Deutschland Thüringen Wartburgkreis

Gerstungen (I)


Blick zum Standort

die andere Seite

Erläuterungstafel
Fotos: Beck (2013)

Blick zum Standort

Abbildung bei
Riske (1981)

PLZ: 99834

GPS: N 51° 8,227', O 10° 4,976'

Standort: Auf dem Marktplatz.

Größe / Material: 118:107:42 / Braunkohlenquarzit

Geschichte: Der "Limpertstein" steht jetzt auf der Ostseite vom Marktplatz. Man kann nun auch die bisher verdeckte Rückseite betrachten und um den Stein herumgehen. Die Gemeindeverwaltung hat auch eine Erläuterungstafel neben dem Stein angebracht, besser geht nicht. (Beck 01/2014)

Ein ungleichmäßiger Felsbrocken, in dem die Buchstaben "Limpertstein“ eingemeißelt und ausgemalt sind. (Beck 05/2007)

Sage: Limpert, der lahme Bote des Grafen von der Brandenburg, holte regelmäßig mit seinem Esel das dem Grafen laut verbrieftem Recht zustehende Fleisch in Gerstungen ab. Er ließ sich dabei viel Zeit, und die auf ihn wartenden Fleischer durften nichts verkaufen, bevor Limpert die besten Stücke für seinen Herrn herausgesucht hatte. Das verbitterte die Fleischer. Als er wieder einmal zu spät kam, beschimpften sie ihn. Der Streit ging hin und her, und schließlich wurde Limpert totgeschlagen. Er wurde zerstückelt und anstelle des Fleisches in die Körbe gelegt, die der Esel zurück zur Brandenburg brachte. Wo die Tat erfolgt sein soll, wurde der Stein gesetzt. (Riske 1981)

Eine weitere Version dieser Sage finden wir im Thüringer Sagenbuch, Band I. Diese Sage wiederholt sich unter ziemlich gleichen Umständen auch bei Bechstein (1853), namentlich in der Stadt Osnabrück mit einem Grafen Tecklenburg.

Quellen und Literatur:
Riske, Erwin - Steinkreuze und artverwandte Flurdenkmale im Kreis Eisenach, Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, Heft 14, 1981, Nr.35, S.64
Heusinger, Johann Heinrich Christian - Der lahme Fleischbote von Brandenburg, in: Sagen aus dem Werratale. Gesammelt und im Neudruck herausgegeben. Mit einem Nachdruck und mit Erläuterungen versehen. Eisenach 1923, S.6-9
Die drei Aufgaben, in: Thüringer Sagenbuch, Band I, Nr.64, S.101-103
vgl. auch: Bechstein, Ludwig - Die drei Aufgaben, in: Deutsches Sagenbuch, Leipzig 1853
eine weitere Sagenvariante unter: sign-lang.uni-hamburg.de
Gelegentlich wird diese Sage nachgespielt - (Termine: die-brandenburg.de)
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Foto von Mai 2007 und September 2013)



Gerstungen (II)


Blick zum Standort

GPS: N 50° 58.465', O 10° 5.134'

Standort: An einem Wander-Rastplatz, welcher im Dreieck von der ehem. Eisenbahntrasse nach Oberellen-Förtha-Eisenach, der L1021 und der L1020 gebildet wird. Er steht etwa 5m von der Straße weg unter den Bäumen.

Größe / Material:

Geschichte: Der "Mühlvaltenstein" wurde umgesetzt. Er befindet sich nun etwa 200m näher an den Ort Gerstungen herangerückt. (Beck 06/2009)

Der "Mühlvaltenstein" befindet sich etwa 400m nördlich vom Ortsrand von Gerstungen zwischen dem Bahndamm und der Landstraße L1021 nach Neustädt bzw. Wommen unter Bäumen. In unmittelbarer Nachbarschaft ein gelber Gasleitungsmarkierer.
Bitte beachten: Der "Mühlvaltenstein" ist der Stein unter dem Mühlstein. Der Standort ist am Osthang des Strassberges, hier lag vor Jahrhunderten das Dorf Steinau - zu dem auch die Mühle gehörte. Am Mühlvaltenstein ist schon in der DDR-Zeit ein kleiner Ruheplatz geschaffen worden - so wie in der Sage geschildert.
Für den Heimatkundeuntericht der Gerstunger Grundschüler war der Mühlvaltenstein ein beliebter Ausflugsort, konnte man doch schnell zum Gerstunger Freibad weitergehen, welches nur 500m entfernt ist. Auf dem "Mülvaltenstein" hat man irgendwann noch einen alten Mühlstein gelegt links und rechts je eine Bank dazugestellt.

Mötzing (1969) irrte in seiner Annahme, dass "...dieser Stein, der dazumal unter drei Linden stand, bei der Verbreiterung der Straße zerstört worden ist."

Sage:

Quellen und Literatur:
Mötzing, Kurt - Ruhen, Mahnsteine und Napoleonsbänke, in: Das Werraland, 1969, Heft 1, S.7-9
Schramm, Manfred - Der Mühlvaltenstein, in: Lesestunde am Mühlvaltenstein, Sagen aus dem Werratal um Gerstungen, Gerstungen 1982, S.16-18
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Fotos von 1997)



Der Mühlvaltenstein
von Manfred Schramm

Valentin, der Knecht der Herrenmühle in Gerstungen, hatte täglich gemahlenes Gut auf die umliegenden Dörfer zu fahren. Als er an einem heißen Sommertag auch die Neustädter Bauern mit Mehl, Schrot und Kleie versorgt hatte und sein Pferd müde den Wagen heimwärts nach Gerstungen zog, sah er eine schwarz gekleidete Frau, die sich mit einem schwer beladenen Tragekorb auf dem Rücken, der sogenannten "Kitze", abquälte. Und weil er von Natur aus gutmütig war, dachte er bei sich: 'Es ist gut, daß der Wagen leer ist, da kann ich die arme Frau das letzte Stückchen bis Gerstungen mitnehmen'.
Endlich hatte das Pferd die Frau eingeholt, und Valentin redete zu ihr: "Liebe Frau, Ihr seid schwer bepackt, Ihr solltet bei dieser Hitze lieber zweimal den Weg gehen und Euch halb so viel aufladen!" - "Du hast gut reden", entgegnete stöhnend die Frau, "der Mann gestorben, daheim eine Menge Kinder, wenig Vieh und das Land, da muß ich mich sputen, wenn ich die viele Arbeit schaffen soll. Wären doch im Schatten der Linden hier eine Bank und ein Brunnen, daß man sich einmal ausruhen und erfrischen könnte!" - "Wollt Ihr nicht Eure Kitze auf den Wagen tun und mit mir fahren?" fragte Valentin, doch die Frau hörte das freundliche Angebot nicht mehr:
Völlig erschöpft hatte sie den Halt verloren, noch suchten ihre Hände nach einer Stütze, aber dann brach sie unter der drückenden Last zusammen. Schnell war da der Müllersknecht vom Wagen. Behutsam befreite er sie von den Tragegurten, dann griff er ihr kräftig unter die Arme, und vorsichtig half er ihr wieder auf die Beine. Und weil sie die Besinnung nur für einen Augenblick verloren hatte, konnte er sie jetzt langsam zu seinem Wagen führen. "Macht es Euch bequem!"- mit diesen Worten reichte er ihr ein paar leere Säcke und eine Decke, die ein Fuhrmann stets mit sich führt. Und während die Frau, nachdem sie das Gefährt mit Mühe erklettert hatte, sich einen bequemen Sitzplatz herrichtete, war er schon wieder bei der Kitze, die er mit einem kräftigen Ruck auf den Wagen hob. Dann schwang er sich aufs Kutschbrett, ergriff Zügel und Peitsche, und mit einem "Hur" und einem Peitschenstreich trieb er das Pferd an, so daß das letzte Stück des Heimweges bald geschafft war.
Immer wieder, wenn Valentin an den Linden vorbeifuhr, mußte er an die Frau denken, die hier vor seinen Augen zusammengebrochen war. Auch ihre Worte hatte er nicht vergessen. 'Eine Bank und einen Brunnen unter den Lindenbäumen zum Ausruhen', überlegte er, 'kann ich nicht schaffen, aber einen schönen viereckig behauenen Stein könnte ich dorthin fahren, da läßt sich's auch gut drauf sitzen.'
Er beschloß, bei seiner nächsten Fahrt nach Neustadt heimwärts den alten Weg hinten an der Trümmerstätte der Steinaumühle vorbei zu nehmen. Zwar waren dort schon alle brauchbaren Steine geholt worden - die Leute hatten sie beim Bau ihrer Häuser und Scheunen oder als Grenzsteine für ihre Felder und Wiesen verwendet -, aber der Grundstein lag noch da, weil sich keiner an diesen heranwagte. Von ihm hieß es, daß er sich wild im Kreise herumdrehe, wenn man ihn nur anfasse. Mit diesem Stein wollte es heute der gute Müllersknecht einmal versuchen. "Es ist ein Werk zum Wohle meiner Mitmenschen, das ich hier beginne, da wird die Macht des Teufels gebannt sein", sagte er zu sich selbst.
An dem verwünschten Platz angekommen, hielt er das Pferd an. Hacke und Schaufel hatte er vorsorglich mitgebracht. Doch erst einmal nahm Valentin mit dem Stein Fühlung: Er faßte ihn bei den Ecken und versuchte, ihn zu bewegen, um sein Gewicht abzuschätzen, doch was war das? Ganz leicht war der Stein, er leistete kaum Widerstand und bewegte sich, wie von Geisterhänden getragen, von selbst in die Höhe!
Nun war keine Mühe mehr nötig; der Stein brauchte nur noch auf den Wagen geschoben zu werden. Obwohl ihm dabei anfangs gegruselt hatte, war er jetzt froh, daß der schwerste Teil der Arbeit so schnell getan war, und er bestieg zufrieden seinen Wagen. Wie erschrak er aber, als er sich noch einmal umwandte! Da stand plötzlich der alte Steinaumüller mit dem greulichen Zottelhund hinter dem Wagen, doch nicht böse, wie der Valentin befürchtete, sondern ihm freundlich zuwinkend. Er hatte jedem den Grundstein seiner Mühle verweigert, aber dem guten Müllersknecht der Herrenmühle gab er das letzte Stück seines Besitzes gern. Er war es auch, der den Stein auf den Wagen gehoben hatte.
Valentin erwiderte den freundlichen Gruß und fuhr los, entlang dem Steinaubach und dann die Steigung der Neustädter Landstraße hinauf nach Gerstungen zu bis an die Linden. Dort lud er den Stein ab und richtete ihn, so, wie wir ihn heute noch vorfinden.
Der Steinaumüller ist seitdem nicht mehr gesehen worden. Nachdem er den Grundstein seiner Mühle hergegeben hatte, war seine Schuld gesühnt.
Der Stein aber trägt seitdem den Namen des Müllersknechtes und macht ihn und seine gute Tat unvergessen.
(Schramm, Manfred - Lesestunde am Mühlvaltenstein, Sagen aus dem Werratal um Gerstungen, Gerstungen 1982, S.16-18)


Sühnekreuze & Mordsteine