Deutschland Mecklenburg-Vorpommern Lkr. Ostvorpommern

Wolgast (I)


Aufnahme von
Bockemöhl (1992)

Abbildung bei
Jakob (1979)

PLZ: 17438

GPS:

Standort: In der Wolgaster Petrikirche, Kircheninnenseite, in der Chor-Südwand eingemauert.

Größe / Material: 85:50:?

Geschichte: Benennung: "Gerovit-Stein". Er stellt eine Person mit Lanze und mit einem Kreuz über seinem Kopf dar. Der Wolgaster Schutzgott der Slawen war Gerovit (auch Frühlings- und Kriegsgott), so kommt die Zuordnung. Entstanden vor der Christianisierung 1128.

   Auf derselben Stelle, wo jetzt die St. Petri-Kirche steht, befand sich in vorchristlicher Zeit der Haupttempel der heidnischen Götzen.
   Der Hauptgötze war Gerovit oder Herovit, der Gott des Krieges. Das Standbild des Götzen im Tempel war eine Kolossal-Statue, die aus grobem Holz geschnitzt und mit einem Schwert umgürtet war. Ein Heerschild von ungewöhnlicher Größe hing an der Wand. Kein Sterblicher durfte ihn berühren. Nur der Oberpriester trug ihn voran, wenn es in den Kampf ging. Das gab den Kriegern die Zuversicht des Sieges. Der zweite Hauptgötze war Barovit, der Gott des Friedens und der Fruchtbarkeit. Er war dargestellt als eine Holzfigur mit fünf Gesichtern. Außer diesen beiden Götzen verehrte man noch in einer kleinen Kapelle des Zieseberges die Göttin Ziese oder Zisa, die Beschützerin der Seefahrer. Man hatte sie aus Holz gebildet mit einem hellblauen Kleide angetan. Auf ihrem Haupte thronte ein silberner Halbmond, ein weißer Schleier umhüllte die Gestalt, an der eine Riesenharfe lehnte. Ihre rechte Hand hielt ein Füllhorn, ihre linke ein Schiff.
   Es wird berichtet, daß Wolgast ein ganz besonders starker Hort des Heidentums war. Mit zäher Standhaftigkeit hingen die heidnischen Wolgaster an ihren Götzen, und ihre Priester waren eifrig bemüht, sie im Glauben zu erhalten und dem eindringenden Christentum größten Widerstand entgegenzubringen. Als darum Otto v. Bamberg 1128 nahte, wurde beschlossen, den Bischof und seine Diener ums Leben zu bringen, ja es sollte jeder sterben, der sie beherberge.
   Aber da kam Otto von Bamberg in Begleitung des Herzogs Wartislaw mit vielen Kriegsleuten, und nun getrauten sich die Wolgaster nicht, ihr Vorhaben auszuführen. Nachdem das Volk die Ohnmacht seiner bisherigen Götter erkannt hatte, fand Otto von Bamberg am nächsten Tag offene Ohren für seine Predigt, und fast alle Einwohner ließen sich taufen. Der Götzentempel und die Götter wurden zerstört, und der Bischof legte selbst den Grundstein zu einem christlichen Gotteshause. Über das erste Kirchengebäude und sein Schicksal fehlen alle Angaben. Aus dieser Zeit stammt der Gerovit-Stein. (Festschrift zur 700.Jahrfeier, 1957)

Jetziger Standort ist nicht Originalfundstelle, die sich in selber Kirche woanders befand. Über dem Kopf der Figur ist deutlich ein Kreuz eingeritzt. Abbildungen in ähnlicher Ausführung finden wir z.B. auf der Rückseite des Bildsteins in Niederdollendorf (NRW), mit Speer - als heidnischer Priester-Häuptling gedeutet, oder am Steinkreuz in Rumpfen (BW).
Die nach oben gehaltenen Hände kommen in der heidnischen Bilddarstellung ebenso vor wie in der christlischen. Auch der Christ betete in der alten Kirche mit offen zu Gott erhobenen Händen. Diese Haltung hat sich sogar bis heute beim "Baumbeten" bewahrt, wenn der Bauer am Gründonnerstag auf seinen Anger hinausgeht, unter einem Baum niederkniet und mit ausgebreiteten Armen sein Gebet verrichtet (vgl. Mößinger, Friedrich - Das Feldbild bei Hirschhorn, 1950).

[...] Parallel-Beispiele aus ehemals slavischem Gebiet sind der Grabstein eines weltlichen Edlen in der Petrikirche von Wolgast und der sog. Wratislawstein von Stolpe / Grüttow (Krs. Anklam). Beide Steine, deren Figuren die geknickt erhobenen Arme zeigen, ersterer mit einer Lanze, werden von A. Holtz, dem besten Kenner der pommersdien Bildsteine, als frühchristliche Grabsteine bekehrter slavischer Edler nachgewiesen und in das 12.Jh. datiert.
Eine interessante Parallele zur Figur von Wolgast zeigt sich auch auf dem Steinkreuz bei Unterbimbach (Fulda) an der B 62, wo auf dem Sockel ebenfalls eine primitiv gestaltete Figur eingemeißelt ist, welche links eine Lanze hält. Den gestreiften oder gefalteten Rock des Wratislawsteins von Stolpe / Grüttow weist auch neben der typischen Armhaltung die Grabplastik des sog. Wojwoden von Radimlja, Ostherzegovina auf. [...] (Jakob 1979)

Weiteres zu Bild- und Götzensteinen.

Sage:

Quellen und Literatur:
Jakob, Hans - Der Schamelstein bei Kirchleus, in: Archiv für Geschichte von Oberfranken, 59.Bd., Bayreuth 1979, S.19 m.Abb.
Otto von Bamberg in Wolgast, in: Festschrift 700 Jahre Wolgast, 1257-1957, Hrsg.: Rat der Stadt Wolgast 1957, S.8
Buske, N. / Bock, S. - Einzelne Ausstattungsstücke der Petrikirche, in: Wolgast, Herzogliche Residenz und Schloß.., Thomas Helms Verlag, Schwerin 1995, S.45
recherchiert und bebildert von Wolfgang Fredrich, Sponholz und Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V. (Aufnahme vom Mai 2007)
weitere Hinweise von Werner Müller, Elze



Wolgast (II)


Abbildung in der
Festschrift von 1957

Skizze bei
Buske / Bock (1995)

Gipsabdruck
des Steines
Quelle: Museum
"Kaffeemühle"

GPS:

Standort: An der Außenseite, im Fundament. Stein ist seitlich gekippt im Fundament eingemauert. Ein Abguß in Form einer Gipsplatte befindet sich im Museum ("Kaffeemühle") von Wolgast.

Größe / Material: 150cm lang

Geschichte: Für die Fotoaufnahme zum Beitrag in der Festschrift von 1957 wurden die Einritzungen mit Kreide hervorgehoben. Damals war er schon fast bis zur Hälfte im Boden verschwunden, doch wurde er eigens zur Fotoaufnahme oder auch zum Anfertigen des Gipsabdruckes freigelegt.

Neben dem Eingang von St. Petri wurde einer der wenigen erhaltenen slawischen Bildsteine der Region eingemauert. 1128 hatte Pommernmissionar Otto von Bamberg das hiesige Heiligtum, den Tempel des Gerowit, auch ein Gott des Krieges, zerstören lassen. Vermutlich wurde hier die erste christliche Kirche errichtet, der sogenannte Gerowitstein fürs Fundament genutzt. Wohl Zeichen des Sieges, der sich auch im Weihekreuz über der Figur mit der Lanze dokumentiert. Ein zweiter behauener Granit mit Lanze tragendem Mann und griechischem Kreuz fand 1920 in der Wand des südlichen Seitenschiffes seinen Platz. (Oberdörfer 2006)

Wolgast, Petri-Kirche. Bildstein im Turmfundament des Hauptportals (zur Hälfte im Erdboden) stehende (?) männliche Figur vor doppellinigem Halbkreis (Weltenrichter?), darüber Kreuz, Darstellung beidseitig durch Doppellinie begrenzt. (Dehio 1980)

Sage:

Quellen und Literatur:
Buske, N. / Bock, S. - Einzelne Ausstattungsstücke der Petrikirche, in: Wolgast, Herzogliche Residenz und Schloß.., Thomas Helms Verlag, Schwerin 1995, S.45
Otto von Bamberg in Wolgast, in: Festschrift 700 Jahre Wolgast, 1257-1957, Hrsg.: Rat der Stadt Wolgast 1957, S.8
Oberdörfer, E. - Ostvorpommern. Vom Amazonas des Nordens zu den Kaiserbädern - ein Reise- und Lesebuch, Edition Tremmen, Bremen 2006, S.208-209
Dehio, Georg - Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler. Die Bezirke Neubrandenburg, Rostock, Schwerin, Akademie-Verlag, Berlin 1980, S.463
Holtz, Adalbert - Die pommerschen Bildsteine, in: Baltische Studien, Neue Folge (NF), Band 52, 1966, S.7-30
recherchiert und bebildert von Wolfgang Fredrich, Sponholz und Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V. (Aufnahme vom Juni 2007)
weitere Hinweise von Barbera Roggow und museum.wolgast.de



Einzelne Ausstattungsstücke der Petrikirche
Die beiden slawischen Grabsteine

Zeichnung des Steines im westlichen Turmfundament und der Stein im Chorumgang

Die beiden in der Petrikirche eingemauerten slawischen Grabsteine gehören sicher in die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts. Der eine wurde liegend im Turmfundament vermauert. In der Art der Ritzzeichnung, die nicht mehr alle Einzelheiten erkennen läßt, ist er dem als "Wartislaw-Stein" bezeichneten Gedenkstein (Grenzstein?) bei Grüttow - auf halbem Weg zwischen Anklam und Jarmen - vergleichbar.

Der zweite slawische Grabstein, wurde bei den Wiederherstellungsarbeiten nach dem Brand von 1920 im Fundament der Südkapelle gefunden. Als man unter der Kapelle eine Gruft anlegte, hat man ihn dort vermauert. Der Fundort bezeichnet also nicht den ursprünglichen Standort. Jetzt ist der Stein im Inneren der Kirche, im östlichen Teil der Südwand, eingemauert.

Es fällt auf, daß das Kreuz über der Gestalt in einer anderen Technik in den Stein gehauen, also möglicherweise nachträglich hinzugefügt worden ist. Sollte das der Fall sein, so muß der Stein als ein direktes Zeugnis der Christianisierung von Wolgast betrachtet werden.
(Buske und Bock - Wolgast, Herzogliche Residenz und Schloß.., Thomas Helms Verlag, Schwerin 1995, S.45)


Sühnekreuze & Mordsteine