Deutschland Thüringen Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Reichenbach (I)


Abbildung bei
Künstler (1960)

Abbildung bei
Störzner (1988)

PLZ: 07407

GPS: N 50° 41.467', O 11° 27.617'

Standort: 1900m nordöstlich vom Ort, von der Kreuzung aus 200m in Richtung Weißen, dann 100m westlich in den Schustersteig, 80m nördlich auf Waldweg, dann 20m auf einem Trampelpfad in den Wald.

Größe / Material: 155:66:19 / grauer Sandstein

Geschichte: Benennung: "Semmelstein"; "Johannihut". Durch die Grabung von Saal (1968) ist erwiesen, daß der Stein nie versetzt worden ist.
Sammelstein; ursprünglich Semmelstein (so Lommer 1888). Dietzel (1980; 1985) weist überzeugend nach, daß die Namensform "Semmelstein" in unmittelbarem Zusammenhang mit den Rauten im Wappenschild auf dem Denkmal steht. Diese werden auch als "Wecken" in Anlehnung an das Weizenbrötchen bezeichnet, für das im thüring. Sprachraum auch die Bezeichnung "Semmel" verwendet wird. Mundartlich wurde "Semmel" zu "Sammel" (dazu auch Kallies 1983).
Glrichmäßige Steinplatte mit viereckigem Querschnitt. Auf der N-Seite ein flächenfüllendes, 2cm plastisch herausgearbeitetes lateinisches Balkenkreuz (Balken-St. 15-16cm), dessen Schaft in Erdbodenhöhe endet. Mächtig. Die N-Seite ist die Hauptansichts-Fläche des Steines.
N-Seite, heraldisch rechts unter dem Querbalken des Kreuzes: Mehrere halbschräg verlaufende (Wetz-)Rillen, bis zu 9cm lang. S-Seite, mittig 2-4cm plastisch herausgearbeitet: Wappenschild (Br. 47; H. 79cm) mit zwei im Umriß eingeritzten, nebeneinanderziehenden und sich an einer Ecke berührenden Rauten (Br. je Raute 20; H. je Raute 60cm}. Es handelt sich um das Wappen derer von Könitz, deren Stammsitz etwa 5km südlich des Kreuzsteines lag (Könitz, Kr. Saalfeld).
Größerer alter Abschlag an der W-Seite; einzelne Kantenbeschädigungen. Sonst guter Gesamtzustand. Allgemeine oberflächige Verwitterung. (Störzner 1988)

[...] Ein vielbegangener Weg war der sogenannte "Schusterstieg", der die kürzeste Verbindung zwischen Rudolstadt und Pößneck darstellte und die "Hohe Straße" an der "Hangeiche" kreuzte. Ihn benutzten die Rudolstädter Schuster, die ihr Leder von Pößnecker Gerbereien bezogen. Nahe am Schusterstieg und unweit dieser einst so wichtigen und verkehrsreichen Straßenkreuzung an der Hangeiche, die bis auf den heutigen Tag den Charakter einer weitverästelten Wegspinne behalten hat, stehen nun zwei merkwürdige, altersgraue und bemooste Kreuzsteine, wohlgemerkt, keine der sonst bei uns üblichen Steinkreuze, sondern aufrechtstehende, quaderförmige Steinplatten mit Kreuzdarstellungen: der sogenannte "SAMMELSTEIN“ und der viel weniger bekannte "SCHLEIERSTEIN" oder "SCHLIERSTEIN" (Reichenbach II).
Unter diesen irreführenden, sagenhaften Namen hüten sie bis auf den heutigen Tag ihr Geheimnis, das auch, der scharfsinnige Saalfelder Historiker Ernst Koch nicht völlig zu lüften vermochte.
Die südliche Gegenseite zeigt einen ca. 80cm großen, eingemeißelten Wappenschild mit zwei längsseitig aneinandergestellten Rauten. Es ist das Wappen des Feudalgeschlechts derer von Könitz. Dieser Kreuzstein ist sehr solide gearbeitet und bis auf geringe Abschürfungen in der oberen Partie der westlichen Schmalseite und am Kreuzstamm ausgezeichnet erhalten. Die Bezeichnung "Sammelstein" wird der Sage nach auf den Dreißigjährigen Krieg zurückgeführt. An diesem markanten Stein sollten sich versprengte Truppenteile wiedergesammelt haben. Möglicherweise mag auch bei Hofjagden das große und auffällige Denkmal dem Jagdgefolge als Sammelplatz gedient haben. Das bestätigt aber nur, daß der Stein zu der Zeit schon an dieser Stelle gestanden haben muß und wesentlich älter ist. Das wird vor allem durch das Könitzer Wappen bekräftigt, denn zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges war der Stammsitz der Könitzer Ritter schon längst in den Besitz anderer übergegangen.
Wenn also gelegentlich die Ansicht vertreten worden ist, "es stehe geschichtlich fest, daß dieser Stein von der Familie von Könitz zur Erinnerung an die Beendigung des Dreißigjährigen Krieges errichtet worden sei", so muß das als unhaltbar zurückgewiesen werden. Aber welche Bewandtnis mag es denn mit dem Sammelstein haben?
Der Saalfelder Geschichtsschreiber Sylvester Liebe berichtet uns im 1. Band seiner 1625 vollendeten, leider ungedruckten dreibändigen "Salfedographia“, daß sich im Mittelalter am Ort der alten Hangeiche (die heutige ist eine jüngere Nachpflanzung) eine alte Gerichtsstätte des Saalfelder Benediktinerklosters befunden habe, das hier die hohe Gerichtsbarkeit über Leben und Tod ausübte.
Das wird uns auch durch eine Urkunde vom 10. März 1279 bestätigt, in der Graf Hermann von Orlamünde seinem Vetter Günther, Abt zu Saalfeld, also dem Saalfelder Benediktinerkloster, als Schadenersatz die Vogtei über die Dörfer Preilipp und ½ Hufen zu Volkstedt, Röblitz, Friedebach, Dürrenfriedebach (Wüstung) und Hütten, ferner "seinen Teil des Waldes in der Heide mit allen Zinsen und Renten, sowie dem Blutgericht und der bescheiden und geschikte stad pynigunge der bosen Menschen, die do gehöret zu den blut-gerichte" zugeneigt und der Abtei die Vogtei über die Dörfer Schade und Reichenbach samt dem Gericht, die das Kloster von seinem Bruder Otto, Grafen von Orlamünde, Herren zu Rudolstadt, gekauft hat, bestätigt.
Die bekannte Erzählung von der Hangeiche, an der im Dreißigjährigen Krieg ein Kroate unschuldig gehängt worden sei, weil bei einer Durchsuchung aus, der Kirche in Weißbach gestohlener Abendmahlskelch in seinem Tornister gefunden worden sei, gehört ebenso in das Reich der Sage. Der Name "Hangeiche" ist in Wirklichkeit bedeutend älter und geht auf die urkundlich bezeugte, mittelalterliche Gerichtsstätte des Saalfelder Benediktinerklosters zurück.
Auf einen ähnlichen alten Gerichtsort scheint auch die sogenannte "Eiserne Hand" bei Hütten zu deuten.
Was hat nun aber unser Sammelstein mit dieser alten Gerichtsstätte zu tun? Die unmittelbare Nähe ist natürlich auffallend. Es ist sogar denkbar, daß der Stein an seinem Standort. eher als die heutige Hangeiche jene denkwürdige Stätte kennzeichnet, an der im Mittelalter Gericht gehalten wurde, ohne daß wir ihn selbst unbedingt als "ein Zubehör der Gerichtssätte" ansehen müßten. Mit größerer Wahrscheinlichkeit jedoch wird man den Sammelstein, wie auch den Schleierstein jenen Rechtsdenkmälern zurechnen dürfen, die nach mittelalterlichem Brauch u.a. als vertraglich festgelegte Sühneleistung für einen begangenen Totschlag um des Seelenheils des Erschlagenen willen, vom Täter, errichtet werden mußten, den Steinkreuzen oder Sühnekreuzen. Dafür spricht schon die gleiche Symbolik. Die Darstellung eines Schwertes auf dem Schleierstein begegnet sehr häufig an Sühnekreuzen. Auch die Darstellung des Kreuzes auf dem Bogensockel läßt sich an heimischen Steinkreuzen nachweisen (Rudolstadt / Pflanzwirbach). Aber selbst das Wappen auf dem Sammelstein ist nicht so ungewöhnlich, wenn auch Wappendarstellungen auf Steinkreuzen schon seltener vorkommen (z.B. Oßmannstedt). Wir kennen Sühneurkunden in denen ausdrücklich die Errichtung eines Steinkreuzes mit dem Wappen des Erschlagenen gefordert wird. Es handelt sich dabei natürlich stets um Angehörige der feudalen Adelsschicht, In unserem Falle würde das also bedeuten, daß an der Stelle, wo der Sammelstein steht, ein Ritter von Könitz vermutlich im Streit erschlagen wurde. Auch die Größe und Ausführung des Sühnemals sind dafür bezeichnend.
Nicht weniger sind auch die Standortbedingungen unserer Kreuzsteine die gleichen wie bei den Steinkreuzen. Sie wurden gewöhnlich an den einstigen Brennpunkten des Verkehrs errichtet, was hier noch besonders durch das Vorhandensein einer alten Gerichtsstätte unterstrichen wird. Die beiden Kreuzsteine stehen auch keineswegs vereinzelt in der Heide, sondern befinden sich in der Gesellschaft einer ganzen Anzahl von Steinkreuzen, die über die Heide und ihre Randgebiete verstreut sind. Friedebach, Zella bei Krölpa, Herschdorf, Weißen (ehedem 2 Steinkreuze!), Gorndorf, Unter- und Oberwellenborn und Birkigt (jetzt im Klosterhof des Heimatmuseums).
Schließlich sind das nicht die einzigen Kreuzsteine dieser Art, wir kennen weitere aus Thüringen, vor allem aber sind sie uns als Sühnemäler aus Norddeutschland bekannt, wo sie gegenüber den Steinkreuzen in der Überzahl, etwa im Verhältnis 3:1 auftreten.
Wie erklärt es sich aber, daß in der Heide nur diese beiden Kreuzsteine stehen, während sonst nur Steinkreuze gesetzt wurden? Hierbei können sowohl zeitliche als auch gesellschaftlich-soziale Gründe wie im Falle des Sammelsteins mitspielen. Im allgemeinen stammen die Steinkreuze unserer Gegend aus dem 15. Jahrhundert. Die Kreuzsteine dagegen, zumindest der Schleierstein, dürften ein wesentlich höheres Alter haben und dem 14., wenn nicht sogar dem 13. Jahrhundert angehören. (Künstler 1960)

Sage: 1. Hier sollen sich die alten Heiden in der letzten Zeit ihres Bestehens versammelt und einen [...] Götzen verehrt haben.
2. Auch wird erzählt, daß hier eine Sammelstelle war für die Soldaten im Kriege.
3. Sammelplatz bei großen Jagden.
4. Sollte auch eine Gerichtsstätte bzeichnen.

Quellen und Literatur:
Künstler, Dr. Richard - Zwei rätselhafte Kreuzsteine in der Saalfelder Heide, in: Saalfelder Heimat, Dezember 1960, S.186-190
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.60, Nr.389
Störzner / Möbes - Steinkreuze in Thüringen: Katalog der Bezirke Gera und Suhl, 1988, Nr.120



Reichenbach (II)


Abbildung bei
Künstler (1960)

Abbildung bei
Störzner (1988)

GPS: N 50° 41.535', E 11° 26.987'

Standort: 1000m nordöstlich vom Ort, 900m westlich vom Beginn des Schusterstiegs, wo ein Waldweg in Richtung Reichenbach abzweigt, in der Gabelung.

Größe / Material: 110:42:18 / rötlicher Sandstein

Geschichte: Benennung: "Schleierstein", auch "Schlierstein".
Steinplatte mit viereckigem Querschnitt. Auf der SW-Seite steht flächenfüllend ein flach herausgearbeitetes griechisches Kreuz (Balken-St. 8cm) in einer zur Steinoberfläche vertieften Scheibe (ø 37cm). Dieses Scheibenkreuz steht auf einem in Kontur eingeritzten Schaft (Balken-St. 9cm), der sich nach unten verbreitert (zur Erdscheibe?). Gegenseite nur grob zugehauen.
SW-Seite, heraldisch links unter der Kreisscheibe im Umriß eingeritzt: Schwert (Kurzschwert) mit (zerstörtem) Griff und Parierstange (erhaltene L. 39cm). Vor 1944 von Mitgliedern des Thüringerwald-Zweigvereins Pößneck neu aufgestellt. Mehrere alte Beschädigungen auf der SW-Seite (dadurch Einzeichnungen beeinträchtigt) sowie Kantenabschläge. Allgemeine oberflächige Verwitterung. Saal hält den "Schleierstein" für älter als den "Sammelstein". (Störzner 1988)

Wird "Schleierstein" genannt, mundartlich "Schlierstein".
Für denjenigen, der sich in der Saalfelder Heide nicht auskennt, macht es zunächst einige Mühe, diesen seltsamen Stein zu finden. Am besten bewegen wir uns von der Hangeiche aus auf dem in westlicher Richtung abzweigenden, stellenweise noch mit einem schon verblichenen weißen "S" markierten Schusterstieg etwa 1 km weit bis dahin, wo ein nach Reichenhach hinabführender Holzabfuhrweg den alten Höhenpfad kreuzt. Nur wenige Meter südwestlich dieser Stelle steht der "Schleierstein" oder (wohl mundartlich) "Schlierstein" im Fichtenwalde, durch die moosgrüne Färbung sich kaum von seiner Umgebung abhebend. Ob das sein ursprünglicher Standort ist, kann mit unbedingter Sicherheit nicht gesagt werden, ist jedoch anzunehmen. Es handelt sich, um einen aufrechtstehenden, etwas nach rückwärts geneigten, quaderförmigen, rötlich verwitterten Sandstein, der etwa 110cm aus dem Boden ragt, eine Breite von etwa 42cm und eine mittlere Stärke von 18cm aufweist.
Trotz früherer, offensichtlich gewaltsamer Beschädigung läßt die südwestliche Schauseite noch deutlich die Konturen eines von, einem Kreis umgebenen Kreuzes erkennen, dessen 8cm breiter, durch rillenartige Vertiefungen stark hervortretender Schaft auf einem Bogensockel (Erdkreisbogen!) ruht. Rechts neben dem Kreuzstamm befindet sich noch eine kleinere, etwa 40cm große Ritzzeichnung, deren unteres Ende in eine Spitze ausläuft und daher eher als Schwert denn als Kreuz zu deuten ist.
Die zweifellos christliche Symbolik der Kreuzzeichnung läßt dahinter zunächst irgendein kirchlich-religiöses Grab- oder Andachtsmal vermuten. Lokaler Überlieferung zufolge spricht auch der Volksmund von einem Nonnengrab. Bis zu der rätselhaften Namensbildung "Schleierstein" bedurfte es dann nur noch eines kleinen Gedankensprungs, wenn man nicht annehmen soll, daß sich vom Namen her die Sage gebildet hat.
Aber schon Ernst Koch, der zwar den Schleierstein nie zu Gesicht bekommen hatte, vermutete einen anderen Zusammenhang, nämlich mit der Hangeiche und dem Sammelstein. (Künstler 1960)

Sage: 1. Lokaler Überlieferung zufolge spricht auch der Volksmund von einem Nonnengrab. (Künstler 1960)
2. Auch von einem Zigeunergrab ist die Rede.

Quellen und Literatur:
Künstler, Dr. Richard - Zwei rätselhafte Kreuzsteine in der Saalfelder Heide, in: Saalfelder Heimat, Dezember 1960, S.186-190
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.60, Nr.389
Störzner / Möbes - Steinkreuze in Thüringen: Katalog der Bezirke Gera und Suhl, 1988, Nr.120


Sühnekreuze & Mordsteine