volkstümliche Bezeichnungen von Flurdenkmalen


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Benennung und Flurname
von Bernhard Losch

Die häufigste Bezeichnung der alten Steinkreuze lautet ganz einfach "Kreuz", womit das Charakteristische, dieses aber in seinem weitest möglichen allgemeinen Rahmen erfaßt wird. Doch kann ein "Kreuz" auf einer Gemarkung für den ortskundigen Bewohner nur ein ganz bestimmtes Kreuz sein; die allgemeine Bezeichnung genügt vollauf in einer eng umgrenzten Umwelt, in der jeder Gegenstand in seiner besonderen Erscheinung als einmalig und bekannt vorausgesetzt werden kann.

Einfacher noch als "Kreuz" ist die Bezeichnung "Stein", die sich aber als weniger gebräuchlich erweist. Verhältnismäßig verbreitet ist die Bezeichnung "steinernes Kreuz"; doch scheint sie weniger im täglichen Sprachgebrauch verwendet zu werden, als vielmehr in Flurnamen und Örtlichkeitsbenennungen Niederschlag gefunden zu haben. Das gilt vor allem auch für "Kreuzstein". Weitere ganz allgemein gehaltene Bezeichnungen sind etwa "Kreuzstock" und vor allem in katholischen Gegenden "Bild", "Bildstock" oder "Bildstöckle".

Aber die einfachen allgemeinen Bezeichnungen spielen eine untergeordnete Rolle neben den meistens üblichen anknüpfenden Benennungen, die nicht allein die Sache im Auge haben, sondern ein bestimmtes Flurdenkmal von seiner ihm zugedachten Bedeutung her charakterisieren.
So kann man oft lange genug nach einem Kreuz, Steinkreuz oder Kreuzstein fragen, ohne eine verständliche Reaktion hervorzurufen, wogegen das Wort "Schwedenkreuz" oder der vorsichtige Hinweis: "Wo einmal etwas passiert ist" die Gemüter plötzlich zum Leben erweckt.

Weitaus am häufigsten ist die überall verbreitete Benennung "Schwedenkreuz", die darauf anspielt, daß ein solches Kreuz für einen oder mehrere im 30 jährigen Krieg gefallene schwedische Soldaten gesetzt ist.

Meistens verbirgt sich hinter derartigen Benennungen eine ganze Erzählung vom Ursprung und der Bedeutung des Kreuzes.

Einige Beispiele für die Benennung von Steinkreuzen seien mitgeteilt: Pestkreuz, Hungerstein, Asylkreuz, Römerkreuz, Franzosenkreuz, Russenkreuz, Schneiderstein, Zigeuner-, Metzger-, Schäfer-, Wildererskreuz, Kellerskreuz, Bürklekreuz, Hatzkreuzle, Viteleskreuz, Käderleskreuz, "Rebmesserkriz", Häfnerkreuz.

Neben diesen vielfältigen Benennungen gibt es auch ausgesprochene Übertragungen, in denen das Denkmal mit den angeblich beteiligten Sagengestalten identifiziert wird. "Jud" und "Metzger" etwa in Bombach Krs. Emmendingen. Übertragene und beigefügte Formen laufen auch nebeneinander her ("Schuhmichele" und "Schuhmicheleskreuz" bei Backnang). Ein Steinkreuz bei Dallau Krs. Mosbach, an dessen Standort ein Fräulein umgekommen sein soll, heißt "...'s ledige Kreuz".

Die Benennungen, in denen das Grundwort Kreuz erhalten ist, überwiegen. Nur ganz vereinzelt heißt dieses Grundwort einfach "Stein". Eine Gruppe für sich bilden Benennungen literarischer Herkunft, die da und dort Eingang in den volkstümlichen Sprachgebrauch gefunden haben, zum Beispiel: "Ächterkreuz", "Sühnekreuz".

Die einfach sachliche Definition tritt ihre praktische Rolle weitgehend ab an besondere, jeweils in einem bestimmten Umkreis gültige und geläufige Benennungen. Diese greifen über eine rein sachliche Feststellung hinaus und sehen ihren Gegenstand vor allem unter dem Gesichtspunkt seiner vermeintlichen Bedeutung: mit dem Steinkreuz als solchem fangen die Leute nichts an, es fesselt sie nur das Ereignis, dem das Denkmal seine Entstehung verdankt. Ein solches Ereignis aber gibt die notwendige Erklärung für das Vorhandensein des künstlichen Gebildes und macht es zu einem begreiflichen und legitimierten Bestandteil der heimatlichen Umwelt.

Selbst die speziellere Benennung "Soldatenkreuz", "Sattlerskreuz", "Pauluskreuz" sagt zunächst noch nichts Bestimmtes über das Äußere des gemeinten Denkmals, und in der Tat beschränken sich die üblichen Benennungen für die Steinkreuze keineswegs nur auf diese eine Gruppe kleiner Flurdenkmäler: die gleichen Namen können ebensogut für einen Bildstock, einen steinernen Kruzifixus oder ein hölzernes Flurkreuz gelten. Allenfalls die Benennungen "Schwedenkreuz" und "Metzgerkreuz" halten sich mit einer gewissen Regelmäßigkeit an die alten Steinkreuze, ohne aber ausschließlich auf diese festgelegt zu sein.

Es zeigt sich, daß der Begriff "Kreuz" einen erstaunlichen Umfang besitzt und besonders in katholischen Landschaften beinahe alle Kleindenkmäler der Flur einschließen kann, vom wirklichen Kreuz in seinen verschiedenen Spielarten über den kreuz- und kruzifixlosen Bildstock bis zum alten Meilenstein. Während einerseits die Bezeichnungen "Kreuz", "steinernes Kreuz", "Kreuzstein" auch für Denkmäler ohne Kreuzformen gelten, kann andererseits der Ausdruck "Bildstock" ohne weiteres auch Kreuzdenkmäler einschließen; mit "Bildstöckle" können wie mit "Kreuz" die verschiedensten Kleindenkmäler gemeint sein.

Insgesamt wird klar, daß die Steinkreuze im volkstümlichen Sprachgebrauch die gleichen Bezeichnungen tragen wie andere Flurdenkmäler auch, daß es keine Bezeichnung gibt, die ausschließlich den Steinkreuzen vorbehalten ist; die einfachen, rein sachlichen Begriffe unterscheiden einzelne Formen überhaupt nicht, aber auch zusammengesetzte Benennungen sind stets allgemein gehalten und für verschiedene Formen verfügbar. Daraus spricht eine völlig undifferenzierte Sehweise, die das einzelne Flurdenkmal nicht in seiner besonderen Individualität erfaßt, sondern nur in seiner allgemeinen Denkmalhaftigkeit.

Das demonstrieren vor allem auch Flurnamengebilde, die auf Kleindenkmäler zurückgehen: welche Fülle von "Kreuz"-Flurnamen, abgeleitet von Denkmalformen ganz verschiedener Art! Eine beachtliche Zahl solcher "Kreuz"-Flurnamen geht von Steinkreuzen aus, häufig finden sich zum Beispiel "Kreuz", "Kreuzäcker", "steinernes Kreuz" und "Kreuzstein", mehrfach auch "Kreuzwiese" (Weisbach Krs. Mosbach), "Kreuzsteinäcker" (Hardt Krs. Nürtingen) oder "Bildäcker" (Unterweissach Krs. Backnang). Beliebt sind auch Zusammensetzungen wie "Häfnerkreuz" (Horb), "Herzogskreuz" (Oftersheim Krs. Mannheim), "beim Pauluskreuz" (Gochsheim Krs.Bruchsal).

Daneben gibt es Namen wie "Kreuzbuche" (Tübingen) und "Kreuzsteinsträßle" (Agenbach Krs. Calw); bei Kandern Krs. Müllheim heißt ein Gebäude "Steinernes Kreuz", eine Neusiedlung bei Neckargerach Krs. Mosbach ist nach einem Steinkreuz-Flurnamen "Lauerskreuz" benannt. Wie bei diesem letzten Beispiel steht der Flurname vielfach ganz in dem einheitlichen Namens- und Vorstellungskomplex, der sich um ein Kreuz gebildet hat: Sagengestalt - Benennung - Flurname

Die Steinkreuz-Flurnamen zeigen die Bedeutung der kleinen steinernen Kreuz-Denkmäler für die örtliche Namengebung; das Steinkreuz gilt oder galt in hohem Maß als Beziehungspunkt für die räumliche Vorstellung der Bewohner, "stellvertretend" für die ganze Umgebung. Freilich teilt das Steinkreuz diese Eigenschaft mit anderen Denkmälern in Feld und Flur, die ebenfalls häufig in Flurnamen aufgegriffen sind.

Wie die Benennungen der kleinen Flurdenkmäler, so unterscheiden sich auch die abgeleiteten Flurnamen nicht grundsätzlich voneinander; besonders die mit "Kreuz" zusammengesetzten können von verschiedensten Denkmalformen ausgehen. Auch der Flurname "Bildäcker" läßt sich in weitestem Sinne auslegen. Diese unterschiedslose Namengebung macht es meistens unmöglich, von einem bestimmten Flurnamen auf ein entsprechend bestimmtes Denkmal zu schließen, wenn ein solches nicht mehr vorhanden ist. Oftmals aber sind Flurnamen noch die einzigen Überbleibsel ehemals dagewesener Denkmäler.
(Steinkreuze in Südwestdeutschland, 1968, S.95-99)

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