Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Steinkreuze in der Umgebung von Eisenach
Kurt Langlotz

Wenn man von der Veröffentlichung über "Das Steinkreuz auf der Steigerhöhe der Arnstädter Chaussee“ im 2.Heft der Mitteilungen des Vereins für Geschichte und Altertumskunde zu Erfurt im Jahre 1866 absieht, beginnen Betrachtungen mit der Thematik "Steinkreuze“ in unserer Thüringer Heimat vereinzelt nach der Jahrhundertwende. Und eigentlich fruchtbar werden erst Einzelhinweise oder Beobachtungen im 3. und zusammenfassende Darstellungen im 4. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts, da sich dann schon die Bemühungen einer systematischen Erfassung und Erforschung in grundlegenden Arbeiten und urkundlichen Fakten niederschlagen.

Heutzutage ist durchaus von einem Teilgebiet Steinkreuzforschung zu sprechen, zu dem Thüringen sein erklecklich Teil beigetragen hat; denn immerhin können noch etwa 500 dieser Zeugen der Vergangenheit als vorhanden und über 150 als vorhanden gewesen urkundlich oder durch mündliches Zeugnis nachgewiesen werden.

Bonifatiuskreuz am Kriegerdenkmal in Bischofrode

Buchenau, oberhalb, linkes Werraufer

Falken a.d. Werra

Melborn (mit eingeritzter Frauengestalt)

Neukirchen

Wilde Sau in Rennsteignähe

Dabei ist es gewiß, daß Hunderte allein im Verlauf der Separation, insbesondere bei der Verlegung von Straßen und Wegen, bei Bereinigungen und Begnadigungen verlorengegangen sind oder ihren Standort gewechselt haben - der Einzelverluste durch Unachtsamkeit und Unkenntnis gar nicht zu gedenken!

Trotzdem steht in der unmittelbaren Umgebung der Stadt Eisenach noch eine Reihe von Steinkreuzen und alle in den sozusagen klassischen Formen der einfachen romanischen Balkenkreuze, der dem Eisernen Kreuz ähnlichen frühgotischen sogenannten Malteserkreuze und in den so formschönen spätgotischen Kreuzen, bei denen der untere Kreuzarm erhaben aus dem Schaft entwickelt ist, während Platten-, Rund- oder Bildstockkreuze fehlen und nur ein Radkreuz im Treffurter Raum vorkommt. Vom Material her entstammen sie den in ihrer Umgebung anstehenden Gesteinsschichten und damit fast ausschließlich dem Muschelkalk oder Sandstein, wobei ihre Formen zuweilen nicht ausgewogen sind und auf örtliche, gängige Steinmetzarbeit hinweisen.

Bei den Fragen nach dem "Woher“ und "Warum“ sind im Laufe der Zeit gar vielerlei Vermutungen und Theorien an- und aufgestellt worden, von denen eine ganze Reihe auszuschalten ist, so wenn man die Kreuz als Zeugen von Hunnengräbern, von heidnischen Kultstätten oder, mit einem kühnen Sprung, als Soldatengräber der Kriege des 19. Jahrhunderts erklärt hat. Und eigentlich entfallen nunmehr auch Steinkreuze als Grenzsteine, da selbst letzte Einzelfälle problematisch geblieben sind.

Um so klarer ist dafür eins geworden, und diese Klärung ist weitgehend der urkundlichen Forschung zu danken: die meisten Steinkreuze sind Sühnekreuze, weitere wurden freiwillig gesetzt und schließlich gibt es in dem auslaufenden Zeitraum der Sitte auch Kreuze, die Gedenken an einen tödlichen Unfall über die Zeit des Geschehens hinaus festhalten sollten.

Vom Ursprung her liegen dieser Sitte Gedanken zugrunde, die weit in die Vergangenheit sogar bis in die Vorgeschichte ganz verschiedenartiger Völkergruppen zurückverfolgt werden können. Steinsetzungen sind nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Teilen Europas zu Hause gewesen, und nicht minder hat man sie bei afrikanischen und südamerikanischen Völkerschaften gefunden. Herrschte doch in den Naturreligionen all dieser Völker der Glaube vor, daß die Seele des Toten in einen, in "ihren“ Stein schlüpfen müsse, um ihre Ruhe zu finden. Solange die Seele eines Erschlagenen nicht diesen Stein besaß, irrlichterte sie um die Stelle, wo ihr Körper getötet wurde. Dabei haben die Steine im Wandel großer Zeiträume verschiedene Gestalt angenommen. Und so wissen wir von einfachen großen Steinen ebenso wie von Menhiren, skandinavischen Bautasteinen und Runensteinen bis zu den Formen des Kreuzes hin, die letztlich auf die Vermischung der christlichen Lehre mit den heidnischen Religionen zurückgehen.

Den gleichen weiten Weg muß auch der Glaube gegangen sein, um Mitternacht nicht an Kreuzwegen oder Kirchhöfen vorübergehen zu dürfen, da in der Geisterstunde die Toten aufstünden, die Menschen erschreckten oder ihnen übelwollten. Tatsächlich sind Steinkreuze auch als Auflagen von Richtersprüchen an Kreuzwege gesetzt worden. Und so schwingen denn im letzten Grunde in der Sitte des Grabsteinsetzens auf dem Friedhof durchaus solcherlei heidnische Vorstellungen als Nachklang mit, und wie damals sorgen die nächsten Verwandten dafür, daß der Verstorbene unter seinem Stein die letzte Ruhe findet.

Nach altgermanischem Recht hatten die Angehörigen eines Erschlagenen darüber hinaus die Pflicht, Vergeltung in einem Ausmaß zu üben, das etwa der heute noch grassierenden Blutrache auf Sizilien oder Korsika gleichkam, da sie nicht nur den Mörder sondern auch dessen engere Verwandten in die Verfolgung einbezog. Die Kirche aber ging bei Mord oder Totschlag von dem Gedanken aus, daß der Ermordete unvorbereitet ins Jenseits hinübergewechselt sei und der Mörder allein von daher über den Friedensbruch hinaus durch bestimmte Auflagen seine Untat sühnen und büßen müsse.

Diesen Auffassungen kam das mittelalterliche Recht entgegen, indem es solche Forderungen an den Übeltäter übernahm. Sühneverträge verpflichteten den Täter im Abschluß eines Verfahrens zu genau festgesetzten Auflagen. So gab es außer Geldbußen die Forderung, für das Seelenheil des Opfers eine Anzahl Messen lesen zu lassen, eine Wallfahrt – selbst nach Rom –, zu unternehmen oder Ähnliches und eben dem Erschlagenen an der Mordstelle ein Kreuz zu setzen, wobei manchmal sogar dessen genaue Maße festgesetzt worden sind oder auch, daß das Kreuz an den nächsten Kreuzweg vom Tatort aus gesetzt werden müsse.

Vor dem Erfurter Rat heißt es im Rechtsspruch auf die Klage eines Siffart Kerchoff und Hans Isenache über den Totschlag, begangen an einem Hans König, in einem solchen Sühnevertrag nach einer Reihe von anderen Auflagen für den Mörder im Jahr 1431: "Item so sullen su der sele czu troste lasse halde vierhundert selemesse. Item su suln su eyn crucze setze von seberger steine, daz sal su czwölff fuße lang unde allebreyt unde digke, und die arme sulle sie ellelang unde dicke...“

Nach einem Eisenacher Sühnevertrag von 1473 soll der Täter ein Steinkreuz von 7 Schuh Höhe errichten und das Nähere mit dein Schultheißen der Stadt vereinbaren. Weiterhin soll er mit 15 Gefährten, die wahrscheinlich bei der Mordtat zugegen waren, an einem Morgen eine Prozession vom Tatort bis zum Grabe des Erschlagenen durchführen, jeder Teilnehmer eine Kerze von ¼ Pfund tragen und diese anschließend im Pfarrhaus abgeben.

Es kommen auch Forderungen vor, die Formen des Mordwerkzeugs in das Kreuz einmeißeln zu lassen, wie überhaupt solcherlei Sondervorschriften örtlich sehr verschieden sind, während es dann wieder übereinstimmend heißt, daß der Täter der Freundschaft des Ermordeten weichen solle, um ferneren Unfrieden zu verhüten – womit wieder die Blutrache anklingt.

In der Umgebung der Stadt Eisenach sind mehrere Steinkreuze noch heute nahezu aneinandergereiht. Am Eingang des Dorfes Großenlupnitz von Westen her begannen sie bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg. Dort stand an der rechten Seite der Straße am Rande des Grabens ein schlichtes niedriges Balkenkreuz – und damit von seiner ursprünglichen Stelle nur wenig entfernt. Danach ist es irgendwann einmal von einem schweren Fahrzeug so mitgenommen worden, daß es in mehrere Teile geborsten war. Dankenswerterweise hat man die Trümmer wieder zusammengefügt und das Kreuz auf dem Grundstück bei der Kirche aufgestellt. Damit ist es gerettet. Doch dürfte nach wie vor die glücklichere Lösung darin bestehen, jedem Kreuz an seinem Standort einen Platz zu sichern, da so allein der ursprüngliche Sinn gewahrt bleibt, den Wanderer zu mahnen, an diesem Ort eines Menschen zu gedenken, der durch eine Untat sein Leben verlor.

Auch das Kreuz in Wenigenlupnitz hat seinen Standort gewechselt. Zum Verkehrshindernis geworden, hatte es ein Langholzwagen umgerissen, worauf es nunmehr, eigentlich recht unwürdig, vor einer Backsteinwand steht. Sein Muschelkalk ist stark verwittert, weist aber noch an zwei eingeritzten Linien den Stand des Hochwassers der Nesse auf. Unter diesem Kreuz soll auch, wie unter dem von Großenlupnitz, ein Soldatengrab von 1866 oder 1813 gelegen haben. Solcherlei Versionen sind sowieso auszuschließen, da sich niemals unter Steinkreuzen Gräber befunden haben. Und hier sprechen die Balkenform als älteste Form und die sichtbare Verwitterung dagegen.

Ein sehr gut erhaltenes Steinkreuz in der Form eines Eisernen Kreuzes, und damit jünger als die beiden Genannten, steht jetzt am Rande von Melborn. Seinen alten Platz hatte es über einer starken Quelle an der Straße. Von dort ist es auf die "Helle“ am Kaiser-Wilhelm-Platz (so früher!) und nunmehr auf einen niedrigen Grashügel am Dorfausgang gewandert

Dieses Kreuz stellt eine Besonderheit dar. Zeigt es doch in Umrißlinien, die kaum noch zu erkennen sind, eine Frauengestalt, die in der Vergangenheit mit der Quelle in Verbindung gebracht worden ist. So hat die Sage in ihr die heilige Margarethe gesehen und von deren Namen den Ortsnamen "Melborn“ abgeleitet. Im gleichen Zusammenhang und in derselben Auslegung wird es von Bärenklau in seinen "Historischen Nachrichten von Großenlupnitz“ im Jahr 1754 erwähnt. Sagt er doch in zwei Aktenstücken, die in der Landesbibliothek in Weimar aufbewahrt werden:

"Über dem Dorfe gegen den Hörschberg (Hörselberg) ungefähr 100 Schritte davon (entfernt) entspringt eine starke Quelle, dabei ein uralter kreuzförmiger starker Kalkstein aufgerichtet ist, in welchen das Altertum eine Weibsperson mit wenigen Linien eingekratzt hat.

Ob diese nun in einer von dieser Quelle, die vor Zeiten viel größer und sumpfiger gewesen ist, angesehen jetzt die Hörschbergwasser anderweitig ausgebrochen, verunglückten Weibsperson dieses Namens zu verstehen, oder ob es die heilige Margarethe bedeuten soll, das ist aus der Dunkelheit voriger Zeiten nicht zu unterscheiden.“

Und: "Die Leute des zerstörten Gosperode haben sich teils zu Altenlupnitz (das ist Wenigenlupnitz), teils am Margarethenborn, so die Alten Martbrun sprechen, da bis heute die heilige Margarethe über besagtem Brunnen an einem Kreuzstein zu sehen, als eine Nymphe oder Matrona Fontis des Papstthums.“ Er fährt dann fort, daß das Dorf und der Brunnen von dieser Margarethe ihre Namen hätten, weil die Alten für Margarethe "Mell“ oder "Mäll“ sagten. Damit aber liegt hier wiederum eine volksetymologische Erklärung ohne Bedeutung vor. Weiter erwähnt Bärenklau in der Grenzbeschreibung der Gemarkung von Großenlupnitz noch auffällige uralte Grenzsteine, die jedoch keine Kreuzform hatten.

Jenseits der Hörselberge, in Bad Thal im Erbstromtal, steht ein sehr gut erhaltenes Steinkreuz – was nicht verwundern kann, da es aus rotem Ruhlaer Granit besteht. Es wird gepflegt und trägt eine lateinische Inschrift, die übersetzt lautet: "Stumm sein und doch hören.“ Über den Stein ist eine Mönchslegende im Schwange, die im Zusammenhang mit dem unweit untergegangenen Kloster Weißenborn erzählt wird.

Eine solche Legende lebt auch um den heiligen Kreuzstein bei Sallmannshausen. Dort soll ein Mönch Wunibald bereits im Gefolge des Bonifatius missioniert und dabei so geeifert haben, daß ihn zornige Gegner haben umbringen wollen. In höchster Gefahr habe sich eine der großen Buchen, unter denen er gerade predigte, aufgetan und ihn solange in ihren Schoß genommen, bis seine Feinde verwirrt von ihrer Verfolgung abgelassen hätten.

Als Bonifatius von der wunderbaren Rettung hörte, habe er an der Stelle ein hohes steinernes Kreuz aufrichten lassen und den Wallfahrem nachdort in alle Zukunft Ablaß ihrer Sünden gewährt.

Um 1840 stand noch auf einer kleinen Rasenerhöhung am östlichen Eingang des Dorfes, nur von einem Baum beschattet, ein mächtiger Stein, der auf einer viereckigen, halbversunkenen Grundmauer ruhte. Am Fuße in Form einer Säule selbst viereckig abgesetzt, hatten die Wetter so tiefe Furchen in ihn gezogen, daß eine Bearbeitung mit dem Meißel kaum mehr zu erkennen war. Doch wurde der Stein von der Gemeinde sorgfältig gehütet.

1923 heißt es, daß der Stein noch bis vor wenigen Jahren an seinem Platz am Ostausgang des Dorfes gestanden habe. Von einem Fuhrmann gerammt und umgebrochen, war er vorerst in eine Gartenmauer eingefügt worden, um demnächst wieder für sich aufgestellt zu werden.

Bei Dankmarshausen wiederum stand ein Steinkreuz an der Stelle, wo zwei eifersüchtige Mädchen des Dorfes mit Sicheln einander umgebracht haben sollen.

Allgemein kann über die vielfältigen Sagen um die Steinkreuze bemerkt werden, daß sie – das beweisen die oft vielerlei Geschichte um nur ein Kreuz –, zumeist im Nachhinein entstanden sind, sicherlich manchmal durch die Gegenstände angeregt, die als Mordwerkzeuge auf ihnen abgebildet waren, wie Messer, Beile, Hacken, Sicheln oder auch Scheren.

Daneben gibt es durchaus Fälle, bei denen man das historische Ereignis kennt, das der Steinsetzung an dieser Stelle der Flur, an dem Berg oder in der einsamen Gegend zugrunde liegt. Das markanteste Beispiel in unserem Bereich ist "Die Wilde Sau“, auf halbem Weg zwischen den Knöpfelsteichen bei Eisenach und der Unkeroder Strut auf der Höhe des Waldes am Rennstieg.

Über das Ereignis liegen zwei Zeugnisse vor, und zwar in den handschriftlichen Sammlungen von I.M. Koch (früher in der Carl-Alexander-Bibliothek verwahrt) und in der Eisenacher Amtsbeschreibung von 1754. Bei Koch heißt es: "Wilde Sau. Anno 1483 ist ein Weimarischer Bedienter bei Eisenach auf dem Wald auf der Jagd mit einem Fangspieß erstochen worden von seinem Diener.“ Und in der Amtsbeschreibung: "Das wilde Sau Creutz ist ein steineres Creutz vom Jahr 1498 (falsch: 1483), worauf der Name Balthaser Rodcher (falsch: Rodechr) und zwei Personen in alter Kleidung eingehauen, davon eine auf einer wilden Sau reutet, der andere solche anlaufen lässet. Man sagt, es habe ehemals einer ein Haupt Schwein aufgefordert, das Schwein ihn aber so unterlauffen, daß er auf dem Schwein zu sitzen gekommen. Wie nun sein Diener ihm helfen und zu dem Ende das Schwein auflauffen lassen wollen, sey derselbe unglücklich gewesen, daß er mit dem von dem Schwein ausparirten Fang Eisen seinen Herrn durchbohrt.“

Obwohl beide Aussagen vermuten lassen, daß sich die Schreiber weitgehend an dem Relief auf dem Steinkreuz orientiert haben, dürfte der Vorgang richtig festgehalten worden sein, vor allem bei der ins einzelne gehenden Beschreibung, so ungewöhnlich uns zunächst ein Reiter auf einer wilden Sau erscheinen mag.

Um recht im Bilde zu bleiben, gilt es sich zu vergegenwärtigen, daß zu der Zeit des Unglücks die Jagd auf Wildschweine zu Pferd oder Fuß neben den Hunden nur mit einem Schwert und dem Fangeisen, der sogenannten Saufeder, durchgeführt wurde. Das ist ein "Spieß“ mit einem lanzettförmig, meist etwas mehr als 20cm langem und 5–8cm breitem scharf- und spitzgeschliffenem Eisen, der sogenannten Feder, und einer Öse für den der Handhabe wegen verhältnismäßig kurzen, starken Schaft. Bis in unsere Zeit hat es Jäger gegeben, denen das Abfangen einer angeschweißten Sau mit der Feder so selbstverständlich war wie das "Abnicken“ irgendwelchen andern Wildes.

So ließ man oft bei Hofjagden ein von der Hundemeute gehetztes oder angeschweißtes schweres Schwein auflaufen - also so nahe herankommen, daß es erreicht und ihm das Eisen zwischen Hals und Blatt schräg nach oben in die Brust gestoßen werden konnte. Als besondere Tat galt es, einen bedrängten Keiler rittlings unter sich zu nehmen, mit der Linken als Halt in die Borsten des Kammes zu greifen und das Weidmesser hinter dem Schild nach vorn und oben zu stoßen. Unzweifelhaft zeigt die dargestellte Szene eine solche Situation, die den Berichten nach unglücklich verlaufen ist, weil der Diener mit seinem Fangeisen als Sicherung nicht den Watz, sondem seinen Herrn getroffen hat.

Neu und verhältnismäßig früh – außer den Runensteinen, die bereits die Namen der Helden und das Ereignis nennen, durch das sie ihr Leben verloren –, ist bei diesem Gedenkstein das Anmerken der Zeit, des Namens und des Geschehens im Bild. Während bis dahin die namenlose Steinkreuzsetzung die Untat aus dem Rechtsdenken und aus christlicher Verantwortung sühnen sollte, tritt von nun an das Individuum in den Vordergrund, eine Gepflogenheit, die sich über längere Zeiträume mehr und mehr durchsetzt, zumal mit dem Aufkommen des römischen Rechts das Ende des mittelalterlichen Sühnevergleichs einherging. (Constitutio Criminalis Carolina, Reichstag zu Regensburg 1532.) Trotzdem muß für die Steinkreuze als Form etwa ein Zeitraum vom 13. Jahrhundert bis in den 30jährigen Krieg angenommen werden.

Von da ab geht sie auch in den Eisenacher Beispielen des "Poststeins“, des "Cläs-Kley-Steins“ oder bei "Heerleins Grab“ verloren.

Der "Poststein“ steht an der alten Poststraße zwischen Eisenach und Creuzburg, die von Eisenach her bei Ramsborn von der Landstraße nach rechts abbiegt und heute keine Bedeutung mehr hat.

Nach einer knappen halben Stunde etwa trifft man auf ihn rechts vom Wege. Er hat die Form einer rechteckigen Pyramide, ist um 1,25m hoch und neigt sich, stark verwittert und beschädigt, dem Wege zu. Während man noch um die Zeit des ersten Weltkrieges auf einer Seite die Figur einer männlichen Gestalt zu erkennen meinte, war das Bildwerk auf der andern nicht mehr zu identifizieren. Dafür sind auf dem unteren Teil des Denkmals noch Reste einer Zahl oder eines Namens zu erkennen gewesen. Heute sagt man, daß sich auf der Vorderseite ein Schwert oder Dolchmesser und auf der Rückseite ein eingeritztes Posthorn finde. Sicherlich an Hand dieses Befundes erzählen die Stregdaer Bauern von einem Postreiter, einem ihrer Vorfahren, namens Steffan Lutz, der hier zu Tode gekommen und bestattet worden sei. Doch ist diese Lesart von einer andern überholt, die sich auf einen Akteneinblick stützt. Danach hat es 1565 einen Rechtsstreit zwischen den Ämtern Eisenach und Creuzburg gegeben. Durch die Ermordung eines Krämergesellen Peter Tränick an dieser Stelle ausgelöst, begannen nach seinem Begräbnis in Creuzburg die Auseinandersetzungen um die Zuständigkeit in dieser Mordsache. Beide Amtleute glaubten von der Lage des Ortes der Untat her dafür verantwortlich zu sein, bis Creuzburg recht behielt und einem Michel Leinweber den Auftrag gab, einen Stein zu hauen und zu setzen. Aus diesem Tatbestand abzuleiten, daher handele es sich um einen Grenzstein, ist nicht schlüssig. Der Anlaß war der Mord an dieser Stelle. Deshalb zeigte der Denkstein eine Figur und einen Namen oder eine Zahl. Daß er zugleich als Grenzstein gesetzt wurde, ist gelegentlich aus ähnlichem Anlaß auch bei Steinkreuzen der Fall gewesen.

Der "Cläs-Kley-Stein“ steht für den 1617 gestorbenen fürstlichen Verwalter Nicolaus Kley am Kilometerstein 4 südlich von Eisenach am Promenadenweg nach der Hohen Sonne. Er hat die Form eines schlanken Quaders, der von einem Dreieckgiebel bekrönt wird. Auf der Vorderseite ist die Geschichte des Todes eingemeißelt, sozusagen als höchste Form der Individualisierung. Danach hat ihn in der Frühe des 8. Januar 1617, an einem Mittwoch, der Tod in einer fürstlichen Leibkutsche ereilt. Sein Leichnam ist auf dem Gottesacker in Eisenach beigesetzt worden. Die Rückseite zeigt Jesus am Kreuz mit einer knienden Beterin. Die Steinsetzung erfolgte erst am 6. Juli 1620.

"Heerleins Grab“ liegt unweit der Wartburg im Kälbergrund inmitten einer Waldwiese, von hohen romantischen Felswänden auch der Eisenacher Burg umgeben. Unter einer Traueresche steht eine abgebrochene Säule auf einem quadratischen Sockel. An ihr finden sich zwei erhaben herausgearbeitete ovale Schilder. Auf dem einen ist zu lesen: "Christian Heerlein starb am 24. Junij 1808“, auf dem andern: "Es ruht so wohl sich hier –, Im Schoß der Erde –, Wo ich mit Moos bedeckt - Zu Staube werde.“ Nach dem Kirchenbuch ist Heinrich Christian Friedrich Heerlein, geboren am 27.5.1773 zu Tiefenort, einst Amtssteuereinnehmer in Kaltennordheim, dann Amtsaktuarius in Eisenach, unverheiratet am 24. Juni 1808 aus Melancholie gestorben und am 26. Juni beigesetzt worden. Nach einer mündlichen Überlieferung soll er ein junger Apotheker aus Eisenach gewesen sein, der aufgrund einer Wette den senkrechten Felsen der Eisenacher Burg habe ersteigen wollen und dabei abgestürzt sei. Nach einer anderen habe er sich durch einen Spaziergang nach der Eisenacher Burg erholen wollen. Dort habe er nahe dem Abgrund rote Blutnelken gepflückt und dabei den Halt verloren, so daß er abgestürzt und zerschmettert liegengeblieben sei. An Ort und Stelle habe man ihn begraben.

Merkwürdig ist, daß auf den Tag genau, also den 24. Juni 1873, Otto Helmbold, ein 13jähriger Sekundarschüler aus der Rhön, und am 24. Juni 1903 der 19jährige Hamburger Klempnergeselle Gustav Christian Neumann, der nur kurze Zeit in Eisenach gearbeitet hatte, an der gleichen Stelle tödlich abgestürzt sind.

Ein gotisches Steinkreuz hat einst noch am Metilstein gestanden. Es besteht aus Sandstein und wird im Eisenacher Museum behütet neben einem aus Bischofroda, das durch seine leicht eingewinkelten Arme eine Übergangsform zum gotischen Kreuz bildet.

Da dieses Kreuz zu der Gruppe von Steinkreuzen gehört, über die der Thüringer Heimatkalender bereits im Jahr 1963 berichtet hat, seien einige Bemerkungen über sie erlaubt:

Nach neueren Ermittlungen hat das zweite Bischofrodaer Kreuz bis zum Herbst 1966 nahezu unbeachtet, von Unkraut überwuchert und an eine Hauswand angelehnt, an der Dorfstraße gestanden. Im November ist es, auszementiert und an den Fuß des Kriegerdenkmals gesetzt, vorgefunden worden.

Das Falkener Kreuz wird, auf dörfliche Weise schlicht eingefaßt, von einer Kastanie beschattet.

Ein Opfer des Krieges ist das formschöne Creuzburger Kreuz geworden. Lediglich ein Rest bezeugt es in der Böschungsmauer der Eisenacher Straße nahe der Liboriuskapelle. Und gerade von diesem Kreuz sind von mir noch 1963 neun verschiedene, in Creuzburg gesammelte Sagen aufgeführt worden.

Ein Überblick über die gesamten Steinkreuze im nördlichen Teil des Kreises Eisenach ergibt folgendes Bild:

Standort

Material

Form

Maße

1. Bischofroda ("Bonifatiuskreuz") Sandstein rom. 50 + 60 + 20
2. Bischofroda (Eisenacher Museum) Sandstein rom. 108 + 80 + 20
3. Buchenau (oberhalb, li. Werraufer) Kalkstein Malt. 150 + 90 + 20
4. Creuzburg (zerstört, Rest) Kalkstein spätgot. 82 + 82 + 20
5. Falken (späte Form) Sandstein rom. 125 + 81 + 19
6. Großenlupnitz (zertrümmert gewesen) Kalkstein rom. 90 + 80 + 19
7. Hainich (Weg nahe Reckenbühl) Kalkstein rom. 60 + 38 + 13
8. Hainich (Bei "Eiserne Hand", versch.) Kalkstein got. 190 + 60 + 18
9. Melborn (eingeritzte Frauengestalt) Kalkstein Malt. 120 + 92 + 24
 
Steinkreuze (Eisenach)
 
10. Metilstein (Eisenacher Museum) Sandstein got. 105 + 80 + 20
11. Neukirchen Sandstein Malt. 80 + 90 + 20
12. Rennstieg ("Wilde Sau") Sandstein Malt. 160 + 82 + 26
13. Thal-Heiligenstein Granit (Diabas?) rom. 60 + 45 + 12
14. Treffurt (Museum, früher Schnellmannshausen) Kalkstein rom. 70 + 65 + 17
15. Treffurt (Museum) Kalkstein Radkreuz 140 + 71 + 13
16. Wenigenlupnitz Kalkstein rom. 68 + 52 + 18
17. Willershausen Sandstein rom. 120 + 45 + 28

Verschwunden sind:

1. Creuzburg (oben noch aufgeführt)
2. Hainich (bei "Eiserne Hand“, oben noch aufgeführt)
3. Hohe Sonne: "Das Hohe Kreuz“
4. Dankmarshausen
5. Falken (Hundsbach): "Bonifatiusstein“
6. Sallmannshausen: "Heiliges Kreuz“
7. Scherbda: "Kreuzstein“

Quellen und Literatur:
1. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Bd. XXXIX, Die Stadt Eisenach. Jena 1915.
2. Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens, Bd. XL, Amtsgerichtsbezirk Eisenach, Die Landorte. Jena 1915.
3. Block, R.: Alte Steinkreuze in Westthüringen. Mitteil. d. Eis. Geschichtsver., 2. Heft, Eisenach 1926.
4. Die hohe Jagd, hrsg. bei Parey, Berlin 1920.
5. Köber, H.: Die alten Steinkreuze und Sühnekreuze Thüringens, Erfurt 1960.
6. Kuhfahl, G. A.: Die alten Steinkreuze in Sachsen. Dresden 1928, 1936.
7. Kniesche, H.: Alte Steinkreuze in Thüringen. Thüringer Kalender, Erfurt 1920.
8. Langlotz, K.: Steinkreuze zwischen Ringgau und Hainich. Thüringer Heimatkalender 1963.
9. Löns, H.: Widu - Ein neues Tierbuch- Hannover 1917.
10. Landesbibliothek Weimar, Bärenklau: Histor. Nach richt, wie Großenlupnitz erbaut, und dessen Dorf-, Hof- und Berg-Länder-Fluren in gegenwärtige Form und Beschaffenheit zusammen gediehen. Hdschr. Neue Nr. 160.
11. Heusinger, E.: Sagen aus dem Werratale. Neudruck, hrsg. v. C. Höfer, Eisenach 1923.
12. Schuchhardt, C.: Vorgeschichte von Deutschland, München und Berlin 1935.
13. Eigene Erhebungen und Notizen.

(Thüringer Heimatkalender 1970. Herausgegeben von Dr. phil. Julius Kober - 15.Jg., Zapfendorf über Bamberg 1969, S.52-58)

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Sühnekreuze & Mordsteine