Nowy Zagór / Deutsch-Sagar

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Standort: In der südöstlichen Ecke des Kirchhofs.

Größe / Material: 113:82:23 / Granit

Geschichte: Das Steinkreuz wurde weiß angestrichen. Der Ort hieß zwischen 1937-1945 Boberhöh.

Sage:

Quellen und Literatur:
Kupke, Paul - Was bedeutet der Kreuzstein auf dem Kirchhofe in Deutsch-Sagar?, in: Crossener Kreiskalender 1938, S.149-150
recherchiert und bebildert von Robert Ache, Cottbus (Foto von 2005)



Was bedeutet der Kreuzstein auf dem Kirchhofe in Deutsch-Sagar?
von Paul Kupke

   Neben dem Kriegerdenkmale steht auf dem Kirchhofe in Deutsch-Sagar ein Stein in Kreuzform. Er gehört zu den ältesten Denkmälern unseres Kreises. Sein Alter, das seine durch Verwitterung abgerundeten Kanten beweisen, wird auf siebenhundert Jahre geschätzt. Er weist keine Zahl, kein Zeichen, überhaupt keine Spur einer Bezeichnung, Beschriftung auf.
   Warum hat man ihn gesetzt? Das Geheimnis dieses Kreuzsteines ist nicht ohne weiteres zu enträtseln. Irgendwo wird er einfach "Wegkreuz" genannt. Dazu erscheint er gänzlich ungeeignet. Es wird auch behauptet, daß sich Hexen sehr gern an Kreuzwegen versammeln. Daher hätte man ihnen durch Setzen solcher Kreuze den Aufenthalt verleidet. Das ist noch unglaubwürdiger, da sich dafür keinerlei Beweise durch Sagen u. dgl. finden lassen. Noch abwegiger ist es, solche Steine, die auch manchmal Wettersteine heißen, in Verbindung mit einem Wettergotte Pumphut oder Pumpan zu bringen. In Kindersprüchen lebt der Wettergott noch, auch in dem bekannten Ausrufe "Heiliger Bimbam!"; aber was hat das Kreuz mit ihm zu tun?

Aufn. Kupke, Crossen
   Es gibt auch eine Erklärung, nach der das Deutsch-Sagarer Kreuz von einem adligen Herrn errichtet worden sei, weil er seinen Schäfer erstochen habe. Hier kommen wir der Lösung des Rätsels ziemlich nahe. Es gibt viele Kreuzsteine, auf denen Mord- oder Sühnewerkzeuge in rohen Umrissen eingemeißelt sind: Schwerter, Dolche, Äxte, Beile. Solche Zeichen beweisen, daß es sich um sogenannte Sühnekreuze handelt, die der Täter errichten ließ, um Buße zu tun. In einer Urkunde des Städtchens Blomberg (Lippe) vom Jahre 1574 heißt es bei der Festsetzung der Sühne eines Mordes: "...fünftens sollen sie ein Steinkreuz, wie das in solchen Fällen gebräuchlich ist, wo sie von der Obrigkeit hinbeschieden werden, aufsetzen lassen, vier Fuß hoch, drei Fuß breit." Diese maße würden auch hier stimmen.
   Die Angabe, daß ein Mord an einem Schäfer die Ursache für die Kreuzsetzung sei, beruht wohl auf einem Irrtum. Der Volksmund hat wahrscheinlich eine Untat auf Deutsch-Sagar übertragen, die sich in Ochelhermsdorf in Schlesien zutrug. Wäre sie in Deutsch-Sagar geschehen, so hätte sich doch Genaueres erhalten. Im Jahre 1604 erstach Adam von Unruh in Ochelhermsdorf den Schäfer Bartel Vetter auf offener Straße in viehischer weise. Die Angehörigen des Ermordeten, dazu das gesamte Dorf wandten sich gegen den Mörder mit dem furchtbaren Ernst einer Anklage durch die geschlossene Sippe im alten germanischen Sinne. Was half es dem Mörder, daß ihm seine Kumpane beistanden, daß die Richter ihm zu helfen suchten! Die Witwe, gestützt durch die Einwohner des Dorfes, brachte es dahin, daß von Unruh flüchten mußte. Der Leichnam wurde aufgebahrt und 26 Wochen lang nicht beerdigt. Die Akten sind noch vorhanden und zeigen ein erschütterndes Bild der Rechtssuche der Armen und Hilflosen, die sich nur auf ihr Recht verließen.
   Die Witwe meldete dem Obergerichte, daß die Leiche jedesmal zu bluten anfing, sobald der von Unruh in ihre Nähe kam; auch als der Sarg nach 26 Wochen ins Grab gesenkt wurde, wobei der von Unruh im Gerichte des Dorfes saß, "hat das Blut durch den Sarg hindurchgedrungen, gleich als hätte man einen Ochsen geschlachtet". Das hätte das ganze Dorf mit angesehen. Es sei daher der klare Beweis vorhanden, daß von Unruh der Mörder sei. Die Hinterbliebenen beriefen sich auf die altgermanische Bahrprobe, bei der der Ermordete auf einer Bahre vor den vermuteten Mörder gebracht wurde und durch das Bluten den Schuldigen anzeigen sollte.
   Auf eine Anfrage, was die Familie verlange, forderte sie die hohe Summe von 2000 Talern. In Crossen und Giersdorf kam es zu Verhandlungen, bei denen die Mörder erst 100 Taler, dann 200, 300 zuletzt 400 boten. Die Hinterbliebenen des Vetter lehnten das ab und verfolgten den Mörder jahrelang mit ihren Anklagen. Als er sein "Güttel" in Ochelhermsdorf gegen ein anderes eintauschte, um vor den Nachstellungen, die auf sein Leben abzielten, endlich sicher zu sein, erhielt er vom Gericht die Auflassung nicht, da "er wegen des am Ochelhermsdorfer Schäfer begangenen Mordes nicht Richtigkeit gemacht habe". Es scheint, daß dies 1615 geschehen sei, wobei ein Steinkreuz errichtet wurde.
   Ein solches Vorkommnis rührte die Gemüter im weitesten Umkreise um den Tatort auf und hinterließ einen nachhaltigen Eindruck. Da die Verhandlungen in Crossen stattfanden, da auch sonst enge Verbindungen zwischen Ochelhermsdorf und dem Crossener Kreise vorhanden waren, so wurde noch lange von der Untat gesprochen. Es ist daher leicht zu verstehen, daß das alte Kreuz in Deutsch-Sagar damit in Zusammenhang gebracht wurde.
   Ein Sühnekreuz ist es wahrscheinlich, aber ob es am Tatorte steht, sei dahingestellt. Es war nicht Regel, das Kreuz am Orte des Mordes zu setzen; es konnte auch da aufgestellt werden, wo viel Verkehr war, wo es warnend wirken konnte. Viele solcher Kreuzsteine wurden zerstört, als man keine Rücksicht mehr auf sie nahm, als der Pflug immer mehr Raum brauchte. Man rettete sie häufig, indem sie an den Weg gerückt oder auf einem Friedhof aufgestellt wurden. Vielleicht gelangte der Deutsch-Sagarer Kreuzstein auf diese Weise auf den Friedhof, an einen geschützten Ort, an dem er das Geheimnis seines Ursprungs durch weitere, durch ungezählte Jahrhunderte tragen kann.
(Crossener Kreiskalender 1938, S.149-150)


Sühnekreuze & Mordsteine