachsen 1525. In: "Der arm man 1525" hrsg. v. H. Strohbach, - Akademieverlag Berlin 1975.
Roth, M.: Ein Weichbildumgang im Jahre 1702 - Saalfelder Weihnachtsbüchlein (1913) S.20-21.
Roth, M.: a.a.O., S.23.
Saal. W.: Der Sammelstein bei Reichenbach Krs. Saalfeld - Ausgrab. u. Funde 13 (1968) S.272-275. Berlin.
Saggitarius: Saalfelder Historien hrsg. v. E. Devrient. - Saalfeld 1904.

(Urgeschichte und Heimatforschung, Weimar 1983, Heft 20. S.42-52)

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