Deutschland Sachsen-Anhalt Kreisfreie Stadt Halle

Böllberg (I - III) / OT von Halle


Reststück des
mittleren Kreuzes

Zustand 1937
VÖ bei Saal (1989)

Zustand 1984
VÖ bei Saal (1989)

PLZ: 06128

GPS: N 51° 27,605', O 11° 56,855'

Standort: Am südllichen Zaun des Seniorenheimes "Böllberger Weg 150".

Größe / Material: links: 53:51:20 / Sandstein
mitte: 56:18-27:18 / Sandstein
rechts: 36:37:18 / Sandstein

Geschichte: Die erst zu Anfang dieses Jahrhunderts mit einer Ziegelsteineinfassung in Sargform ummauerten drei Steine wurden bei der modernen Bebauung des Geländes abgebrochen und nach durch Stadterweiterung bedingte Abbruche von Altbauten, Aufschließungsarbeiten und Errichtung von Neubauten nach längerer Zwischenlagerung etwa an der ursprünglichen Stelle wieder errichtet. Die drei Steine zeigten auf einer Postkartendarstellung des Kaffeehauses Kurzhals aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg noch die Kreuzform. Zwei Monolithe flankierten das Reststück eines Kreuzes ohne Kopf und linken Arm (vom Beschauer aus gesehen). 1937 sah aus der Ziegelsteinummauerung am Kopf derselben ein Monolith heraus, während die Stumpfflächen der beiden anderen Steine mit der Ziegelsteinummauerung bündig abschlössen. Wie weit bei der jüngsten Aufstellung nach 1980 überhaupt noch die Originale bzw. ihre Reststücke Verwendung fanden ist höchst unsicher und kann auf Grund der Aufmaßvergleiche von 1937 und 1983 wohl nur noch für den mittelsten Stein bejaht werden. Dieser zeigte auf dem pyramidenähnlichen Schaft einen etwas verdickten Kopf, während die beiden flankierenden Steine einfache Platten sind.
Alle drei Steine sind auf einem länglichen Bankett befestigt. Im Westen steht eine schief aufgestellte nahezu quadratische Sandsteinplatte von 53cm:51cm:20cm, in der Mitte ein 56cm hoher grobkörniger Sandstein, dessen Fuß sich von 25cm:27cm auf 19cm:18cm verringert, während der abgerundete würfelförmige Kopf 23cm:20cm:21cm groß ist. östlich steht wiederum eine etwas kleinere Sandsteinplatte von 36cm:37cm:18cm Größe. Eine Zeitbestimmung kann auf Grund des 1937 und jetzt beobachteten Aussehens und nach der sehr unsicheren Überlieferung der Originalität der Steine nicht erfolgen. (Saal 1989)

Sage: Die Sage berichtet von einem gegenseitigen Totschlag dreier Müllerburschen, die in Liebe zur Böllenberger Müllerstochter entbrannt waren und von denen keiner zurückstehen wollte. Die Sage wurde um 1800 zu einem Liede verarbeitet, das sogar vertont und wohl auch gern im frohen Kreis, besonders im Kaffeehaus Kurzhals, gesungen wurde.

Quellen und Literatur:
Saal, Walter - Steinkreuze und Kreuzsteine im Bezirk Halle, 1989, S.19
Lorenz, F. - Das Böllberger Müllerlied, in: Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde, 12.JG., 1937, Heft 3, S.165-166
Saal, Walter - Das Böllberger Müllergrab, in: Hallische Monatshefte 3, 1956, S.245-249
recherchiert und bebildert von Uwe Exner, Oberröblingen, Juni 2007



Das Böllberger Müllerlied
Von F. Lorenz, Wörmlitz-Böllberg

In Böllberg, heute Wörmlitz-Böllberg, südlich an Halle grenzend, liegt an der Saale das "Müllergrab" oder die "Drei Steine", ein Grabhügel, auf dem vorzeiten 3 Steine errichtet waren, von denen der mittlere eine Frauengestalt andeutete. Das Material war stark verwitterter Sandstein. Unverstand und Roheit zerstörten in einer bösen Zeit die Stätte, bis die Leitung der Hildebrandtschen Mühlenwerke eine Befestigung der Grabform vornahm, wie sie sich heute noch dem Blick darbietet.
Von den Steinen geht eine Sage um, die vor allem in der Form eines Gedichtes geläufig ist. Dichter und Zeit der Entstehung sind unbekannt.

So oft im bleichen Mondenschein
Ich dort vorüber geh',
Durchdringt ein Schauer mein Gebein,
Wenn ich die Steine seh'.

Drei Steine an der Saale Strand
Bedecken grünes Moos,
Drei Müllerburschen aus Sachsenland
Ruh'n da im Erdenschoß.

Sie wanderten den Strom entlang
Und scherzten froh und frei,
Da ging mit lieblichem Gesang
Die Müllerin vorbei.

Verblichen war der Eltern Paar,
Die Mühl' ihr Eigentum,
Sanft war ihr Auge, blond ihr Haar
Und Sittsamkeit ihr Ruhm.

Die Müller standen still und stumm
Und sah'n ihr sehnend nach,
Da wandte sich die Holde um
Und einer wagt's und sprach:

"Wir suchen Arbeit, holde Maid,
Wir sind gar fern von Haus,
Wir sind zu Deinem Dienst bereit,
Wähl' von uns einen aus."

"Mein Räderwerk ist wohl besetzt,
Doch stell' ich den wohl an,
Der mit dem Beile, scharf gewetzt,
Am besten zimmern kann.

Mein ist die Mühle dort im Tal
Und diese Wiese hier,
Hält er sich fromm, zum Eh'gemahl
Wähl' ich vielleicht ihn mir."

Sie ging; da schlich sich Lust und Leid
Ins Herz der Müller ein;
"Mein", rief ein jeder, "sei die Maid,
Mein muß die Holde sein."

Sie stritten her, sie stritten hin,
Vermaßen sich mit Droh'n,
Und immer düstrer ward ihr Sinn,
Ihr Wort ward Fluch und Hohn.

Vom Wort zur Tat, es steigt die Wut
In jeder Brust empor,
Sie kämpfen; hier und dort quillt Blut
Vom scharfen Beil hervor.

Sie tritt hinzu, sie ruft, sie fleht:
"Verweg'ne haltet ein,
Versöhnt Euch, eh' Ihr weiter geht,
Von Euch wird keiner mein".

Vergebens! Fort tönt's Mordgeschrei
Dort an der Saale Strand,
Der eine fällt, bald decken zwei
Das blutbefleckte Land.

Da liegen sie in'n Staub gestreckt.
Des Mordes sich bewußt,
Bohrt sich der dritte reuevoll
Das Messer in die Brust.

Die Müllerin zerraufte sich
Ihr blondes Lockenhaar,
Tief seufzte sie: "Daß ich, daß ich
Des Frevels Ursach' war."

Die Müllerburschen aus Sachsenland
Empfing der Erde Schoß,
Drei Steine pflanzt die zarte Hand
Der Jungfrau auf das Moos.

Sie hegte kaum drei Monde lang
Der Gräber junges Grün.
Da sah man sie das Tal entlang
Ins nahe Kloster zieh'n.

Als fromme Schwester hat sie noch
Die Gräber oft geschmückt,
Bis sie des Klosters hartem Joch
Ein früher Tod entrückt.

Die Melodie wurde aufgenommen von einer Frau, deren Großmutter die Sage erzählt und das Lied gesungen hat, wenn sie in der Dämmerstunde am warmen Ofen Kinder und Enkel um sich hatte. In den 80er und 90er Jahren wurde der Gesang des Liedes in der Wörmlitzer Schule gepflegt (Böllberg bildete mit Wörmlitz einen Schulverband).
Die Ausschmückung der "Drei Steine" durch Grünanlage, Rasen, Baumpflanzung ist in die Wege geleitet. Eine Steinplatte mit der Inschrift der zweiten Strophe des Liedes soll dem Wanderer die Bedeutung des Ortes künden. Material des Steines und Schriftart wird von der Kunstgewerbeschule Burg Giebichenstein gewählt.
Wo ist das Gedicht noch bekannt, wo wird das Lied vom Volk gesungen?
(Mitteldeutsche Blätter für Volkskunde, 12.JG., 1937, Heft 3, S.165-166)



Das Böllberger Müllergrab
Von Ingeneur und Baumeister Walter Saal, Merseburg

In Nr.4 von "Der Neue Weg" vom 5. Januar 1956 erschien eine kleine Veröffentlichung unter dem Titel "Die Geschichte vom Müllergrab in Böllberg", die diese alten Denkmale wieder etwas in die Erinnerung der Hallenser zurückrief. Da dieses Müllergrab eine volkskundlich sehr interessante Überlieferung besitzt, die es verdient, in unserer kurzlebigen Zeil festgehalten zu werden, vor allem schon deswegen, weil die Melodie des Liedes vom Böllberger Müllergrab heute kaum noch bekannt ist, habe ich mich der Aufgabe unterzogen, aus meinem Sleinkreuzinventarium Sachsen-Anhalt das gesamte bekannte Material zusammenzustellen.
Am Nordausgang von Wörmlitz, an der früheren Ortsgrenze von Böllberg und Wörmlitz, da, wo der Böllberger Weg einen leichten Knick macht und ein Gartensteig von ihm abzweigt, befindet sich in dem von beiden Wegen gebildeten Dreieck das Müllergrab. Aus einer festen gewölbten Decke ragen zwei Steine hervor. Während ein dritter nur bei genauem Zusehen zu erkennen ist, da er mit der Decke abschneidet. Auf einer Sepiazeichnung von W. Fürstenberg aus den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts sind die Steine noch etwas größer zu sehen, als sie sich jetzt dem Auge bieten. Bemerkenswert an dieser hundertjährigen Zeichnung ist, daß der mittlere Stein noch deutlich einen Arm hat. so daß der Verdacht sich bewahrheilet, daß wir es hier, wie z.B. auch in Spergau im Kreise Merseburg oder wie in Brücken im Kreise Sangerhausen, mit Stümpfen von Steinkreuzen zu tun haben. Steinkreuze, die oft Mord- oder Sühnekreuze genannt werden, und denen wir auf Wanderungen auf einsamen Wegen oder gar im Getriebe der Großstadt Berlin, in Wald und Flur, im Gebirge oder in der Ebene begegnen können. An diese Kreuze knüpft sich meist eine recht blutige Sage. Und das ist auch hier in Böllberg der Fall.

Daß diese drei Steinstümpfe auch wirklich Steinkreuze gewesen sind, bestätigt Dreyhaupt, der auch als Erster berichtet, daß unter den drei Steinkreuzen drei Müllerburschen liegen sollen, die sich daselbst geschlagen und einander mit den Mülleräxten totgehauen hatten. Auch Groeßler bringt in seinen Sagen der Grafschaft Mansfeld fast den gleichen Text auf dem dann wieder Schultze-Gallera fußt. Beträchtlich ausführlicher unterrichtet uns jedoch eine 18-strophige Ballade, die noch zu Anfang dieses Jahrhunderts in der Böllberger Schule gelehrt und vor allem auch gesungen wurde. Die Melodie des Liedes zeichnete ich mir 1937 auf. - Nach einer freundlichen Mitteilung von Kreispfleger Werner Schulz, Tauchlitz, schrieb sie im Herbst vorigen Jahren ohne Kenntnis meiner Aufzeichnung, der alte Böllberger Lehrer, Herr Franz Lorenz, aus dem Gedächtnis noch einmal auf, wobei er im allgemeinen eine Terz tiefer bleibt als ich und zum Ende noch etwas mehr abweicht, was wohl daran liegt, daß er seine Aufzeichnungen aus der Erinnerung schöpft und von seiner eigenen Stimmlage beeinflußt ist. Da die Melodie m.W. noch nicht veröffentlicht wurde, und sie auch unserem bekannten Volksliedsammler und Nestor der Volkskunde. Prof. Dr. A. Wirth, Dessau, nicht bekannt war, so teile ich beide Fassungen und den Text der Ballade mit:


So oft im bleichen Mondenschein
Ich dort vorüber geh',
Durchdringt ein Schauer mein Gebein,
Wenn ich die Steine seh'.

Drei Steine an der Saale Strand
Bedecken grünes Moos,
Drei Müllerburschen aus Sachsenland
Ruh'n da im Erdenschoß.

Sie wanderten den Strom entlang
Und scherzten froh und frei.
Da ging mit lieblichem Gesang
Die Müllerin vorbei.

Verblichen war der Eltern Paar,
Die Mühl' ihr Eigentum,
Sanft war Ihr Auge, blond ihr Haar
Und Sittsamkeit ihr Ruhm.

Die Müller standen still und stumm
Und sah'n ihr sehnend nach.
Da wandte sich die Holde um
Und einer wagt's und sprach:

"Wir suchen Arbeit, holde Maid,
Wir sind gar fern von Haus,
Wir sind zu deinem Dienst bereit,
Wähl' von uns einen aus."

"Mein Räderwerk ist wohl besetzt,
Doch stell' ich den wohl an.
Der mit dem Beile, scharf gewetzt,
Am besten zimmern kann.

Mein ist die Mühle dort im Tal
Und diese Wiese hier.
Hält er sich fromm, zum Eh'gemahl,
Wähl' ich vielleicht ihn mir."

Sie ging; da schlich sich Lust und Leid
ins Herz der Müller ein;
"Mein", rief ein jeder, "sei die Maid,
Mein muß die Holde sein."

Sie stritten her, sie stritten hin.
Vermaßen sich mit Droh'n,
Und immer düstrer ward ihr Sinn,
Ihr Wort ward Fluch und Hohn.

Vom Wort zur Tat, es steigt die Wut
In jeder Brust empor,
Sie kämpfen; hier und dort quillt Blut
Vom scharfen Beil hervor.

Sie tritt hinzu, sie ruft, sie fleht:
"Verweg'ne haltet ein,
Versöhnt euch, eh' ihr weiter geht.
Von euch wird keiner mein."

Vergebens! Fort tönt's Mortgeschrei
Dort an der Saale Strand,
Der eine fällt, bald decken zwei
Das blutbefleckte Land.

Da liegen sie in'n Staub gestreckt
Des Mordes sich bewußt.
Bohrt sich der dritte reuevoll
Das Messer in die Brust.

Die Müllerin zerrauft sich
Ihr blondes Lockenhaar,
Tief seufzte sie: "Daß ich, daß ich
Des Frevels Ursach' war."

Die Müllerburschen aus Saehsenland
Empfing der Erde Schoß,
Drei Steine pflanzt die zarte Hand
Der Jungfrau auf das Moos.

Sie hegte kaum drei Monde lang
Der Gräber junges Grün.
Da sah man sie das Tal entlang
Ins nahe Kloster zieh'n.

Als fromme Schwester hat sie noch
Die Gräber oft geschmückt.
Bis sie des Klosters hartem Joch
Ein früher Tod entrückt.

Das Lied kann übrigens auch nach der Melodie des Liedes "Ob' immer Treu und Redlichkeit" gesungen werden.
Wieder in Prosa überliefert uns Friedrich Sieber die Sage in seinen "Harzlandsagen" (Jena, 1928), wobei er deutlich spürbar auf der Sagen-Überlieferung durch die Ballade fußt. Eigenartigerweise stellt er die junge Müllerin in ein Flachsfeld, das bisher noch nicht erwähnt ist. Die Sieber'sche Fassung hat dann wieder Liebers in seinem Büchlein "Unsere Steinkreuze - Germanische Heiligtümer" (Naumburg, 1937) benutzt. Es muß hier eindringlich vor diesem Werk gewarnt werden, das nur am Schreibtisch entstanden sein kann und das, ich möchle fast sagen typisch für die nationalsozialistische Geschichtsklitterung ist.
Im Gegensatz zum Märchen, das ja seine Entstehung lediglich der Volksphantasie verdankt, gründet jede Sage ihre Entstehung in die Tatsache, daß sie etwas Vorhandenes erklären will. In unserem Fall ist das zu Erklärende sehr klar erkennbar, es sind die drei Steinkreuze. Weiter enthält jede Sage einen wahren Kern und auch der ist nicht schwer zu ermitteln, er ist die Erinnerung an den Grund, der zur Errichtung der Kreuze, die ja von Menschenhand geschaffen sind, führte. Steinkreuze erinnern in fast allen Füllen an plötzlich aus dem Leben Geschiedene, wobei dieselben meist durch Totschlag umgekommen sind, seltener durch Unglücksfall. Durch Sühneurkunden kann nachgewiesen werden, daß der oder die Totschläger außer anderen Bußen wie Zahlung von Wehrgeld, Abhalten von Sühnemessen, feierlichen Totenfeiern, Pilgerfahrten u.a. mit der Errichtung eines Steinkreuzes, oft in vorgeschriebener Größe und an bestimmtem Orte, verpflichtet wurde. Es ist jedoch noch kein Fall bekannt geworden, wo mehrere Steinkreuze zu gleicher Zeit an einer bestimmten Stelle von einem oder mehreren Tätern errichtet werden mußten. - Bei längerer Beschäftigung mit dem gesamten Fragenkomplex unserer Steinkreuze mußte ich feststellen, daß die an einer Stelle zusammenstehenden Kreuze schon aus rein stilkritischen Gründen nicht zur gleichen Zeit entstanden sein können, wie das am deutlichsten im Dorf Ilberstedt im Kreise Bernburg auffällt, wo der Sage nach sieben Steinkreuze die Stelle anzeigen, an der ein Fleischerhund sechs Räuber, die seinen Herrn anfielen, umbrachte und wo er dann im Blutrausch als den siebenten seinen eigenen Herrn erwürgte.
Leider lassen sich bei dem starken Zerstörungsgrad der Böllberger Steine kaum noch Unterschiede feststellen, trotzdem muß doch angenommen werden, daß die Steinkreuze drei nicht zusammengehörenden Toten gesetzt wurden. Wenn die Steine nicht ursprünglich an dieser Stelle gesetzt worden sind, so müssen sie aber doch noch vor Dreyhaupts Zeiten hier vereinigt worden sein. Das dürfte möglicherweise kurz nach dem Dreißigjährigen Kriege gewesen sein, da aus dieser Zeit verschiedentlich bekannt geworden ist, daß man Kreuze, deren ursprünglicher Sinn in der Erinnerung verlorengegangen war, versetzte, wobei man sie sogar verschiedentlich als Grenzsteine benutzte.
Stellt man nun die Frage nach der eigentlichen Entstehungszeit der Kreuze, so ist diese Frage infolge der weitgehenden Zerstörung der Kreuze sehr schwer zu beantworten. In unserer engeren Heimat gibt es Steinkreuze seit dem 11. Jahrhundert. Das letzte für einen Totschlag bzw. Mord gesetzte Steinkreuz, wurde 1902 auf der Finne aufgestellt. Im allgemeinen hörte aber die Setzung von Steinkreuzen in der Reformationszeit auf, wobei nicht nur der Wechsel in den religiösen Anschauungen von Einfluß war, sondern auch der Erlaß der Lex Carolina 1532, die den Totschlag unter gerichtliche Strafverfolgung stellte und damit eine Sühne durch Vertrag unmöglich machte. Wenn auch aus Thesau im Kreise Leipzig (früher Merseburg) noch von 1556 eine Sühneverhandlung in letzter Zeit bekannt wurde, worin allerdings die Aufstellung eines Steinkreuzes nicht mehr gefordert wurde, wurde doch wenige Jahre später in Blankenheim an der Eisenbahnstrecke Eisleben - Sangerhausen für eine Mordtat aus dem Jahre 1561 ein Steinkreuz gesetzt, obwohl hier bereits gerichtliche Verfolgung der Totschläger eingetreten war.
Da die Setzung von Steinkreuzen sich zuerst in den Kreisen der Feudalherren durchsetzte und wohl kaum vor dem 13. Jahrhundert die breiten Volkskreise erfaßte, möchte ich die Steinkreuzerrichtung in Böllberg nicht vor dem Ende des 14. Jahrhunderts ansetzen; ich halte es sogar nach der erwähnten Sepiazeichnung für sehr wahrscheinlich, daß die Kreuze erst im 15. Jahrhundert errichtet worden sind. Vielleicht finden wir durch Zufall noch einmal Urkunden, die uns weitere Auskünfte geben, einstweilen müssen wir mit diesen Angaben zufrieden sein.

Daß man als Tote drei Müller annimmt, findet seine einfache Erklärung darin, daß das bemerkenswerteste Gebäude in der Nähe der Steinkreuze die etwa 600m oberhalb am "Vogelgesang" gelegene Mühle war. Außerdem gehören die Müller wie die Schäfer zu den selbstbewußtesten Berufen des ausgehenden Mittelalters und damit auch zu den beliebtesten Sagengestalten. Ich möchte hier nur an den Sagenkranz um Pumphut, der ja auch zu den wandernden Müllergesellen gehört, erinnern.
Schultze-Gallera berichtet in seinen "Wanderungen durch den Saalkreis, Band V" von einem Edikt der Preußischen Regierung vom 23. Januar 1704 mit folgendem Wortlaut:
Daß die Müllerburschen und insonderheit die Laufknappen eine gefährliche Art von Äxten jedesmal mit sich führen und auf den Straßen, in den Wirtshäusern und anderen Orten allerhand Unglück anrichten. Daher den Mühlknappen ernstlich anbefohlen, wenn sie in Dienst bei einem Mühlmeister treten, solche Äxte sofort ihm zur Aufbewahrung zu überliefern. Sie sind ihnen erst wiederzugeben, wenn sie austreten und sich nach einem anderen Ort begeben. Will der Mühlknappe die Axt nicht abgeben, muß der Mühlmeisler das sofort der Obrigkeit anzeigen. Kommt ein Mühlknappe mit einem so gefährlichen Gewehr in ein Wirtshaus oder Schenke, so haben es ihm die Wirte abzufordern bis er weggeht, damit alles Unglück verhütet werde.

Es ist nun möglich oder sogar sehr wahrscheinlich, daß Unglücksfälle, die zu dem Edikt die Veranlassung boten, auch in der Umgebung Halles vorgekommen sind und daß man nun eine derartige blutige Mordtat, weil man den ursprünglichen Sachverhalt nicht mehr kannte, auf die drei Kreuze übertrug. Wie erfinderisch der Volksmund in dieser Hinsicht sein kann, beleuchtet folgendes kleine persönliche Erlebnis, das ich auf meinen Steinkreuzfahrten in Holdenstedt unweit Blankenheim hatte. Hier berichtete man mir, daß an der Stelle eines mittelalterlichen Steinkreuzes um die Jahrhundertwende einmal jemand von einem Auto überfahren worden sei und man zur Erinnerung an diesen Todesfall das Kreuz gesetzt habe. - Die Erinnerung an den Todesfall war geblieben, aber die Umstände waren in Vergessenheit geraten und so mußte nun eine jetzt sehr häufige Unfallart zur Erklärung herhalten.

Bei dem Kloster, in das die junge Müllerin ging, hat das Volk wohl an das Georgenkloster gedacht.

Zum Schluß wäre nun noch die Frage nach dem Alter der Ballade zu stellen. Einen wichtigen Hinweis gibt hier das Herkunftsland der so jäh ums Leben Gekommenen = Sachsenland. Das Lied muß also in einer Zeit entstanden sein, zu der in Halle jegliche Erinnerung an die landschaftliche Zugehörigkeit zu Sachsen geschwunden war und in der man andernteils aber auch das Land an der Saale oberhalb Merseburgs noch zu Sachsen rechnete. Der Hallenser muß sich also schon als Preuße gefühlt haben und das dürfte wohl um die Mitte des 18. Jahrhunderts gewesen sein.

Soweit die bisher bekannte Literatur nicht bereits im Text erwähnt wurde, verweise ich auf mein "Verzeichnis der Steinkreuze des Landes Sachsen-Anhalt" in der Jahresschrift für mitteldeutsche Vorgeschichte, Band 36 und Band 38 (Halle, 1952 und 1954), in dem auch im Anhang weitere Literaturangaben erwähnt sind.
(Hallische Monatshefte 3, 1956, S.245-249)


Sühnekreuze & Mordsteine