Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Zu den rätselvollsten Denkmälern unserer Gemarkungen gehören immer noch, trotz langjähriger Bemühungen
der Wissenschaft, die alten Steinkreuze. Schon die Zeit ihrer Entstehung läßt sich in nur ganz wenigen Fällen eindeutig feststellen,
selten tragen sie Jahreszahlen, ganz selten sind an ihnen irgendwelche stilistischen Merkmale. Die große Mehrzahl dieser Kreuze zeigt
eine plumpe, urtümliche Form, die es nicht erlaubt, nach ihr das Alter festzulegen. Dazu kommt noch, daß auch der Standort der
Kreuze nichts zur Lösung der Frage beiträgt. Wir finden sie an belebten Straßen wie an einsamen, längst zur Bedeutungslosigkeit
herabgesunkenen Wegen; sie stehen mitten in Dörfern, an Mauern, Türmen und in Höfen, aber auch vereinzelt mitten auf Äckern
und in Wäldern abseits der Schneisen, versunken und halb zerschlagen, vergessen und oft kaum auffindbar. Der Beschauer von
heute hat deutlich und stark das Empfinden, daß sie aus einer fernen und ihm fremden Zeit stammen, und da er also diesen
Denkmälern verstandesmäßig nicht beizukommen vermag, sucht er sie um so eindringlicher mit dem Gemüt zu erfassen. Dafür ist
kein besserer Beweis als die zahllosen Sagen, die sich um diese Steine ranken, und die mit ihrem meist traurigen Hintergrund von
Tod und Mord die ganze düstere Stimmung dieser Kreuze in der Landschaft einfangen und weitertragen. Daß sie im einzelnen kaum
etwas zur Erhellung des Problems dieser Kreuze beitragen, sondern im Gegenteil das Dunkel noch vergrößern, wird später zu zeigen
sein.
Um zu einer einwandfreien Klärung aller mit diesen Kreuzen zusammenhängenden Fragen zu kommen, ist eine möglichst
vollständige Sammlung der noch vorhandenen oder verschwundenen Kreuze notwendig, wie sie das Archiv für Steinkreuzforschung
in Dresden (Leitung Dr. Kuhfahl) erfolgreich begonnen hat. Für unser Hessenland ist bis jetzt eine systematische Erforschung und
Sammlung der Kreuze in einem größeren Gebiet noch nicht vorgenommen worden, man hat sich auf kleinere Gebiete beschränkt,
hat zum Teil nur die auffälligsten Kreuze herausgehoben und dadurch den Eindruck erweckt, als sei die Sitte der Steinkreuze bei
uns wenig üblich. Bei sorgfältiger Beobachtung aber zeigte es sich, daß das Gebiet zwischen Rhein, Main und Neckar verhältnismäßig
dicht mit solchen Kreuzen besetzt ist, ja daß das Gebiet der Dreieich, wo die vortreffliche Arbeit von Nahrgang alles gesammelt hat,
vielleicht die meisten Kreuze auf engem Raum in ganz Deutschland aufweist.
Diese Arbeit erstrebt ein erster Linie eine möglichst vollständige Sammlung des Materials. Es versteht sich von selbst, dass alles
Gedruckte herangezogen wurde und auch hier angeführt wird, und daß Urkunden und Flurnamen benutzt wurden. Viel wichtiger aber
war das Suchen im Gelände. Mit ganz wenigen Ausnahmen, die ausdrücklich vermerkt sich, wurden alle Kreuze persönlich besucht
und aufgenommen. Auf zahllosen Wanderungen wurde nachgefragt und dabei mancherlei in Erfahrung gebracht, was in der
Öffentlichkeit kaum bekannt war. Obschon Vollständigkeit erstrebt wurde, ist doch kam anzunehmen, daß sie schon erreicht ist. Bei
der Verborgenheit dieser Denkmäler – manchmal wußte erst der dritte oder vierte Gefragte in einem Dorfe überhaupt etwas über das
Vorhandensein eines Kreuzes – ist es leicht möglich, daß noch manche auftauchen werden; auch verschwundene können sicher
noch in größerer Zahl aus Erinnerungen und Urkunden namhaft gemacht werden. Die Fülle des Stoffes und die Tatsache, daß
neuerliche Anfragen fast immer ergebnislos blieben, rechtfertigen immerhin einen gewissen Abschluß der Arbeit.
bei Dorf Erbach |
1. Schöllenbach, 2. Hesselbach, 3. Neckarsteinach, 4. Urberach, 5. Urberach, 6. Götzenhain, 7. Mittel-Kinzig, 8. Kirchbrombach, 9. Wallbach, 10. Niedere-Kinzig, 11. Steinklingen, 12. Waldmichelbach, 12a. Ladenburg, 13. Waldmichelbach, 14. Steinklingen, 15. Dudenhofen, 16. Lampenhain, 17. Erlenbach, 18. Raibach, 19. Brandau, 20. Dietzenbach, 21. Steinklingen, 22. Offenthal, 23. Philippseich, 24. Annelsbach, 25. Unter-Schönmattenwag, 26. Weiskirchen, 27. Wallbach (Rückseite), 28. Wildhof. |
(Text, Fotos und Zeichnungen von F. Mößinger, aus: Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar. Archiv für hess. Geschichte u. Altertumskunde N.F. 1936)Literaturverweise:
1) Arch. f. hess. Gesch. X, 1863, S. 132 und ebd. XIV, 1875, S. 24.
2) Ebd. VI, 1849, S. 27.
3) Volk und Scholle III, 1925, 147/148, 175–178.
4) Die Windeck VII, 1931, 34.
5) Auch Rheinhessen und Oberhessen bergen noch viele kaum bekannte und noch nicht zusammenfassend veröffentlichte Steinkreuze, was hier im Vorausblick auf künftige Forschungen erwähnt sei, um nicht die Meinung aufkommen zu lassen, daß Starkenburg etwas ganz besonderes biete.
6) Flurnamenverzeichnis der Gemarkungen Langen und Mitteldick, 1928, 5.
7) Mainzer Zeitschrift VIII–IX, 117.
8) Quartalbl. 1882, Nr. 1 und 3/4.
9) Zeitschrift für Ethnologie 1920/21, 64–77.
10) Beda, Hist. eccles. I. 30; deutsch bei Hähnlein, die Bekehrung der Germanen zum Christentum 1913, 63.
11) Oberbayr. Archiv 50, 1897, 419.
12) Korr.-Bl. 1918, 66.
13) Schreuer, Das Recht der Toten II, 181, angeführt bei Mogk, Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze 1929,
14) Naegele, Württ. Jahrbücher 1913, 404.
15) Collingwood, Northumbrian Crosses, 1927.
16) Simon, Geschichte der Dynasten und Grafen zu Erbach 1858, Urk.-Bd., S. 24.
17) Vgl. bes. Deutsche Gaue IX, 1908, 187 ff.
18) Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze, 1919, 18.
19) Brown, The arts in Early England V, 1921.
20) A. Olrik, Altnordisches Geistesleben, S. 79.
- Kuhfahl, Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928.
- Frank, Steinkreuze. Deutsche Gaue 9, 1908.
- Naegele, Fragen und Ergebnisse der Steinkreuzforschung. Zeitschr. d. Ver. f. Volkskunde, 1912.
- Naegele, Übere Kreuzsteine in Württemberg und ihre Bedeutung. Württ. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1913, 377–426.
- Schnetzer, Vom Steinkreuz zum Marterl. Bayr. Hefte für Volkskunde 1, 1914.
- Kalliefe, Das Rätsel der Steinkreuze. Korrespondenzblatt des Gesamtvereins d. deutschen Geschichts- und Altertumsvereine 66, 1918, Sp. 167.
- Kallife, Rad, Hammer und Schwert auf Sachsens Steinkreuzen. Zeitschr. f. Ethnologie 1920/21, 64.
- Walter, Vom Steinkreuz zum Bildstock. Karlsruhe 1923.
- Mogk, Der Ursprung der mittelalterlichen Sühnekreuze. Berichte über die Verhandlungen der Sächsischen Akademie dere Wissenschaften, 81, 1929, Heft 1.
- Nahrgang, Die inschriftlosen Steinkreuze der Landschaft Dreieich. Langen 1932.
Während nach dem Abzug der Römer im kristallinen Odenwald das heimische Gestein weitgehend unbeachtet blieb, zeugen zahlreiche
steinerne Gegenstände aus verschiedenen Epochen von der sehr intensiven und kontinuierlichen Tätigkeit örtlicher Steinmetze im Buntsandsteingebiet.
Gerätschaften aus dem bäuerlichen Alltagsleben wie Tröge, Krautständer, Näpfe, Keller- und Beschwersteine, Bestandteile des Hauses wie Fenster- und
Türsimse, Kellerschieber, Platten, aber auch Mahlsteine, Stellsteine und vieles andere mehr beweisen, welch große Rolle der Sandstein in der Vergangenheit
gespielt hat. In den Wäldern unserer Heimat finden sich heute noch Reste der Arbeitsplätze heimischer Steinmetze. Während aber die großen Werkplätze am
Main und Neckar, von denen durch die günstigen Verkehrsanbindungen schon im Mittelalter Steine zu den kunstgeschichtlich interessanten Großbauten geliefert
wurden, längst von Fachleuten untersucht sind, blieben die Arbeitsplätze der Odenwälder Steinmetze weitgehend unbeachtet, lediglich Einzelstücke fanden
gelegentlich Interesse.1) Daß dort aber nicht nur Gebrauchsgegenstände gearbeitet wurden, beweisen
die zahlreichen Kleindenkmale aus Sandstein im hinteren Odenwald. Bildstöcke, Grenzsteine und auch Steinkreuze sind zum großen Teil in heimischen Betrieben
entstanden. Noch heute liegt am "Steinert" (bei Zell) ein verhauenes
Steinkreuz2), an einem Hang, an dem sich begonnene Mahlsteine ebenso finden, wie die legendären
"Suppenschüsseln".3)
Auch das sogenannte Judenkreuz von Schönnen ist, wenn nicht alles täuscht, ein
angefangenes Steinkreuz. Nimmt man dazu die ausgesprochene Flurdenkmalarmut des kristallinen Gebietes, dann ist unsere Behauptung wohl hinlänglich
bewiesen.
Leider hat sich bisher niemand die Mühe gemacht, die steinernen Denkmale des Odenwaldes vergleichsweise zu betrachten, um eine gemeinsame Herkunft
oder auch nur Hinweise auf örtliche Traditionen in der Bearbeitung festzustellen. Einen Versuch hierzu hat der Verfasser bei der Inventarisierung der Erbacher
Steinkreuze unternommen.4) Der Intensivierung dieses Versuchs soll dieser Aufsatz dienen, in dem
zugleich die typische Steinkreuzsage dieser Region behandelt wird - die Sage vom Spinnmädchen.
(Schnellerts Bericht 1979, S.18-22)Anmerkungen: 1) G.Güterbock: Frühmittelalterliche Trapezsärge aus demOdenwald,in: Der Odenwald, Jg.1961, Heft 1, S.3-11
2) K. F. Azolla, H. Bormuth u. H.J.Trautmann: Das Steinkreuzwerkstück bei Langenbrombach im Odenwaldkreis, in: Fundberichte aus Hessen, 13.Jg. (73), S.225 ff.
3) it: Die Suppenschüssel und ihr Nachbar, in: Erbacher Wochenblatt, Beilage zum Darmstädter Echo v. 26.3.70
4) H. Bormuth, G. Glieschke: Steinkreuze im Odenwald, in: Die Heimat (Erbach), 51.Jg. (1976), Nr.7
5) Für wertvolle Hinweise zum Pfannkuchenstein danke ich Herrn Ferdinand Stein, Bad Salzschlierf, der auch das Bild zur Verfügung stellte.
6) Klementine Lippfert: Symbol-Fibel. Kassel 1964
7) Heinz Bormuth: Das Steinkreuz von Obermossau, in: Die Heimat (Erbach), 1971, Nr.5
8) Frdl.Mitteilung der Herren Dascher u Blumenschein.
9) Erwin Meyer: Steinkreuzsagen im Bereiche des Odenwaldes, in: Der Odenwald 1968, Heft 2, S.48ff
10) F.Mössinger: Steinkreuze zwischen Rhein, Main und Neckar, in: Archiv für Hess. Geschichte NF XIX, Heft 1 (1935)
11) H. Bormuth: Die Roßdorfer Steinkreuze, in Roßdorf. Beiträge zu seiner Geschichte, Ober-Ramstadt, 1975
12) Max Walter: Vom Steinkreuz zum Bildstock, in: Heimatblätter vom Bodensee zum Main. Nr.25 (1923)
13) Elard Hugo Meyer: Badisches Volksleben im 19. Jhdt. Straßburg, 1900, S.173ff.
14) Karl Noack: Odenwälder Sitte, Brauch und Glaube, in: Karl Esselborn: Hessen-Darmstadt, ein Heimatbuch. Leipzig 1926, S.165ff
15) Peter Assion: Weiße, Schwarze, Feurige; Sagen aus dem Frankenland, Karlsruhe 1972, S.39ff
16) H.Winter: Wenn ich tretele, kann ich net rupfele. in: Südhessische Post vom 13.11.1954
17) Beitl: Wörterbuch der deutschen Volkskunde, Stuttgart 1974, Stichwort Spinnstube.
18) wie Lit. 15), S.4
19) Ernst Schneider: Vom Mailehen zum Siebdrehen. Volkskundliches aus Speyrer Visitations-Protokollen, insoweit der Turmberg grüßt, Beiträge zur Kulturgeschichte Heimatgeschichte und Volkskunde, 10.Jg., (1958) Unter Schulstube wird dabei wohl auf befürchtete politische Diskussionen hingewiesen. Unter dem Titel "Die Kunkelstube" erschien um 1848 in Ulm ein Unterhaltungsblättchen mit eindeutig demokratischer Haltung. Es ist nicht auszuschließen, daß die Bekämpfung der Spinnstuben, mindestens zum Teil, aus politischen Gründen erfolgte.
20) wie Lit 15), Sage 141.
21) Franz Zettler: Die Flurdenkmäler des Landkreises Forchheim, in: Das Steinkreuz, Jg. 1954, Heft 1/ 2. Sogen. Hexenkreuz von Langensendelbach.
22) H. Winter: Die Sage von der Rockenmagd; in Heimatliches Erbe, Am Wegesrand, Bd.1. Heppenheim 1.J.S.144ff