Deutschland Thüringen Wartburgkreis

Treffurt (I)


Aufnahme von 1997

Abbildungen bei
Störzner (1984)

”Trottscher Hof” 1963
VÖ bei Riske (1981)

Aufstellung an der
Normannsteinquelle
1966
VÖ bei Riske (1981)

Abbildung bei
Frölich (1950)
Sie zeigt das Kreuz
vor der Umsetzung
1957 im Garten des
"Mainzer Hofes"

Titel der Treffurter
Sagensammlung

Zeichnung von
Lembach (1927)
VÖ bei Höppner (1928)

PLZ: 99830

GPS: N 51° 8,351', O 10° 14,230'

Standort: Am nördlichen Stadtrand in einer kleinen Grünanlage, der Normannstein-Quelle.

Größe / Material: 148:80:16 / Muschelkalk

Geschichte: Das Radkreuz, auch als "Spinnrad" bezeichnet, wurde nach wechselnden Bergeplätzen im Jahre 1966 von Arbeitern in einem kleinen Freigelände neben der Normannsteinquelle an einem vielbenutzten Fußweg zur Burg Normannstein aufgestellt. In unmittelbarer Nachbarschaft wurden auch das als "Schneiderstein“ bezeichnete Steinkreuz, ein als Zollstein bezeichneter Stein und eine Gruppe von Treffurter Grenzsteinen hinzugestellt. Geschützt durch einen kleinen Zaun und umgeben von den obligatorischen Tannenbäumchen, Büschen und Hecken, die inzwischen deutlich an Größen zugelegt haben, können diese Steine nun an einem sicheren Platz von Interessenten noch mehr oder minder gut betrachtet werden.
Der ursprüngliche Standort des Radkreuzes war der Siechenrain, ein Platz nahe der Landesgrenze an der B 250 nach Wanfried, wo sich im Mittelalter das Treffurter Siechenhaus befunden haben soll.

Radkreuz, Schaft nach unten verbreitert. Die Übergänge vom Schaft zum "Rad" sind - beidseitig vertieft - auffällig und übergroß bogenförmig ausgefüllt. Mächtig. Radoberteil alt zerbrochen und wieder instandgesetzt. Alter Abschlag an der westlichen Winkelfüllung. (Störzner 1984)

Nr.2. Treffurt, Normannsteinquelle. "Spinnrad".
In der DDR ist dieses Radkreuz eine große Seltenheit. Es stand ursprünglich auf Privatgelände am Flurort "Siechenrain" (Flurkarte Treffurt, Blatt 37, Flur 75 bis 77). Ein weiteres Flurstück heißt "Am Spinnrad". Um 1922 wurde dieses Radkreuz nach Treffurt geschafft, stand in einem Hausdurchgang und wurde dann im Garten des "Mainzer Hofes" aufgestellt. 1957 wurde es ins Heimatmuseum "Trottscher Hof" gebracht, wo es bis 1966 stand. Um es vor Beschädigungen zu bewahren, wurde es am 1.10.1966 zur Normannsteinquelle transportiert (s. „Schneiderstcin"). Sein Gewicht beträgt etwa 4 bis 5 dt.
Das Spinnrad hat eine Gesamtlänge von 200cm, eine Breite von 80cm und eine unterschiedliche Stärke von 13cm (oben) bis 16cm (unten). Es ist ebenfalls aus Muschelkalk von Treffurter Brüchen angefertigt. In der Mitte weist es einen gut zementierten alten Bruch auf. Ein Ohr (oder Zwickel), das als Verstärkung und Zierelement zwischen Stumpf und Rad herausgearbeitet wurde, ist fast gänzlich abgeschlagen. Ferner sind kleinere Verwitterungsbeschädigungen sichtbar. - Das Alter dieses Kreuzes ist schwer einzuschätzen; vielleicht stammt es aus dem Anfang des 13. Jhs. Die Form tritt besonders in nordischen Ländern, in der Bretagne, in Niederdeutschland und in Hessen auf. Man behauptet, daß Treffurt eine Gründung der Normannen sei. Dr. Nicolai stellte an der Bonifatiuskirche normannische Bauteile und Ornamente fest. Sollten die angeblichen Gründer die Form des Radkreuzes aus ihrer Heimat mitgebracht haben? Dann müßte dieses Radkreuz allerdings bedeutend älter sein. Oder hat es ein aus den nördlichen Ländern stammender Steinmetz angefertigt? Die ausgehauene Form des Malteserkreuzes kommt bereits bei den irischen Kreuzen des 10. Jhs. und noch früher vor. Sie ist auch bei den Steinkreuzen in der Bretagne häufig. Beide Länder wurden von Kelten bewohnt, aber man kann ihnen diese Kreuzform nicht zuordnen. In vorchristlicher Zeit wurden Radfibeln als Heilszeichen angefertigt und getragen.
Man sieht, daß sich bei diesem Radkreuz viele offene Fragen ergeben. Dies trifft auch für die Ursache des Setzens zu. Als "Mainzer Rad", also als Grenzkreuz für die kurmainzische Besatzung nach der Zerschlagung der Treffurter Grafenherrschaft 1333 und Einführung der Ganerbschaft, kann es wegen der 4 Speichen nicht angesprochen werden, denn das Mainzer Rad hat 6 oder 8, in Ausnahmefällen 5 oder 9 Speichen.
Aus den letzten beiden Erzählungen (Sagen 9 / 10) geht klar hervor, daß sie vom Landeigentümer erfunden und verbreitet wurden, um das "Spinnrad" wieder zu erlangen. Interessant ist jedenfalls, daß sich diese Gerüchte von 1925 bis in die heutige Zeit erhalten haben und daß sie auch auf das zweite Steinkreuz übertragen werden.
Aus diesen Sagen und Erzählungen geht weiterhin hervor, daß man sich schon seit langer Zeit um den Grund des Vorhandenseins kümmert und nach glaubhaften Erklärungen sucht. Diese gleichen sich aber nur in einem Punkt: dort ist jemand umgekommen, und den Ort soll man aus mehreren Gründen meiden, weil es dort nicht geheuer ist.
Die alte schadhafte Umzäunung um die Normannsteinquelle wurde 1978 vom Staatlichen Forstwirtschaftsbetrieb durch einen neuen Jägerzaun ersetzt, der sich gut dem Landschaftsbild anpaßt.
Die Anlage selbst wird von den Anliegern gepflegt. Da hier 2 Steinkreuze und 1 Zollstein aufgestellt sind, kann man von einem Steinkreuznest sprechen. (Riske 1981 )

Sage: 1. Eine Treffurter Spinnerin ging im Winter nach Heldra in die Spinnstube. Sie geriet in ein starkes Schneetreiben und kam vom Wege ab, stürzte und erfror. Durch das aus dem Schnee herausragende Spinnrad wurde sie gefunden. Zur Erinnerung an dieses Ereignis wurde das "Spinnrad" gesetzt.
2. Eine Spinnerin hatte in Treffurt und Heldra einen Freund. Als sie nachts, vom Heldraer Freund kommend, am alten Siechenhaus vorüberging, wurde sie vom Treffurter Geliebten zur Rede gestellt und ermordet. Deshalb wurde das Kreuz errichtet.
Bei beiden Sagen erkennt man deutlich, daß es sich um "Spinnstubengeschichten" handelt, die eine Möglichkeit des Setzens und der Formgebung erklären wollen.
3. Ein hoher geistlicher Würdenträger wurde dort überfallen und umgebracht. Deshalb wurde auf seiner Begräbnisstätte das "Mainzer Rad" gesetzt.
4. Nachts sehen Vorübergehende am "Siechenrain", wo das "Spinnrad" steht, eine brennende Stallaterne.
5. Nachts liegt hier ein großer schwarzer Hund mit feurigen Augen und feunger Zunge, der die Passanten erschreckt.
6. Am Siechenhaus stand ein Armenhaus, wo Aussätzige untergebracht waren. Um die Besucher vor Ansteckung zu bewahren und Fremde zu warnen, wurde das "Spinnrad" in entsprechender Erfernung aufgestellt, wo man Speisen und andere Gegenstände hinlegen konnte.
7. Am Siechenrain stand ein Centstein (Grenzstein). Dieser wurde von Treffurter Rittern durch Familienwappen (das Radkreuz) ersetzt.
8. Wenn jemand das Kreuz berührt, so erschreckt ihn eine Unke.
9. Wenn das Kreuz versetzt wird, so bringt es dem Betreffenden und den am neuen Standort wohnenden Menschen Unglück. Um dies zu verhüten, muß man es zum alten Standort zurückbringen.
10. Im "Mainzer Hof" spukt es, seitdem es dort aufgestellt wurde. Die Leute werden krank oder müssen ihre Wohnung und Heimatstadt verlassen.

Quellen und Literatur:
Frölich, Karl - Das Rätsel der Steinkreuze, in: Nachrichten der Gießener Hochschulgesellschaft, 19. Band, 1950, S.58-71, Abb. Tafel I
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4827.2
Riske, Erwin - Steinkreuze und artverwandte Flurdenkmale im Kreis Eisenach, Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, Heft 14, 1981, Nr.2
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen / Inventar Bezirk Erfurt, 1984, S.34-35
Das Spinnrad am Siechenrain, in: Sagen, Märchen und Geschichten von Treffurt und Umgebung, S.9-11
Höppner, Alois - Chronik der Stadt Treffurt (Werra), 1928 (Titelbild von Lembach)
recherchiert und bebildert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Foto vom April 2007)



Treffurt (II)


Abbildung bei
Störzner (1984)

Setzen des
“Schneidersteins” a.d.
Normannsteinquelle
1966
VÖ bei Riske (1981)

Zeichnung von
Thomascek (1916)

Standort: Neben vorigem.

Größe / Material: 75:67:17 / Muschelkalk

Geschichte: Das Steinkreuz stand vorher etwa 1800m südlich des jetzigen Standortes, am nordwestlichen Rand der Landstraße Treffurt - Schnellmannshausen, an der Abzweigung eines Feldweges. Um 1950 wurde es nach Treffurt gebracht und hier mehrfach versetzt. Am 26. September 1966 wurde das Steinkreuz am jetzigen Standort aufgestellt.
Lateinische Kreuzform. Kopf nach oben verschmälert, Umrißkanten gerundet.
Südseite, im Umriß auf dem Querbalken eingeritzt: Säbelartige Waffe, sog. Bauernhaue (Länge: 55cm). Darüber, im Kopf und wenig auf den Querbalken reichend, im Umriß eingeritzt: Einfache, geöffnete Schere (16x28cm).
Am wohl ursprünglichen Standort 1945 durch Kriegsereignisse umgestoßen und später wieder aufgerichtet. In Treffurt 1963 verschüttet und durch E. Riske, Eisenach, 1964 wieder unbeschädigt sichergestellt. Am jetzigen Standort 1979 umgesunken und erneut aufgerichtet. Einzelne geringfügige Abschläge, sonst gut erhalten. Stärkere oberflächliche Verwitterung; dadurch Einzeichnungen zunehmend gefährdet. (Störzner 1984)

Nr.1. Treffurt, Normannsteinquelle. "Schneiderstein"
Dieses Steinkreuz, versehen mit lateinischer Inschrift, eingeritzter Schere und einer darunter befindlichen sog. "Bauernhaue" (aus Sensen gefertigte Waffe im Bauernkrieg) oder einem grob dargestellten Reitersäbel mit aufwärts gebogener Spitze, stand ursprünglich an der nördlichen Seite der Straße von Sallmannshausen nach Treffurt an einem Fußweg zur Wüstung Reimannshausen. Das Dorf Reimannshausen soll im Dreißigjährigen Krieg verwüstet worden sein. Die Sage berichtet, daß die silbernen Glocken der Kirche in der Werra liegen, sonntags läuten, aber nur von Sonntagskindern gehört werden.
Nach der Flurkarte der Stadt Treffurt von 1925, Blatt 16, heißt das Flurstück "Am Schneiderstein". Am Weg zwischen den beiden Flurstücken 139a und 138a ist an der Grenze von 138a und 137 ein Kreuz auf einem Viereck eingezeichnet. - Die amerikanischen Truppen stellten 1945 neben dem Steinkreuz Geschütze auf, um die gegenüberliegenden Höhen zwischen Treffurt und Falken zu beschießen. Dabei wurde das Kreuz umgestoßen. Später ist es wieder aufgestellt worden. Um 1950 wurde es nach Treffurt gebracht und in der Margarethenstraße 9 (im damaligen Kreisheimathaus) ausgestellt. 1958 fand es im Freigelände des Heimatmuseums, des "Trottschen Burgsitzes", einen neuen Platz. Beim Ausheben einer Baugrube 1963 verschüttet, konnte es im April 1964 ohne Beschädigung wieder freigelegt werden. Als 1963 das Kreisheimatmuseum aufgegeben und im Gebäude ein Kindergarten eingerichtet wurde, machte es sich notwendig, die im Freigelände aufgestellten Steine (3 Grabsteine, 1 Grenzstein, 2 Steinkreuze) herauszunehmen. Sie wurden aber lediglich frei im Hofgelände hingelegt, wo sie in Gefahr waren, beschädigt zu werden. Deshalb wurde die Umsetzung zur "Normannsteinquelle" veranlaßt und am 26.9.1966 mit Unterstützung des Bürgermeisters Türke von Gemeindearbeitern ausgeführt. Infolge eines Unwetters mit nachfolgender Erdbewegung fiel 1979 der "Schneiderstein" um, er wurde aber wieder ordnungsgemäß aufgerichtet. Die Gesamtlänge des "Schneidersteines" beträgt ausgegraben 90cm, die Breite der Arme 65cm und die Stärke 17cm. Er ist aus Muschelkalk angefertigt (Treffurter Brüche) und nur geringfügig beschädigt. Auf Grund der eingeritzten Schere und der Bauernhaue ist anzunehmen, daß er Anfang des 16. Jhs. angefertigt und am alten Standort (an der Straße) aufgestellt wurde.
Der "Vitzelstein" (der "weiße" oder "wisse" Stein), dessen ehemaliger Standort heute unbekannt ist, aber vermutlich am Wege Treffurt - Falken lag, ist nicht mit dem "Schneiderstein" identisch, obwohl das Wort "vitzeln" im Treffurter Gebiet dialektmäßig für "schneidern" verwendet wird. Die Vermutung, daß es sich um einen sächsischen Grenzstein handelt (die Schere wurde als gekreuzte Schwerter gedeutet), ist unglaubwürdig. Dies trifft auch für die Annahme zu, daß es sich um ein sog. Weichbildkreuz handle, das die Bannmeile zur Stadt Treffurt anzeigen soll. (Riske 1981 )

Sage: 1. Ein Scherenschleifer zog die Straßen entlang, wurde überfallen, und weil er sich zur Wehr setzte, erschlagen und dort begraben.
2. Ein Schneider wurde am Tatort niedergeschlagen und starb an den Folgen der Verletzungen.
3. Ein Schneider wurde für seine begangenen Freveltaten vom Blitz erschlagen und dort begraben.
In allen Fällen wurde nach der Tat das Steinkreuz angefertigt. Es ist möglich, daß die Schere als Handwerkerzeichen des Erschlagenen und die Tatwaffe, der Säbel, eingeritzt wurden.

Quellen und Literatur:
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.4827.3
Riske, Erwin - Steinkreuze und artverwandte Flurdenkmale im Kreis Eisenach, Eisenacher Schriften zur Heimatkunde, Heft 14, 1981, Nr.1
Störzner, Frank - Steinkreuze in Thüringen / Inventar Bezirk Erfurt, 1984, S.35
Der Schneiderstein bei Treffurt, in: Sagen, Märchen und Geschichten von Treffurt und Umgebung, S.12-13
recherchiert von Manfred Beck, Wutha-Farnroda (Foto vom April 2007)


Sühnekreuze & Mordsteine