Deutschland Thüringen Lkr. Saalfeld-Rudolstadt

Marktgölitz


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Perspektive

Zustand 2005
Foto: Ache

Abbildung bei
Störzner / Möbes
(1988)

PLZ: 07330

GPS: N 50° 33.310', O 11° 20.261'

Standort: Im Ort, außen vor der Kirchhofsmauer, nördlich vom Eingang zum Kirchhof.

Größe / Material: 66:68:22-24 / Sandstein

Geschichte: Lateinisches Kreuz dessen Kopf fehlt. Der Schaft verbreitert sich leicht nach unten. Die heute geringere Höhe lässt auf ein Einsinken des Kreuzes schließen, Störzner / Möbes (1988) geben die Höhe noch mit 75cm an. In beiden unteren Kreuzwinkeln zurück gesetzte schräge, ca. 8cm Füllung. Die Rückseite zeigt eine starke Oberflächenverwitterung.

Im Ort, 1m ö. außen vor der Kirchhofsmauer, 4m n. vom Eingang zum Kirchhof entfernt. Benennung: "Franzosenkreuz", "Franzosengrab". Weiterhin ist "Spitzstein" erfragbar, "weil die Schulkinder früher an dem feinkörnigen Sandstein ihre Schieferstifte zu spitzen pflegten" (Deubler / Künstler / Ost 1976).
Malteser-Kreuzform. Der Kopf fehlt alt. Untere Kreuzwinkel mit 8cm tiefen Dreieck-Einkelfüllungen versehen, die nur auf der O-Seite (=offenbar Sichtseite= je 3cm zurückgesetzt sind. Gegenseite nur grob geglättet.
"Zur Nachforschung wurde die Angelegenheit ... an das örtliche Pfarramt weitergeleitet, wo durch eine Notitz in dem Sterberegister festgestellt werden konnte, daß ... bei einer gelegentlich eines Kirchweihtanzes Mitte des 17.Jahrhunderts wie gewöhnlich in Szene gesetzte Keilerei diesmal der Anstifter und Rädelsführer erschlagen worden ist." (Mesch 1926). Die Feier des Festes soll daraufhin auf Jahre eingestellt gewesen sein (Denkmal 1926). Ob ein tatsächlicher Bezug zu diesem Geschehnis vorliegt, ist noch nicht untersucht worden. (Störzner / Möbes 1988)

In Marktgölitz hat sich mitten im Ort vor der mit Schießscharten bewehrten Kirchhofsmauer ein bemoostes Sandsteinkreuz bis auf den heutigen Tag erhalten
Sicher hat es nicht von Anfang an hier in diesem geschützten Winkel, sondern außerhalb der Ortschaft am Wege oder in der Flur gestanden. Es ist ein recht massives und ziemlich gedrungenes Malteserkreuz, das leicht für ein Antoniuskreuz ohne durchgehenden Kreuzstamm gehalten werden könnte, wenn nicht die schon stark verwitterten Spuren des Kopfansatzes noch erkennbar wären. Wenn auch das Kreuz keinerlei sichtbare Zeichen aufzuweisen hat, so besitzt es doch eine seltener vorkommende Besonderheit: Die spitzen Winkel zwischen Kreuzstamm und Armen sind nicht völlig ausgemeißelt, sondern bis zu einem Drittel der Stärke als sektorenartige Füllungen stehen geblieben, so daß man von einer Abart des Scheibenkreuzes reden kann. Im Volksmund heißt das Kreuz der "Spitzstein", weil die Schulkinder früher an dem feinkörnigen Sandstein ihre Schieferstifte zu spitzen pflegten. Im Ort kursierten sagenhafte Geschichten über das alte Kreuz. Als "Franzosenkreuz" soll es 1806 beim Vormarsch der napoleonischen Armee auf Saalfeld einem zum Spießrutenlaufen verurteilten französischen Soldaten errichtet worden sein, der hier sein Leben aushauchte. Nicht viel glaubwürdiger ist eine andere Version, wonach um die Mitte des 17.Jahrhunderts eine Kirmeskeilerei mit tödlichem Ausgang Anlaß zum Setzen des Denkmals an dieser Stelle gewesen sei. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, daß wir es mit einem echten mittelalterlichen Sühnekreuz zu tun haben. (Deubler / Künstler / Ost 1976)

   Kreuzstein rechts vom Ostthor des Kirchhofs [der obere Arm abgebrochen]. (Lehfeldt 1899)

Sage: 1. Hier soll ein französischer Soldat durch Spießrutenlaufen ums Leben gekommen sein.
2. Hier soll im 17.Jh. eine Kirmeskeilerei mit tötlichem Ausgang stattgefunden haben.

Quellen und Literatur:
Lehfeldt, Prof. Dr. P. - Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Herzogthum Sachsen-Meiningen, III.Band, Kreis Sonneberg, Jena 1899, S.235
Denkmal: "Ein eigenartiges Denkmal", in: Saalfische, Beiblatt zum Saalfelder Kreisblatt vom 13.April 1926
Mesch, L. - Ein eigenartiger Denkstein, in: Saalfische, Beiblatt zum Saalfelder Kreisblatt. 31.Jg., Nr.11 vom 11.03.1926
Köber, Heinz - Die alten Steinkreuze und Sühnesteine Thüringens, 1960, S.61, Nr.392
Deubler / Künstler / Ost - Steinerne Flurdenkmale in Ostthüringen, 1976, S.50, 76
Störzner / Möbes - Steinkreuze in Thüringen: Katalog der Bezirke Gera und Suhl, 1988, Nr.115 (Gera)
recherchiert und bebildert von Robert Ache, Cottbus (Foto von März 2005)
Ergänzungen von Jost Häffner, Erfurt (Fotos von September 2008)



Ein eigenartiger Denkstein
von L. Mesch

Zur rechten Hand am Eingang zum Vorhof des Gotteshauses, dem alten Friedhof zu Marktgölitz, eine Stunde Wegs stromabwärts von Probstzella, steht mit der Friedhofsmauer als Hintergrund der sogenannte Spitzstein. Seinen Namen hat er davon, daß die Kinder der seinerseits in den "alten Pfarrhause" wegen Raummangels in dem veralteten und gänzlich baufälligen Schulhause untergebracht, im Jahre 1881 gegründeten, zweite Schulklasse daran ihre Schieferstifte spitzten. Er erwies sich als ein sehr feinkörniger Sandstein und war deshalb für den erwählten Zweck wie geschaffen.
Man erzählt sich von ihm, daß er im Jahre 1806, als die Franzosen bei ihrem Durchzug durch Marktgölitz über die Hühnerschenke hinauf nach Arnsgereuth und Saalfeld hier Rast und Kriegsgericht gehalten hatten, als Denkstein für einen beim Spießrutenlaufen auf dem verlängerten Friedhof unmittelbar anstoßenden Schlegels Garten tot zusammengebrochenen französischen Soldaten gesetzt worden sei.
Als sich im Jahre 1906 alles zu Jahrhundert-Denkfeiern für die Tage schwerer Bedrückung durch das rachsüchtige Franzosenvolk rüstete, tat sich in Marktgölitz ein Komitee zusammen, das sich zur Aufgabe gemacht hatte, diesen eigenartigen Denkstein nicht nur vor dem Verfall zu retten, sondern seiner engern Umgebung ein mehr gartenmäßiges Gepräge zu geben. Aus räumlichen gründen musste dafür die landratsamtliche Genehmigung eingeholt werden. Zur Nachforschung wurde die Angelegenheit vom Landratsamt an das örtliche Pfarramt weitergeleitet, wo durch eine Notiz in dem Sterberegister festgestellt werden konnte, daß die seitherige Annahme über Ursprung und Zweck dieses Gedenksteines nicht den geschichtlichen Tatsachen entspricht, sondern daß bei einer gelegentlich eines Kirchweihtanzes Mitte des 17. Jahrhunderts wie gewöhnlich in Szene gesetzte Keilerei diesmal der Anstifter und Rädelsführer erschlagen worden ist. Wer diesen Stein aber eigentlich gesetzt hat, ob die Angehörigen, die Dorfjugend oder seine Helfershelfer, darüber schweigt die Geschichte.
Für die Dorfjugend ist dieser Stein gewiß nicht nur zum Gedenkstein, sondern auch zum Warnungszeichen geworden, denn eine Reihe von Jahren, ja Jahrzehnten, floß dahin, ehe die Dorfjugend wieder in den Genuß des langentbehrten Kirchweihfestes treten konnte.
Betreffs der Form des Steines gehen die Meinungen ebenfalls auseinander. Während man im allgemeinen anzunehmen geneigt ist, dass die Form des Eisernen Kreuzes gehabt, und das Kopfstück durch die anprallenden Holzenden eines vorübergefahrenen Langholzwagens eingebüßt habe, ringt sich jetzt die Meinung durch, daß der Stein heute noch die Urform habe, welche ein geknicktes, gänzlich verfehltes Dasein zur Veranschaulichung bringen solle. Wer weiß darüber Genaueres?
(in: Saalfische, Beiblatt zum Saalfelder Kreisblatt. 31.Jg., Nr.11 vom 11.03.1926)


Sühnekreuze & Mordsteine