mittleren Kreuzes |
VÖ bei Saal (1989) |
VÖ bei Saal (1989) |
PLZ:
06128GPS:
N 51° 27,605', O 11° 56,855'Standort:
Am südllichen Zaun des Seniorenheimes "Böllberger Weg 150".Größe / Material:
links: 53:51:20 / SandsteinGeschichte:
Die erst zu Anfang dieses Jahrhunderts mit einer Ziegelsteineinfassung in Sargform ummauerten drei Steine wurden bei der modernen Bebauung des Geländes abgebrochen und nach durch Stadterweiterung bedingte Abbruche von Altbauten, Aufschließungsarbeiten und Errichtung von Neubauten nach längerer Zwischenlagerung etwa an der ursprünglichen Stelle wieder errichtet. Die drei Steine zeigten auf einer Postkartendarstellung des Kaffeehauses Kurzhals aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg noch die Kreuzform. Zwei Monolithe flankierten das Reststück eines Kreuzes ohne Kopf und linken Arm (vom Beschauer aus gesehen). 1937 sah aus der Ziegelsteinummauerung am Kopf derselben ein Monolith heraus, während die Stumpfflächen der beiden anderen Steine mit der Ziegelsteinummauerung bündig abschlössen. Wie weit bei der jüngsten Aufstellung nach 1980 überhaupt noch die Originale bzw. ihre Reststücke Verwendung fanden ist höchst unsicher und kann auf Grund der Aufmaßvergleiche von 1937 und 1983 wohl nur noch für den mittelsten Stein bejaht werden. Dieser zeigte auf dem pyramidenähnlichen Schaft einen etwas verdickten Kopf, während die beiden flankierenden Steine einfache Platten sind.Sage:
Die Sage berichtet von einem gegenseitigen Totschlag dreier Müllerburschen, die in Liebe zur Böllenberger Müllerstochter entbrannt waren und von denen keiner zurückstehen wollte. Die Sage wurde um 1800 zu einem Liede verarbeitet, das sogar vertont und wohl auch gern im frohen Kreis, besonders im Kaffeehaus Kurzhals, gesungen wurde.Quellen und Literatur:
In Böllberg, heute Wörmlitz-Böllberg, südlich an Halle grenzend, liegt an der Saale das "Müllergrab" oder
die "Drei Steine", ein Grabhügel, auf dem vorzeiten 3 Steine errichtet waren, von denen der mittlere eine Frauengestalt andeutete. Das Material war stark verwitterter
Sandstein. Unverstand und Roheit zerstörten in einer bösen Zeit die Stätte, bis die Leitung der Hildebrandtschen Mühlenwerke eine Befestigung der Grabform vornahm,
wie sie sich heute noch dem Blick darbietet.
Von den Steinen geht eine Sage um, die vor allem in der Form eines Gedichtes geläufig ist. Dichter und Zeit der Entstehung sind unbekannt.
So oft im bleichen Mondenschein
|
Sie stritten her, sie stritten hin,
|
Die Melodie wurde aufgenommen von einer Frau, deren Großmutter die
Sage erzählt und das Lied gesungen hat, wenn sie in der Dämmerstunde am warmen Ofen Kinder
und Enkel um sich hatte. In den 80er und 90er Jahren wurde der Gesang des Liedes in der Wörmlitzer
Schule gepflegt (Böllberg bildete mit Wörmlitz einen Schulverband).
Die Ausschmückung der "Drei Steine" durch Grünanlage, Rasen, Baumpflanzung ist in die
Wege geleitet. Eine Steinplatte mit der Inschrift der zweiten Strophe des Liedes soll dem Wanderer
die Bedeutung des Ortes künden. Material des Steines und Schriftart wird von der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein gewählt.
Wo ist das Gedicht noch bekannt, wo wird das Lied vom Volk gesungen?
(Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde, 12.JG., 1937, Heft 3, S.165-166)
In Nr.4 von "Der Neue Weg" vom 5. Januar 1956 erschien eine kleine Veröffentlichung unter dem Titel "Die Geschichte vom Müllergrab in
Böllberg", die diese alten Denkmale wieder etwas in die Erinnerung der Hallenser zurückrief. Da dieses Müllergrab eine volkskundlich sehr interessante Überlieferung
besitzt, die es verdient, in unserer kurzlebigen Zeil festgehalten zu werden, vor allem schon deswegen, weil die Melodie des Liedes vom Böllberger Müllergrab heute
kaum noch bekannt ist, habe ich mich der Aufgabe unterzogen, aus meinem Sleinkreuzinventarium Sachsen-Anhalt das gesamte bekannte Material zusammenzustellen.
Am Nordausgang von Wörmlitz, an der früheren Ortsgrenze von Böllberg und Wörmlitz, da, wo der Böllberger Weg einen leichten Knick macht und ein Gartensteig
von ihm abzweigt, befindet sich in dem von beiden Wegen gebildeten Dreieck das Müllergrab. Aus einer festen gewölbten Decke ragen zwei Steine hervor. Während
ein dritter nur bei genauem Zusehen zu erkennen ist, da er mit der Decke abschneidet. Auf einer Sepiazeichnung von W. Fürstenberg aus den sechziger Jahren des
vorigen Jahrhunderts sind die Steine noch etwas größer zu sehen, als sie sich jetzt dem Auge bieten. Bemerkenswert an dieser hundertjährigen Zeichnung ist, daß
der mittlere Stein noch deutlich einen Arm hat. so daß der Verdacht sich bewahrheilet, daß wir es hier, wie z.B. auch in Spergau
im Kreise Merseburg oder wie in Brücken im Kreise Sangerhausen, mit Stümpfen von
Steinkreuzen zu tun haben. Steinkreuze, die oft Mord- oder Sühnekreuze genannt werden, und denen wir auf Wanderungen auf einsamen Wegen oder gar im Getriebe
der Großstadt Berlin, in Wald und Flur, im Gebirge oder in der Ebene begegnen können. An diese Kreuze knüpft sich meist eine recht blutige Sage. Und das ist auch
hier in Böllberg der Fall.
Daß diese drei Steinstümpfe auch wirklich Steinkreuze gewesen sind, bestätigt Dreyhaupt, der auch als Erster berichtet, daß unter den drei Steinkreuzen drei
Müllerburschen liegen sollen, die sich daselbst geschlagen und einander mit den Mülleräxten totgehauen hatten. Auch Groeßler bringt in seinen Sagen der Grafschaft
Mansfeld fast den gleichen Text auf dem dann wieder Schultze-Gallera fußt. Beträchtlich ausführlicher unterrichtet uns jedoch eine 18-strophige Ballade, die noch zu
Anfang dieses Jahrhunderts in der Böllberger Schule gelehrt und vor allem auch gesungen wurde. Die Melodie des Liedes zeichnete ich mir 1937 auf. - Nach einer
freundlichen Mitteilung von Kreispfleger Werner Schulz, Tauchlitz, schrieb sie im Herbst vorigen Jahren ohne Kenntnis meiner Aufzeichnung, der alte
Böllberger Lehrer, Herr Franz Lorenz, aus dem Gedächtnis noch einmal auf, wobei er im allgemeinen eine Terz tiefer bleibt als ich und zum Ende noch etwas mehr
abweicht, was wohl daran liegt, daß er seine Aufzeichnungen aus der Erinnerung schöpft und von seiner eigenen Stimmlage beeinflußt ist. Da die Melodie m.W. noch
nicht veröffentlicht wurde, und sie auch unserem bekannten Volksliedsammler und Nestor der Volkskunde. Prof. Dr. A. Wirth, Dessau, nicht bekannt war, so teile ich
beide Fassungen und den Text der Ballade mit:
So oft im bleichen Mondenschein
|
Sie stritten her, sie stritten hin.
|
Das Lied kann übrigens auch nach der Melodie des Liedes "Ob' immer Treu und Redlichkeit" gesungen werden.
Wieder in Prosa überliefert uns Friedrich Sieber die Sage in seinen "Harzlandsagen" (Jena, 1928), wobei er
deutlich spürbar auf der Sagen-Überlieferung durch die Ballade fußt. Eigenartigerweise stellt er die junge Müllerin
in ein Flachsfeld, das bisher noch nicht erwähnt ist. Die Sieber'sche Fassung hat dann wieder Liebers in seinem Büchlein
"Unsere Steinkreuze - Germanische Heiligtümer" (Naumburg, 1937) benutzt. Es muß hier eindringlich vor diesem Werk
gewarnt werden, das nur am Schreibtisch entstanden sein kann und das, ich möchle fast sagen typisch für die
nationalsozialistische Geschichtsklitterung ist.
Im Gegensatz zum Märchen, das ja seine Entstehung lediglich der Volksphantasie verdankt, gründet jede Sage ihre Entstehung in die
Tatsache, daß sie etwas Vorhandenes erklären will. In unserem Fall ist das zu Erklärende sehr klar erkennbar, es sind die drei Steinkreuze. Weiter
enthält jede Sage einen wahren Kern und auch der ist nicht schwer zu ermitteln, er ist die Erinnerung an den Grund, der zur Errichtung der Kreuze,
die ja von Menschenhand geschaffen sind, führte. Steinkreuze erinnern in fast allen Füllen an plötzlich aus dem Leben Geschiedene, wobei dieselben
meist durch Totschlag umgekommen sind, seltener durch Unglücksfall. Durch Sühneurkunden kann nachgewiesen werden, daß der oder die Totschläger
außer anderen Bußen wie Zahlung von Wehrgeld, Abhalten von Sühnemessen, feierlichen Totenfeiern, Pilgerfahrten u.a. mit der Errichtung eines
Steinkreuzes, oft in vorgeschriebener Größe und an bestimmtem Orte, verpflichtet wurde. Es ist jedoch noch kein Fall bekannt geworden, wo mehrere
Steinkreuze zu gleicher Zeit an einer bestimmten Stelle von einem oder mehreren Tätern errichtet werden
mußten. - Bei längerer Beschäftigung mit dem gesamten Fragenkomplex unserer Steinkreuze mußte ich feststellen, daß die an einer Stelle zusammenstehenden
Kreuze schon aus rein stilkritischen Gründen nicht zur gleichen Zeit entstanden sein können, wie das am deutlichsten im Dorf Ilberstedt
im Kreise Bernburg auffällt, wo der Sage nach sieben Steinkreuze die Stelle anzeigen, an der ein Fleischerhund sechs Räuber, die seinen Herrn anfielen,
umbrachte und wo er dann im Blutrausch als den siebenten seinen eigenen Herrn erwürgte.
Leider lassen sich bei dem starken Zerstörungsgrad der Böllberger Steine kaum noch Unterschiede feststellen, trotzdem muß doch angenommen werden, daß
die Steinkreuze drei nicht zusammengehörenden Toten gesetzt wurden. Wenn die Steine nicht ursprünglich an dieser Stelle gesetzt worden sind, so müssen sie
aber doch noch vor Dreyhaupts Zeiten hier vereinigt worden sein. Das dürfte möglicherweise kurz nach dem Dreißigjährigen Kriege gewesen sein, da aus dieser Zeit
verschiedentlich bekannt geworden ist, daß man Kreuze, deren ursprünglicher Sinn in der Erinnerung verlorengegangen war, versetzte, wobei man sie sogar
verschiedentlich als Grenzsteine benutzte.
Stellt man nun die Frage nach der eigentlichen Entstehungszeit der Kreuze, so ist diese Frage infolge der weitgehenden Zerstörung der Kreuze sehr schwer zu
beantworten. In unserer engeren Heimat gibt es Steinkreuze seit dem 11. Jahrhundert. Das letzte für einen Totschlag bzw. Mord gesetzte Steinkreuz, wurde 1902
auf der Finne aufgestellt. Im allgemeinen hörte aber die Setzung von Steinkreuzen in der Reformationszeit auf, wobei nicht nur der Wechsel in den religiösen
Anschauungen von Einfluß war, sondern auch der Erlaß der Lex Carolina 1532, die den Totschlag unter gerichtliche Strafverfolgung stellte und damit eine Sühne
durch Vertrag unmöglich machte. Wenn auch aus Thesau im Kreise Leipzig (früher Merseburg) noch von 1556 eine Sühneverhandlung in letzter Zeit bekannt
wurde, worin allerdings die Aufstellung eines Steinkreuzes nicht mehr gefordert wurde, wurde doch wenige Jahre später in Blankenheim
an der Eisenbahnstrecke Eisleben - Sangerhausen für eine Mordtat aus dem Jahre 1561 ein Steinkreuz gesetzt, obwohl hier bereits gerichtliche Verfolgung der
Totschläger eingetreten war.
Da die Setzung von Steinkreuzen sich zuerst in den Kreisen der Feudalherren durchsetzte und wohl kaum vor dem 13. Jahrhundert die breiten Volkskreise erfaßte,
möchte ich die Steinkreuzerrichtung in Böllberg nicht vor dem Ende des 14. Jahrhunderts ansetzen; ich halte es sogar nach der erwähnten Sepiazeichnung für sehr
wahrscheinlich, daß die Kreuze erst im 15. Jahrhundert errichtet worden sind. Vielleicht finden wir durch Zufall noch einmal Urkunden, die uns weitere Auskünfte
geben, einstweilen müssen wir mit diesen Angaben zufrieden sein.
Daß man als Tote drei Müller annimmt, findet seine einfache Erklärung darin, daß das bemerkenswerteste Gebäude in der Nähe der Steinkreuze die etwa 600m
oberhalb am "Vogelgesang" gelegene Mühle war. Außerdem gehören die Müller wie die Schäfer zu den selbstbewußtesten Berufen des ausgehenden Mittelalters und
damit auch zu den beliebtesten Sagengestalten. Ich möchte hier nur an den Sagenkranz um Pumphut, der ja auch zu den wandernden Müllergesellen gehört, erinnern.
Schultze-Gallera berichtet in seinen "Wanderungen durch den Saalkreis, Band V" von einem Edikt der Preußischen Regierung vom 23. Januar 1704 mit folgendem
Wortlaut:
Daß die Müllerburschen und insonderheit die Laufknappen eine gefährliche Art von Äxten jedesmal mit sich führen und auf den Straßen, in den Wirtshäusern und
anderen Orten allerhand Unglück anrichten. Daher den Mühlknappen ernstlich anbefohlen, wenn sie in Dienst bei einem Mühlmeister treten, solche Äxte sofort ihm zur
Aufbewahrung zu überliefern. Sie sind ihnen erst wiederzugeben, wenn sie austreten und sich nach einem anderen Ort begeben. Will der Mühlknappe die Axt nicht
abgeben, muß der Mühlmeisler das sofort der Obrigkeit anzeigen. Kommt ein Mühlknappe mit einem so gefährlichen Gewehr in ein Wirtshaus oder Schenke, so
haben es ihm die Wirte abzufordern bis er weggeht, damit alles Unglück verhütet werde.
Es ist nun möglich oder sogar sehr wahrscheinlich, daß Unglücksfälle, die zu dem Edikt die Veranlassung boten, auch in der Umgebung Halles vorgekommen
sind und daß man nun eine derartige blutige Mordtat, weil man den ursprünglichen Sachverhalt nicht mehr kannte, auf die drei Kreuze übertrug. Wie erfinderisch
der Volksmund in dieser Hinsicht sein kann, beleuchtet folgendes kleine persönliche Erlebnis, das ich auf meinen Steinkreuzfahrten in Holdenstedt
unweit Blankenheim hatte. Hier berichtete man mir, daß an der Stelle eines mittelalterlichen Steinkreuzes um die Jahrhundertwende einmal jemand von einem Auto
überfahren worden sei und man zur Erinnerung an diesen Todesfall das Kreuz gesetzt habe. - Die Erinnerung an den Todesfall war geblieben, aber die Umstände waren
in Vergessenheit geraten und so mußte nun eine jetzt sehr häufige Unfallart zur Erklärung herhalten.
Bei dem Kloster, in das die junge Müllerin ging, hat das Volk wohl an das Georgenkloster gedacht.
Zum Schluß wäre nun noch die Frage nach dem Alter der Ballade zu stellen. Einen wichtigen Hinweis gibt hier das Herkunftsland der so jäh ums Leben
Gekommenen = Sachsenland. Das Lied muß also in einer Zeit entstanden sein, zu der in Halle jegliche Erinnerung an die landschaftliche Zugehörigkeit zu Sachsen
geschwunden war und in der man andernteils aber auch das Land an der Saale oberhalb Merseburgs noch zu Sachsen rechnete. Der Hallenser muß sich also schon
als Preuße gefühlt haben und das dürfte wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts gewesen sein.
Soweit die bisher bekannte Literatur nicht bereits im Text erwähnt wurde, verweise ich auf mein "Verzeichnis der Steinkreuze des Landes Sachsen-Anhalt" in der
Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte, Band 36 und Band 38 (Halle, 1952 und 1954), in dem auch im Anhang weitere Literaturangaben erwähnt sind.
(Hallische Monatshefte 3, 1956, S.245-249)