Deutschland
Baden-Württemberg
Lkr. Biberach
Hailtingen / OT von Dürmentingen
PLZ:
88525
GPS:
Standort:
An der Straße nach Heudorf.
Größe / Material:
55:70:28 / Kalktuff
Geschichte:
Nach Straßenbau am Rain bei der Kreuzung der Straße nach Heudorf mit der
alten, nord-südlich laufenden Heerstraße neu aufgestellt. Kopf und linker Arm fehlen fast ganz, der andere Arm zur Hälfte. Form: Besonders breiter Schaft. Datierung:
ca. 16.Jh., evtl. Sühnekreuz von 1584:
Im November 1583 erschlug Bartholomä Meichel von Hailtingen (Gemeinde Dürmentingen) seinen Ortsgenossen Mathis Storer auf dem Ried zwischen Unlingen und
Daugendorf (Gemeinde Riedlingen). Eine Kommission aus mehreren Schiedsleuten bestimmte folgenden Sühnevertrag n: Der Täter mußte in Hailtingen durch vier Priester
einen Trauergottesdienst mit zwei Ämtern und zwei Messen abhalten lassen und währenddessen mit einer abgebrochenen Kerze in der Hand an der Bahre stehen sowie
mit fünf Verwandten zum Opfer gehen. Er mußte vier Pfund Wachs für die Kerzen an der Bahre und im Gottesdienst stiften sowie Wein und Brot austeilen lassen. Es
wurde ihm erlassen, das entblößte Schwert zu tragen und auf dem Grab zu liegen, aber er mußte sich durch einen Priester absolvieren lassen. An der Unlinger Straße
oder bei Hailtingen, wo man es verlange, mußte der Täter mit Genehmigung der Obrigkeit ein steinernes Kreuz setzen lassen, sechs Schuh hoch und vier breit. Den
Hinterbliebenen mußte er 55 Gulden bezahlen. Zwei Bürgen übernahmen die Sicherung der Schuld. Für eineinhalb Jahre mußte der Täter Hailtingen meiden und den
Hinterbliebenen aus dem Weg gehen. Die Kosten des Vertrags trug jeder Teil selbst. (Losch 1981)
Am Kreuzweg der Straßen Hailtingen - Heudorf - Dürmentingen standen bis vor 20 Jahren ein Kreuz, 0,70m hoch, 0,40m breit, 0,25m stark.
Zwei weitere, früher auf Markung Hailtingen gestandene Steinkreuze sind ebenfalls verschwunden, das eine hievon soll ähnlich wie das Kreuz in Andelfingen
in der Kreuzung einen Halbkreis eingemeißelt gezeigt haben (Nägele S.406). (Ernst 1934)
Den einen dieser aus Oberschwaben stammenden Totschlagssühneverträge (A) brachte die "Sonntagsfreude", Beilage zur Riedlinger Zeitung
von 1919, Nr.21. Der Herausgeber ist wahrscheinlich Pfarrer Selig in Aigendorf OA. Riedlingen. [...]
A. Sühne für einen Totschlag im Jahre 1583/84. Im November 1583 wurde Mathis Storer von Hailtingen auf dem Ried zwischen Unlingen und
Daugendorf von Bartholomä Meichel von Hailtingen dermaßen verwundet, daß er infolge davon starb. Zum gütlichen Vergleich dieser Sache erschienen am 29.November
1583 beide Parteien auf der Oberamtskanzlei zu Dürmentingen ........ Da sie aber zu keinem gütlichen Vergleich gelangen konnten, übergaben sie den Fall einer
Kommission, welche aus dem Obervogt zu Dürmentingen, dem Salmansweiler Hofmeister zu Riedlingen, dem Schultheißen und einem Bürger von Dürmentingen, den
Ammännern von Unlingen, Möhringen und Zwiefaltendorf bestand. Also saßen diese zu Gericht und verkündeten folgenden Urteilsspruch:
1. Bartholomä Meichel muß zu Anfang des Jahres 1584 in der Pfarrkirche zu Hailtingen für den Entleibten einen Trauergottesdienst durch
vier Priester mit zwei Aemtern und zwei Seelmessen abhalten lassen und, solange der Gottesdienst dauert, klageweise vor der Bahre (Tumba) stehen und eine
abgebrochene brennende Kerze in der Hand haben, auch mit fünf Verwandten zu Opfer gehen und Gott den Herrn um Verzeihung bitten. Zu diesem Gottesdienst, der
acht Tage zuvor von der Kanzel zu verkünden ist, muß er 4 Pfund Wachs stiften, aus der die gewöhnlichen Bahr- und Opferkerzen gemacht werden sollen. Ferner soll
er ein Maß Wein und für einen Batzen Brot "aufsetzen" (Almosen).
2. Der Täter muß sich durch einen ordentlichen Priester absolvieren lassen; dagegen soll ihm "das entblößte Schwert zu tragen und auf das
Grab zu liegen" erlassen sein.
3. Der Verwandtschaft des Entleibten muß er 55 Gulden erlegen, nähmlich 15 Gulden am Bußtag und dann jährlich 10 Gulden, bis alles bezahlt
ist. Der Sicherheit wegen werden Veit Meyer, Ammann von Hailtingen, und Martin Meichel, des gewesenen Ammanns daselbst Sohn, als Bürgen aufgestellt.
4. An der Anlinger Straße oder beim Flecken Hailtingen wo man es verlange, muß der Täter
mit Verwilligung der Obrigkeit ein steine Kreuz setzen lassen, 6 Schuh hoch und 4 Schuh breit.
5. B. Meichel muß nach geschehener Buße den Flecken Hailtingen 1½ Jahre lang meiden, vor den Verwandten des Toten auf Weg und Steg
weichen und darf auch die Wirtshäuser, in denen sie sich aufhalten, nicht besuchen, außer er wäre zuvor in einem Wirtshaus; dann dürfe er drinbleiben.
Damit waren beide Teile zufrieden und jeder trug seine Kosten selbst; sie versprachen, sich an diesen Vertrag zu halten. (Johner 1929)
Am Kreuzweg Hailtingen - Heudorf - Dürmentingen neben einem Feldkreuz steht ein tief im Boden eingesunkener Kreuzstein, 0,70m hoch, 0,40m breit,
0,25m dick, ein Querarm ist ganz weg. Zwei andere Steinkreuze sind vom Acker eines bauern fortgenommen und das eine zum Hausbau fürs Fundament
in Stücke zerhauen, das andere stattliche zum Düngelstein zurecht gehauen worden; dieses war ca. 1,75m hoch, 0,75m breit, 0,30m
dick; das andere, ganz verlorene, war kleiner und soll einen Halbkreis, also auch Sonnenrad wie in Andelfingen, in der
Kreuzung eingemeißelt gezeigt haben. (Nägele 1913)
Sage:
Quellen und Literatur:
• Nägele, Anton - Über Kreuzsteine in Württemberg und ihre Bedeutung, in: Württemberisches
Jahrbuch für Statistik 1913, S.406a
• Johner, M. - Ueber Kreuzsteine im allgemeinen u. über die Kreuzsteine des Bezirks Ravensburg, II., in: Landschaft und Kultur im Bezirk Ravensburg, 3.Jg., November 1929, Nr.7, S.3-4
• Ernst, Max - Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms, in: Mitteilungen des Vereins für
Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Heft 29, 1934, S.46 als verschwunden
• Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981, S.310, 312
• recherchiert und bebildert von Thomas Schnepf, Reutlingen (Fotos von Juni 2009)