Deutschland Sachsen-Anhalt Saalkreis

Krimpe (I - IV) / OT von Schochwitz


die eingeschlagenen
Nägel im Stein

PLZ: 06179

GPS:

Standort: Von Höhnstedt kommend steht die Steingruppe kurz vor der Bolzenhöhe (zu Krimpe) am rechten Straßenrand.

Größe / Material: Tertiärquarzit

Geschichte: Benennung: "Vierersteine".
Auf der Erläuterungstafel ist zu lesen:
Menhire (Menhir bedeutet in der bretonischen Sprache "langer Stein") sind aufgerichtete Steine, die die Ahnen repräsentieren und als deren Ersatzleib die Seele der Verstorbenen beherbergen. Sie wurden kultisch verehrt und um Rat befragt, weshalb sie mitunter im Kreis aufgestellt wurden, wie im Fall der Steine von Krimpe, wobei die Gruppe um 1840 noch aus sechs Steinen bestanden haben soll. Um die Hilfe der Ahnen zu erlangen, waren magische Riten erforderlich, die die Steine zum Leben erweckten, sie "sprechen ließen". Dabei dürfte Blut als Sitz der Lebenskraft und als lebenspendende Substanz eine Rolle gespielt haben, mit dem man die Steine vitalisieren konnte. Menhire wurden vornehmlich in der Jungsteinzeit (3600-2200 v.Chr.) aufgestellt.
Die Bedeutung der bei zwei Steinen eingehauenen Nägel wurzelt in der Magie und zielt auf das Festhalten und Bannen von Krankheiten usw. Bekannt ist auch die Nagelprobe als Gottesurteil. Im südlichen Stein stecken weit mehr als 100 Nägel, die dem Volksglauben nach bei Unwetter weich würden.

[...] Interessant ist der sog. "blaue" oder Kutschstein am Wege von Schraplau nach Alberstedt. Von diesem berichtet Größler in seinen Mansfelder Sagen, daß hier einstmals eine Gräfin mit ihrer Kutsche verwünscht worden sei. Nach anderen Erzählungen sei dort einmal ein böser Ritter vorbeigefahren. Unter furchtbarem Gewitter sei er mit Blitz und Donner samt Pferd und Wagen in die Erde versunken. Oder auch brennendes Licht will man gesehen haben, das bei dem Stein erscheint, auf ihn zuwandert und dann erlischt. Eine ähnliche Sage erzählt man sich von den vier Kieslingen bei Krimpe (Mansfelder Seekreis, am Wege von Krimpe nach Höhnstedt). Zwei davon sind mit Nägeln beschlagen, einer ganz dicht mit 125 Stück. [...] (Größler um1925)

   10) Eine ganze Gruppe von Nagelsteinen liegt, nur einige Stunden von Eisleben entfernt, südlich von dem Dorfe Krimpe unweit des Vorwerks Bolzenshöhe. Wenn man nähmlich von Krimpe nach Höhnstedt geht, so sieht man da, wo der Weg nach dem Dorfe Räther abgeht, vier Kieselinge aus der Erde hervorragen, in deren einen eine Menge Nägel eingeschlagen sind. Nach einem anderen Berichte sind es jedoch 6 Steine, und in alle sind Nägel eingeschlagen; gleichwohl heißen sie nur "die vier Steine". Herr Professor Kirchhoff, der die Steine besichtigt hat, hat nur in zweien Nägel gefunden. Einer von diesen aber ist massenhaft mit Nägeln - mindestens 125 - beschlagen, darunter einer nit einer viereckigen Kuppe. "Dort ist einmal, wie es Thauwetter war, einer mit vier Pferden gefahren, als er aber an die Stelle kam, wo jetzt die Steine liegen, blieb der Wagen in dem aufgeweichten Boden stecken. Wie sehr nun auch die Pferde sich anstrengten, sie brachten ihn nicht vom Flecke, sondern sanken immer tiefer ein. Da verlohr der Kutscher die Geduld, fing an schrecklich auf die Pferde zu fluchen, und wünschte, sie und er mit ihnen möchten lieber gleich zu Stein werden. Kaum hatte er das gesagt, da blitzte und krachte es, und alsbald wurden Pferde, Kutscher und Wagen zu Stein. Da aber, wo nun die Steine liegen, haben Vorüberwandelnde bei Nacht oft ein Brausen, Schreien und Schnauben gehört. (Größler 1896)

Sage: 1. Über die Steine erzählt die Sage, daß einmal bei Tauwetter ein Kutscher mit vier Pferden gefahren kam, der Wagen aber an der Stelle, an der die Steine liegen, in dem aufgeweichten Boden stecken blieb. Da die Pferde nicht in der Lage waren, den Wagen aus dem Morast zu ziehen, sondern immer tiefer einsanken, verlor der Kutscher die Geduld, fing an schrecklich über die Pferde zu fluchen und wünschte sich und die Pferde zu Stein. Kaum hatte er das gesagt, da verwandelten sich zugleich Pferde, Kutscher und Wagen.
2. Eine andere Sage erzählt von einem Hund mit glühenden Augen, der Wanderer verfolgte, die nachts dort vorüber gingen.
3. Und eine Sage weiß, daß unter den Steinen der gute Lubbe begraben sein soll, den man für eine slawische Gottheit hält.

Quellen und Literatur:
Größler, Hermann - Altheilige Steine in der Provinz Sachsen, in: Neujahrsblätter, Herausg. von der Hist. Kommission der Prov. Sachsen, Halle 1896, S.12-13
Größler, Hermann - Nagelsteine, in: Die Scheuer - Blätter für Heimatforschung und heimatliches Leben, 3. Folge, Heft 3/4, um1925, S.19-20
Kutzke, Georg - Die Viersteine von Krimpe, in: Germanien - Monatshefte für Germanenkunde, Berlin, Heft 1, Januar 1940, S.30-33
recherchiert und bebildert von Ute Fuhrmann / Rainer Vogt, Juli 2007
Ergänzungen von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Die Viersteine von Krimpe

Abb.2. Die Viersteine mit der Linde

Abb.3. Der genagelte Aufrechte Stein am Westrand des Wegkreuzes. Ansicht gen Räther.

   Die vier Steine von Krimpe, hier der Einfachheit halber als Viersteine bezeichnet, gehören zu den am wenigsten bekannten Denkmälern der ältesten Vergangenheit des Mansfelder Landes. Wäre nicht das stattliche Vorwerk Boltzenhöhe dicht dabei, so stünde man da oben fast in weltenferner Einsamkeit. Man sieht nur das etwa eine halbe Stunde entfernte Höhnstedt auf der Höhe oberhalb des reizvollen Seen- und Salzegrundes, während die ebenso nahen Krimpe und Räther nach der anderen Richtung hin im anmutigen Tal der Laweke verschwinden. Man steht mit etwa 180m über NN immerhin etwa 100m über der Saale bei Salzmünde und noch etwa 100m über dem Süßen See.
   Die Lage ist aus dem hier beigefügten Lageplan zu erkennen, in dessen Mitte der Kreuzweg von Krimpe dicker als die übrigen Wege eingetragen ist. Dem aufmerksamen Betrachter kann es nicht entgehen, daß dieser Kreuzweg mit seinen vier etwa 1km langen Kreuzarmen innerhalb des weitausgespannten Kartenbildes etwas Einmaliges und daß dieses Kreuz vielleicht nach den Himmelsrichtungen "geortet" ist. Es weicht somit von der natürlichen Verbindung der Dörfer Höhnstedt-Krimpe und Räthe-Müllerdorf ab.
   Am Kreuzweg von Krimpe sind die wesentlichen Steine dank der Fürsorge der Bauernfamilie Boltze, die sich der vor hundert Jahren als Folge der Felderseparation begonnenen Vernichtung unserer Bodenaltertümer erfolgreich widersetzte, bis auf diesen Tag erhalten, ja die Boltzes haben das Heilige Kreuz aus Urväterzeiten sogar noch durch eine Linde ausgezeichnet (Abb.2).
   Es handelt sich um vier Tertiärquarzite, früher auch als Braunkohlensandstein bezeichnet, die dem Kreuzweg entsprechend nach den Haupthimmelsrichtungen um die Linde herum angeordnet sind. Im Lageplan sind sie durch vier Punkte angedeutet, das kleine Rechteck darüber ist die "Boltzenhöhe". Die Tertiärquarzite verfügen häufig über tief in den Stein hineinführende Porengänge, die bei hohem Feuchtigkeitsgehalte der Luft, angeblich nur bei Gewitterneigung erweichen, so daß unverstählte Nägel, also Hufeisennägel in sie heineingetrieben werden können. Über solche genagelten Steine und die kultischen oder abergläubischen Hintergründe dere Nagelung berichtete Größler 1896 in "Altheilige Steine in der Provinz Sachsen". Auch der Südstein von Krimpe weist eine Menge von Nagelköpfen auf, wodurch die besondere Wichtigkeit der Südstellung hinreichend belegt erscheint. Die Nagelung diente nach Überlieferung für ähnliche Steine der Herbeiführung von Gottesurteilen, nach Winckler wurden auch Krankheiten vernagelt. Im Bilde sind weder die Nägel noch die Poren zu erkennen, weil die Viersteine mit den an der Fahrstraße stehenden Meilensteinen im Mai d.J. dick überkalkt worden sind.

Abb.1. Lageplan der Viersteine und des „Bauern“
Zeichnung und Aufnahmen: Kutzke

Abb.4. Der Aufrechte Stein
Ansicht gegen Höhnstedt

   Ungeklärt blieb dagegen der an der Westrichtung des Kreuzweges, und zwar am Kreuzende zwischen Räther und Höhnstedt aufgestellte Lange Stein, im Lageplan sagenrichtig als "Der Bauer" bezeichnet. Dieser Stein ist mit stattlicher Manneshöhe etwa doppelt so groß wie die die Viersteine, er hat den Charakter einer Platte und ist auf beiden Plattenseiten reich benagelt (Abb.3 u. 4). Von einzelnen Nägeln herab führen dunkle Roststreifen, die im Bilde zu erkennen sind.
   Das Vorhandensein von vier nach den Himmelsrichtungen angeordneten Steinblöcken an der Kreuzung zweier ebenso ausgerichteter Feldwege wäre ein merkwürdiger Zufall und nichts weiter, wenn die merkwürdige Anordnung nicht durch eine zugehörige Sage eine Erläuterung fände. Winckler berichtet hierzu folgendes (Sagen der Grafschaft Mansfeld, 1925): "Dort ist einmal ein Knecht bei Tauwetter mit einem vierspännigen Fuhrwerk gefahren. An der Stelle, wo jetzt die Steine liegen, sank der Wagen so tief ein, daß die Pferde nicht weiter konnten. Da hieb der Knecht fluchend auf die Tiere ein und wünschte, als alle Mühe vergeblich blieb, die Pferde und er selber möchten doch gleich zu Stein werden. Alsbald wurde der Fluch zur Wahrheit, es blitzte und krachte, und Mensch und Tier blieben als Steine liegen. Vorübergehende hören an der Stelle zuweilen ein Brausen, Schreien und Schnauben."
   Die vier Steine entsprechen also den vier Pferden, während der Knecht selber erst 1000m westlich davon im Nagelstein von Räther verzaubert sein soll, im Nagelstein, den man als Langer Stein, als Aufrechter Stein oder als Bauer bezeichnet.
   Sagen dieser Art wiederholen sich an solchen Stätten und zu solchen Steinen im ganzen deutschen Sprachgebiet. Sie stimmen darin überein, daß ein Fuhrwerk mit Blitz und Donner, Brausen und Schnauben im Zusammenhang steht, d.h. mit dem Wettergott, daß ferner ein Bannfluch die betreffende Stätte als Kulturstätte kennzeichnet. Es wird entweder ein Brotopfer, wie vom Schäfer auf dem Dreihügelberge bei Wormsleben verlangt, oder es wird dem nichtsahnenden Wanderer eine Last für eine Strecke Weges aufgepackt, die in christlicher Zeit in einen Schreckspuk umgewandelt wurde. Soviel ist ersichtlich, daß die Sage der Viersteine von Krimpe und den fünften "Aufrechten" als ein Ganzes benennt, und daß sie mit ihrem betonten Hinweis auf Zauberei und Wettererscheinungen den ehemals heiligen Charakter der Stätte im Zusammenhang mit irgend einer Form der Wetterbestimmung bestätigt. Wir haben hier im Mansfeldischen auf der Boltzenhöhe vielleicht ein Jahrkreuz in der Feldflur, dessen Nabe durch die Viersteine als ehrwürdiges Erbgut aus Urvätertagen gekennzeichnet wäre.

Georg Kutzke

Anmerkung:
Der hier nach Osten führende Weg verläuft 99° von Norden, Abweichung von O = 9°.
Der 2. Weg weicht um ca. 6° von der Nordrichtung ab, der Winkel zwischen beiden Wegen beträgt ca. 87°.
Die Linie zum 2. Stein weicht um 80° von Ostrichtung ab.

Möglicherweise dienten die Steine zur Bestimmung von Kalenderdaten:
Die Visierlinie über beide Steine entspricht dem Sonnenaufgang am 6.April. und 6.Sept.
In Richtung des Weges ist Sonnenaufgang etwa am 7. März und 5. Oktober.
Die Winkelhalbierende zwischen beiden Linien entspricht ziemlich genau der Ostrichtung und damit dem Sonnenaufgang zur Tag- und Nachtgleiche. (Angaben bezogen auf mathematischen Horizont, Abweichungen durch Lichtbeugung und Höhe der Gebirge sind nicht berücksichtigt).

(Germanien - Monatshefte für Germanenkunde, Berlin, Heft 1, Januar 1940, S.30-33)


Sühnekreuze & Mordsteine