Deutschland Baden-Württemberg Ostalbkreis

Schwäbisch Gmünd (I)


Das Kreuz am
alten Standort
(Nägele 1913)

im Hof des
Steinmetzmeisters
Baldauf

Abbildung bei
Losch (1981)

Kopie des Kreuzes
am Chor der
Leonhardskapelle
Rumpf (2006)

PLZ: 73525

GPS: N 48° 48,182', O 9° 48,291'

Standort: Etwa 50m nordwestlich der St.-Leonhards-Kapelle.

Größe / Material: 120:86:28 / Schilfsandstein

Geschichte: Am Chor der Leonhardskapelle (zur Aalener Straße hin) wurde 2006 eine Kopie des Kreuzes von 1541, das nicht weit entfernt auf dem Friedhof steht, aufgestellt.

Wird hier "Bußkreuz" genannt. Das Steinkreuz stand früher bei der Rinderbacher Mühle (Walkmühle). Später stand es viele Jahre im Hof des Steinmetzmeisters Baldauf. Seit den 1990er Jahren steht das Originalkreuz an der St.-Leonhardts-Kapelle, am alten Standort wurde nach der Restaurierung eine Nachbildung, die der Steinmetzbetrieb Balduff angefertigt hat, aufgestellt.

Linkes Armende an der Oberseite sowie Ecken am rechten Armende beschädigt. Einige Rillen und Schrammen. Am Kopfende vereinzelt Bearbeitungsspuren.
Tatzenkreuz; zwischen den vier Winkeln beidseitig zurückgesetzte, stark ausgekehlte Stützen, die nach der Rundung zunächst verbreitert, dann aber unmittelbar zu den Balken hin abgesetzt und nur am Schaft imitieren sowohl die gotische Winkelrundung als auch - mit ihren verbreiterten Enden - aufgesetzte gotische Nasenpaare. Diese Konturenveränderung der Tatzenkreuzform bildet eine Synthese traditioneller und fortentwickelter gotischer Stilelemente. Daraus entsteht eine bewegte, aber zugleich höchst geschlossene neue Kreuzform.
Inschrift: Im Querbalken die Jahreszahl 1541 in zwei Zifferngruppen.

Der prächtige gotische Kreuzstein mit seinen Verzierungen in den vier Winkeln hat als einer der wenigen in unserem monumentalen Kunst- und Altertumsinventar Erwähnung gefunden, das einzige von vier vor Jahren in Gmünd gesehenen, ehedem sogenannten "Bußkreuzen", deren eines beim Gelben Haus an der Straße nach Waldstetten und ein anderes am Rand des Waldes bei der Mutlanger Viehweide stand. Nach Gradmann ist es datiert 1514. Genaue Zeichnung, Augenschein und Photografie erweist die Lesung der Jahreszahl als unrichtig; es ist zu lesen: 41. Schwierig zu enträtseln ist die zweite Ziffer, die jeder zunächst für einen deutlichen Zweier halten muß; also 1241. Es wäre unser zweifellos den gotischen Stil angehörendes Sühnekreuz das älteste aller datierten, noch vor dem bis jetzt ältesten Steinkreuz von Varmissen (im Hannoverischen) anzusetzen, das die Jahreszahl 1260 trägt. Dem Stil nach wäre diese chronologische Fixierung nicht unmöglich, indes sind arabische Zahlen auf Stein für jene Zeit nicht nachweisbar.

Sage: 1. Ein Raubritter von Rosenstein soll einen heimkehrenden Kaufmann erschlagen haben.
2. An der etwas abschüssigen Stelle des ehemaligen Standorts soll eine Postkutsche über die Böschung hinab in die Rems gestürzt sein.

Quellen und Literatur:
Hertle, Werner und Lotte - Sühne- und Gedenkkreuze im Ostalbkreis, Aalen 2004, S18/69
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981
Nägele, Anton - Über Kreuzsteine in Württemberg und ihre Bedeutung, Württemberisches Jahrbuch für Statistik 1913, S.377-426
Ergänzungen von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund



Schwäbisch Gmünd (II)


Gesamtansicht

Standort: Unmittelbar neben dem vorigen Kreuz.

Größe / Material: 113:61:20 / Kalksandstein

Geschichte: Das Kreuz wurde bei Renovierungsarbeiten an der Kapelle gefunden. Das Kreuz befand sich, zusammen mit dem vorherigen, unmittelbar an der Außenmauer im Chorbereich der Kapelle. Mitarbeiter der Münsterbauhütte, die zeitgleich an der Nordseite der Kapelle die Epitaphe hergerichtet haben, haben die Kreuze von Staub und Schmutz befreit.
Untersuchungen ergaben, dass des Wappen auf dem Kreuz mit Sicherheit einem der ältesten Gmünder Geschlechter, dem der Vener zuzuordnen ist. Das Wappen in der Kreuzmitte zeigt einen Helm mit unterbrochener Helmzier und am Kopf oben rechts Geweihstangen.
Das Kreuz wurde im Spätsommer 1999 im Friedhof in unmittelbarer Nähe der St.-Leonhards-Kapelle aufgestellt.
Das Steinkreuz zeigt Beschädigungen am Kopf, an den Armen und am Schaft.

Sage:

Quellen und Literatur:
Hertle, Werner und Lotte - Sühne- und Gedenkkreuze im Ostalbkreis, Aalen 2004, S.70



verschwundesnes SteinkreuzSchwäbisch Gmünd (III)

Größe / Material: 89:65:25 / Sandstein

Geschichte: Der Steinkreuzrest wurde ebenfalls 1998 bei Renovierungsarbeiten an der St.-Leonhards-Kapelle gefunden. Er war stark beschädigt. Nach Angabe von Steinmetzmeister Baldauf ist der Schaft unterhalb der Arme bei den Bergungsarbeiten abgebrochen, der linke Kreuzarm war zur Hälfte abgebrochen.
Mit Sicherheit ist das Kreuz als Sühne- oder Gedenkkreuz aufgestellt gewesen bevor es als Füllmaterial in den Gesteinsmassen bei der Kapelle gelandet ist.
Das Kreuz wurde aufgrund seines Gesamtzustandes als nicht erhaltenswert eingestuft und zwischenzeitlich entsorgt.

Sage:

Quellen und Literatur:
Lotte und Werner Hertle, Werner und Lotte - Sühne- und Gedenkkreuze im Ostalbkreis, Aalen 2004, S.71



Schwäbisch Gmünd (IV)

GPS: N 48° 48,550', O 9° 48,232'

Standort: Ca. 1km nördlich der Stadt beim "Klosterhof", an einem Feld- bzw. Waldweg (Rundweg von Mutlangen um das ehemalige Militärgelände), westlich der Höhe 434,2.

Größe / Material: 100:83:22 / Sandstein

Geschichte: Lateinische Kreuzform, kräftig, langbalkig, hoher Kopf. Kanten der oberen Kreuzhälften beschädigt. Vertiefung in der Kreuzmitte. Auf der Rückseite Rillen und Vertiefungen. Beidseitig Bearbeitungsspuren.
Eingezeichnet ist eine große Pflugschar im Relief mit breitem Schaft, Spitze abwärts gerichtet. Datierung: ca. 16./17.Jh.

Sage: Ein Ritter sei dort im Zweikampf gefallen.

Quellen und Literatur:
Hertle, Werner und Lotte - Sühne- und Gedenkkreuze im Ostalbkreis, Aalen 2004, S.72
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981



Schwäbisch Gmünd (V)


Rumpf (2006)

der Abguß neben der Dreifaltigkeitskapelle
Rumpf (2006)

GPS: N 48° 47,278', O 9° 48,734'

Standort: In der Dreifaltigkeitskapelle, Richtung Waldstetten (Dominikus-Debler-Straße). Ein Abguss befindet sich in einer kleinen Anlage hinter der Kapelle.

Größe / Material: 70:35:25 / Sandstein

Geschichte: Bis 1945 stand das Kreuz ca. 100m bachaufwärts (dort soll sich noch der Sockel befinden).
Der rechte Arm ist ganz, der linke größtenteils abgebrochen. Runde Vertiefung (Näpfchen) auf dem Kopf.
Die Einzeichnung stellt einen Gekreuzigten dar.

Sage: Es handelt sich wahrscheinlich um ein "Bußkreuz".

Quellen und Literatur:
Hertle, Werner und Lotte - Sühne- und Gedenkkreuze im Ostalbkreis, Aalen 2004, S.73
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981
Ergänzungen von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund



Schwäbisch Gmünd (VI)


Blick zum Standort

Detail Korpus

Aufnahme um 1935

GPS: N 48° 47.9', O 9° 47.537'

Standort: Das Kreuz steht heute in Schwäbisch Gmünd am Kroatensteg, am Brückle über den Josefsbach in Richtung Kreissparkasse in der "Parlerstraße".

Größe / Material: Angulaten-Sandstein

Geschichte: Der jetzige Standort ist nicht der ursprüngliche. Im unteren Querarm trägt das Kreuz die Jahreszahl 1646.

Sage:

Quellen und Literatur:
Am Wege. Kleines Wander-Lehrbüchlein in 47 Naturaufnahmen, aus der Reihe: Der eiserne Hammer, 1935, S.20
Deibele, Albert - Das Doppelkreuz an der alten Lorcher Straße, nun am Kroatensteg, in: Gmünder Heimatblätter, 23.Jg., 1962, Nr.1, S.6-8
Funk, Eduard - Das geheimnisvolle Doppelkreuz am Kroatensteig, in: Einhorn, Nr.57, 1963, S.11-13
Staudenmaier, Kuno - Schon einmal den Standort gewechselt, in: Gmünder Tagespost von Freitag dem 3.01.2014
recherchiert und bebildert von Karl-Heinz Nitschke, Mögglingen und Michael Schwarz vom Stadt -und Hospitalarchiv, Schwäbisch Gmünd



Das Doppelkreuz an der alten Lorcher Straße, nun am Kroatensteg
von Albert Deibele

Das Doppelkreuz am Kroatensteg

Bild des aufgefundenen Fläschleins

   Jedem Gmünder war das schöne Doppellkreuz an der alten Lorcher Straße bekannt. Der Heimatforscher Rudolf Weser hat es dem Zillhardtskreuz gleichgesetzt, das häufig in den Gmünder Akten vorkommt. Das Zillhardtskreuz, kurz auch Zillerskreuz genannt, tritt im Gmünder Schrifttum aber schon 1635 auf, während das oben genannte Kreuz nach seiner Inschrift erst 1646 aufgestellt worden ist. Das Zillerskreus stand jenseits der Rems, wo die alte Talstraße den Flüß überquerte, also in nächster Nähe der heutigen Eisenbahnbrücke über die Rems, da. wo die Schwerzer-Allee scharf nach links gegen den Schierenhof abbiegt. Weser aber danke ich den Hinweis im Anniversar (Jahrtagsverzeichnis) der Münsterpfarrei, das 1530 begonnen worden ist. Seite 58 wird im Jahre 1646 ein Jahrtag für Michael und Susanna Beiswinger und deren Verwandtschaft aufgeführt, wofür 100 Gulden gestiftet werden. Dabei steht: "Diese 100 Gulden stehen auf einem Gut, so bei 8 Tagwerk bei der Kreuzmühle, wo das neue Kreuz nächst an der Mühl aufgerichtet worden." Leider ist der Anlaß zur Errichtung dieses Kreuzes nicht genannt. Damals aber herrschte noch der 30jährige Krieg, und zu jener Zeit besetzten die Franzosen das Remstal samt Gmünd. Die Pfarrbücher melden mehrmals von Mordtaten in unserer Gegend. Der oben erwähnte Michel Beißwinger wohnte in der Pfeifergasse und heiratete am 26. Juli 1615 eine Susanna Frey.
   Das genannte Kreuz ist ein Doppelkreuz. Der obere Balken stellt nichts anderes dar als die in die Länge gezogene Tafel mit der Kreuzesinschrift. Früher viel, mehr als heute wurde diese Kreuzesform in Verbindung mit Reliquienbehältelchen benutzt. Das Volk sah in ihr immer etwas Geheimnisvolles, Fremdes und schrieb deshalb diesen Kreuzen eine besondere Wirkung zu. Häufig wurden kleine Doppelkreuze aus Metall um den Hals getragen oder in Büchslein und Schächtelchen, meist in Verbindung mit Gebeten, unter den Türschwellen vergraben oder in einen Balken des Hauses versenkt, mit dem frommen Wunsche, der Gekreuzigte möge das Haus und seine Bewohner vor allen Uebeln des Lebens und der Seele, besonders aber vor der Pest, dem Feuer und dem Blitzschlag behüten. Zweifellos ist auch das rätselhafte Kreuz an der Lorcher Straße im Jahre 1646 aus solchen Gründen aufgestellt worden. In aller Erinnerung war damals noch die schreckliche Pest, welche von 1635/37 die Hälfte der Bevölkerung hinwegraffte; vor aller Augen lagen noch die vielen Brandstätten in hiesiger Stadt, welche die Kriegsgeißel verursacht hatte. Was also lag näher, als eine solches Heil versprechendes Kreuz am Stadteingang zu errichten. Das wird vollends zur Gewißheit durch folgendes:
   Das Kreuz ist aus fünf Mehlsteinen (Angulaten) zusammengesetzt. Die Hände des Christuskörpers sind an dem oberen Kreuzesbalken befestigt. Das Haupt Christi ist - vom Beschauer aus gesehen nach links geneigt. Als man dieser Tage das Kreuz aussbessern wollte, fand sich unmittelbar über dem Haupte Christi eine mit Kalkmörtel verschlossene Nische, in welche, ein Glasfläschlein eingelassen war. Dieses enthielt im Innern ein glattes Doppelkreuzlein aus Messing, wie man es von den verschiedenen "Haussegen" her kennt. Das Fläschlein war oben verschraubt. Unten hatte man den Boden abgesprengt, das Kreuzlein eingelegt und dann die Flasche wieder zugeschmolzen. Damals gab es in Gmünd viele Glasarbeiter, welche dieses leicht ausführen konnten. Als man die Nische öffnete, zerbrach das Fläschlein, das Kreuzlein war aber tadellos erhalten. Leider war weder auf diesem noch in dem Fläschlein irgend etwas Schriftliches zu finden. Die Verschraubung des Fläschleins macht es sicher, daß dieses nicht schon 1646 in die Nische gelegt worden war, sondern wahrscheinlich erst um 1770. Vielleicht ist dies schon der zweite "Segen". Das Kreuz zeigt deutlich, daß es schon früher mehrfach ausgebessert wurde. Bei einem solchen Anlaß könnte man den jetzigen "Segen" eingelegt haben. Sei dem, wie ihm wolle, sicherlich wollte man schon an der Stadtgrenze Gottes Hilfe gegen Pest und Ungewitter erflehen. Das Kreuz bietet noch allerlei Eigentümlichkeiten. Die fünf Balkenenden sind eingekerbt, und zwar so, daß sich hier jeweils drei Wulste bilden. Auf dem unteren Kreuzbalken, durch die Füße Jesu geteilt, ist zu lesen
16 - 46
Unter den Füßen auf dem Längsstamm ist ein Schildchen angebracht mit dem Buchstaben
F
Ueber dem Schildchen ist die Inschrift:
H I S O S T M
Weser sucht diese Inschrift zu lesen als: Hoc In Signo Omnis Salus Totius Mundi. Das heißt: In diesem Zeichen liegt das Heil der ganzen Welt.
   Unerklärt ist der Buchstabe F auf dem Schildchen. Vielleicht ist es der Anfangsbuchstabe des Stifters. Die Frau von Beißwinger war eine geborene Frey. Das Kreuz stand auf einem Grundstück, welches der Familie Beißwinger/Frey gehörte.
   Vieles an dem Kreuz deutet auf eine Arbeit des Kirchenmeisters Kaspar Vogt II hin, denselben, welcher dem Salvator sein heutiges Aussehen gab. Vogt starb am 23. März 1646. Er müßte also diese Arbeit kurz vor seinem Tode ausgeführt haben.
   Da in nächster Zeit das Grundstück, auf welchem das Kreuz stand, bebaut wird, mußte es von seinem Platze weichen.
Benutzt wurde: Weser, Inschriften in Gmünd, Stadtarchiv.
(Gmünder Heimatblätter, 23.Jg., 1962, Nr.1, S.6-8)



Das geheimnisvolle Doppelkreuz am Kroatensteig
von Eduard Funk

Versuch einer ikonographischen Deutung
Über 300 Jahre lang stand an der alten Lorcher Straße, weit draußen vor der Stadt, ein seltsames Kreuz, dessen Herkunft und Bedeutung man nicht zu erklären vermochte. Als der Beschluß gefaßt wurde, das Gelände, an dessen Rand es im Schutz tiefhängenden Baumgeästs ein kaum beachtetes Dasein fristete, zu überbauen, kam man auf die glückliche Idee, dieses Kreuz am Eingang zum Graben neben dem Kroatensteg aufzustellen.
Aus welchen Gründen wurde es seinerzeit gestiftet und von wem stammt es? - Um diesen Fragen näher zu kommen, ist eine Vorbemerkung nötig. Kreuze, die an Straßen und Wegen außerhalb geschlossener Ortschaften errichtet wurden, haben in der Regel eine ganz bestimmte Bedeutung: Entweder sind sie Sühnekreuze zur Erinnerung an ein Verbrechen oder Gedenkkreuze für einen tödlichen Unfall. Im Kreis Schwäbisch Gmünd sind über drei Dutzend solcher Kreuze vorhanden, von denen einige allerdings falsch gedeutet wurden. Geistliche Stifte und Klöster pflegten nämlich das ihnen gehörende Territorium durch Besitzkreuze zu markieren, die an den Grenzübergängen aufgestellt wurden; die lorchischen und ellwangischen Kreuze, von denen noch etliche existieren, gehen auf diese Gepflogenheit zurück. Die sogenannten Votivkreuze, die den Passanten zu frommen Gedanken mahnen sollen, sind fast alle relativ jungen Datums. Wahrscheinlich aber hat unser Kreuz am Kroatensteg mit allen diesen Herkunftsmöglichkeiten nichts zu tun.
Die Datierung steht fest, denn auf dem unteren Kreuzbalken ist die Angabe 1646 zu lesen. Im gleichen Jahr wurde für Michael und Susanna Beiswinger eine Jahrtagsmesse gestiftet und diese mit 100 Gulden dotiert. Als Pfand für diesen Betrag ist im Anniversar des Münsters ein Gut bei der Kreuzmühle erwähnt, das sich dort befand, "wo das neue Kreuz nächst der Mühl aufgerichtet worden". Die Frau des Michael Beiswinger war - wie Stadtarchivar Deibele ermittelte - eine geborene Frey. Sie oder ihr Vater sind demnach die vermutlichen Stifter des Kreuzes, denn unter den Füßen Christi ist auf einem Schildchen der Buchstabe "F" eingemeißelt. Über dieser Signatur erkennt man die Inschrift H I S O S T M, die Pfarrer Weser mit Hoc In Signo Omnis Salus Totius Mundi (In diesem Zeichen liegt das Heil der ganzen Welt) interpretierte. Ungewöhnlich ist die Form des Doppelkreuzes, dessen Balkenenden als Variante zwischen dem Anker- und dem Astkreuz ausgebildet sind. Obwohl die Heraldik der Kreuzfigur über 30 Muster kennt, war das Doppelkreuz in Westeuropa nicht üblich. Seine älteste überlieferte Form mit zwei gleichen Balken ist das Jagellanem-Kreuz, aus dem das litauische und das slowakische Doppelkreuz abgeleitet sind. Beim russisch-orthodoxen Kreuz ist der untere Arm, der zuweilen schräg angebracht ist, größer als der obere. Aus dieser Doppelform entstand das Patriarchenkreuz, dessen Balkenenden nach dem Muster des sogenannten Tatzen- oder Breitrandkreuzes ausgebildet wurden. Letzteres war auch das Vorbild für die Fasson des Kriegsordens Eisernes Kreuz. In der römischen Kirche tragen die Kardinäle als Zeichen ihrer Würde ein Doppelkreuz, dessen Balken in ein Kleeblatt auslaufen. Das päpstliche Kreuz zeigt sogar drei Querarme, die in Stufenform angeordnet sind.
In Mittel- und Westeuropa war als kirchliches und heraldisches Symbol ausschließlich die römische Form des einfachen Kreuzes üblich. Allerdings mit einer Ausnahme: das doppelbalkige Lothringer Kreuz, das aber wohl slawischen Ursprungs ist. Nach dem Tode Augusts des Starken, König von Sachsen und Polen, war es 1733 zu einem Erbfolgekrieg gekommen, der durch den Wiener Frieden von 1738 mit einem Kompromiß beendet wurde. Der Sachse August III., Sohn des verstorbenen Königs, erhielt den polnischen Thron zugesprochen; der Pole Stanislaus Leszcinski, Schwiegervater Ludwigs XV. von Frankreich, wurde mit dem habsburgischen Herzogtum Lothringen entschädigt, das nach seinem Tod vertragsgemäß 1766 an Frankreich fiel. Die Ikonographie nimmt an, daß eben dieser Stanislaus das polnische Doppelkreuz, das er selbst im Wappen trug, in Lothringen einführte.
Im außerkirchlichen Bereich kannte man allerdings im Mittelalter dennoch das Doppelkreuz, das der Aberglaube mit mystischen Vorstellungen umgab, die bis in die Zeit der Kaiserin Helena zurückzuverfolgen sind. Als deren Sohn Konstantinus im Jahre 326 die Höhle des Heiligen Grabes in Jerusalem aufdecken ließ, fand Helena: darin - so behauptet die Legende - das Kreuz Christi, das die Kaiserin nach Konstantinopel schickte. Ihm maß man Wunderkraft zu, die man übertragen zu können vermeinte, wenn man das Kreuzeszeichen - nicht als Segen, sondern als Beschwörung - mit der Hand schlug, eine Geste, die noch heute in weiten Volkskreisen als Schutzmittel gegen böse Geister gilt. Dabei verbanden sich christliche und heidnische Vorstellungen, denn auf den germanischen Runensteinen findet sich der in Kreuzform eingehauene Hammer des Gottes Thor.
Die zweifach Balkenform sollte - so meinte man - auch doppelte Heils- und Abwehrkraft in sich bergen. Die "Weibspersonen" und "Metzenzimmer" (Jungfern) trugen sie deshalb als Amulett um den Hals, was Johann Eustachius Jäger von Jägersberg, von 1694 bis 1711 Ratskonsulent in Gmünd, zu einer geharnischten Epistel veranlaßte, als er für "Gamundia rediviva" Vorschläge zur Verbesserung der Zustände in der "tüeff gesunkenen Reichsstatt" ausarbeitete.
Insbesondere war es Brauch, solche Doppelkreuzlein (meist aus Messing) unter die Türschwelle zu legen, um Unheil zu bannen. An die Dachbaiken genagelt, sollte es vor Blitzschlag bewahren; in die Zimmerwand gemauert, vor Krankheiten schützen. Aus diesem Aberglauben des sogenannten "Haussegens" folgerte Albert Deibele, dem Kreuz an der Lorcher Straße habe der gleiche Sinn innegewohnt, zumal es ja während des Dreißigjährigen Krieges errichtet wurde. Eine andere Kombination, die in dem unheilbannenden Doppelkreuz ein Abwehrzeichen gegen die Pest erblicken wollte, scheidet wohl aus, denn diese entsetzliche Seuche war schon acht bis neun Jahre vor der Stiftung dieses Kreuzes in Schwäbisch Gmünd erloschen.
Nun hat man aber bei der unlängst vorgenommenern Reparatur dieses Kreuzes zwischen dem Titulus INRI und dem Christushaupt eine kaikverschmierte Stelle im Angulaten-Sandstein entdeckt, die sich als Verschluß einer Nische herausstellte, in der sich ein Fläschchen befand, das ein Haussegen-Kreuzlein enthielt. Gerade diese Tatsache spricht jedoch gegen die bereits erwähnte Deutungsmöglichkeit, denn diese Nische ist mindestens 100 Jahre nach der Aufstellung des Kreuzes eingehauen worden; in der Mitte des 17. Jahrhunderts kannte man noch keinen Schraubverschluß.
Wenn man also Skepsis gegenüber der These hegt, das Doppelkreuz an der Lorcher Straße sei mystischen Assoziationen um den "Haussegen" entsprungen, der doch im Grunde eine obskure Glaubensangelegenheit war, dann bleibt immer noch eine weitere Kömbinationsmöglfchkeit offen: Im Dreißigjährigen Krieg waren die slawischen Hilfsvölker aller Feldherrn wegen ihrer Brutalität und Habgier am meisten gefürchtet. Wir wissen, daß diese häufig durch das Remstal zogen und die Stadt Gmünd bedrohten. Könnten deshalb nicht die Familien Beiswinger und Frey auf die Idee gekommen sein, den slawischen Soldaten ihr eigenes Kreuz entgegenzuhalten, um sie zur Milde und christlicher Gesinnung zu mahnen?
Wir werden alle diese Fragen wohl nie mit einiger Sicherheit ergründen können; die letzte, die uns im Rahmen dieser Betrachtung noch gestellt bleibt, ist dagegen relativ einfach zu beantworten; Wer schuf dieses Kreuz? - Der bedeutendste Baumeister und Bildhauer war zu jener Zeit in Schwäbisch Gmünd der jüngere Caspar Vogt, der im selben Jahr (1646) starb, in dem unser Kreuz aufgestellt wurde. Wenn man seine künstlerische Handschrift und seine technische Arbeitsweise auf dem von ihm ausgestalteten Salvator gründlich studiert hat, kann kein Zweifel bestehen, daß der Corpus des Doppelkreuzes beim Kroatensteg aus seiner Werkstatt stammen muß. Die stark naturalistische Durchbildung des Körpers, die Faltung und Raffung des Lendenschurzes sowie die Kopfhaltung des Heilandes sind absolut Vogtsche Manier. Caspar Vogt, geboren um 1586, gehörte zwar dem Stilkreis der Renaissance an, doch ist es für ihn geradezu typisch, wie sehr er künstlerisch gotischen Traditionen verhaftet blieb.
(Einhorn, Nr.57, 1963, S.11-13)


Sühnekreuze & Mordsteine