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Das Kreuz über dem Halbkreisbogen
Gedanken über alte Steindenkmäler unserer Heimat
Von Dr. Michel Hofmann
Das Kreuz, eines der ältesten Heilszeichen der Menschheit überhaupt, ist für uns Christen das heiligste und sinnträchtigste
Zeichen. So klar und einfach seine Grundform, die Überschneidung der Senkrechten und der Waagrechten, auch sein mag, so vielfach sind seine durch wechselndes
Beiwerk hervorgebrachten Variationen oder Spielarten, zugleich Träger verschiedenster Bedeutungen und geschichtlicher Erinnerungen aus Zeiten, die noch um die
sinnbildliche Kraft der Zeichen wußten.
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Ankerkreuz - Bogensockelkreuz - Staffelkreuz
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Amlingstadt Zeichnung von Alexej Borutscheff |
Ausgehend von einem Flurdenkmal aus dem engsten Bamberger Umland, nämlich von einem uralten Kreuzstein kurz vor Amlingstadt
(östlich von Bamberg), den uns Architekt Alexej Borutscheff in bekannter Eindringlichkeit der künstlerischen Erfassung
vor Augen führt, versuchen wir, in die Probleme eines der ältesten Typen der Kreuzes-Darstellung einzudringen. Wir haben eingangs die wichtigsten, unter sich nahe
verwandten Spielformen bereits vorgestellt: Anker-Kreuz - Bogensockel-Kreuz - Stufen- oder Staffel-Kreuz.
Am seltensten begegnet uns in Franken das Anker-Kreuz, häufiger das Bogensockel-Kreuz, dem unser besonderes Interesse gilt, seltener wieder das Stufen-
oder Staffel-Kreuz, wenigstens als Steindenkmal, obwohl es als die Grundform zahlreicher alter Notariats-Signete keine unbedeutende Rolle spielt. Sein Archetyp war
das Stufen-Kreuz Kaiser Konstantins auf dem Forum in Byzanz.
Sein Abbild kehrt auf vielen byzantinischen Münzprägungen und in Elfenbeinschnitzereien oströmischer Herkunft wieder (vgl. Adolph Goldschmidt,
Byzantinische Elfenbeine, Bd.II, vgl. auch Schenk zu Schweinsberg, Kunstgeschichtliche Probleme der Limburger
Staurothek, in: "Das Münster", München 1955, Heft 7/8). über die zunächst nur rein klanglichen Zusammenhänge des Staffel-Kreuzes (und dann der Staffel-Form
überhaupt) mit dem Juristischen und Gerichtlichen werden wir uns einmal später äußern. Hier sei nur angedeutet, daß "Stapel" oder (lat.) "staplum" als Ausdrude für
die Gerichts Versammlung galt (z.B. "staplum regis" = Königsgericht usw.), deshalb auch "Staffetberg" und "Staffelstein" = Ort der Gerichtsversammlung; vgl. jetzt
"Stapelplatz" für Waren-Ansammlungen. Bei Obergereuth, links seitlich der Straße von Bamberg nach Frensdorf, hat bereits in den 20er Jahren Joseph Rottler
den hier wiedergebenen Rest eines Stufen-Kreuzsteins aufgenommen (vgl. Abb.)
Steine mit Kreuzen auf Bogensockel in Franken
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Obergereuth Stufenkreuz
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Burgkunstadt
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Ebing / Breitengüßbach: “Schaumbergstein”
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Unterlauter bei Coburg - Fulda
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Würzburg I - Würzburg II |
Wir versuchen zunächst eine alphabetische Zusammenstellung der Vertreter dieses Typs, und ziehen auch dazu die dankenswerte Vorarbeit des schon genannten
Oberregierungsbaurats Joseph Rottler heran, die er im Jahre 1926 dem Staatsarchiv Bamberg überlassen hat ("Kreuzsteine
und Steinkreuze, vorzüglich im Bezirk des Landbauamts Bamberg". Staatsarchiv Bamberg, Rep. A 245 Verz.I Nr.107).
Amlingstadt, links an der Straße von Bamberg nach Amlingstadt, unweit des Ortes; 150cm
hoch, 62cm breit; Zeichnung in vertieften Linien eingemeißelt (vgl. J. Rottler Nr.8, vgl. Dt. Gaue 9. Band S.185).
Burgkunstadt, an einem Kreuzweg unmittelbar nördlich hinter dem alten Ortskern; 200cm
hoch, 79cm breit; Kreuz auf gotisch wirkendem Bogensockel, daneben ein Sauspieß; Zeichnung in Linien vertieft (vgl. J. Rottler Nr.56).
Ebing / Breitengüßbach, an der alten Landstraße auf dem rechten Mainufer, sog.
"Schaumbergstein"; 215cm hoch, 99cm breit; Vorderseite: Schaumberg-Schild mit Helm, Helmzier und Decke, erhaben gearbeitet, das Kreuz darüber in den Linien
vertieft; Rückseite: großes Bogensockel-Kreuz in vertieften Umrissen (vgl. J. Rottler Nr.84, dazu nun Regesten des fränkischen Geschlechts von Schaumberg, II.Teil, von
Oskar Frhr. v. Schaumberg und Wilh. Engel, Coburg 1939, Titelbild u. Regest-Nr.247 mit Anm. S.256). Der Stein dient demnach seit Ende des 14. Jahrhunderts wohl als
Sühnestein für den zw. 1378 XI 17 u. 1379 II 25 anzusetzenden Totschlag des Tyrolff Stange an dem Johanniterkomtur Eberhard v. Schaumberg. Der Sühnestein wird
bereits 1515 II 13 erwähnt ("an der alten Straß ob dem Schaumberger creutz gelegen").
Fulda, in die Stützmauer von St. Michael eingelassene Grabplatte; 190cm hoch, 58cm breit; der Kreuzstamm ruht auf einem unten waagrecht
geschlossenen Halbkreisbogen ("Steigbügel-Form"), unter den Querarmen kleine griechische Kreuze, das Hauptkreuz an seinen drei freien Enden durch einen
Halbkreisbogen zusammengefaßt; nach Hahn, Fulda, auf die Zeit vor 1000 datiert und als Golgatha-Darstellung gedeutet (vgl. Dr. Richard Teufel,
Der Kreuzstein von Unterlauter bei Coburg, in: 1. Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1956, Coburg, S.262ff., hier S.267 f. u. S.269 mit Abb.).
Unterlauter; nördl. v. Coburg, uralter Pfarr-und Zent-Hauptort; zusammengesetzt jetzt 163cm hoch, 110cm
breit, Relief 2 bis 5cm tief; großes Keuz auf unten geschlossenem Halbkreisbogensockel, unter den Quer-armen kleinere lateinische Kreuze; über den Querarmen
Rosetten; auf der Rückseite große Rosette; nach Dr. Richard Teufel ist der Unterlauterer Kreuzstein in der "Zeit um oder eben
von 1000 zu denken"; er "dürfte das älteste christliche Kultur- und Kunstdenkmal Oberfrankens sein" (vgl. 1.Jb. d. Coburger Landesstiflung 1956, S.262ff., bes. Foto zw;
S.264 u. 265, dann die hier wiedergegebene Nachzeichnung und Ergänzung von Dr. R. Teufel S.269).
Würzburg I, Sargdeckel an der Hofmauer des ehem. Domherrenhofs Weinsberg (Herrenstr.2); 128cm hoch, 55/44cm breit; Kreuz mit verlängertem Schaft
über Halbkreisbogensockel, der unten gerade geschlossen ist; Figur in kräftigem Wulstprofil; die Trapezform entspricht dem fränkischen Sargdeckel-Typ, während der
römische meist die Rechtecksform hat. "Seltenes frühromanisches Denkmal" (vgl. Kunstdenkmäler, Unterfranken, Stadt Würzburg. 1915. S.588 Figur 462).
Würzburg II, Grabstein an der Südseite des Guttenberg-Hofs oder Hofes z. hl. Gallus (Herrenstr.1); 188cm hoch, 70cm breit; der Halbkreisbogen isl unten
nicht geschlossen, sondern die Bogen-Enden eingerollt und ornamentiert; "Spätzeit des 12. Jahrhunderts" (vgl. Kunstdenkmäler Ünterfranken. Stadt Würzburg, S.575
Figur 449).
Die Bedeutung des Halbkreisbogen-Sockels
In seiner sehr anregenden Studie im 1. Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1956 (zitiert: Cob. Jb.1956) S.262ff. setzt Dr. Richard Teufel
den Halbkreisbogen-Sockel und den halbrunden oberen Abschluß des Kreuzsteins von Unterlauter miteinander in Beziehung. Er vertritt dabei die Auffassung, daß an
seinem Objekt "der Sockelhalbkreis die Erde und der krönende Halbkreis den Himmel darstellt, zwischen denen das Christuskreuz, das herrschend dem Erdkreis aufruht
und genau vom Himmel überspannt wird, vermittelt" (S.266).
Da müßte wohl doch erst dargetan werden, ob und wie sich der aus der Antike überkommene "Orbis terrarum" oder "Erdkreis" von einem Voll-Kreis zu einem
Halbkreis umgebildet hat. Wenn man in Sammelwerken über die früh- und hochmittelalterliche Buchmalerei blättert, etwa in Albert Boecklers
"Deutsche Buchmalerei vorgotischer Zeit" ("Die Blauen Bücher", Königstein 1952), wird man zunächst kaum ein Beispiel finden, in dem ein Halbkreis den ganzen Erdkreis
verträte. Sehen wir einmal ab von der Trierer Darstellung "Christus auf der Himmelskugel" (Boeckler S.1, Staatsarchiv Coblenz
Cod. 701, aus dem 9.Jh.), wo das Kreisfeld von wolkenartigen Gebilden gefüllt ist. Betrachten wir die von Otto II. in der linken Hand gehaltene vollrunde Scheibe (Vorläufer
des "Reichsapfels") auf der Trierer Miniatur (Boeckler S.26, Musée Condé in Chantilly. um d.J. 983) oder die vollrunde Scheibe, auf die der thronende Christus
seine Füße setzt (Boeckler S.40, Priesterseminar Köln Cod. 753b, Mitte des 11.Jh.). Eine ausdrückliche Erdkreis-Rundscheibe ist für uns besonders wichtig: In einer
Kölner Darstellung der "Maiestas Domini" (Boeckler S.47, Leipziger Stadtbibüothek Ms. CLXV, Anfang d. 12.Jh.) dient sie Christus "als Schemel seiner Füße"; sie ist
durch ornamentierte Streifen eingefaßt und geteilt in eine untere und eine obere Hälfte, die wieder in der Mitte senkrecht untergeteilt ist; in die obere Hälfte teilen sich
EVROPA und AFRICA, die ganze untere Hälfte wird von ASIA eingenommen. Eine fragmentarische Erdkreis-Scheibe finde ich bei Boeckler nicht.
Dagegen treten ziemlich häufig halbkreisförmige Einbuchtungen des gerahmten Bildraums auf, von oben oder unten in diesen vorstoßend und dabei oft eine höhere,
oder himmlische Zone andeutend (Boeckler S.23 aus d. 9.Jh., S.36 aus d. Ende d. 10.Jh., S.48 aus Mitte d. 12.Jh., S.53 nach Mitte d. 12.Jh.) oder eine tiefere Zone
bezeichnend (Boeckler S.53 aus Mitte d. 12.Jh., wobei der Patriarch Jacob wie aus einem Kellerfenster blickt; oder S.54 aus Ende d. 12.Jh., wo Davids Vater Jesse in
einem Kleeblattbogen oder Triforium haust). Eine Beziehung auf den Erdkreis ist dabei nicht unmittelbar und zwingend gegeben. Ich möchte deshalb auch nicht der
Vermutung Dr. Richard Teufels folgen (Cob. Jb. 1956 S.271), der angesichts des Großbirkacher Reliefs von etwa 1040 über den Halbkreis-Sockel, auf dem dort
St. Johannes der Täufer steht, schreibt: "Das Werk dürfte in der Umdeutung des Erdkreissockels zu einem Taufbrunnen (?) formal ein letzter und stark provinzierter
Ausfluß ottonischer Hofkunst sein." Denn es ist durchaus nicht ausgemacht, daß alle halbkreisförmigen Sockel an unteren Bildrändern immer Erdkreis-Fragmente sein
müssen.
Zumal da die Malerei der vorgotischen Zeit bereits eine Fülle von Beispielen für eine andere Herkunft und Bedeutung des tragenden Halbkreises bietet. Wie oft stehen
oder sitzen in der alten Malerei göttliche oder heilige Gestalten auf dem Scheitel eines Regenbogens! Im Reichenauer Evangeliar Ottos III. (Boeckler S.29, Staatsbibl.
München Clm 4453, gegen d.J. 10001 sitzt der Evangelist Lukas innerhalb einer Mandorla auf einem Regenbogen und läßt seine Füße auf einem ähnlichen Gebilde
rasten. Das gilt ebenso für die Echternacher "Huldigung Konrads II. und der Gisela vor Christus" (Boeckler S.33. Eskorial Cod. Vetrinas 17, aus d. Jahren 1045-46).
Genauso gilt das auch für die Regensburger Krönung Heinrichs II. (Boeckler S.34, Staatsbibl. München Clm 4456, aus d. Jahren 1002-14). Man beachte auch die für
diesen Zusammenhang sehr wichtige Salzburger Weihnachtsdarstellung (Boeckler S.45, Wiener Nationalbibl., nach Mitte d. 12.Jh.). wo ein regenbogenartiges Gebilde
zum beherrschenden räumlichen Bau- und Einteilungsprinzip geworden ist.
Man vergesse nicht, daß auch in nach-romanischer Zeit die Vorstellung des Regenbogens noch sehr maßgebend ist. So in Albrecht Dürers Apokalypse von 1498.
Auf dem Blatt mit Johannes und den sieben Leuchtern (Offb. 4,5) sitzt die göttliche Gestalt auf einem Regenbogen und stützt die Füße rfüf einen zweiten Regenbogen
(beide übrigens ganz blank und ohne Farbenstreifen!); zuvor heißt es (Offb. 4,3): "Den Thron umschloß ein Regenbogen, der aussah wie ein Smaragd." Das Blatt mit
der Huldigung der Auserwählten im Himmel zeigt das Lamm Gottes innerhalb einer vollrunden glänzenden Scheibe über eine Regenbogenbrücke schreitend (Offb. 5,6).
Ich möchte also glauben, daß auch bei unsern Steindenkmälern diesen kreuztragenden nach oben gewölbten Bogen öfter die Vorstellung des Regenbogens als die
der (fragmentarischen) Erdscheibe zugrunde liegt. Zumal dann, wenn der Halbkreisbogen nicht unten durch eine gerade Basis abgeschlossen wird. Solche nach unten
offene Sockelboqen finden wir in Amlingstadt, Burgkunstadt und Ebing / Breitengüßbach.
Die Beispiele aus Fulda, aus Unterlauter und das ältere der beiden aus Würzburg hingegen haben qeschlossene Halbkreisbogen-Sockel, man könnte sagen:
Steigbügel-Form. Jedoch zeigt das jüngere Würzburger Beispiel bereits die Neigung zu spielerischer "Entartung"; die Bogenfläche als solche ist nicht mehr fest begrenzt,
sondern nur noch ein Tummelplatz des Ornaments. Selbst wenn bis dahin - also bis in die Spätzeit des 12. Jahrhunderts - die Vorstellung des (halben) Erdkreises
maßgebend gewesen sein sollte, hier scheint sie sich aufzulösen und zu verflüchtigen.
Das Alter der Denkmäler mit dem Bogensockel-Kreuz
Eine genaue Altersfolge aufzustellen ist mangels schriftlicher Nachrichten und mangels präziser Datierungsmerkmale kaum möglich. Vertreten läßt sich mit aller
Vorsicht vielleicht folgende Reihung:
1) trapezförmiger Sargdeckel in Würzburg (Hof Weinsberg) aus frühromanischer Zeit;
2) Grabplatte in Fulda, vor der Jahrtausendwende;
3) Kreuzstein von Unterlauter bei Coburg, um das Jahr 1000 angesetzt.
Diese drei Denkmäler bilden die älteste Gruppe, sie weisen auch alle den geschlossenen Bogensockel auf. Eine Spät- und Ubergangsform zeigt
4) der fortgeschritten ornamentierte Grabstein in Würzburg (Guttenberg-Hof) aus dem späten 12. Jahrhundert. Jünger
und unter sich wieder sehr nahe verwandt sin
5) der Kreuzstein von Amlingstadt, dann
6) der Schaumbergstein zwischen Ebing und Breitengüßbach (Rückseite),
und schließlich
7) der Stein mit Kreuz und Sauspieß bei Burgkunstadt dessen Bogensockel wegen seines deutlichen Hanges zum
Spitzbogen jünger erscheint als der Amlingstadter und der Schaumbergstein, die beide mit ihrem flachen Bogen viel altertümlicher wirken.
Nun wird allerdings das Schaumbergwappen von Ebing / Breitengüßbach (Vorderseite) auf das ausgehende 14. Jahrhundert zu datieren sein (Tod des Eberhard v.
Schaumberg um 1378/79). Es muß jedoch festgehalten werden, daß wir überhaupt keine Nachricht über die Errichtung des Schaumbergsteins haben, daß vor allem die
Rückseite mit dem Bogensockel-Kreuz sogar beträchtlich älter sein kann als die wappengezierte Vorderseite; dann ließe sich auch der Amlingstadter Stein weiter
zurückdatieren. Vielleicht in das 13. Jahrhundert. Weiter möchte ich - trotz angeblicher Slaven-Kirche und hohen Alters des Ortes - doch nicht zurückgehen.
Abbildungs-Nachweis:
Untergereuth, Burgkunstadt und Ebing / Breitengüßbach ("Schaumbergstein") nach Jos. Rottler.
Würzburg l u. II nach Kunstdenkmäler Unterfranken, Stadt Würzburg (1915).
Oberlauter u. Fulda nach Cob. Jb. 1956 S.269.
Amlingstadt. Originalzeichnung für die "Fränk. Blätter" von Architekt Alexej Borutscheff, Bamberg.
(Fränkische Blätter, 10.Jg., 1958, Nr.8, S.30-32)
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Nochmals das Kreuz über dem Halbkreisbogen
Von Dr. Michel Hofmann
Unser Beitrag mit dieser Überschrift (Frank. Blätter 10. Jg. 1958 Nr.8 v. 10. April, S. 30ff.) hatte ein lebhaftes Echo.
Zunächst aber: Als ich - Mitte April nach Würzburg an das dortige Staatsarchiv versetzt - an einem meiner ersten Würzburger Abende auf einem Spaziergang durch
das Domviertel die beiden alten Bogensockelkreuze suchte (vgl. Abb. "Würzburg I" und "Würzburg ll" auf S.31 Frk. Bl.), fand ich sie dort nicht mehr vor. Und wie oft war
ich, vor 30 Jahren als Würzburger Student in der Maxstraße wohnend, in der engen Gasse an dem frühromanischen Kreuz (von mir als "Würzbuig I" bezeichnet)
vorbeigegangen!
Auf Anfrage teilte die Direktion des "Mainfränkischen Museums" auf der Festung Marienberg am 19. Mai folgendes mit: "Die beiden Würzburger Grabsteine ...
wurden, da sie durch Witterungsschäden und Brandschäden stark gefährdet waren, von den Eigentümern dem Museum überwiesen; sie waren hier im Erdgeschoß
der Echterbastei von 1950-56 ausgestellt, und werden demnächst bei der Neuaufstellung der mittelalterlichen Bauplastik wieder ausgestellt weiden". (Die Schriftleitung
sagt Herrn Direktor Dr. v. Freeden herzlichsten Dank für seine gütige Auskunft.)
Über dem Unterlauterer Kreuzstein, den reichsten und interessantesten unter den uns bekannten
Bogensockel-Kreuzsteinen gingen uns vor allem durch die Liebenswürdigkeit eines treuen Freundes unserer "Fränk. Blätter". Oberstudienrat a.D. Hermann Schieder
in Coburg, mehrere einschlägige Veröffentlichungen von Dr. Friedrich Schilling (Landesbibliothek Coburg) zu ("Coburger Tageblatt" v. 5. April S.12 und v. 12. April S.7),
die sich in beachtlichen Darlegungen mit dem von uns zitierten Aufsatz von Dr. Richard Teufel (1. Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1956. S.262ff.) auseinandersetzen.
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Bogensockelkreuz bei Ampferbach Nach dem Foto von Theo Süß |
Dr. Friedrich Schilling wendet sich vor allem gegen den Versuch, die beiden Rosetten des Unterlauterer Kreuzsteins als eine "Spätform der Hagal-Rune" zu deuten,
"als Ausdruck der Gesetzmäßigkeit des Lebens" (Dr. R. Teufel); vielmehr seien die beiden Zeichen die in das Steinmetzmäßige übertragenen Symbole der Sonne und
des Mondes, die sich nach Erzählung der Evangelisten beim Kreuztod Christi verfinsterten. Die Bildwelt des Steins von Unterlauter sei also durchaus christlich; nicht
einmal von einer Art Mischung heidnischer und christlicher Elemente könne "auch nur mit annähernder Sicherheit gesprochen werden".
Ein Interessierter Bamberger Leser, Verwaltungsinspektor Theo Süß, ergänzte in willkommenster Weise unsere Ausführungen durch Hinweise auf einen bisher
recht wenig beachteten Bogensockel-Kreuzstein. Der Stein steht bei Ampferbach, links an der
Straße nach Schönbrunn. Th. Süß verdanken wir eine Lichtbildaufnahme v. 20. Mai 1958 (die unserer Skizze unmittelbar zugrunde liegt) und folgende Maßangaben.
Die Höhe des Steins betlägt 133cm; die Breite 75cm; die Stärke am linken Rand 22cm, am rechten Rand etwa 19cm. Der links und oben noch erhaltene erhöhte Rand
auf der Vorderseile ist recbts stark abgewittert. Das aus der Fläche kräftig heraustretende Kreuz ist 7-8cm breit; es ist oben, links und rechts bis an den Rand durchgeführt.
Der Schaft ruht auf einem flachen, unten durch eine gerade Sehne (48cm lang) geschlossen Segmentbogen (lichte Wölbungshöhe etwa 10cm).
Die durch den Haupt- und Querbalken des Kreuzes und durch den Steinrand gebildeten oberen Felder sind durch je einen Wappenschild ausgefüllt. In beiden
Schildern sind seit nicht sehr langer Zeit willkürliche Zeichen eingetieft, die den ursprünglichen Zustand schwer beeinträchtigen (weshalb wir von einer Lichtbildwiedergabe
absehen). Unser Gewährsmanr Th. Süß glaubt, auf einer älteren Aufnahme (1944) den für den Beschauer rechten Schild alls leer, den linken Schild als mit einem breiter
Kreuz geziert ansprechen zu können. Und das Schrifttum:
Heinrich Mayer, "Kunst des Bamberger Umlandes- (2. Aufl.) erwähnt den Stein S.13 ("mit 2 Schildern, rechts leer, links
mit 3 Querbalken 14.Jh.") und verweist auf seine Abbildung 3, die leider einen ganz andern Gegenstand zeigt (Bildstock unterhalb Banz).
Peter Schneider, "Der Steigerwald in der Gesamtschau" erwähnt den Stein S. 153 ebenfalls ("... neben Nischenkapelle
ein noch zu deutender Kreuzstein mit 2 Wappenschildern, 14.Jh., wohl Rechtsmal").
Andreas Borschert bildet den Stein auf Tafel 308 seines Exemplars in der Staatl. Bibliothek Bamberg ab ("am Eselsweg,
Straße nach Prölsdorf"). Borscherts Zeichnung stammt aus dem Jahr 1930. Der Halbkreisbogen ist darauf allerdings kaum zu erkennen (frdl. Mitteilung von H.
Bibliotheksrat Dr. F. Dreßler).
(Fränkische Blätter, 10.Jg., 1958, Nr.14, S.55)
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Das Kreuz über dem Halbkreisbogen
Von Dr. Richard Teufel, Coburg
Es gehört zu den schönen Möglichkeiten unserer Fränkischen Blätter, der lebhafteren wissenschaftlichen Aussprache zu
dienen, als sie den im Jahresabstand erscheinenden Publikationen zu Gebote steht. Im Anschluß an die sehr anregende Veröffentlichung von Dr. Richard Teufel
(Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1956) haben wir uns in den Meinungsaustausch über das "Bogensockelkreuz" eingeschaltet und freuen uns. nun einen
Beitrag von Dr. Richard Teufel selbst bieten zu können. Die Diskussion wird fortgesetzt.
Meine Veröffentlichung über den Kreuzstein zu Unterlauter (Landratsamt
Coburg) im Jahrbuch der Coburger Landesstiftung 1956 hat die sehr erfreuliche Folge gehabt, daß der Gegenstand in verschiedener Richtung untersucht und eine recht
stattliche Anzahl von Denkmälern allein aus der Umgebung von Bamberg veröffentlicht und besprochen wurde. Zweifellos sind solche frühe Kreuzdarstellungen in Stein
noch nicht genügend untersucht und vor allem die Entwicklung noch nicht ausreichend geklärt. Der im Mittelpunkt der Betrachtung stehende Kreuzstein von Lauter
macht insoferne besondere Schwierigkeiten, als er eben durchaus ein Unikum ist; er ist weder ein Grabstein, noch eine Sarkophagplatte wie die zum Vergleich
herangezogenen Arbeiten der Frühzeit, noch auch ein Steinkreuz wie die späteren Beispiele, außerdem sind auf ihm verschiedene Darstellungen, die sonst einzeln
auftreten, verquickt.
Der Kreuzstein ist eine für unsere Begriffe technisch sehr einfache Arbeit (die natürlich dennoch einen sehr hohen künstlerischen Wert hat) eines Steinmetzen,
der alles andere als ein Künstler im modernen Sinne war und sicher auch nicht die Kunstbestrebungen seiner Zeit übersehen oder auch nur einigermaßen gekannt hat.
Wer weiß, ob ein solcher Mann je ein Buch mit gemalten Darstellungen, das Geistlichen zum Gebrauch beim Gottesdienst vorbehalten war, gesehen hat! So muß man,
glaube ich, von vorneherein mit Vergleichen und Ableitungen der Lauterer Steinmetzarbeit von anderen Arbeitsgebieten, wie den Elfenbeinen und den Buchmalereien,
sehr vorsichtig sein, die uns in übertreibender rein kunstgeschichtlicher Betrachtung so geläufig sind.
Michel Hofmann betrachtet in der ersten Veröffentlichung in den "Fränkischen Blättern" (10. April 1958), auf deren Abbildungen hier immer wieder Bezug genommen
wird, vor allem den "Erdkreissockel", den unter dem Kreuz befindlichen Halbkreis, und bezweifelt, ob dieser Halbkreis des Lauterers und anderer Steine nun wirklich als
eine Darstellung des Erdenkreisel anzusehen sei, er verweist auf die volle Kreisscheibe bei verschiedenen Buchmalereien und auf den Regenbogen. Schließlich sagt er,
es müsse erst dargetan werden, wie die Entwicklung vom Vollkreis der Antike zum Halbkreis vor sich gegangen sei.
Die byzantinische Kunst, deren Bedeutung als Vermittlerin antiken Gutes im weitesten Sinne bekannt ist, muß auch hier als Zwischenstufe zwischen antiker und
mittelalterlicher Form angenommen werden, ja das spätbyzantinische Stufen-Bogen-Kreuz, bei dem also über drei Stufen der Halbkreis sich erhebt, der das Kreuz trägt,
ist eine klare Zwischenform. Schon in der (klassischen) Antike erhob sich das Heiligtum, der Tempel, über einem dreistufigen Unterbau; für die Griechen war die
Erdscheibe kreisförmig. Das Stufen-Bogen-Kreuz war dem Kaiser vorbehalten (Münzen z.B.), seine Bedeutung als kaiserliches Zeichen geht aber bald in unserer Kunst
verloren, und so trennen sich schließlich die Wege: hie Staffelkreuz (z.B. Obergereuth), hie Bogensockelkreuz. Daß indessen der Halbkreis wirklich den Erdkreis
darstellt, scheint mir außer Zweifel zu sein, denn es gibt keine frühmittelalterliche Steinmetzarbeit, bei der das Kreuz, das ja die Welt beherrscht, auf einem
Vollkreis ruht und wenn dieser erscheint, dann in den Händen von Christus oder dem König, also in ganz anderem
Zusammenhang. Auch der Bogen, kaum Halbkreis, als Regenbogen trägt Personen. Schließlich ruhte eben das Kreuz Christi auf dem halbkugeligen Felsplateau der
Schädelstätte auf, die man sich stellvertretend auch für den Erdkreis denken kann. Wichtig für den Sinn solcher Darstellungen ist in diesem Zusammenhang das
Elfenbein im Einband des Echternacher Evangeliars, dessen Sockel ausdrücklich als "terra" bezeichnet ist. Michel Hofmann stellt mit Recht heraus, daß bei den älteren
Formen der behandelten Beispiele, beim Grabdeckel Würzburg I, bei der Fuldaer Platte und beim Lauterer Stein, der Halbkreis einen unteren Abschluß hat, den ich als
letzten Überrest des Stufensockels deuten möchte. Wie später die sinnbildliche Bedeutung des Erdkreissockels verlorenging - ganz naturgemäß im Zuge der Entwicklung
der deutschen Kunst zur Selbständigkeit - zeigt schön der Grabstein Würzburg II aus dem 12. Jahrhundert, bei dem der Halbkreis zu einer Rosette verspielt ist. Noch
später erscheinen dann die offenen bügelartigen Formen, wie auf dem Schaumbergstein bei Ebing-Breitengüßbach, die nur noch eine schwache Erinnerung an die alte
strenge Form haben. So möchte ich weiterhin annehmen, daß der geschlossene Halbkreis unterm Kreuz den Erdkreis versinnbildlicht.
Die zweite Frage, die in den Aufsätzen berührt worden ist, geht auf die allein auf dem Lauterer Stein auftretenden sechsspeichigen Kreisscheiben. Friedrich
Schilling hat im Coburger Tageblatt vom 5. April 1958, (besprochen in den Fränkischen Blättern am 3. Juli 1958) die Ansicht vertreten, daß diese Scheiben Räder
darstellen und zwar als "die steinmetzgerechteste Vereinfachung" des Sonnen- und Mondwagens und daß auf dem Lauterer Stein infolgedessen keine Beziehung zur
vorchristlichen Hagal-Rune bestehe. Friedrich Schilling führt dazu die Goldschmiedearbeit des Einbandes des Perikopenbuches Kaiser Heinrichs II an, die Sonne und
Mond in Wagen mit sechspeichigen Rädern zeigt. Grundsätzlich ist dazu zu sagen, daß die hochentwickelte Goldschmiedekunst der Einbände, am Ende einer längeren
Entwicklung, schwerlich mit der jungen und also primitiven Steinmetzkunst des ausgehenden 10. Jahrhunderts verglichen werden kann und vor allem, daß in der ganzen
Kunstgeschichte stets nach dem formelhaften Sinnbild und aus ihm entwickelt, die gegenständliche und am Ende naturalistische Darstellung folgt, nie aber umgekehrt.
Es ist entwicklungsmäßig und psychologisch unmöglich, daß auf eine so vielfältige, reiche Darstellung eines Wagens mit Tier und Figur des Perikopenbuches oder
einer anderen ähnlichen Darstellung die primitive "Formel" des sechsfach geteilten Kreises folgen kann. Zudem wäre es ja auch ganz unlogisch und für den Betrachter
unverständlich für zwei verschiedene Bedeutungen dasselbe Zeichen zu verwenden - was ist Sonne, was Mond? Schließlich und endlich scheitert die Schillingsche
Auffassung daran, daß der Lauterer Stein ja noch eine dritte solche Kreisscheibe hat - was soll sie nun sein? Welches von den dreien ist Sonne, welches Mond, was
das dritte? Zudem durfte auch der Begriff der "steinmetzgerechtesten Vereinfachung" fehl am Platze sein, denn gerade die Steinbearbeitung beginnt um 1000 als erstes
Handwerk sich zu selbständigen Formen zu entfalten und eine Abhängigkeit etwa von Goldschmiedearbeiten konstruieren zu wollen, ist nicht möglich. So wird es dabei
verbleiben müssen, daß der sechsgeteilte Kreis auf dem Kreuzstein als ein altes vorchristliches Zeichen angesehen werden muß. Runen haben ja bekanntlich, dann
ihres Sinngehaltes entleert, noch über Jahrhunderte weitergelebt. Der Lauterer Kreuzstein ist sicher eines der wertvollsten Kulturdenkmale Oberfrankens aus unserer
Frühzeit und bei der Spanne von einem Jahrtausend, das zwischen seiner Errichtung und unserer nachspürenden Betrachtung liegt, können nicht alle Fragen um ihn
gelöst werden.
(Fränkische Blätter, 10.Jg., 1958, Nr.23, S.91-92)
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