Rechtsbräuche |
In frühgermanischer Zeit war es üblich, daß Feindschaften des Vaters oder eines Blutsverwandten ebenso wie Freundschaften auf den
Erben übergingen1). Diese Gepflogenheit, die in der Zeit der Sippengemeinschaft (der Gentilordnung) den Sinn hatte,
Gleichgewicht und Billigkeit unter den Beteiligten herzustellen und somit "Ausdruck eines ursprünglichen Gefühls für Recht und Moral" war2),
mußte sich in der Zeit ihrer Auflösung schädlich auf das Leben der Gesamtgemeinschaft auswirken. Deshalb lag die jetzt aufkommende Ablösung der Blutrache
durch das Wergeld, d.h. die Sühnung eines Totschlages durch Vieh, nicht nur im Interesse der sich vertraglich verpflichtenden Sippen, denen weiteres Blutvergießen
erspart wurde, sondern auch in dem des Stammes, der die Entwicklung begünstigte und förderte. Hierbei muß berücksichtigt werden, daß Wergeld und Buße keine
spezifisch deutschen Einrichtungen sind, sondern "bei Hunderten von Völkern als allgemeine Milderungsform der aus der Gentilordnung entspringenden Blutrache
nachgewiesen"3). Jedes Volk, das auf der Entwicklungsstufe der Gentilverfassung steht, übt Blutrache und deren Ablösung
als eine Selbstverständlichkeit4). Bei den Germanen wurde der Grundsatz des Talionsprinzips (am bekanntesten ist die
Fassung des ins talionis in der Mosaischen Gesetzgebung. Moses II, 21, 23: "Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn, Hand um Hand, Fuß um Fuß, Brandmal
um Brandmal, Wunde um Wunde, Beule um Beule")5) von der Zeit der militärischen Demokratie an durch die Zurückführung
des Schadens auf Geld und Geldeswert abgelöst6). Die gesetzlich festgelegten Buß- oder Sühneleistungen traten an die
Stelle der Selbstrache7). Im allgemeinen ist der Zeitpunkt, zu dem die Ablösung der Vergeltung durch Schadenersatz einsetzte,
jedoch schwer festzulegen. NARR möchte in der Übernahme von Viehzucht und Pflanzenanbau als Wirtschaftsgrundlage den entscheidenden Vorgang sehen, dem "eine
ausgesprochene Kommerzialisierung des ganzen Lebens" einer sozialen Gruppe folgt, was sich auf dem Gebiet des Rechts "z.B. in der Sühne des Totschlags durch
ein Wer-'Geld' äußert"8). In Anwendung auf die in der Ur- und Frühgeschichte gebräuchliche archäologische Stufenfolge
hieße das, daß vom Neolithikum an mit Totschlagsühnen gerechnet werden müßte. Diese sehr frühe zeitliche Ansetzung bedarf quellenmäßiger Belege.
Eine Definiton des Begriffes "Sühne" gibt VON AMIRA9): "Nee implacabiles durant, wird ...
von den germanischen inimicitiae berichtet, unter dem Beifügen, daß selbst Friedensbrüche wie Totschläge durch Leistungen von Geldwert ausgeglichen
werden können. Damit ist die Sühne bezeichnet. Alle Friedens brüche, die todeswürdigen ausgenommen, waren damals
sühnbar. Die "Sühne" (ahd. sôna, suona eigentl. = Reinigungsopfer, an. son, dann Versöhnungsmittel, in lat. Texten compositio) ist ein Entrichten (wn. gjald, on.
gaeld, ahd. gelt etc., auch ursprünglich = "Opfer"?) zum Zweck des "Ausbesserns" des angerichteten Schadens ...".
Sie steht in Verbindung mit der Ablösung der Blutrache, die die erste Form der Rechtsverteidigung ist, angewendet auf den Fall der Tötung10).
Die Blutrache ist eine Maßnahme der Selbsthilfe. Sie hat ihren Preis: die Buße, das Wergeld. Das Wergeld geht von der einen ganzen Sippe an die andere ganze
Sippe. Im bereits zitierten Kapitel 21 der Germania des Tacitus heißt es in Übersetzung: "Es ist Pflicht, Feindschaften wie Freundschaften des Vaters und der
Verwandten mit zu übernehmen; doch dauern jene nicht unversöhnlich fort. Selbst Totschlag kann durch eine bestimmte Zahl von Groß- und Kleinvieh gesühnt
werden; diese Genugtuung nimmt das ganze Haus an. Das ist für das öffentliche Wohl von großer Bedeutung, weil Feindschaften bei der herrschenden
Ungebundenheit um so gefährlicher sind"11).
Daraus geht hervor: Nach der Einwurzelung des Sühnebegriffs im Rechtsleben der Germanen bestand die Möglichkeit der Ablösung von
offener Fehde und Feindschaft durch materiellen Schadenersatz. Der Blutsverwandte des Getöteten hat die Wahl, entweder auf der Rache entsprechend dem
Talionsprinzip zu bestehen oder zugunsten der Buße auf sie zu verzichten.
Entscheidet sich der Getroffene für den Verzieh! auf Rache, so muß sich der Tätor durch Geld lösen. Danach ist er frei und sicher. Tritt aber der Fall ein, daß er
und seine Verwandtschaft die Buße nicht zahlen kann oder will, oder aber widerstrebt dem Betroffenen die Annahme der Buße ("ich will meinen toten Sohn nicht im
Geldbeutel tragen"),12) so erwacht die Fehde wieder, und die alte, blutige Form der Rechtsverteidigung tritt an die
Stelle der Aussöhnung. Umgekehrt ist der Fehdegang auch dann unvermeidlich, wenn die Sippe des Töters nicht zur Ersatzleistung zu bewegen ist. Daran ändert
nichts die möglicherweise vorhandene Bereitschaft der Sippe des Getroffenen, die Blutrache ablösen zu wollen. Bin solcher Fall kann eintreten, wenn die Gens des
Töters die Nachrede der Schwäche, der Furcht, der Feigheit an eine Sühneleistung geknüpft glaubt.
Auch zu dieser Erscheinung ist zu bemerken, daß sie nicht auf den germanischen Baum beschränkt bleibt und nicht isoliert betrachtet
werden darf. MORGAN kam bei der Erforschung des Gentillebens der Irokesen zu ähnlichen Ergebnissen. ENGELS stellt verallgemeinernd fest: "Allen Zank und
streit entscheidet die Gesamtheit derer, die es angeht"13). Die Blutrache ist ein nur im äußersten Fall angewandtes
Mittel, das, um einen Vergleich zu gebrauchen, unserer Todesstrafe am nächsten kommt. "Der Einzelne verließ sich für seine Sicherheit auf den Schutz der Gens"14).
Eine Verletzung seiner Person war, da er durch Blutbande mit der Gens verbunden, eine Verletzung der Gens selbst. Die gesamte Gens ist zur Blutrache
verpflichtet. Werden ihr von seilen der Gens des Täters Beilegungsanträge gemacht und nimmt sie diese an, so ist der Fall abgetan. Verweigert sie die Annahme,
so muß sie einen oder mehrere Rächer bestimmen, deren Pflicht es ist, den Täter zu verfolgen und zu erschlagen. "Geschah dies, so hatte die Gens des
Erschlagenen kein Recht, sich zu beklagen, der Fall war ausgeglichen"15),
Die Blutrache erlischt erst mit dem Absterben des Familienbewußtseins und der vollen Entfaltung der Territorialhoheit der Landesfürsten
im ausgehenden Mittelalter. Dieser Vorgang geht jedoch in den verschiedenen politischen Gebilden Europas nicht gleichzeitig vor sich; er verläuft in Abhängigkeit
von der Entwicklung der gesellschaftlichen Struktur jedes Landes. Der schottische Clan und damit die Gentilordnung in Schottland datieren bis zur Niederwerfung
des Aufstandes von 1745, bis dahin hat dort die Blutrache und ihre Beilegung durch die Gesellschaft fortbestanden16).
Auf Korsika und in Albanien schließlich hat sich die Blutrache bis ins 20.Jh. gehalten17).
Was den Rechtsgang17) anbetrifft, so war in der deutschen Frühgeschichte der Totschlag eine
persönliche Angelegenheit der daran Beteiligten. Die öffentliche Gewalt mischte sich nur auf deren Ansuchen ein. Seitens der Geschädigten bestand keine rechtliche
Pflicht zur Klage. Nach und nach tritt jedoch zu der privaten Buße, die vom Täter und seiner Sippe an die Hinterbliebenen des Getöteten zu richten ist, eine öffentliche,
die König, Volk und Gericht in Empfang nehmen19). Sie ist der eigentlichen Buße fremd und kann sich erst in einer Zeit
entwickelt haben, in der die compositio anstelle der Blutrache zur Regel geworden ist. Sie hat nichts zu tun mit "Strafe", denn es fehlt ihr jedes Moment der
Verurteilung. Immerhin fügte sich der Täler in die Notwendigkeit, mehr zu zahlen, als er geschadet halte. Nach der Zerbröckelung der Geschlechtsgenossenschaft
muß der Täter allein für das Wergeld aufkommen. Kann er das nicht, so muß er nach dein Talionsprinzip den Tod erleiden. Die Verwandten brauchen jetzt nicht mehr
zu zahlen. Dieser Vorgang geht nebenher der Auflösung der Sippengemeinschaft und dem Zerfall der Sippenzusammengehörigkeit. Zur Zahlung wie zum Empfang des
Wergeldes waren alle Schwertmagen mitverbunden und mit berechtigt. Dadurch konnten ganze Geschlechter verarmen oder wohlhabend werden20).
In der Zeit des aufkommenden Feudalismus schwand das Zusammengehörigkeitsgefühl der Geschlechter. Die Verwandtschaft sieht sich zur Sühneleistung für nicht
mehr verpflichtet. Kann der Täter die an ihn gerichteten Forderungen nicht selbst erfüllen, so ist sein Kopf verwirkt. Bereits die lex salica erkennt den
subsidiarischen Charakter der Todesstrafe an. In ihr streiten alle und neue Rechtsauffassnngen um die Herrschaft. Sie schreibt vor, daß der Totschläger mit Leib und
Leben zu haften hat, reicht sein Vermögen und das seiner näheren und ferneren Verwandten zur Zahlung der Buße nicht aus.
Schon in der Karolingerzeit wird bald Wergeld, bald Todesstrafe verlangt. In der Zeit der Ausbildung der fürstlichen Territorialherrschaft im
hohen und späten Mittelalter vollzieht sich die Wandlung vollständig. Besonders durch den Erlaß der vom Reichstag 1532 bestätigten Peinlichen Hals- und
Gerichtsordnung Kaiser Karls V., der sogenannten Carolina, die von den Kurfürstentümern rasch angenommen wurde, wurde der Totschlag mit harter öffentlicher
Strafe bedroht21).
Bis dahin bleibt der Totschlag jedoch ein Privaldelikt. Die Blutrache wird in vom Staat gebilligter Form weitergeführt. Der privatrechtliche
Charakter des Anklageprozesses geht aus Folgenden Punkten hervor22):
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Abb.1a: Wergeld und Buße des Fürsten.
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Abb.2a: Wergeld und Buße des Biergelden und Pfleghaften.
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Abb.3: Lehensübergabe als Totschlagsühne.
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Abb.4: Totschlag an einem eigenen Mann durch den Herrn.
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Abb.5: Verbot der Bestattung eines Getöteten durch den Richter (Grafen).
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Abb.6: An der Bahre eines Ermordeten verhängt der Richter die Mordacht über dessen Mörder. Aus
der Bambergischen Halsgerichtsordnung vom Jahre 1508.
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Abb.7: Leichengottesdienst.
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Abb.8: Pilger auf der Straße.
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Abb.9: Seelenmesse für Kaiser Heinrich VII.
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Abb.10: Zwei Steinkreuze an der Ostwand des Südturms der Kirche St. Jacobi zu
Oelsnitz / Vogtl. Sie standen früher an anderer Stelle auf freiem
Felde bzw. an einer Wegegabelung. Nachdem die Überlieferung über ihre eigentliche Bedeutung verlorengegangen war, legte man sie an der Kirchenmauer nieder.
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Abb.11: Bis zu den Armen im Erdboden versunkenes Steinkreuz von Taltitz
bei Oelsnitz / Vogtl. Neben das Kreuz pflanzte man nach dem Frankfurter Friedensschluß 1871 eine "Friedenseiche".
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Abb.12:
Bernauer Kreuz. Vorderansicht.
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Abb.14: Sühnedenkmal, das Kunz Rudiger
für den von ihm niedergestochenen Heidingsfelder Bürger Hans Vierenkorn setzen mußte. 1432. Die Inschrift auf dem Säulenschaft besagt: "Kuntz Rudiger hat
hannsen vierenkoren derstochen und ist das geschehen Do man zalt von krist gepurt MCCCCXXVIII iar uff unsere herrn auffertag. Dornoch ist die besserung geschehen
an dem firden ior am nehsten suntag nach Obersten".
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Abb.15: Das Marterl vom großen Berg bei Oberaudorf / Oberbayern als Typus eines Marterlbildes.
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(in: Wissenschaftliche Zeitschrift der pädagogischen Hochschule Potsdam, 3.Jg., 1957, Heft1, S.47-53)Literatur:
Herrn Professor Dr. WALTUER SCHULZ zum 70. Geburtstag. Der vorliegende Beitrag ist ein überarbeiteter Abschnitt aus einer 1953 bei Herrn Professor Dr. WALTHKK SCHULZ - Halle, szt. Lehrbeauftragter für Vor- und Frühgeschichte an der Pädagogischen Hochschule Potsdam, geschriebenen Staatsexamensarbeit.
1) Tacitus: Germania, Kap. 21.
2) Thürnwald, Eichard: Blutrache. §1: Die Stellung der Blutrache im primitiven Zusammenleben. In: Reallexikon der Vorgeschichte, herausgegeben von Max Ebert, 2.Band, Berlin 1925, S.30. - Vgl. hierzu die weiteren Ausführungen Titurnwalds a.a.O., S.30-41 sowie seinen Beitrag "Gericht" in: Eberts Reallexikon, 4.Band. 1.Hälfte, Berlin 1926. §1: Grundzüge primitiven Gerichtsverfahrens. S.250f.
3) Engels, Friedrich: Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates. ( = Bücherei des Marxismus-Leninismus, Band 11).Berlin 1950, S.139.
4) Engels, a.a.0. S.157. - Über die Gesetzgebung Diakons in Athen vgl. Thürnwald in: Eberts Reallexikon, 2. Band, Berlin 1925, S.241. - Über entsprechende Bestimmungen im alten chinesischen Recht (Konfuzius: "Lebe nicht mit dem Mörder deines Vaters unter einem Himmel; wenn du ihn triffst, auf dem Markt oder in der Versammlung, so kehre nicht erst um und hole dir Waffen!") Thurn-avald, a.a.0., S.36.
5) Die Heilige Schrift des Alten Testaments, übersetzt und herausgegeben von E. Kaützsch. 1.Band, 3.Auflage, Tübingen 1909, S.114. - In der mosaischen Gesetzgebung ist die indirekte Talion in Fällen zufälliger oder fahrlässiger Tötimg bereits aufgegeben, wie aus den in Mose II, 21, 28 bis 22, 5 überlieferten Bestimmungen über die Ersatzpflicht für Schädigungen an Leben und Eigentum im landwirtschaftlichen Alltag hervorgeht. Eichrodt sieht in den Bestimmungen über die Ersatzpflicht für zufällige oder fahrlässige Schädigungen an Leben und Eigentum durch einen stoßenden Ochsen, wie sie in Mose II, 219 28 bis 31 formuliert sind, ein sich im Bundesbuch im Gegensatz zu anderen orientalischen Gesetzbüchern (Codex Hammurabi) ausdrückendes besonderes Gerechtigkeitsgefühl, das eine indirekte Talion nicht zuläßt, verallgemeinert also aus dem Einzelfall auf einen durchgängigen Verzicht auf indirekte Talion. Eichrodt, Walther: Religionsgeschichte Israels. In: Historia Mundi, 2.Band: Grundlagen und Entfaltung der ältesten Hochkulturen. Bern 1953. S.387. Vgl. hierzu die in Anm.7 vertretene Auffassung.
6) Grimm, Jacob: Deutsche Rechtsalterthfimer. 2.Ausgabe, Göttingen 1854, S.646f. - Zu den Beziehungen zwischen Blutrache und Ius talionis vgl. die z.T. eigenwilligen Gedankengänge Wilhelm Wundts in: Elemente der Völkerpsychologie. Grundlinien einer psychologischen Entwicklungsgeschichte der Menschheit. 2.Auflage Leipzig 1913, S.342f.
7) Die mosaische Gesetzgebung "hinterläßt den Eindruck der Verdrängung einer Bestimmung über Wergeld" (Holzinger in: Kautzsch wie Anm.5, S.114. Darin ist Mose II, 1-24 von Holzinger übersetzt und kommentiert). Moses II, 21, 12 lautet: "Wer einen anderen totschlägt, soll mit dem Tode bestraft werden". Dabei ist der Vollzug der Todesstrafe offenbar dem Bluträcher vorbehalten. 21, 13 enthält die Verfügung: "Falls er es aber nicht vorsätzlich getan, sondern Gott es seiner Hand hat widerfahren lassen, so will ich dir eine Stätte bestimmen, wohin er fliehen kann". 21, 14 droht dagegen: "Wenn aber jemand an einem andern den Frevel begeht, ihn hinterlistigerweise zu ermorden, so sollst du Ihn von meinem Altar wegholen, damit er getötet werde". Das heißt: Der Mörder aus böser Absicht (Hinterlist) geht der Möglichkeit einer gütlichen Einigung (Wergeld) mit den Hinterbliebenen des Gemordeten verlustig, er wird der strafenden Gewalt des Stammes überantwortet. Mit Auslieferung an den Bluträcher ist zu rechnen.
8) Narr, Karl J.: Hirten, Pflanzer, Bauern: Produktionsstufe. In: Historia Mundi, 2.Band: Grundlagen und Entfaltung der ältesten Hochkxüturen. Bern 1953, S.70.
9) von Amira, Karl: Grundriß des Germanischen Rechts. 3.Auflage, Strasburg 1913. §80. S.243.
10) Frauenstädt. Paul: Blutrache und Totschlagsühne im deutschen Mittelalter. Leipzig 1881, S.2. - Vgl. Dahn, Felix: Fehdegang und Rechtsgang der Germanen. Berlin 1877, S.14.
11) Den Ausführungen Thurnwalds über das Wergeld kann nicht beigepflichtet werden (Beitrag Thurnwalds über "Buße" in : Eberts Reallexikon. 2.Band, Berlin 1925, S.231-242). Nach Thurnwald (S.236, vgl. auch S.242) geht die Zahlung des Wergelds "lange Zeit neben der blutigen Vergeltung durch die Rache einher und dient nur dazu, nach vollzogener Blutrache zur beiderseitigen Anerkennung des Friedens zu verhelfen". Es stellt angeblich "einen durch wechselseitige Geschenke erhärteten Friedensvertrag" dar. Die Ausschaltung der Blutrache durch das Wergeld hätte "eines starken Anstoßes durch irgendwelche Autoritäten" bedurft: im deutschen Mittelalter (erst zu diesem Zeitpunkt läßt Thurnvvald die Blutrache im deutschen Bereich erlöschen) seien dies König und Kirche gewesen (S.237).
12) Grimm, a.a.O., S.647,Anm.2. - Daun, a.a.O.,S.15.
13) Engels, a.a.O., S.96. - Die Irokesen bildeten einen Stammesverband, der etwa um 1570 begründet wurde. Er umfaßte die Stämme der Cayuga, Mohawk, Oneida, Ouondaga und Seneca; die Tuscarora wurden 150 Jahre später aufgenommen. Zur Aufrechterhaltung des inneren Friedens der einzelnen Teilstämme war die Blutrache durch das Wergeld abgelöst worden. (Birket-Smith, Kaj: Geschichte der Kultur. Eine allgemeine Ethnologie. Zürich, 2.Auflage 1948, S.330.)
14) Engels, a.a.O., S.87.
15) Engels, ebenda, bei der Besprechung der Gens der Irokesen. - Über Blutrache, Talionsprinzip und dessen Ablösung im ethnographischen Bereich vgl. Birket-Smith, a.a.O., S.373ff.
16) Engels, a.a.O., S.134. - Dichterische Darstellung hat das Verfallsstadium der schottischen Clan-Gesellschaft u.a. in der Erzählung "Kidnapped" ("Entführt", 1886) von Robert Louis Stevenson gefunden.
17) Birket-Smith, a.a.O., S.373.
18) Frauenstädt, a.a.O., S.88ff. - von Amira, a.a.O., § 82, S.246f.
19) Grimm, a.a.O., S.648. - Vgl. Wundt, a.a.O., S.337.
20) Grimm, a.a.O., S.663.
21) Mogk, Eugen: Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze. = Heft 1 der Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig. Phil.-hist. Kl., 21.Band, 1929, Leipzig 1930 (S.1-28). S.7. - Vgl. Kuhfahl, Gustav Adolf: Die alten Steinkreuze in Sachsen. Ein Beitrag zur Erforschung des Steinkreuzproblems. Dresden 1928. (Dazu ein Nachtrag von 1936.) S.208.
22) Frauenstädt, a.a.O., S.93ff.
23) Meyer, Herbert: Das Mühlhauser Reichsrechtsbuch aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Weimar 1923. In der Übersetzung von Herbert Meter auf S.89 unter I.1.
24) Meter, a.a.O., S.95 unter II.5.
25) Frauenstädt, a.a.O., S.141.
26) Frauenstädt, a.a.O., S.144ff.
26b) Vgl. Methlino. Harry: Das Wunderblut von Wilsnack. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 2.Band. Berlin, 1951. S.30-35.
27) Frauenstädt, a.a.O., S.154.
28) von Amira, a.a.O., S.246.
29) Mogk, a.a.O., S.6. - Vgl. Schreuer: Das Recht der Toten. 2. Kapitel: Das Personenrecht des Toten. In : Zeitschrift für vergleichende Rechtswissenschaft, Band 34. Stuttgart 1916, S.1-208.
30) Vgl. Frauenstädt, a.a.O., S.111ff. und S.142ff.
31) Neumann, Robert: Alte Steinkreuze in der Gegend der mittleren Saale. = Beilage zum Programm der Oberrealschule zu Weißenfels, Ostern 1907. S. 6.
32) Frauenstädt, a.a.O., S.171.
33) Schkreuer, a.a.O., S.156ff, S.183ff. - Mogk, a.a. O., S.7.
34) Brunner, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. 1.Band. 2.Auflage Leipzig 1906. ( = Systematisches Handbuch der Deutschen Rechtswissenschaft. 2.Abtig., 1.Teil, 1.Band), S.255.
35) Vgl. Schreuer, a.a.O., S.140f. - Beachtung verdient die in Finnland durch Ausgrabungsbefund an verschiedenen Stellen erwiesene mittelalterliche Sitte, die Deckel von Brettersärgen an den Randbrettern mit Watten ausGirabern zu befestigen. Aus alten Friedhöfen stammende Waffen wurden der ihnen zugeschriebenen Zauberkraft wegen für besonders wirksam gehalten, einen Verstorbenen fest an sein Grab zu binden und damit seine Rückkehr bzw. sein umgehen zu verhindern. In einem aus der Zeit der Kreuzzüge stammenden Grab von Janakkala wurden Speerspitzen aus einem an derselben Stelle angeschnittenen Brandgräberfeld aus der Zeit um 600 als Sargnägel benutzt. (Keskitalo, Oiva : Ein kreuzzugzeitlicher Grabfund aus Janakkala. In: Suomen Museo, Band 57. Helsinki 1950. S.41-47, finnisch mit deutscher Zusammenfassung. Abb.2, 3,5).
36) Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens. Herausgegeben unter besonderer Mitwirkung von E. Hoffmann-Krayer und der Mitarbeit zahlreicher Fachgenossen von Hanns Bächtold-Stäubli. Berlin und Leipzig 1927-1942, Band 1, Spalte 1302ff. unter 2) "Sühnekreuze" (Pfister).
37) Neuerdings ist die isoliert dastehende Meinung vertreten worden, Kreuze, Sühnesteine, seien "zur Sühne für Verbrechen" errichtet worden in der Absicht, "eine wesentlich dauerhaftere Urteilsverkündigung als heute die Veröffentlichung im Anzeigenteil der Zeitungen" zu bewirken (Beckmann, Paul: Mecklenburgische Rechtssteine in der Überlieferung des Volkes. In: Wissenschaftliche Zeitschrift der Universität Rostock, 5.Jahrgang, 1955/56. Sonderheft. S.141). Die Ausdeutung der Gattungsbezeichnung "Sühnekreuze" als "Kreuze zur Sühne" (Beckmann, S.141) wird ebenso wie die Auffassung, als Motiv für die Steinkreuzsetzung sei die Absicht der Urteilsverkündigung anzusehen, den Fragestellungen und der Problematik der Steinkreuzforschung nicht gerecht.
38) Riedels Codex diploniaticus Brandenburgensis. Des ersten Haupttheiles ... zwölfter Band. Berlin 1857. Auf S.4S9f. ist die Entscheidung des Hofmeisters Dippolt (wisse, des Kammermeisters Altmann und des Hofrichters Johann Buch vom 1. Juli 1335 über die Uneinigkeit des Bischofs von Brandenburg und der Städte Berlin und Cöln wegen des Mordes an Probst Nikolaus von Bernau mitgeteilt. Im folgenden der erste Teil des Sühnevertrags mit Angabe der von den Bürgern beider Städte aufzubringenden Leistungen: "Wie Herr Dyppolt Gusse. Houemeister, Herr Altman, Cammerineister, und Herr Jan Buch, Houerichter unsers lieuen gnedigen Herren Markgreuen Ludeuig von Brandenburg, bekennen in riessein openen breue, dat alle schelinghe die was twischen unsern Heren Biscop Ludeuig von Brandenburg af eine sit und twischen den borgen! meinliken von Berlin und Cöln af ander sit imune den mord des Prouest Nicolas von Bernowe is tu us mit guden willen beider eiet gelatin, dar sie us ere breue hebbin ouer gebin, und hebbin sie entscheiden als liier na gescreuen steit. Tu dem irsten wile wi und heiten, dal die böigere von beidin Stedin scolin maken vor des Prouestes siele ein Altar mit twelf stücken gheldis in die Parre kerke, dar he gedodet ward. Si scolen ok setten ein steuern Cruce tuiyger Vadmen hoch uppe die Stede, dar lie gedodet ward, und scolin dar uppe holdin ein ewig licht bet an die tit dat sie dal wandeln in ein betere na des Biscopis rade. Sie scolen ock sceppin dat dit Altar dat Cruce und dat liclit rede sie des andern dages na unser Vroven dage Wortmisse, und pie scolen des süluen dages den Fronest began ower all Berlin und Cöln mit vigilien und Seelmissen. De Biscop scal ok tu sik nemen alle sake um denstüuen Prouest und scal die borgere scadlos halden, hier unnne scolen sie dem Biscop geuin achte half hundert Mark rede und hundert mark up unser Vrowen dag Wortmisssen die im neuist kumt, und driddehalf hundert mark up sünte Mertens dag darna ...". - Klöden, K.F.: Diplomatische Geschichte des Markgrafen Waldemar von Brandenburg. 3.Theil, Berlin 1845 (1345 bis 1536). S.96 bis 134 Darstellung der Geschiehte des Totschlags an Probst Nicolaus von Bernau mit ausführlicher Darlegung des Interdikts gegen die beiden Städte Berlin und Cöln und dessen Aufhebung. S.119 bis 121 Besprechung des Sühnevertrages. - Monke, Otto: Berliner Sagen und Erinnerungen. 2.Aufl. Leipzig 1926. (= Berliner Heimatbücher 2). S.18 bis 23 Sagen, die sich auf das Steinkreuz an der Marienkirche beziehen. Darunter (Nr.16) eine Sage, die den historischen Vorfall relativ genau wiedergibt. - Zeitschrift "Bär" vom 17. Dezember 1881. S.168f. und Abb.S.155. - Schmidt, Rudolf: Märkische Sühnekreuze. In: Korrespondenzblatl des Gesamtvereins deutscher Geschichts- und Altertumsvereine 64 (1916), S.179 und Korrespondenzblatt ... 71 (1923), Sp.31.
39) Durch Unkenntnis, aber auch durch Zerstörungswut sind in der Vergangenheit viele wertvolle Steindenkmäler unwiederbringlich verlorengegangen; z.T. fanden ihre Trümmer als Schotter beim Straßenbau oder als Grundsteine bei der Errichtung von Hausfundamenten Verwendung. Die Regierungsverordnung der Deutschen Demokratischen Republik vom 28. Mai 1954 stellt die Steinkreuze unter den Schulz der öffentlichen Hand (Verordnung zum Schutze und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtliehen Bodenaltertümer vom 28. Mai 1954, I, §1, (2).a. In: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Nr.54, Berlin, 10.Juni 1954, S.547).