Geschichte & Forschung Ikonographie heidnische & religiöse Motive

Das Krücken- / Kruckenkreuz


 Einzeichnungen auf Steinkreuzen und Kreuzsteinen 

Ossig
Sachsen-Anhalt / Burgenlandkreis

Im Oberteil befinden sich innerhalb dreier konzentrischer Kreise ein Krückenkreuz und in dessen Winkeln einfache Ritzkreuze.
Foto: Gerth (2005)


Cappel
Niedersachsen / Lkr. Cuxhaven

Der auf einer Steinpacklage stehende Findlingsblock zeigt auf der Vorderseite ein bis 1cm tief eingehauenes gut gearbeitetes Krückenkreuz (Längsbalken 27, Querbalken 29cm lang), dessen Konturen sorgfältig mit schwarzer Lackfarbe nachgezogen sind.
Es handelt sich um einen Memorialstein aus dem jahre 1695.
Foto: Müller / Baumann (1988)


Thür (II)
Rheinland-Pfalz / Lkr. Mayen-Koblenz

Auf beiden Seiten im Kreuzungsfeld ein Krückenkreuz.



 Darstellungen in anderer Verwendung 

Der Tannhäuser. Abbildung aus der Codex Manesse, der Großen Heidelberger Liederhandschrift, die zwischen 1300 und 1340 in Zürich enstand. Indizien sprechen dafür, in ihm einen Angehörigen des Deutschritterordens zu sehen, dessen Geschlecht in Nürnberg beheimatet ist.





 weitere Deutungsversuche 

Nach Beendigung gebundener Tage muß das Urteil des Oberherrn binnen 6 Wochen (VI) dem Herrn gebracht werden

Kruckenkreuze im Sachsenspiegel
Eike von Repgow zeichnete wohl zwischen 1225 und 1235 das Rechtsbuch auf Drängen des Grafen Hoyer von Falkenstein, des Stiftsvogts von Quedlinburg, in deutscher Sprache, d.h. im Elbostfälischen seiner engeren Heimat, auf.
In diesem Buch findet sich auch immer wieder das Zeichen des Kruckenkreuzes im oder außerhalb eines doppelwandigen Kreises.
Der Kreis oder Ring, der ein Kreuz einschließt und teilweise dieses auch darauf hat, bezeichnet die "gebundenen Tage", ein Kreuz außerhalb des Kreises die "ungebundenen Tage".
Der "gebundene Tag" symbolisiert die Tage, an denen Frieden geboten ist. Auf dem nebenstehenden Bild doppelt dargestellt und außerdem umgestürzt, was das Ende der gebundenen Tage anzeigen soll.
Die "gebundenen Tage" sind als Bedenkzeit, Frist zur Übergabe von Beweismitteln, Zeit der Urteilsfindung etc. zu verstehen. Sie bezeichnen eine "befriedete Zeit".
Ob nahezu identische Einzeichnungen von Kruckenkreuzen / Kreuzen in einem Kreis / Ring auf Steinmalen die übertragene Bedeutung eines "befriedeten Ortes" bzw. einer Dingstätte hatten ist derzeit nicht nachweisbar.


Zur Entstehung des Krucken- Krückenkreuzes
Das Krucken- / Krückenkreuz kommt vorrangig aus dem südosteuropäischen, byzantinischen Raum. Stab und Kruckenkreuz stehen in einem direkten Zusammenhang. Auch nach Grimm (Das Deutsche Wörterbuch) wurden Bischof- und Abtsstab auch Krucken bzw. Krücken genannt.
Andere Meinung vertritt Engelbert Kirschbaum SJ, (Lexikon der christlichen Ikonographie, 2. Bd., Freiburg i.Br. 1970,Spalte 570). Er vermutet das Kruckenkreuz als "Abstraktion des Kreuzes mit geschweiften Enden".
Baurat Rühlmann (1906) erklärt das Kruckenkreuz folgendermaßen: Durch Zusammensetzung von vier Antonius-Kreuzen entsteht das Krückenkreuz, das sowohl nach dem Muster des griechischen Kreuzes gleichlange Arme, als auch nach dem Muster des lateinischen Kreuzes nur drei gleichlange mit einem längeren vierten Arm unten haben kann. Ein Krückenkreuz, jedoch etwas abweichender Form, ist auch das berühmte Bernwards-Kreuz in Hildesheim. Krückenkreuzform findet man häufig bei Blendnischen von Backsteinkirchen. Ein gleicharmiges Kreuz mit krückenartigen Enden wird zuweilen auch byzantinisches Kreuz genannt. Ihm ist gegenüberzustellen das Kreuz von Oviedo, das der Sage nach zwei Engel für den König Alfons gefertigt haben sollen.

Metropolit mit Stab. Meteora, Dreifaltigkeitskloster, ca. 17./18. Jahrhundert.
Quelle: Müller

Bischofsstab aus Meteora.
Quelle: Müller

Darstellung eines Krückenstabes in der Codex Manesse, der Großen Heidelberger Liederhandschrift, die zwischen 1300 und 1340 in Zürich enstand

Der Apostel Philippus erscheint gewöhnlich jugendlich, unbärtig oder mit kurzem Bart und freundlichem Antlitz; als Attribut hat er ein Antoniuskreuz oder einen langen, oben mit einem Kreuz endigenden Stab.
Quelle: Götzinger (1885)



 Weiterführende Quellen und Literatur (speziell) 
Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885
Mittler, Elmar / Werner, Wilfried - Codex Manesse, die Große Heidelberger Liederhandschrift. Katalog zur Ausstellung, Universitätsbibliothek Heidelberg 1988
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Sühnekreuze & Mordsteine