Deutschland Thüringen Lkr. Eisenach

Stregda / OT von Eisenach


Tafel beim Stein

Abbildungen bei
Riske (1981)

Wappen der
Schornsteinfeger
mit Besen und
Schultereisen

PLZ: 99819

GPS: N 51° 0,218', O 10° 17,150'

Standort: Der Poststein befindet sich im Mosewald, der den Eisenacher Talkessel nordwestlich nach dem Tal der Madel (Madelungen, Krauthausen) trennt.
Der Stein steht in der Nähe der Gemarkungsgrenze von Stregda gegen Eisenach; Flurbezirk Ramsborn. Man findet Ihn, indem man von Eisenach kommend in Richtung Creuzburg die B7 benutzt und unmittelbar nach der Passage der Autobahnunterführung, gegenüber der ehemaligen Autobahnmeisterei rechts in den Mosewald abbiegt (Werbetafel für eine Gartenkneipe). Hier sollte man am Waldrand parken. Neben dieser Stelle führen mehrere unbefestigte Wege in den Wald, man wähle den in nordwestliche Richtung führenden Weg und sollte nach ca. 100m auf ein Dutzend flache Hohlwege stoßen, die aus Richtung Eisenach kommend parallel zum Waldrand leicht bergauf in nordwestliche Richtung ziehen. Diese Hohlwege sind Reste der mittelalterlichen Staße "Lange Hessen“ und dienten noch im 18. Jh. als Poststraße zwischen Eisenach und Creuzburg-Kassel. Man folge diesen Hohlwegen ca. 700m in nnw. Richtung und erreicht dann eine Stelle, wo sich linker Hand ein kleines Quelltal herausbildet und müsste auch alte Grenzsteine bemerken. Nach weiteren 100 Metern steht man vor dem Poststein, der rechter Hand zwischen Buchen im Wald steht. An einem Baum ist die im Bild dargestellte Tafel angebracht. Nach weiteren 200m träfe man auf eine befestigte Forststraße, die einem in östlicher Richtung zurück nach Eisenach bringen sollte, könnte aber zeitweise auch gesperrt sein, sicherer wäre es, den gleichen Weg zurück zu laufen.

Größe / Material: 150:23-55:21 / grauer Sandstein

Geschichte: Der Poststein erinnert an ein Verbrechen aus dem Jahr 1565. Er ist kein Sühnekreuz, markiert aber den Tatort. Im Mittelalter verlief in der Nähe die Verwaltungsgrenze zwischen den Ämtern Creuzburg und Wartburg (später Eisenach), der Mord geschah auf Creuzburger Seite, was aber wohl zunächst bestritten wurde. Im Ergebnis wurde auch der Erinnerungsstein gesetzt.
Die Kanten und die Spitze sind stark abgerundet. Auf der Südseite sieht Riske (1981), bei entsprechender Beleuchtung eine Art Kurzschwert. Auf der Westseite sieht man oben zwei Wetzrillen und auf der Nordseite sind in der unteren Hälfte zwei Ritzfiguren eingearbeitet, auf dem aktuellen Foto mit Kreide nachgezogen. Bei Riskes Foto (1981) kommt die Ritzzeichnung noch besser zur Geltung, da war der Stein noch nicht so stark verwittert, man sieht auch den jetzt in der Erde steckenden Fuß in Ansätzen.
Eine fast identische Einzeichnung findet man auf dem Kirkstein im niedersächsischen Imsen.
Die Überlieferung will in den Ritzzeichen Posthörner erkennen, das wiederspricht aber dem Dargestellten: Auf dem Stein ist möglicherweise nur ein Gerät, aber in zwei verschiedenen Ansichten dargestellt. Bei Steinkreuzen wird in der Regel das Tatwerkzeug dargestellt, in Anlehnung an diese Sitte wird man auch hier die Lösung suchen können, aus meiner Sicht vier Theorien:
1.) Dargestellt ist eine Queraxt, besser bekannt unter dem Namen Dexel - das ist ein vielseitiges Werkzeug und wird u.a. von Muldenhauern und Harzscharrern (Pecher) verwendet, also ein Holzwerkzeug mit eiserner Schnittkante.
2.)Es ist ein Schultereisen, das ist ein typisches Werkzeug der Schornsteinfeger und Kaminkehrer, dieses Gerät wird auch im Zunftwappen verwendet. Das Schultereisen ist auch ein eisernes Gerät und ähnelt einer stiellosen Hacke.
3.) Es ist eine stiellose Hacke
4.) Es ist ein Schwingmesser, ein Werkzeug bei der Flachsverarbeitung. Solche Werkzeuge wurden zwar meist aus Hartholz gefertigt aber es gibt auch eiserne, im übrigen kann man einen Schädel auch mit Hartholz zertrümmern.
Benennung: Poststein. Steinsäule mit abgerundeten Seitenkanten und gerundetem Scheitel. Westseite plastisch herausgearbeitet: Kurzschwert mit rundem Knauf (Länge: 37cm). Ostseite, im Umriß eingeritzt: Zwei (untereinander stehende) einfache Posthörner. Seitlich auf der Nordseite: Zwei Rillen.
Kürschner (1953) verweist auf einen Rechnungsbeleg von 1565, wonach 20 Groschen an Michel Leinwebern "von einem ... Stein zu haun und an den Ort, wo der Krämer entleibt, zu setzen, von wegen, daß zwischen den beiden Ämtern Creuzburg und Eisenach der Gerichte halber der selbige Ort streitig gewesen, aber dem Amt Creuzburg zuerkannt worden zu Lohn gegeben.". Der Original-Beleg konnte nicht aufgefunden werden. (Störzner 1984)

Nr. 33. Eisenach, Mosewald. Stein an der alten Poststraße
In seinen Abmessungen ist er 148cm hoch, oben 27 und unten 55cm breit, 21cm stark und aus Sandstein angefertigt, der aus den Brüchen vom Mosewald stammen kann. Geringfügige Witterungsbeschädigungen sind sichtbar. Er ist obeliskartig gestaltet, neigt sich stark nach Süden, und auf der einen Seite erkennt man bei günstiger Beleuchtung ein verwittertes, plastisch herausgearbeitetes Kurzschwert. Auf der gegenüberliegenden Seite sind 2 Posthörner eingeritzt. Andere Zeichen und eventuell total verwitterte Buchstaben sind nicht mehr zu deuten.
1958 wurde er als "verschwunden" gemeldet, doch dies war falsch. Als 1962 die Heimatfreunde E. Bock, Luther und der Autor dieses Heftes danach suchten, fanden sie ihn am alten Standort, allerdings sehr stark verwachsen. Der Weg wurde mit einem weißen "P" an den Bäumen markiert. Bei der Durchsicht entsprechender Artikel und heimatkundlicher Schriften finden sich widersprüchliche Angaben und Deutungen, z.B.

- ein Postreiter wurde erfroren im Schnee gefunden. Er wurde an der Fundstelle begraben und der Gedenkstein gesetzt,
- es ist ein Sühnekreuz mit einem Posthorn,
- es ist ein Sühnekreuz für einen ermordeten Postschreiber, der hier mit zertrümmertem Schädel gefunden wurde.

Was geschah nun wirklich? Max Kürschner (1935) untersuchte dieses Problem und stellte fest, daß im Archiv der Stadt Creuzburg einige Rechnungen konkrete Aussagen über alle offenen Fragen geben. So wurde um Martini 1565 der Krämergeselle Peter Tranick ermordet. Der Täter wurde trotz Suchaktionen nicht gefaßt. Der Tote wurde auf dem Creuzburger Friedhof begraben. Aber damit war die Sache nicht erledigt; denn es gab Streit über die Zuständigkeit der beiden Ämter Creuzburg und Eiscnach, da die Fluren am Tatort zusammenstoßen. Eisenach schob die Zuständigkeit von sich, und so ließ Creuzburg den Stein durch Michel Leinweber anfertigen und am Tatort setzen. Er besagt, daß hier Creuzburger Gebiet ist. Es ist also ein Grenzstein, der wegen eines Totschlages gesetzt wurde. (Riske 1981)

Sage: 1. Eine feurige Kuh verwandelt sich nach einem gesprochenen Gebet in eine Birke, an der Passanten ungehindert vorbeigehen können, aber wenn man sich dann umdreht, ist der Baum verschwunden, und man kann eine Frau mit einer Ofengabel ins Feld laufen sehen.
2. Wo die Steinbrüche sind, hat im frühen Mittelalter die "Moseburg" gestanden (Die sagenhafte Moseburg, die hier vermutet wurde, stand wahrscheinlich nicht hier. Offensichtlich lag eine Verwechslung mit der "Moosburg" bei Steinbach-Hallenberg vor. Im Mosewald sind jedenfalls keine Spuren einer mittelalterlichen Burg zu finden).
3. Im Mosewald ist es nicht geheuer, deshalb solle man ihn meiden.
4. Ein Postreiter soll hier erfroren im Schnee aufgefunden und begraben worden sein.
5. Der Stein soll ein Sühnekreuz für einen erschlagenen Postreiter sein.

Quellen und Literatur:
Riske, Erwin - Steinkreuze und artverwandte Flurdenkmale im Kreis Eisenach, Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, Heft 14, 1981, Nr.33
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen / Inventar Bezirk Erfurt, 1984, S.33-34 Kirchner, R. - Ein alter Bildstock, 1935, TH, S.745-47
Beck, Manfred - Neue Erkenntnisse zum sogenannten Poststein im Mosewald bei Eisenach, 2007
Wikipedia
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Fotos von 1997)



Neue Erkenntnisse zum sogenannten Poststein im Mosewald bei Eisenach
von Manfred Beck

Der Poststein mit nachgezeichneten Konturen. Ansichten von: Nord, West, Süd, Ost

Die routinemäßige Kontrolle der Flurdenkmale in Waldstücken hat nach dem Orkan Kyrill in 2007 auch in der Eisenacher Region eine besondere Bedeutung erhalten. Glücklicherweise hat der Gedenkstein sowohl den Orkan, als auch die bereits seit 2005 in unmittelbarer Nachbarschaft durchgeführten Baumfällungen und Rückearbeiten unbeschadet überstanden.
Bei dieser Kontrolle gelang es nun zufällig, dank selten günstiger Lichtverhältnisse, neue Erkenntnisse zu diesem Stein abzuleiten.
Bereits Erwin Riske hatte in seinen Ausführungen zu diesem Gedenkstein auf eine im oberen Drittel zu findende "erhabene“ Figur (in Folge der Verwitterung nur noch schwach plastisch hervortretend) aufmerksam gemacht, welche von Ihm und anderen als Kurzschwert oder Langmesser gedeutet wurden. Die auf der gegenüberliegenden Seite befindlichen Ritzungen wurden von ihm als "Posthörner" bezeichnet, weil der Überlieferung nach ein Postreiter nahe des Steines in einem strengen Winter erfroren sein soll. Diese Annahmen sind so nicht mehr zutreffend - doch der Reihe nach.

Schon 1954/55 hatte der Madelunger Lehrer und Heimatforscher Max Kürschner sich mit der Geschichte des Poststeines ausführlich befasst nachdem ihm Ungereimtheiten aufgefallen waren. Er schrieb darüber im Wartburgtürmer, einer vom Kulturbund Eisenach herausgegebenen heimatkundlichen Monatsschrift, u.a. den zweiteiligen Artikel "Dichtung und Wahrheit um den Poststein".
Max Kürschner wörtlich:

"Postreiter und Postschreiber, Grabdenkmal und Sühnekreuz, im Schnee erfroren und mit zertrümmertem Schädel aufgefunden - alles sind eitel Hirngespinste! Immer aber ist eine Absicht unverkennbar, nämlich die, die Bedeutung des Steines vom Namen her zu erklären bzw. zu erschließen, und die mußte zwangsläufig in die Irre führen; denn der Name bedeutet lediglich "Stein an der Poststraße". Das ist aber auch das einzige, was er mit der Post zu tun hat!"

Was war nun wirklich über den Poststein nach Max Kürschners Recherchen bekannt geworden? - vielmehr, als man zunächst erwarten dürfte.
Seit Urzeiten durchzieht die alte Heerstraße "Lange Hessen" den Mosewald von Eisenach nach Creuzburg und weiter nach Hessen. Diese Straße war somit eine der wichtigsten, auch stark frequentierten Handelsstraßen bis zur Anlage der Chausseen Mitte des 19. Jahrhunderts im Eisenacher Gebiet, seit dieser Zeit ist betreffender Abschnitt im Mosewald bis vor Krauthausen dann nur noch als gelegentlicher Holzabfuhrweg im Gebrauch und folglich alles damit in Zusammenhang stehende rasch in Vergessenheit geraten.
Durch die topographischen Gegebenheiten war der Wald des Moseberges niemals völlig gerodet worden, Waldstreifen zogen sich in den Kammlagen bis gegen Stedtfeld und Eisenach. Den Mosewald nutzten die umliegenden Dörfer und Höfe seit alters als Hutewald. Im westlichen und nördlichen Teil war das Gelände zudem stark durch natürliche Senken und Hanglagen geprägt. Diese von den nächsten Siedlungen etwa 3-4km entfernte und unübersichtliche Geländestelle war somit der ideale Platz für Raubüberfälle auf Reisende und Fuhrwerke.
Der erste für uns aktenmäßig belegte Überfall galt einem Krämergesellen Peter Tarnick.
Max Kürschner (a.a.O.):

"Um Martini des Jahres 1565 wurde an der Stelle des Steines ein Krämergeselle namens Peter Tranick ermordet. Die Tat wurde ruchbar; dem Mörder wurde nachgesetzt. Die ganze Gegend muß in hellem Aufruhr gewesen sein! Den Amtsuntertanen von Stregda wurden 16 Groschen 'zu vertrinken gegeben', daß sie nach geschehener Entleibung den ganzen Tag in der Nachfolge gewesen; die Pferdsdorfer erhielten 12 Groschen 'eodem causa'. Auch die Bürger von Creuzburg wurden herangezogen und waren 'den ganzen Tag in der Folge'. Ihnen wurden sogar 42 Groschen 'geschenkt'. Leider blieb der Erfolg aus! Vier Schöppen besichtigten die Leiche (Gebühr 4 Groschen), und auch der Barbier (aus Creuzburg) wurde 'zu solcher Besichtigung angesprochen und gebraucht'. Nach Erledigung aller Formalitäten wurde der Tote nach Creuzburg übergeführt und auf dem dortigen Friedhof begraben."

In Folge eines peinlichen Zuständigkeitsstreites zwischen den damaligen Amtsrichtern von Eisenach (bzw. Wartburg) und Creuzburg wurde ein Schiedsspruch angefordert und ein Merkstein am Tatort gesetzt, um künftige Präzedenzfälle auszuschließen.

Max Kürschner (a.a.O.):

"Mit zwei 'Kleppern' ritt der Schultheiß von Creuzburg nach Eisenach, um mit 'dem Amtsverweser daselbsten dieser Tat halben Unterrede' zu pflegen. Der Erfolg ist bekannt, und der Stein sollte diesen Erfolg sichtbar werden lassen: Ich stehe auf Creuzburger Hoheitsgebiet; was hier geschieht, fällt unter die Gerichtsbarkeit des Amtes Creuzburg!" [...]
[...] Klarheit schafft auch ein Rechnungsbeleg. Wir lesen da, wenn auch nicht ohne Schwierigkeit: 20 Groschen (wurden) Michel Leinwebern von einem (d.h. für einen) Stein zu hauen und an den Ort, wo der Krämer entleibt, zu setzen, von wegen, daß zwischen den beiden Ämtern Creuzburg und Eisenach der Gerichte halber der selbige Ort streitig gewesen, aber dem Amt Creuzburg zuerkannt worden zu Lohn gegeben.
Der Mord war also nicht der unmittelbare, sondern nur der mittelbare Anlaß zur Errichtung des Steines. Wenn schon der Grenzverlauf in früheren Jahrhunderten im allgemeinen oft nicht eindeutig war, und immer und immer wieder Irrungen und Streitigkeiten zur Folge hatte, so war er in der Nähe des Tatortes besonders unübersichtlich. Mit den Fluren Stregda und Ramsborn stießen zugleich die Ämter Creuzburg und Eisenach zusammen."

Max Kürschner (a.a.O.) berichtet dann über einen zweiten, bisher unbeachteten Fall:

"Im Jahre 1641 (Dreißigjähriger Krieg) wurden im Mosewald 'zwei kaiserliche Soldaten ermordet und beraubt, ein Page vornehmen adeligen Geschlechts und ein Einspänner' (das ist ein Reiter ohne einen Burschen). Der Täter hieß Kaspar Spieß und stammte aus Ifta. Er wurde gefaßt und am 2. Januar 1642 in Creuzburg 'justifiziert'. Zwei von seinen Helfershelfern, 'die Wache gehalten und Losung gegeben', wurden zu je 100 Rtlrn. Geldstrafe verurteilt, ein dritter aber, Hans Litte mit Namen, der die beiden Soldaten von Eisenach nach Creuzburg führen sollte und dem Mörder 'Zeit und Stunde eröffnet, wann und wohin sie gehen würden', und der dann auch von der 'erlangten wenigen Beute, als böse Kleider, partizipiert und sich damit vor den beiden anderen mehr teilhaftig gemacht', mußte 150 Rtlr. Strafe zahlen und wurde auf ein Jahr des Landes verwiesen."

Die Reihe der Mordfälle endet mit einem 3. Raubmord in jüngerer Vergangenheit, Max Kürschner (a.a.O.) erinnert sich:

"Am 23. März 1920 wurde im Mosewalde der Schlosser Peter Germscheid aus Eisenach umgebracht. Erst einen vollen Monat später fand man die fürchterlich zugerichtete Leiche, tief unter Laub vergraben: Der Schädel war durch Hammerschläge vollständig zertrümmert, die Kehle durchgeschnitten und der Ringfinger abgetrennt. Die Tat erregte seiner Zeit beträchtliches Aufsehen. […] Zum Glück wurde der Täter auch ergriffen, allerdings erst nach langer Zeit und auf Umwegen […] in der Landesheilanstalt zu Hildburghausen. Dort wurde ein Gärtner namens Wundel aus Meiningen eingeliefert. Durch sein Verhalten zog er die Aufmerksamkeit im besonderen Maße auf sich. Er bezichtigte sich eines Mordes und konnte der Tat im Mosewald überführt werden. Er wurde zum Tode verurteilt und hingerichtet."

Detail der reliefierten Pistole auf der Ostseite

Soweit die bekannten Fakten zum "Tatort". Mit verhaltenem Spott kommentiert nun Max Kürschner (a.a.O.) die "Untersuchungsergebnisse" seiner heimatkundlichen Mitstreiter:

"Nun ist es im Leben oft so, je weniger man über eine Sache oder ein Ereignis weiß, desto größer ist die Versuchung zum Fabulieren - der Poststein beweist das zum soundsovielten Male!

1.) Hugo Peter, der unermüdliche und hochverdiente Eisenacher Heimatforscher und Sammler war der erste, der sich ernstlich mühte, Licht in das Dunkel um den Poststein zu bringen. Wie weiland Dr. Luther hat er "den gemeinen Mann auf dem Markte gefragt und ihm auf das Maul gesehen", das heißt in unserem Falle, er hat die alten und ältesten Leute in den umliegenden Dörfern ausgehorcht. In Stregda hat er folgendes erfahren:
Als der Austausch von Nachrichten zwischen den verschiedenen Orten noch spärlich war und noch keine Postkutsche das Land durchfuhr, beförderten reitende Boten die Briefschaften. Es war ein gefährlicher und beschwerlicher Dienst; die Wege waren unsicher und schlecht zu passieren, besonders im Winter, und mancher von ihnen büßte in Ausübung seines Berufes sein Leben ein. Auch im Mosewalde fand man einen solchen Postreiter einst tot auf. Im tiefen Schnee war er umgekommen. Dort, wo er lag, wurde er bestattet und auf dem Grabe zu seinem Gedächtnis der Denkstein errichtet.
(Hugo Peter - Unser Mosewald - Beiträge zur Geschichte Eisenachs, Heft 14 Eisenach 1906)

2.) Nach Ansicht eines, anderen bekannten Heimatforschers handelt es sich bei dem Stein allerdings nicht um ein Grabdenkmal, sondern um ein Sühnekreuz (?) mit einem Posthorn (?) darauf.
(Heimatpost, Beilage der "Eisenacher Tagespost" vom 7.12.1929)

3.) Aber alle guten Dinge sind drei! Unter der Überschrift "Sommerzauber auf dem Moseberg" - sie hätte tatsächlich nicht besser gewählt werden können! - kann man in der gleichen Zeitung vom 14.7.1930 schwarz auf weiß lesen:
"Und mitten im Walde erhebt sich auch der Poststein, jenes Sühnekreuz für einen ermordeten Postschreiber, der hier vor Hunderten von Jahren mit zertrümmertem Schädel (!) aufgefunden wurde." (Der Verfasser verschweigt vorsichtshalber seinen Namen!) Die Art der "mit kecklich leichter Zunge" ausgesprochenen Behauptung erlaubt eigentlich gar keinen Zweifel an ihrer Richtigkeit - aber nach diesem Rezept muß man eben verfahren, wenn man Glauben finden will! Nur keine Unsicherheit merken lassen!

Max Kürschner hiernach triumphierend:

"Am Poststein ist selbst die Wahrheit anerkannter Heimatforscher zuschanden geworden. So lehre er denn zum ersten, daß niemand alles wissen kann; auch 'mit Heimatforschung kommt man nie zu End' - und das ist gut so! Und er lehre zum andern, daß man nichts, aber auch gar nichts kritiklos hinnehmen darf. Auch die Überlieferung irrt oft und kann nie als bare Münze gewertet werden - von heimatkundlichen Zeitungsaufsätzen in diesem Zusammenhange ganz zu schweigen! Diese doppelte Erkenntnis, am Poststein neu gefestigt, wäre ein Gewinn, der höher anzuschlagen ist als die in Aussicht gestellten Preise, wäre Lohn, der reichlich lohnet, - und das mag für etwa Enttäuschte ein Trost sein!" [...]
[...] "Und nun noch ein Wort über den Stein selbst: Müde, vom Zahn der Zeit stark angenagt, von Moos und Flechten überwuchert, hat er sich bedenklich weit vornüber gelegt. Auch an seiner Höhe scheint er etwas eingebüßt zu haben. Nicht ohne Mühe gelingt es, etwas Bildhaftes auf ihm zu entdecken. Peter freilich berichtet (a.a.O.): Auf der westlichen Seite des Steines tritt das Profil einer, stehenden oder aufrechtsitzenden männlichen Gestalt hervor. Ein Bein mit Fuß ist sicher zu erkennen; weiter aufwärts aber werden die Umrisse verschwommen; Haupt und Kopfbedeckung lassen sich kaum noch feststellen. Das Bildwerk auf der östlichen Seite ist zu sehr zerstört, als daß man etwas darüber sagen könnte. Aber bei dieser Betrachtungsweise ist wohl der Phantasie allzu reichlich Spielraum gegeben worden. Das einzige, was sich mit absoluter Sicherheit erkennen läßt, und zwar heute noch wie vor 40 Jahren, als ich zum ersten Male sinnend und forschend vor jenem rätselhaften Steine stand, ist eine Art Kurzschwert oder Dolchmesser, das Symbol des Rechts bzw. der Gerichtsbarkeit (die männliche Gestalt Peters mit Bein und Fuß? Freilich mit dem Kupferstecher). Die Künstlerhand Hanns Bocks bestätigt das in ausdrucksvoller Weise. Aus mancherlei Gründen wird man eine größere Bildhauerarbeit auch kaum erwarten dürfen, vor allem, wenn man bedenkt, daß für die schwere Arbeit des Behauens und Setzens nur 20 Groschen gezahlt wurden. (Der Stein wiegt mindestens 6 bis 8 Zentner.) Für das Geld konnte man nicht mehr verlangen! Und was hätte dargestellt werden sollen?

An dieser Stelle enden wir mit Max Kürschner und wenden uns einem weitereren verdienter Heimatforscher - Kurt Langlotz zu, er schreibt zum Poststein:

Der "Poststein" steht an der alten Poststraße zwischen Eisenach und Creuzburg, die von Eisenach her bei Ramsborn von der Landstraße nach rechts abbiegt und heute keine Bedeutung mehr hat.
Nach einer knappen halben Stunde etwa trifft man auf ihn rechts vom Wege. Er hat die Form einer rechteckigen Pyramide, ist um 1,25m hoch und neigt sich, stark verwittert und beschädigt, dem Wege zu.
Während man noch um die Zeit des ersten Weltkrieges auf einer Seite die Figur einer männlichen Gestalt zu erkennen meinte, war das Bildwerk auf der andern nicht mehr zu identifizieren. Dafür sind auf dem unteren Teil des Denkmals noch Reste einer Zahl oder eines Namens zu erkennen gewesen. Heute sagt man, daß sich auf der Vorderseite ein Schwert oder Dolchmesser und auf der Rückseite ein eingeritztes Posthorn finde.
Sicherlich an Hand dieses Befundes erzählen die Stregdaer Bauern von einem Postreiter, einem ihrer Vorfahren, namens Steffan Lutz, der hier zu Tode gekommen und bestattet worden sei. Doch ist diese Lesart von einer andern überholt, die sich auf einen Akteneinblick stützt. Danach hat es 1565 einen Rechtsstreit zwischen den Ämtern Eisenach und Creuzburg gegeben. Durch die Ermordung eines Krämergesellen Peter Tränick an dieser Stelle ausgelöst, begannen nach seinem Begräbnis in Creuzburg die Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit in dieser Mordsache. Beide Amtleute glaubten von der Lage des Ortes der Untat her dafür verantwortlich zu sein, bis Creuzburg recht behielt und einem Michel Leinweber den Auftrag gab, einen Stein zu hauen und zu setzen. Aus diesem Tatbestand abzuleiten, daher handele es sich um einen Grenzstein, ist nicht schlüssig. Der Anlaß war der Mord an dieser Stelle. Deshalb zeigte der Denkstein eine Figur und einen Namen oder eine Zahl. Daß er zugleich als Grenzstein gesetzt wurde, ist gelegentlich aus ähnlichem Anlaß auch bei Steinkreuzen der Fall gewesen."

Nach einer Geländebegehung mit Erwin Riske beschlossen Eisenacher Bodendenkmalpfleger im Herbst 1986 den stark geneigten und somit gefährdeten Poststein wieder aufzurichten. Dies gelang und mit finanzieller Unterstützung des Kulturbundes wurde eine erläuternde Tafel neben dem Flurdenkmal angebracht.
Wenden wir uns abschließend dem Problem der dargestellten Figuren zu, nach Langlotz, Riske und Kürschner handelt es sich dabei um eine "männliche Figur" oder um ein "Kurzschwert", als "Beleg" für diese Annahme wird die Skizze des talentierten Eisenacher Zeichners Hanns Bock ins Feld geführt. Doch diese Annahmen sind wohl falsch.

Im Ergebnis der ungewöhnlichen Lichtverhältnisse Anfang Mai ließen sich die beiden Figuren in der Kontur nachzeichnen. Es handelt sich in beiden Fällen um Feuerwaffen - Pistolen bzw. Arkebusen - frühe Formen der Handfeuerwaffen, die mit Lunte oder Radschlossmechanismus gezündet wurden. Derartige Waffen waren die bevorzugte Ausrüstung von "Schnapphähnen" (Schnapphahn - technischer Teil einer altertümlichen Pistole oder Gewehr, z.B. an einer Flinte). Schnapphähne nannte man wohl schon vor dem 30-jährigen Krieg die Wegelagerer und Straßenräuber im Volksmund.

Bei der Sichtung zeitgenössischer Illustrationen konnte der charakteristische Aufbau dieser auch im Volksmund als "Schießprügel" bezeichneten Waffen - wegen des kolbenartig verdickten Endes am Handgriff nachvollzogen werden.
Schießprügel - die Pistolen waren Vorderlader, sehr umständlich zu Laden und konnten jeweils nur einen Schuss abgeben, der Schütze konnte damit aber im Nahkampf diese am Lauf haltend, wie eine Keule bzw. Streitkolben benutzen und damit weiterkämpfen. Als Distanzwaffen waren die Pistolen im Kampf anderen Waffen (Schwert / Säbel / Spieß) überlegen. Üblicherweise führten Reiter stets mehrere geladene Pistolen bei sich.

Zugleich konnte das Rätsel der "Posthörner" gelöst werden. Es handelt sich dabei um die für den Schützen unentbehrlichen Pulverhörner, diese hat es in unterschiedlichen Formen, z.B. auch als Lederbeutel mit metallenem Mundstück gegeben.

Der Steinmetz, der den Poststein anzufertigen hatte, war darum bemüht, die Tatwaffe(n) so charakteristisch wie möglich darzustellen. Durch die Verwitterung des Steines gingen aber nach und nach wichtige Details und somit der Sinn der beiden oberen Figuren verloren, aus den "Pulverhörnern" wurden "Posthörner" und der Stein erhielt seine wahrscheinlich irreführende Legende angedichtet.

Wie wusste doch schon Max Kürschner zu vermelden: "Auch die Überlieferung irrt oft und kann nie als bare Münze gewertet werden."
(Manfred Beck, Wutha-Farnroda, 2007)


Sühnekreuze & Mordsteine