Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Regionübergreifende Bestandsaufnahmen der Scheibenkreuze im deutschen Sprachraum finden wir zuerst auf
der Ebene einzelner Bundesländer. So haben Friedrich Karl Azzola und Juliane Azzola 1972 die Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen,
Horst Ende 1973 die Mordwangen in Mecklenburg und Werner Müller 1982 die Scheibenkreuze in Niedersachsen erfaßt.
Die Zusammenarbeit mit den Kleindenkmalforschern in Westeuropa zeigt, daß auf der Iberischen Halbinsel und in Frankreich rund
viertausend registriert worden waren. In Spanien hatte als erster Eugenius Frankowski bereits 1920 eine umfassende
Bestandsaufnahme vorgelegt. dabei muß man aber berücksichtigen, daß auf der Iberischen Halbinsel weit mehr als neunzig Prozent
der vorhandenen historischen Kleindenkmale Scheibenkreuz-Grabsteine sind, so daß man von einer bewußten denkmaltypischen
Spezifizierung bei Frankowski nicht ausgehen kann.
Pierre Ucla, Paris war der erste, der 1990 mit dem Atlas der Scheibenkreuze den Versuch unternahm, auf europäischer Ebene
eine Bestandsaufnahme vorzulegen. Seine Erfassung zeitigte drei bemerkenswerte Ergebnisse:
- Die Anzahl der noch vorhandenen Steinkreuze ist erstaunlich hoch. - Pierre Ucla zählte 4670 Exemplare dieser Denkmalform -.
- Groß ist ebenfalls die Formenvielfalt bei diesem Denkmaltyp.
- Die Setzungsabsichten sind durchaus unterschiedlich.
Auf diesem Atlas von Pierre Ucla baut dieser Aufsatz auf, erweitert dort, wo es notwendig erscheint, seine
Angaben oder illustriert sie.
Verbreitung der Scheibenkreuze
Die Verbreitung zeigt eine erstaunlich große Anzahl von Scheibenkreuzen in Europa mit einem eindeutigen Schwerpunkt im
westeuropäischen Raum. Von den 4670 noch vorhandenen Scheibenkreuzen, die Pierre Ucla registriert hatte, sind allein 4266
Denkmale Frankreich, Spanien und Portugal zuzurechnen.
Grundlage für die Zahlenangaben waren seinerzeit Publikationen, die Pierre Ucla vorgelegen hatten , und Hinweise von
Kleindenkmalforschern. Die von ihm genannte Gesamtzahl kann nicht als feste Größe angesehen werden, da Verluste und weiterer
Fundmeldungen die Gesamtzahl immer wieder relativieren werden.
Wir müssen heute von weit über 4700 vorhandenen Scheibenkreuzen ausgehen, da unter anderem der nordeuropäische Raum
von Pierre Ucla nur unvollständig berücksichtigt worden ist und auch aus Tschechien zu diesem Zeitpunkt noch unvollständige
Angaben vorlagen. Der von einem Autorenkollektiv im Jahre 1997 herausgegebenen Bestandsaufnahme "Kamenné kríze Cech a
Moravy" sind, so weit die Zeichnungen zu deuten sind, sechzig Scheibenkreuze zu entnehmen.
Setzungsabsichten
Bei der Fülle der Scheibenkreuze müssen wir davon ausgehen, daß die überwiegende Mehrheit von ihnen als Grabsteine auf
einem Friedhof gesetzt worden sind. In Spanien und Frankreich werden sie ausschließlich als Grabsteine anzusehen sein.
Aber auch in England, Irland, Skandinavien und Deutschland müssen die meisten als Grabmale angesprochen werden. Einige
werden als Memorialsteine draußen in der Flur von den Familienangehörigen für Opfer von Unfällen oder Überfällen aufgestellt worden
sein, so zum Beispiel das aufwendig gestaltete Scheibenkreuz von Schloß Ricklingen in Niedersachsen.
Und nur sehr wenige der noch vorhandenen Scheibenkreuze können als Sühnesteine bezeichnet werden. Welche konkret als
solche anzusehen sind, kann nicht gesagt werden, da zum Beispiel in Niedersachsen überall die archivalischen Unterlagen, also die
Sühneurkunden, fehlen, mit denen sich ein unmittelbarer Bezug zu einem bestimmten Scheibenkreuz herstellen ließe. Anders sieht es
in Mecklenburg und Pommern aus. Die sogenannten Mordwangen bezeugen durch Ihre Inschriften die Setzungsabsicht als Sühne-
oder Memorialsteine wie bei der Stele von Herrnburg aus dem Jahre 1466, bei der die Inschrift auf den plötzlichen Tod von Hinrich
Pomert hinweist.
Außerdem existieren in einem breiten Band, das die Städte an der Nord- und Ostseeküste umfaßt, die Beischlagwangen, die
ebenfalls als eine Variante der Scheibenkreuze anzusprechen sind. Wohlhabende Bürger hatten den Treppenaufgang zu ihren
Häusern mit einem Freiplatz versehen, der - ähnlich den Wangen eines Chorgestühls - mit den Scheibenkreuzen nachempfundenen
Wangen, den sogenannten Beischlagwangen, abschloß.
Wenn auch diese Beischläge grundsätzlich nicht den Flurdenkmalen, sondern eher den Baudenkmalen zuzurechnen sind, so
stellen sie doch formal eine Sonderform der Scheibenkreuze dar.
Datierte Scheibenkreuze
Nur eine geringe Anzahl der rund 4700 Scheibenkreuze trägt eine Jahreszahl. den ältesten - leider nur indirekten -
Datierungshinweis finden wir in Satas, Spanien. Auf einer Miniatur aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, vermutlich 1279, die
die "Lobgesänge der heiligen Maria" von König Alphons X., dem Weisen illustriert, wird die Gefangennahme eines Abtes auf einem
Friedhof dargestellt. Neben Steinsärgen sind kleine Scheibenkreuze zu sehen. Diese Grabmale sind heute verschollen.
Die beiden ältesten datierten Scheibenkreuze existieren in Carcassonne, 1325 und Preixana, 1330. Neun weitere aus dem 14.
Jahrhundert finden wir in Deutschland und eines auf Gotland, Sölberg, 1361.
Aus dem 16. Jahrhundert sind vierzehn datierte Steine erhalten geblieben. Bis auf das Scheibenkreuze von 1440 in Etchebar
(Frankreich) sind sie in Deutschland zu finden.
Aus dem 16. Jahrhundert stammen ebenfalls vierzehn datierte Scheibenkreuze. Abgesehen von dem Stein von Roklum
(Niedersachsen), stehen sie alle in Hessen.
Mit dem 16. Jahrhundert scheint im mitteleuropäischen Raum, in England und Irland die Setzung der Scheibenkreuze als
Sühnesteine, Grabmale oder in der freien Flur stehende Memorialsteine abgeschlossen zu sein. Anders sieht es im südwestlichen
Frankreich und auf der Iberischen Halbinsel aus. Dort gibt es eine bis in unser Jahrhundert reichende lebendige Tradition,
Scheibenkreuze am Kopfende eines Grabes zu setzen. In Nordosteuropa, in Estland, sind Scheibenkreuze aus dem 17. und 18.
Jahrhundert erhalten. Weshalb inselgleich auf dem Friedhof von Vagamo in Norwegen im 19. und 20. Jahrhundert hölzerne und
steinerne Scheibenkreuze gesetzt wurden und werden, entzieht sich meiner Kenntnis.
Scheibenkreuzformen
So unterschiedlich die formale Gestaltung der Scheibenkreuze ist, so vielfältig mögen auch die Gründe dafür sein, die die
Gestaltung beeinflußt haben: Das vorhandene, eventuell anstehende Material, die finanziellen Voraussetzungen werden ebenso
entscheidend gewesen sein wie die soziale Stellung des Toten beziehungsweise seine Familie.
Nicht nur die Vielfalt der ikonographischen Gestaltung, sondern auch schon die Größenunterschiede der Denkmale allein sind
beeindruckend. Sie reichen von den weit über zwei Meter hohen Stelen Norddeutschlands und Skandinaviens über das wuchtige
Scheibenkreuze von Rott (Niedersachsen) mit einem Durchmesser von 105cm bis zu dem winzigen Scheibenkreuz-Grabstein von
Södel (Hessen) mit einem Scheibendurchmesser von nur 14.5cm.
Auch die ikonographische Gestaltung berücksichtigt nicht immer die formale Zweiteilung des Denkmals. Sie kann durchaus wie
bei den mecklenburgischen Mordwangen formübergreifend sich darstellen. Gelegentlich fehlt sogar wie bei den Beischlagwangen das
namengebende Attribut, das Kreuz. Hier ist es gewöhnlich durch eine Heiligendarstellung oder durch ein bürgerliches Familienwappen
ersetzt worden. Bei den hölzernen Grabmalen im norwegischen Vagamo ist die Scheibe zu einem Namenschild geschrumpft,
beziehungsweise degradiert worden.
In Tschechien zeigen etwa fünf Scheibenkreuze unterhalb der Scheibe rechtwinklige Ansätze, die Kreuzarmen ähnlich sehen.
Gewöhnlich werden sie auch als Arme angesehen, und man spricht dann bei dem Scheibenkreuz von einer stilisierten menschlichen
Figur. Da es aber in Tschechien auch Steinkreuze mit diesen untergeordneten Ansätzen gibt, ist von dieser Deutung abzusehen.
Welche Einflüsse zu welchen Formen geführt haben, ist bislang nicht ausreichend untersucht worden. Angaben darüber wären
reine Spekulation.
Einen neuen gemeinsamen Nenner zur Definition dieser Denkmalform zu finden ist schwierig, da einerseits der formale
Schwerpunkt eben nicht generell bei der Scheibe mit dem Kreuz liegt, andererseits die zweigeteilte Stele mit dem wie auch immer
geformten und gestalteten Oberteil sich gerade in diesem Punkt gravierend von den anderen Kleindenkmalen unterscheidet.
Literaturauswahl:
Juliane und Friedrich Karl Azzola - Mittelalterliche Scheibenkreuz-Grabsteine in Hessen, Kassel 1972.
Carlos de la Casa Martinez / Manuela Doménech Esteban - Estelas Medievales de la Provincia de Soria, o.O. (Soria), o.J. (1983).
Horst Ende - Denk- und Sühnesteine in Mecklenburg, in: Kulturbund der DDR, Bezirksleitung Schwerin, Kommission Natur und Heimat. Information des Bezirksarbeitskreies für Ur- und Frühgeschichte, H.13, Schwerin 1973, S. 56-67.
Eugenius Frankowski - Estelas Discoidales de la Peninsula Ibérica, Madrid 1920 (Reprint: Madrid 1989).
Kolektiv Autoru - Kamenné kríze Cech a Moravy, Argo 1997.
Werner MüllerSteinerne Scheibenkreuze in Niedersachsen,in: Die Diözese Hildesheim. Zeitschrift des Vereins für Heimatkunde im Bistum Hildesheim, 50.Jg., Hildesheim 1982, S. 119-136.
Pierre Ucla - Atlas des Steles Discoidales, Paris 1990.
Gernot Werner - Verzierte und beschriftete Steine in der DDR, In: Steinkreuzforschung, Sammelband 14, Regensburg 1987, S. 55-61.
(Überarbeitete Zusammenfassung eines Referates, das am 18.05.1996 während der Internationalen
Tagung zur Klein- und Flurdenkmalforschung in Unken (Österreich) gehalten worden ist.)
(© Werner Müller - 1998 - Alle Rechte vorbehalten)
Zu den sicheren Ergebnissen der Steinkreuzforschung gehört die Erkenntnis, daß ein großer Teil der Kreuze
des 13. bis 16. Jahrhunderts Sühnekreuze sind. Daneben aber stehen schon früh Gedenkkreuze, wie das Göllheimer Königskreuz von
1298, und allerlei Unglückskreuze, die bis in unsere Tage gesetzt wurden. Wenn wir nun noch die ebenfalls früh bezeugten
Marktkreuze 1) und die Friedenskreuze 2)
hinzufügen, so sind damit einige Haupttypen der Steinkreuze gekennzeichnet. Wichtigste Aufgabe aber ist es nun, solche älteren
Kreuze (vor dem 13. Jahrhundert) aufzuspüren. Dabei können weder Verwitterung, noch Zeichen auf den Kreuzen, noch Flurnamen
untrügliche Altersbeweise darstellen. Es geht auch nicht an, gewisse Formen der Kreuze, etwa Radkreuze, ohne weiteres in
heidnische Vorzeit zu setzen. Denn bis jetzt hat sich keines dieser freistehenden Kreuze einwandfrei so weit zurückführen lassen und
nur die schwedischen Felszeichnungen mit ihren aufgestellten und gefahrenen vierspeichigen Rädern sind der einzige Beweis für ihr
Vorhandensein in der Bronzezeit, wobei die Räder außerdem zweifellos nicht auch Stein gefertigt waren.
Von den älteren Kreuzen auf deutschem Boden gehöret das von Varmissen
von 1260 wohl noch zu den Sühnekreuzen 3). In frühere Zeit führt das Kreuz von
Zscheiplitz, das Grimm in den "Deutschen Sagen" nennt. Es ist aus dem
Jahre 1556 die Inschrift auf dem Kreuz überliefert, die damals folgendermaßen zu lesen war:
CELTIS SVPER HOMINES VENERANT Anno DOMINICALE INCARNATIONIS DCCCLVIII Ao VERO EPISCOPATVS SVI SECVNDO HENRICVS ARCHIEPISCOPVS TREVERENIS ME EREXIT RENOVATVM ANNO 1724. |
Si quis edunt festiviatates in locis abhominatis, id est ad fontes aut ad abores aut ad cruses in quadrubio, duos annos penit in pane et aqua 15). |
(aus: Das Steinkreuz, Mitteilungsblätter des Vereins zur Erforschung der Steinkreuze, Lauf a.d.Pegnitz, Jahrgang 5 (1937) Heft 1/2, S. 5-10)Anmerkungen:
1) Mitte 9. Jh. Kloster an der Loire-Mündung. 1165 Hoheitsurteil Friedrichs I. 1171 Urkunde aus Köln. Schröder, die Stellung der Rolandsäulen 1890, 10 f.
2) z.B. das 1296 zuerst erwähnte Steinkreuz in Wiener-Neustadt, das 1451/52 durch eine gotische Denksäule ersetzt wurde, die sog. "Spinnerin am Kreuz".
3) A. Hoffmann, Die mittelalt. Steinkreuze in Niedersachsen. 1935, 33.
4) Sieling, Steinkreuze und Wappensteine bei Naumburg. 1916, 38 ff.
5) A. Hoffmann, Die mittelalt. Steinkreuze ... 1935, 44. Bornhausen, Forschungen und Fortschritte. 1936, Nr. 2, S. 20.
6) Fr. X. Kraus, Die christl. Inschriften der Rheinlande, II, 200, Nr. 421, 422.
7) K. Th. Chr. Müller, Fuldaer Geschichtsblätter XXVI, 1933, 81-90.
8) Jaffeé, Bibl. Rer. Germ. III., 480.
9) Fastlinger, Oberbayer. Archiv 50, 1897, 420. (Holzkreuz?).
10) Brown, The arts in early England I, 1903, 163.
11) Brown, ebenda V, 1921.
12) H. Meyer, Das Handgemal. 1934, 76.
13) Brown, ebenda V, 1921, 42.
14) E. Mogk, Der Ursprung der mittelalt. Sühnekreuze. 1929, 18. Hier wird auch das von Kalliefe aus dem Jahre 779 angeführte Zeugnis nicht stichhaltig erwiesen.
15) Schmitz, Die Bußbücher und die Bußdisziplin der Kirche II, 1898, 354.
16) F. bei Mogk. "Steinhaufen zusammengetragen, Kopfbänder an Kreuzen".
Zu der im 3. Jahrgang (1925) 1) gegebenen
Zusammenstellung von Steinkreuzen und Bildsteinen sollen hiermit einige Ergänzungen gegeben werden. An der Landstraße von
Gernsheim nach Klein-Rohrheim, dicht vor der Stadt, steht im Chausseegraben ein Steinkreuz. An der tiefsten Stelle gemessen, ragt
es 1,50m aus dem Boden, der Querarm ist 90cm breit, die Dicke beträgt etwa 20cm. Auf der Vorderseite befinden sich in einem
umgekehrten Wappenschild erhaben ein Anker und zwei Bootshaken, auf der Rückseite tief eingeritzt ein Anker, ein Bootshaken und
ein Ruder (?). Die Balken des Kreuzes sind etwas abgeschrägt in der Nähe der Kreuzungsstelle. Man erzählt sich, daß dort jemand
begraben sei, daß das Kreuz nach einer Pestepidemie aufgestellt worden sei, daß dort ein Unglücksfall sich ereignet habe. Der Acker
in der Nähe heißt "beim heiligen Kreuz". Es soll vor noch nicht langer Zeit ein Wasserloch gewesen sein. Der Name ist offenbar erst
spät entstanden, zu einer Zeit, als man die wahre Bedeutung des Kreuzes als Unglücks- (oder Mord?) Kreuz nicht mehr kannte.
Zwischen Gadernheim und Allertshofen, in der Nähe der Chaussee Brandau-Beedenkirchen, steht am Rand des Feldweges ein
Steinkreuz, das ursprünglich mitten im Acker gestanden haben soll. Es ist schön ausgehauen mit Rillen und Profilen. Auf der
Vorderseite (oder Rückseite) befindet sich ein Zeichen, das von der Sage als Scharn oder Weck gedeutet wird, weil dort ein
Schneider und ein Bäcker sich gegenseitig getötet haben sollen.
Daß die Sitte, nach einem Unglücksfall einen Stein zu setzen (es sind allerdings keine Kreuze!), noch lebendig ist, kann ich durch
drei Tatsachen belegen, die mir von Herrn Lehrer Balß (Gadernheim) freundlichst mitgeteilt wurden.
Zwischen Breitenwiesen und Glattbach steht neben einer Akazie ein Sandstein mit folgender Inschrift:
Im Jahr 1846, den 22. Oktober ist die Margarethe Bitsch von Breitenwiesen hier auf diesem Platz verbrennt. Ist 3 Jahre alt.
Mein Gott, ich weiß wohl, daß ich sterbe, ich bin ein Mensch, der bald vergeht, und finde hier kein solches Erbe, das unveränderlich besteht. Drum zeige mir in Gnaden an, wie ich selig sterben kann.
Mein liebster Vater, wenn ich sterbe, so nimm du meinen Geist zu dir, dann bin ich dein Kind und Erbe und hab ich Jesu nur bei mir...
Das Ende steckt in der Erde und ist deshalb unleserlich.
1) Dr. Erwin Meyer: Über Steinkreuze und Bildsteine. Volk und Scholle 3.Jg. (1925)
Zwischen Rohrbach und Unter-Ostern hieb sich etwa im Jahre 1912 ein junger Mann beim Wellenmachen ins Bein, das seitdem
steif ist. Er setzte einen Stein mit Inschrift.
Zwischen Ostern und Mossau steht der Nees-Stein. Ein Förster namens Nees (?) erhielt dort von einem Wilddieb ein Auge
ausgeschossen. Zur Erinnerung wurde der Stein (vom Erbacher Grafen behauptet man!) gesetzt.
Auffällig ist an diesen Beispielen, daß sie aus verhältnismäßig einsamen, vom Verkehr kaum berührten Gebieten des mittleren
Odenwaldes stammen. Dies könnte das Haften der alten Sitte erklären.
(aus: Volk und Scholle, 6. Jg. 1928, S. 246)
Schon seit manchen Jahrzehnten beschäftigen sich die Forscher vielerorts mit den alten, unscheinbaren
Steinkreuzen, die, zumeist halb versunken und vergessen, in unseren Gemarkungen ein stilles Dasein führen. Unheimliche und
bruchstückhafte Sagen sind oft die einzigen Erinnerungen an sie. Während die zahlreichen Steinkreuze der Dreieich schon vor
längerer Zeit ihren Bearbeiter gefunden haben, während sie im Ried und im Odenwald wie auch in Oberhessen schon gesammelt sind,
hat Rheinhessen erst 1940 eine Zusammenstellung durch Dr. Otto Höfel erhalten. Dabei war es erstaunlich, wie viele und seltsame
derartige Kreuze in dem verkehrsreichen, lebendigen und modernen Räume aufzufinden waren. Manche verdienen besondere
Beachtung, so das Kreuz bei Oppenheim, dessen Inschrift noch nicht befriedigend erklärt ist, das Kreuz von Neuhausen, das einem
ertrunkenen Soldaten gesetzt wurde, das hohe Kreuz bei Pfeddersheim mit der Jahreszahl 1557 oder 1552, das wohl fälschlich mit
dem Bauernkrieg in Verbindung gebracht wird, ferner das Kreuz von Kempten, an dem die Sage haftet von den Kindern, die sich mit
Sicheln töten, und das Kreuz bei Lörzweiler, bei dem eine Sage von Männern dasselbe erzählt.
Ganz eigenartig aber ist ein hohes Steinkreuz am Weg von Mainz nach Weisenau, das genau auf der Gemarkungsgrenze steht.
Mit seinem Sockel ist es fast 1,70m hoch und hebt sich also schon durch seine Größe vor den meisten dieser Denkmäler heraus.
Weiterhin trägt es auf seiner Vorderseite, ebenfalls zum Unterschied von den anderen rheinhessischen Kreuzen, ganz deutlich das
Wappen der Stadt Mainz, zwei durch ein Kreuzchen verbundene Räder. Dabei ist noch besonders beachtenswert, daß es sich hier
um die alte Form des Stadtwappens handelt, bei der die Räder senkrecht übereinander gestellt sind. Das neuere Wappen zeigt sie
schräg liegend. Alte Kreuze mit Wappen kommen hie und da vor, so etwa im Viernheimer Wald das Bußmichelkreuz und ein hohes
Kreuz in der Weidenau bei Hirschhorn. Auch sonst in Deutschland trifft man bisweilen Wappen auf solchen Kreuzen, immer aber läßt
sich mit größter Wahrscheinlichkeit vermuten, daß es sich um das Wappen der ermordeten Person handelt. Das hohe Kreuz in
Hemmen bei Schlitz mit den Wappen von Fulda und Schlitz wurde nach seiner Inschrift zu einem Friedensschluß gesetzt und hat also
nur die Bedeutung eines Denkmals. So bleibt das Mainzer Steinkreuz als Grenzmal fast einzigartig. Aus alten Urkunden erfahren wir,
daß früher noch mehr derartige Kreuze vorhanden waren und daß sie die Grenze des Mainzer Burgbannes bezeichneten. So wird
1339 ein Grenzkreuz zwischen Burgbann und Mombacher Gemarkung erwähnt. Im Jahre 1435/36 werden dort Güter genannt "einhalb
morgen an deme crucze daz do heiszet die friheit". Es muß schon vor 1594 verschwunden sein, denn Schaab beruft sich bei der
Stadtaufnahme von 1657 auf die von 1594 und erklärt, daß das Kreuz an der Wiese des Caspar Metzger gestanden habe. Es sei dem
zu Weisenau gleichförmig und bezeichne den Mainzer Burgbann. Ein ähnliches Kreuz am Wege zum Stift Hl. Kreuz wird etwa um
1354 erwähnt: "hin biz an daz bockend Grütze uf dem wege ..." Ob es sich bei dem bockenden Kreuz um ein auffällig gebogenes,
geneigtes Kreuz handelt, wie man vermutet hat, sei dahingestellt; möglich wäre es schon, da gerade solche alten Kreuze häufig in den
Boden einsinken und dann schiefstehen, wofür aus Hessen viele Beispiele beigebracht werden könnten. Daß sich auch eine Sage an
das Kreuz geheftet hat, muß noch erwähnt werden. Eine reiche Bäckersfrau, die Bäckerjahnin, entkam in der Verkleidung als Bettlerin
den Schweden, als diese Mainz belagerten. Zum Dank ließ sie das Kreuz errichten. Damit aber ist der alte Sinn des Kreuzes völlig
mißverstanden, man ahnte nicht mehr, als man die Sage formte, daß hier die Burgbanngrenze in alter Zeit verlief und durch das Kreuz
gekennzeichnet wurde.