Ikonographie


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Der Ausdruck Ikonografie leitet sich von den griechischen Wörtern ikon = Bild und graphein = schreiben ab. Sie bezeichnet eine wissenschaftliche Methode der Kunstgeschichte, die sich mit der inhaltlichen Deutung von Werken der Bildenden Kunst beschäftigt. Erforscht werden Inhalt und Symbolik der Bildgegenstände unter Berücksichtigung von zeitgenössischen Quellen, die auf die jeweiligen Motive und ihre Darstellungsweise Einfluss hatten.
Im Bereich der Steinkreuzforschung beschäftigt sich die Ikonografie überwiegend mit der Deutung und Zuordnung der Einzeichnungen und deren anschließende Deutung als Handwerkszeichen, Grenzzeichen, Waffe, Gerät oder religöses Beigabe.

Für die Aufzählung unterschiedlicher ikonografischer Abhandlungen haben wir uns in eine Unterteilung in sechs Hauptgruppen entschieden:


Kriegswaffen, Jagdwaffen und Richtwerkzeuge
Werkzeuge & bäuerliches Gerät
heidnische & religiöse Motive
Heraldik
Zahlen & Schrift
sonstige Motive

Aber auch hier gibt es fließende Grenzen. So können Beil, Rad, Hammer, Schere oder Zange ebenso handwerkliches Werkzeug sein wie Werkzeuge der mittelalterlichen Rechtsvollstreckung. Schwert und Beil können Kriegswaffe und Hinrichtungswerkzeuge sein. Der Spieß ebenso Jagd-, Kriegs- und Hinrichtungswaffe. Das Messer kann als großer Hirschfänger eine Jagdwaffe sein, aber ebenso ein normaler Gebrauchsgegenstand der als Mordwaffe diente oder ein spezielles Handwerkszeug wie die Sesel oder die Schuhmacher-Kneipe.
Glaubt man einigen literarischen Quellen wurde selbst der Pflug als Richtwaffe verwendet bzw. die Pflugschar zum Kopf abschlagen.

Welch vielfältige Verwendung und Bedeutungen mit den einfachsten Grundformen erreicht wurde, soll an Hand der Einzeichnungen, die sich auf die Verwendung von Kreis und Speiche reduzieren, aufgezeigt werden:

Einzeichnung
Beschreibung
Deutung / Bedeutung
Scheibe ohne weitere Differenzierung

Die ursprünglichste Form des Sonnensymbols oder die Darstellung eines Brotes als Attribut eines Bäckers.

Scheibe mit Kreuz = Scheibenkreuz

Das heidnische Sonnenrad, aus welchem sich unter dem Einfluß der christl. Kirche das Scheibenkreuz entwickelte.

Scheibe mit zwei versetzten Kreuzen.

Die Weiterentwicklung des Scheibenkreuzes durch hinzufügen weiterer "Speichen". Durch das gedachte Ausfüllen jedes zweiten Feldes erhält man ein Malteserkreuz bzw. die Kreuzglorie.

Kreis ohne Randreifen aber mit Nabe / Auge, bzw. Nabe / Auge und Speichen

Mit diesen Einzeichnungen werden Mühlsteine bzw. Läufersteine als Attribut des Müllers dargestellt.

1)
Kreis mit / ohne Nabe, Speichen und "verzahntem" Rand

Dieses Symbol stellt ein auf die wesentlichsten Merkmale reduziertes Mühlrad oder Antriebszahnrad dar. Attribut eines Müllers mit (Wasser)-mühle.

Rad mit Randreifen, Nabe und einer Anzahl Speichen.

Dies ist die Darstellung von Wagenrädern und anderen handwerklich verwendeten Rädern wie z.B. Spinnräder.

2)
Kreis mit doppeltem Rand, darin Krucken- oder Tatzenkreuz.

Die ältesten Rechtsbücher nutzen diese Darstellung als Symbol für gebundene / befriedete Tage. Ob dieses Symbol, auf Steinkreuzen und Kreuzsteinen verwendet, auf befriedete Orte hinweist ist nicht bewiesen.


1) Das Fehlen der Nabe bei der Darstellung eines Mühlrades / Antriebszahnrades wirft wirft weitere Fragen auf.
2) Diese Deutung ist eine Vermutung, bisher nicht belegbar.

Für die am häufigsten vorkommenden Einzeichnungen wurden weiterführende Seiten mit Bildbeispielen und vielen weiteren Informationen und Vergleichsmöglichkeiten zusammengestellt.
Hier liegt die Beachtung auf der Einzeichnung, egal ob auf einem Steinkreuz, Kreuzstein oder anderem Objekt dargestellt.

Auf den Übersichtsseiten der Hauptgruppen finden Sie die verwendeten und weiterführenden Quellen und Literatur, sowie Aufsätze zu Einzeldeutungen.
Unter "weitere Hinweise und Auszüge" finden kleinere Erwähnungen und Literaturauszüge Beachtung, die die Thematik nur Anschneiden.

Wir geben die einzelnen Abhandlungen wertungsfrei wieder. Nicht alle spiegeln die Erkenntnisse der modernen Steinkreuzforschung wieder, geben aber einen Überblick zur Entwicklung dieses speziellen Wissenschaftszweiges und zeigen weitere, teilweise vom Zeitgeist geprägte, Deutungen auf.

Die Seiten sind keinesfalls abgeschlossen, sie sollen vielmehr ständig mit weiteren Vergleichsobjekten gefüllt und erweitert werden. Ein besonderes Augenmerk wird auch auf die Darstellung von Waffen und Geräten in den mittelalterlichen Bilderhandschriften und Rechtsbüchern gelgt. Erstaunlicherweise finden sich Darstellungen aus der reichen Bildersprache dieser Werke, in Proportionen und Ausführung fast identisch, auf den Darstellungen der Steinkreuzen wieder.

Viele Einzeichnungen auf mittelalterlichen Denkmalen finden wir in gleicher Form in den frühen Rechtsbüchern. Die Bildersprache des Mittelalters tritt hier besonders Anschaulich in den Mittelpunkt. Die verwendete Symbolik gibt uns wichtige Hinweise auf die gesellschaftliche Stellung des ums Leben gekommenen. Hier eine Übersicht der gesellschaftlichen Gliederung des Volkes im Mittelalter nach Darstellungen zum Sächsichen Land- und Lehnrecht aus dem 12. und 13. Jahrhundert:


1. Gott 2. Papst 3. Bischof 4. Abt 5. Äbtissin 6. Priester
7. Kaiser 8. König 9. Herzog 10. Lehnsherr 11. Richter
aus dem Lehnsrecht
12. Richter
aus dem Landrecht (Graf)
13. Schöffe 14. Bürgermeister 15. Schultheiß 16. Büttel 17. Bauer 18. Lehnsmann
19. Frau und Mädchen 20. Hirt 21. Sachse 22. Wende 23. Wendin 24. Jude


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