Deutschland Hessen Odenwaldkreis

Ober-Kinzig / Ortsteil von Bad König


Rückseite mit
Verankerung

Detail der Zeichen
auf der Rückseite

Wagnerzeichen von
1680 - Alexanderstraße
in Bad König

PLZ: 64732

GPS: N 49° 45,472', O 8° 57,255'

Standort: An der nordseitig ansteigenden Böschung der Straße von Nieder-Kinzig nach Mittel-Kinzig (zwischen der L 3318 und einem Feldweg) kurz vor dessen Ortseingang.

Größe / Material: 170:96:23 / Sandstein

Geschichte: Mößinger beschrieb das Kreuz 1936 als umgestürzt. – Heute wird es durch zwei lange Eisenstäbe gesichert.
Bei dem Rad auf der Talseite sind zwei der 8 Speichen stark verwittert und kaum noch zu erkennen. Ein solches Rad wird in der Regel als Zeichen eines Wagners gedeutet. Das Zeichen könnte aber auch auf ehemals Mainzische Besitzungen hinweisen. Das Wappen von Mainz wird zwar meist mit sechs Speichen dargestellt, gelegentlich aber auch mit acht. (vgl. Mößinger, 1950)
Bad König war schon im frühen Mittelalter befestigt und Mittelpunkt eines Zentgerichts und Zentamtes. Im Jahr 1477 wird "Künnig als Chur Maintzisch Lehn" an den Schenken Konrad von Erbach gegeben. Es ist also durchaus anzunehmen, dass auf dem Kreuz tatsächlich das Mainzer Rad – in welcher Funktion auch immer – dargestellt wurde. Das Mainzer Rad war in der Region ja ein Staatssymbol, also ein Hoheitszeichen. Dies spricht dagegen, es auf dem Kreuz als Zeichen eines Wagners zu interpretieren, da Privatleute solche Hoheitszeichen auch heute nicht einfach so benutzen dürfen (vgl. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten OWiG, § 124). Im Mittelalter war das bestimmt nicht anders.
Hierzu hat bereits Reitz (1976) hingewiesen, dass die Verwendung des Rades als Handwerkszeichen im Odenwald wegen der Verwechslungsgefahr mit dem Mainzer Rad problematisch war. Um ein Wagner- oder Müllerzeichen eindeutig zu kennzeichnen, war deshalb ein weiteres Werkzeug erforderlich, wie dies z.B. in Bad König der Fall ist. (Wild)

Das recht hohe Kreuz hat gefaste Kanten, die jedoch vorm Kreuzungsfeld enden. Im Kreuzungsfeld ist rückseitig eine Kreisscheibe, auf der Vorderseite ein Rad ausgebildet, das gelegentlich als "Mainzer Rad" (Wappen der Stadt Mainz) gedeutet wird. Da jedoch dieses nur 6, das Rad auf dem Kreuz 8 Speichen aufweist, ist diese Deutung unzutreffend. Vielmehr muß das Rad als Berufssymbol eines Wagners angesehen werden. Wie einige weitere der Region wird auch dieses Kreuz "Spinnmädchenkreuz" genannt. (Rumpf)

Allein die Anzahl der Speichen sagt grundsätzlich nichts darüber aus, ob das Zeichen auf dem Kreuz ein Mainzer Rad und damit ein Hoheitszeichen ist oder nicht. Dieses wird sogar sehr häufig mit 8 Speichen dargestellt. Ab Mitte des 16. Jahrhunderts wird es aber meist mit 6 Speichen dargestellt und hat in der Form auch Eingang in die meisten neuzeitlichen Wappen der Gebietskörperschaften mit kurmainzischer Geschichte Einzug gehalten. So vor allem in den Wappen der Stadt Mainz und des Landes Rheinland-Pfalz. Daher werden 6 Speichen oft als "normal“ und 8 oder 5 als "ungewöhnlich“ empfunden.
Um etwa 1250 (Erzstift Mainz) hatte das Mainzer Rad 8 Speichen. Kurfürst Gerlach von Nassau in der 2. Hälfte d. 14. Jhs. (1346/54 - 1371) führte ein 6-speichiges Rad, und die darauffolgenden 14 Erzbischöfe hatten mit Ausnahme von Gottfried von Lenningen (kein Rad) alle wieder ein 8-speichiges Rad im Wappen. Der letzte in dieser Reihe war Uriel von Gemmingen (1508 -1514). Albrecht von Brandenburg (1514 - 1545) führte wiederum kein Rad, während ab Sebastian von Heusenstamm (1545 - 1555) bis zur Säkularisation (Theodor von Dalberg 1802 - 1803) durchweg das 6-speichige Rad in den Wappen der Erzbischöfe und Kurfürsten in Gebrauch war. (Freundliche Mitteilung von Herrn Wilfried Straßer vom Heimatmuseum Neudenau, wo sich im Schaudepot ein Wappenrelief Bertholds von Henneberg mit 8-speichigen Rädern befindet).
Gut erhalten ist von Hennebergs Wappen auch über dem Eingang zum Steinernen Bau in Buchen, den er sich als Sommerresidenz bauen ließ und in dem heute ein Teil des Bezirksmuseums Buchen untergebracht ist.
8-speichige Räder finden sich aber auch im 17. Jahrhundert, so auf den Wappen der Mainzer Kurfürsten Johann Adam von Bicken (1601-1604) und Johann Adam von Kronberg (1604-1626) am Haus gegenüber der Pfarrkirche in Stadtprozelten (Mainfranken).
In Wappen von Geschlechtern, deren Besitz an kurmainzisches Gebiet angrenzte, findet man bisweilen 5-speichige Räder im Wappen, aber gelegentlich auch 6. So etwa bei den von Berlichingen.
Auf dr-bernhard-peter.de können weitere Fotos von Wappen mit 8-speichigem Mainzer Rad gefunden werden, auch über die Links zu digitalisierten Wappenbüchern. Beispielsweise am Mainzer Tor in Miltenberg sind 8-speichige Räder zu sehen.
Im Codex Balduini Trevirensis ist auch das 8-speichige Rad des Mainzer Kurfürsten zu finden. (Hessek 2007)

An der alten Straße von Mittel- nach Nieder-Kinzig. Das Steinkreuz hat gefaste Kanten, die nicht bis zum Kreuzungsfeld verlaufen. Im Kreuzungsfeld ist beidseitig eine Scheibe ausgebildet, die auf einer Seite als 7-speichiges Rad ausgebildet ist. Das Steinkreuz steht auf einem Sockel. Im Kopf ist noch ein kleineres Scheibenkreuz eingeritzt, wohl das Berufszeichen eines Müllers (?). (Riebeling 1977)

Sage: Hier ist ein Mädchen auf dem Heimweg von der Spinnstube ermordet worden.

Quellen und Literatur:
Mößinger, Friedrich - Zwei eigenartige rheinhessische Steinkreuze, in: Volk und Scholle 22.Jg. 1950, S.76-78
Mößinger, Friedrich - Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar, 1936, S.70, Ziff.48
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Nr.6219.4
Das Mainzer Rad - und Bad König bei Wikipedia
Reitz, Heinz - Müllerzeichen im Odenwald, in: Zu Kultur und Geschichte des Odenwaldes. Breuberg-Neustadt 1976, S.79-90.
Teubner, H. / Bonin, S. - Kulturdenkmäler in Hessen. Odenwaldkreis, 1998, S.92-93
Bormuth, Heinz - Die Spinnmädchen-Kreuze um die Böllsteiner Höhe, in: Schnellerts Bericht 1979, S.18-22
Recherchen von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund und Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Fotos von Feb.2007)
Ergänzungen von Leopold Hessek, Oedheim


Sühnekreuze & Mordsteine