Deutschland Baden-Württemberg Rhein-Neckar-Kreis

Oftersheim


Nordwestseite

Ansicht von Süden

Ansicht von Norden

Abbildung bei
Losch (1981)

Wappen von
Oftersheim mit
der Schlange

PLZ: 68723

GPS: N 49° 21,078', O 8° 37,062'

Standort: Etwas nördlich vom einstigen Postweg nach Sandhausen, am Rand des Golfplatzes, Waldabteilung "Herzogskreuz".

Größe / Material: ca.90:80:20 / Sandstein

Geschichte: Benennung: "Herzogskreuz". Balkenenden leicht beschädigt. Armoberseiten durch Beschädigung gerundet. Rechte Armoberseite ausgeschliffen. Schleifrillen auf Kopf- und Armoberseiten. Schaft erneuert (Beton), mit Eisenklammer befestigt.
Zeichen: Schlangenlinie in der Kreuzmitte (Ortswappen von Oftersheim). In der linken Außenfläche des Kopfbalkens ein Abtsstab (Kloster Schönau). Inschrift: Rechts neben dem unteren Ende des Abtsstabs ein H (Heidelberg). Jahreszahl 1702 in zwei Zifferngruppen in den Armen links und rechts der Schlangenlinie. Im Kopf die Ziffer 30. Auf der Gegenseite im Kopf RENO / VIRT / 1778, in der Kreuzmitte CP (Kurpfalz). In der rechten Außenfläche des Kopfbalkens NO / 41; in der rechten Armaußenfläche U H (Untere Hardt).
Bei der Abtrennung des Gemeindewaldes Oftersheim vom Kurfürstlichen Waldgebiet "Schwetzinger Hardt" im Jahre 1702 wurde das Kreuz in die in großen Zügen durchgeführte Waldversteinung aufgenommen und 1778 bei der Vervollständigung der Grenze als Grenzstein beibehalten. Die Beschriftung bezieht sich also "auf die Eigentumsverhältnisse und die Vermarkung des Waldes". Sie enthält "lediglich die Geschichte des Kreuzes als Grenzstein". Datierung: ca. Ende 15./16.Jh. (Losch 1981)

Sage: 1. In der Nähe soll einmal ein Mord begangen worden sein.
2. Hier ist ein Herzog begraben, daher Benennung "Herzogskreuz".

Quellen und Literatur:
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981, S.185
Volk, Franz - Das "Herzogkreuz", in: Oftersheim, ein Dorf und seine Geschichte, Mannheim 1968
dgl. in: Gedenksteine in den Wäldern Baden-Württembergs, Schriftenreihe der Landesforstverwaltung Baden-Württemberg, Band 56, Stuttgart 1982, S.253-256
Freiberger, Wilhelm - Das Herzogskreuz, in: Mein Heimatland, Heft 3, April 1925, S.64-67
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Foto vom 17.10.2007)
Ergänzungen von Leopold Hessek, Bad Friedrichshall



Das "Herzogkreuz"
von Franz Volk

Am Rande des Staatswaldes zum amerikanischen Golfplatz Oftersheim hin, etwa 50 Meter nördlich des geschichtlichen "Postwegs" und der Grenze zwischen den Gemarkungen Oftersheim und Sandhausen steht ein unscheinbares, verwittertes Kreuz aus rotem Sandstein. Es wird auf Karten und im Volksmund dasHerzogkreuz genannt Ein reicher Kranz von Sagen und Geschichten, Dichtung und Wahrheit, ranken sich um dieses schlichte Steinkreuz, das mit eingehauenen Zeichen und Buchstaben geschmückt ist Hartnäckig haben sich im Volksmund durch Jahrhunderte hindurch zwei Überlieferungen erhalten: "Es soll einmal ein Mord in der Gegend des Kreuzes begangen worden sein" und "Hier ist ein Herzog begraben".

In der Heimatliteratur finden sich zahlreiche Abhandlungen Über das rätselhafte Kreuz, aber noch immer zählt es bisher zu den wenigen ungedeuteten Steinkreuzen Badens. Der Wahrheit am nächsten kommt wohl der ehemalige Schwetzinger Forstmeister Wilhelm Freiberger in seiner Abhandlung "Das Herzogkreuz" in der Zeitschrift "Mein Heimatland", Heft 3 vom April 1925. Er schreibt: "sehr nahe liegt die Vermutung, daß das Kreuz zum Andenken an einen bei der kurfürstlichen Jagd verunglückten Jagdgast (einem Herzog) errichtet wurde." Ganz abwegig sind aber die neuesten Deutungen, die dahinter ein Familienkreuz mit dem eingeschlossenen Personennamen "Herzog" vermuten. Wohl sind die "Herzog" eine zahlreiche Sippe in dem benachbarten Sandhausen, aber sie kamen von der Schweiz aus erst im Jahre 1688 als Calvinisten nach Sandhausen. Das Herzogkreuz stand aber schon lange zuvor, ehe der erste Namensträger "Herzog" in Sandhausen auftauchte.

Nach den Gebeinen eines Herzogs wurde nachweisbar schon zweimal ohne Erfolg unter dem Kreuz gesucht, das letzte Mal, als Forstmeister Freiberger 1924 von Waldarbeitern den Boden aufgraben ließ. Am 10. August 1701 hatten schon die drei Zentschöffen der Kirchheimer Zent, Michael Griss, Anwaltzu Neckerau, Hans Valentin Waldey, Schultheiß zu Wieblingen und Hans Jörg Voltz, Schultheiß zu Seckenheim, auf Befehl des kurfürstlichen Oberjägermeisters Freiherr von Venningen und des Heidelberger Landschreibers das Herzogkreuz untersucht. "Daraufhin begaben sich die drei Sachverständigen an das Herzogkreuz und gruben diesen Stein aus und haben darunter kein Zeichen eines Gerichts gefunden." Daß schon Schatzgräber oder sonstige Neugierige in aller Stille den Waldboden umgegraben haben, ist sehr wahrscheinlich, Aufzeichnungen darüber haben wir nicht. In dem jahrzehntelangen Streit zwischen der kurfürstlichen Hofverwaltung und der Gemeinde Oftersheim um den Gemeindewald wurde der Schleier um das Herzogkreuz etwas gelüftet, weil die Gemeinde das Herzogkreuz immer wieder als alten Abmarkungsstein zwischen ihren Allmenden und dem kurfürstlichen Wald bezeichnete. Bereits im Jahre 1665 ließ der Oftersheimer Schultheiß Michael Giesser die Mallinie des Waldes durch Blöcke, Grenzbäume und Scheidgräben markieren bis zum Herzogkreuz. Im Jahre 1670 wurde der Wald aufgeforstet und eine genaue Beschreibung der Grenzen aufgestellt. Dabei bezeichnete man das Herzogkreuz ausdrücklich als einen vier Schuh hohen Grenzstein. Ein Schuh maß nach einem alten Maßstab des 16. Jahrhunderts 0,279 Meter, mithin rund 28 Zentimeter, also ragte das alte Herzogkreuz 113 Zentimeter über dem Waldboden hervor. Da das Herzogkreuz schon gleich nach den Wirren des Dreißigjährigen Krieges erwähnt wurde, können wir mit Bestimmtheit schließen, daß es auch schon vor diesem Kriege an dem gleichen Platze stand.

Damit entfällt auch die noch geäußerte Vermutung von Forstrat Freiberger, daß das Herzogkreuz mit der Reichsfestung Philippsburg und den Streifzügen der Franzosen zusammenhängt. Wohl wissen wir aus der Geschichte von Philippsburg, daß die Franzosen auf einem Marodeurzug bis nach "Sandhausen" stießen, den Ort völlig ausplünderten und zum Teil einäscherten. In der Waldabteilung "Franzosenbusch" mochten sie gelagert haben. Es handelt sich dabei um den der Waldabteilung "Herzogkreuz" benachbarten Wald. Hier könnte es auch zu einem Geplänkel gekommen sein. Aber der Herzog von Rohan, der um diese Zeit in einem Duell mit einem hohen Offizier fiel, kann an dieser Stelle aufgrund der geschichtlichen Überlieferung nicht getötet worden sein. Niemals würde das Pfälzer Volk, das von 1640 bis an 1715 so viel unter französischen Marodeuren und Mordbrennern zu leiden gehabt hatte, ein Flurdenkmal mit einem dieser Anführer in Verbindung gebracht haben.

Im Jahre 1669 verunglückte der Markgraf Ferdinand Maximilian von Baden-Baden bei einer kurfürstlichen Hofjagd in der Nähe von Heidelberg tödlich. Auch den Tod dieses Fürsten kann man nicht zu dem Herzogkreuz in Beziehung setzen, weil hier jedes Motiv fehlt.

So wie das Herzogkreuz uns heute anspricht, scheint es nur ein Grenzstein zu sein. Grenzstein? - Ja! - Aber noch mehr. - Geduldig wollen wir aus dem Ablauf der Geschichte Mosaiksteinchen zu Mosaiksteinchen zusammenfügen, bis ein Gemälde entsteht, das uns den größeren Zusammenhang verstehen läßt. Das alte Herzogkreuz stand wohl ziemlich unbehelligt fast zweihundert Jahre lang, bis zu jenem 10. August 1701, als die drei Zentschöffen es ausgruben und nach dem Zeichen eines "Gerichts" suchten. Schon damals war den Menschen nicht mehr bewußt, was es für eine Bewandtnis mit diesem Kreuz hatte. Sie sahen es als Grenzzeichen an, um das sich abergläubischer Spuk von nicht nachweisbaren Überlieferungen rankte. In Wirklichkeit war es früher ein schlichtes Steinkreuz ohne jegliche eingehauenen Zahlen und Buchstaben, den Menschen zur Mahnung und Erinnerung gesetzt.

Am 16. Januar 1702 sprach das Hofgericht zu Heidelberg der Gemeinde Oftersheim im Namen des Kurfürsten Johann Wilhelm das Recht auf den strittigen Wald zu mit der folgenden Auflage: "Zur Verhütung und Abschreckung eines zukünftigen Streites hat die Gemeinde unter Zuziehung des Oberfeldmessers Sartorius einen ordentlichen Riß zu zeichnen, die Scheidgräben neu auszuheben und die Grenzen abzusteinen oder wenigstens mit gebrannten Blocks kenntlich zu machen. Diese Hölzer und Steine sollen vom Ortsgericht mit dem gewöhnlichen Ortszeichen eingegraben werden." Hierbei wurde nun das alte Kreuz als Grenzstein verwendet. Die Gemeinde ließ in dem ihrem Wald zugekehrten Querbalken das Dorfwappen, die Schlange, mit der Jahreszahl 1702 einhauen. Auf der Seite gegen den Franzosenbusch steht die kurfürstliche Abmarkung CP = Churpfalz. Das Herzogkreuz wurde also im Jahre 1702 zu dem ersten und markantesten Grenzstein der Gemarkung Oftersheim, nachdem es schon zwei Jahrhunderte zuvor als schlichtes Steinkreuz am gleichen Ort stand. Noch waren alle anderen Gemarkungsgrenzen mit Blöcken, Malbäumen und Scheidgräben gekennzeichnet. Erst im Jahre 1778 erging das kurfürstliche Gesetz, daß alle Grenzen mit Steinen abzustecken wären. Die Scheidgräben, Blöcke und Malbäume sollten verschwinden. Wiederum blieb das Herzogkreuz vom Steinmetzmeißel nicht verschont Es veränderte zum dritten Male sein Aussehen. Rein äußerlich wurde die ursprüngliche Gestalt des Kreuzes noch mehr zum Verschwinden gebracht, noch schärfer markierte man es als Grenzstein. Die Waldnummern 41 und 30 wurden eingehauen. Auf der Endseite des linken Querbalkens wurden die zwei Buchstaben UH eingemeißelt, die den Standort des Kreuzes bezeichnen, wie Freiberger ihn gesehen hat: "Die jetzige Schwetzinger Hardt besteht nämlich aus dem früheren Walldorfer Forst, der 'Oberen Hardt' und dem Schwetzinger Forst, der 'Unteren Hardt'." Übersehen hat Freiberger aber anscheinend die Richtungszeichen auf dem Ende des Mittelbalkens, die sicher auch 1778 (nicht 1805, wie er annimmt) eingehauen wurden und eindeutig das Zeichen auf der rechten Seite des Längsbalkens, das kein altes Waldzeichen ist, klären. Es ist der Abtstab des Klosters Schönau, und das H bedeutet Kirchenschaffnei Heidelberg, die die geistliche Güteradministration der ehemaligen Schönauischen Güterverwaltung ablöste.

Bei den Rückzugsgefechten im Frühjahr 1945 kann ein Soldat, vermutlich aber eher ein Plünderer, der die Offiziersbaracken, die im Franzosenbusch begannen, nach Beute absuchte, den unteren Längsbalken des Steinkreuzes abgeschlagen haben. Das Kreuz lag längere Zeit umgeworfen im Walde. Jetzt ist es wieder errichtet und trägt einen Zementfuß.

Unser Hardtwald war damals noch ein mit dichtem Unterholz bewachsener stolzer Eichenwald. Das Herzogkreuz selbst lag am Rande einer schmutziggelben Ackeroase, der alten Oftersheimer Gemeindeallmende, die von drei Seiten von Laubwäldern umklammert war. Mächtige Wald- und Wiesenkulissen, die heute nicht mehr vorhanden sind, schoben sich einstens vor das Herzogkreuz. Hier war eine der wildreichsten Gegenden unserer engeren Heimat, und von hier aus wurden auch gerne die großen Hofjagden eröffnet. Die Flurnamen Förstereck, Hirschtraufe, Lustjagden und Sternbuckel zeugen noch heute davon.

Ein leidenschaftlicher Jäger war nun Kurfürst Philipp der Aufrichtige (1476-1508), der sogar mit Kaiser Maximilian gar manche Jagd in unseren Wäldern und Auen geritten hat. Er galt als aufgeklärter Fürst, der den Humanismus in der Heidelberger Universität sehr förderte. An seinem Hof in Heidelberg hatte sich ein Liebesverhältnis zwischen seiner kaum den Kinderschuhen entwachsenen Tochter Elisabeth und einem hübschen Hofjunker angebahnt Als der kurfürstliche Vater von dem Verhältnis Kenntnis erhielt, traute er kurz entschlossen im Jahre 1498 sein fünfzehnjähriges eigenmächtiges Töchterlein dem Landgrafen Wilhelm III. von Oberhessen in der Heidelberger Heiliggeistkirche an. Der abgewiesene Junker konnte diese Demütigung durch den Kurfürsten nie vergessen. Er schwur dem hessischen Fürsten blutige Rache.

Als im Jahre 1498 anschließend an die Hochzeitsfeierlichkeiten im Heidelberger Schloß in unserem Hardtwald die großen Hofjagden stattfanden, die mit einer Sauhatz endeten, versteckte sich der Junker im Hardtwald und schoß den hessischen Landgrafen aus seinem Versteck nieder. Der schwergetroffene Fürst starb im Jahre 1500 an dieser Wunde. Das Herzogkreuz muß also um 1500 oder in den ersten Jahren des 16. Jahrhunderts errichtet worden sein. Es ist daher ein Sühne- oder Gedächtniskreuz, das den Schauplatz der blutigen Tat bezeichnen sollte. Auch Freiberger hat diese Vermutung schon angedeutet, hat aber angenommen, daß kurfürstliche Beamte niemals so pietätlos waren, einen fürstlichen Gedenkstein zu einem Grenzstein umzuwandeln. Dieses ist dann aber klar nachweisbar durch die Gemeinde Oftersheim geschehen. Die Pfalz hatte inzwischen schon dreimal die Herrscherfamilie gewechselt. Der Dreißigjährige Krieg war über Land und Leute hinweggegangen. Von Pietät, Tradition und Erinnerung an das schlichte Kreuz blieben sowohl im Herrscherhaus wie beim Volk nicht mehr viel übrig.
(Oftersheim, ein Dorf und seine Geschichte, Mannheim 1968)


Sühnekreuze & Mordsteine