Den Hund kennt die heutige Sage vor allem als großes schwarzes Untier mit glühenden Augen, die Dorfstraßen
und besonders die Kreuzwege unsicher und unheimlich machend. Schon die Griechen fürchteten den dreiköpfigen Cerberus, den
Höllenhund. Auch die nordische Sage berichtet von Hunden; sie sind u.a. Begleiter der Nornen.
Oft tritt er noch heute als Hüter unterirdischer Schätze und verzauberter Jungfrauen auf. Gespenstische Hunde sind meistens
groß wie ein Kalb, springen auch dem Wanderer auf den Rücken und hetzen ihn fast zu Tode. An Kreuzwegen, vor einem Hufeisen,
in der Nähe der Kirche verschwinden sie wieder.
(Wehrhan, Karl - Die Sage, Handbücher zur Volkskunde, Band 1, 1908, S.100-101)
Auch der Blick des Hundes kann schädliche Kraft haben: so glaubte man im Mittelalter, daß kein Brot gut gebacken werden
kann, wenn ein Hund in den Backofen sieht. Diese dämonische Natur des Hundes äußert sich in vielen Sagen und Geschichten von Hunden mit glühenden Augen und
meist von schwarzer Farbe, oft von Riesengröße: es sind Begleiter von Unholden, ja der Teufel wählt selbst gern die Gestalt eines schwarzen Hundes, und alle möglichen
dämonischen Wesen, Hexen, Zauberer, arme verwünschte Seelen, Gespenster usw., tun es ihm nach. Sehr häufig hütet in solchen Sagen ein schwarzer, unheimlicher
Hund einen Schatz; sogar von "feurigen" Hunden berichten manche Volkserzählungen, während weiße gespenstische Hunde seltener erwähnt werden. Seelen erscheinen
in Hundsgestalt, und man braucht nur an das wilde Heer zu erinnern, um das Altertümliche solcher Geschichten zu erfassen: die Hunde des wilden
Jägers, des Hackelberend, sind ja bekannt. Namen für solche dämonischen Hunde sind z.B. "Welthund", "Rufelihund", "Klüppelhund", "Klimperhund", "Knüppelrüen".
Ein Hund aus der wilden Meute bleibt wohl zurück und frißt nur Asche; im nächsten Jahr stürmt er der wilden Jagd wieder nach. [...]
[...] Die volkstümlichen Anschauungen vom Hund sind fast alle alt und bodenständig; denn bereits die Indogermanen schätzten den Hund sehr.
Der Glaube von seiner Geistersichtigkeit kommt bei allen indogermanischen Einzelvölkern vor, natürlich nicht nur bei diesen. Der Spürsinn, die feine Witterung und
Empfindlichkeit des Tiers gaben den begreiflichen Anlaß zu solchem Glauben; auch gegen atmosphärische Einflüsse, bei Erdbeben u.dgl., ist der Hund ja äußerst
empfindlich. Seine Anhänglichkeit, Wachsamkeit, Treue und Klugheit ließen die idg. Völker dieses Haustier besonders schätzen. Andere Völkergruppen dagegen,
namentlich orientalische, fühlten sich vom Hund vorwiegend abgestoßen, und diese Ansicht ist hier und da auch im idg. Kulturkreis festzustellen: gilt doch "Hund" als
eines der häufigsten Schimpfwörter für einen schamlosen, gemeinen Menschen. Darin sehe ich eine ursprünglich den Indogermanen fremde Auffassung; die Dinge
scheinen hier ähnlich zu liegen wie beim Schwein, das die idg. Völker hoch schätzten, die Orientalen aber, insbesondere die Juden, verabscheuen. In mythologischer
Beziehung war der Glaube an die Totenhunde indogermanisches Erbe: wegen seiner Vorliebe für Aas und Leichenteile ist der Hund zum Totentier und Seelenbegleiter
geworden. In altgermanischer Religion galt der Hund als Begleiter von Gottheiten. Somit beruhen die vielen Sagen von dämonischen Hunden auf altem Erbe. Die hohe
Schätzung des Tiers geht ferner aus dem Opfer an die Götter und vor allem aus den Eigennamen hervor, die man - wie sonst nur bei dem gleichfalls für die Indogermanen
bezeichnenden Pferd - schon früh dem Hund gegeben hat. Auch wird der Tod eines Hundes mit einer Geldsumme gebüßt.
(Hoffmann-Krayer / Bächtold-Stäubli - Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 1931/32, Band IV, Sp. 484-488)