Deutschland Baden-Württemberg Lkr. Reutlingen

Betzingen / OT von Reutlingen


Zeichnung bei
Drück (1895)

PLZ: 72770

GPS:

Standort: In der Mauritiuskirche Betzingen.

Größe / Material:

Geschichte: Benennung: "Asylstein". Der stuhlförmige Asylstein stand Jahrhunderte lang im Pfarrhof, dann Jahrzehnte lang an der Nordseite der Mauritiuskirche, jetzt ist er in der Kirche untergebracht um ihn vor weiterer Verwitterung zu schützen. Es ist möglich, dass der Betzinger Asylstuhl als erste Anlaufstelle für Asylsuchende aus dem Tübinger und Hechinger Raum dienen konnte, ehe diese Reutlingen erreichten, wo die eigentliche Aufnahme ins Asyl stattfand. Nach der Überlieferung gewährte der Betzinger Stein 24 Stunden Asyl. Allerdings musste 1693, als die kirchlichen Rechte in Betzingen an Württemberg verkauft wurden, auch eine solche letzte Funktion des Asylstuhls zum Erliegen kommen. (Hirt / Tempel / Viering o.J.)

[...] Ein fester Bestandteil der Betzinger Tradition ist, daß der Asylstein im Pfarrhof stand. Es handelt sich deshalb wohl nicht um ein altes kirchliches Asyl, denn ein solches war mit dem Kirchengebäude verbunden. Das verwitterte Aussehen unseres Asylsteins zeigt jedoch, daß er jahrhundertelang im Freien stand. 1365 kaufte der Johanniterorden der Kommende Villingen-Rottweil den Betzinger Widumhof, zu dem alle kirchlichen Rechte und Pflichten einschließlich des Pfarrhofes gehörten. 1378 erhielt der Johanniterorden das Asylrecht für alle seine Ordenshäuser, und dementsprechend gab es bei jeder Kommende der Johanniter eine Asylstelle: das Kommendehaus in Rottweil, die Brücke in Hemmendorf usw. Der Betzinger Widumshof mit Kirche und Pfarrhof war zwar nicht mit einem Ordenshaus zu vergleichen, trotzdem besteht die Möglichkeit, daß das Betzinger Asyl durch die Johanniter übernommen oder neu eingeführt wurde. Dieselbe Vermutung finden wir bei Theodor Drück und Franz Votteler (RG 1896 S.31). Die Verbindung mit dem ehemals eigenen Betzinger Strafrecht wäre damit allerdings hinfällig, denn gewiß war der Widumshof davon ausgenommen und unterstand dem Recht des Johanniterordens. Doch dieses macht den Gedanken an ein Asyl im Pfarrhof eher noch wahrscheinlicher. (Mauritiuskirche Betzingen)

   [...] Ob mit dem Reutlinger Asylrecht einige schon zum ehemaligen reichsstädtischen Gebiet gehörige Punkte des Bezirks Reutlingen in einem gewissen Zusammenhang standen, ist fraglich. So steht heute noch im Pfarrhof in Betzingen ein Freistein, welcher den Verbrecher, der ihn erreichte und sich darauf setzte, auf 24 Stunden frei machte, sich jedoch der Form nach sowohl von dem im Klosterhof von Blaubeuren noch vorhandenen angeblichen Asylstein als auch von dem bei Baumann, Geschichte des Allgäus II S.326 abgebildeten Freistein zu Ebenhofen unterscheidet, welch letzterer übrigens die bekannte Form der zum Andenken für Erschlagene an Landstraßen errichteten Steinkreuze, sogenannten Martern, hat. (Dürck 1895)

Sage:

Quellen und Literatur:
Drück, Dr. Th. - Das Reutlinger Asylrecht, in: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte, IV.Jahrgang, 1895, S.1-58
Hirt, Anatol / Tempel, Michael / Viering, Bjoern: Kirchenführer der Gemeinde Betzingen, o.J.
Der Asylstein - Mauritiuskirche Betzingen
Gerth, Sven - Von mittelalterlichen Asylen, Asylkreuzen und -steinen, in: Pomniki dawnego prawa, Band 2, Juli 2008, S.44-61
Bildquelle und ergänzende Infos von Mauritiuskirche Betzingen


Sühnekreuze & Mordsteine