Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Autofahrern fallen immer wieder kleine Kreuze aus Holz, Stein oder Eisen auf, die neben der Straße stehen und von Angehörigen oder Freunden
hier tödlich Verunglückter zur Erinnerung an die Toten, aber auch zur Mahnung der Lebenden errichtet wurden.
Diese modernen Male stehen in einer jahrhundertealten Tradition. Seit dem Hohen Mittelalter setzte man Kreuze aus Holz oder Stein zum Gedächtnis an
Menschen, die durch ein Unglück, ein Verbrechen oder im Kampf plötzlich sterben mußten. Im 16. Jahrhundert gehörten diese Male zum Bild der Landschaft, daß es
der Jesuitenpater Usmarus, der 1556 durch den Thüringer Wald und das Erzgebirge nach Prag reiste, für wichtig hielt, seinem Ordensgeneral Ignatius von Loyola
mitzuteilen, er habe überall niedere Steinkreuze mit eingehauenen Schwertern, Äxten, Beilen und Dolchen gesehen.
Über eine religiöse Wurzel hinaus, lassen sich innerhalb der Steinkreuze Sühnemal, Titulus und Erinnerungsmal an einen Unfall oder einen Mord unterscheiden:
Sühnkreuze sind Rechtsmale, die derjenige errichten mußte, der einen anderen im Affekt getötet hatte, wenn er - was im Mittelalter möglich war - mit den Angehörigen
des Opfers einen (privatrechtlichen) Vergleich schloß. Tituli erinnern an Männer, die im Kampf fielen, und Erinnerungsmale setzen Angehörige und Freunde zum
Gedächtnis an einen Menschen, der einem Unfall oder Verbrechen zum Opfer gefallen war.
Die mit der Errichtung der Steinkreuze verbundene Absicht, den plötzlich Verstorbenen durch die Macht des Gebetes aus dem Fegefeuer zu erlösen, führte
dazu, daß man viele Male an stark begangenen Wegen aufstellte, obwohl sich der Unfall oder das Verbrechen an einem anderen Ort zugetragen hatte. Denn hier
konnten viele Menschen für den Toten beten und ihm weit wirksamer helfen als an einer Stelle, die nur selten aufgesucht wurde. Andererseits ereigneten sich auf den
unbefestigten mittelalterlichen Straßen, besonders an Steigungen und Gefällen, immer wieder Unfälle, die Todesopfer forderten, oder wurden Reisende überfallen und
erschlagen.
So stehen auch von den etwa 30 Steinkreuzen aus dem 15.-19. Jahrhundert, die sich in den Kreisen Bad Dürkheim und Kaiserslautern sowie dem Donnersbergkreis
erhalten haben, fünf westlich von Wattenheim an einer einstmals bedeutenden Straße, welche die Rheinebene mit der Westpfalz und Lothringen verband. Es sind dies
im Wattenheimer Wald der "Kochlöffel" auf dem "Kleinen Bühl" und das "Waßner"- oder "
Jakobskreuz" in der Waldabteilung "Sandkehre" / "Faßeck", im Stumpfwald
das "Combekreuz" und der "Metzgerstein" und schließlich im Fischbacher Wald das Fragment eines Steinkreuzes.
Die alte Hochstraße
Dieser ehemals bedeutende Verkehrsweg durch den Pfälzer Wald nahm als "Wormser Straße" in der Reichsstadt am Rhein ihren Anfang, führte an Kirchheim
und Sausenheim vorbei und führte über Neuleiningen, Nackterhof, Keckenhütte und der heute verschwundenen Hammermühle zum Seckenhäuserhof, um westlich von
ihm die Höhen des Pfälzer Waldes zu erreichen. In ihrem weiteren Verlauf umging die Straße den "Hohen Bühl" und stieg durch die wegen ihrer schwierigen
Wegverhältnisse berüchtigten Eishohl zum Paß auf dem Schorlenberg bei "St. Nikolaus" (an der "Platte") auf. Auf dem Schorlenberg, einem ausgesprochenen
Kammpaß mit verhältnismäßig geringen Einsenkungen, teilten sich die Straßen. Eine führte nach Süden Richtung Frankenstein und damit ins Dürkheimer oder
Neustadter Tal, die andere jetzt "Lautringer Straße" genannt, führte auf dem Höhenrücken weiter nach Westen. In der heutigen Waldabteilung "Am Schlagbaum"
berührte sie eine pfälzische Zollstätte und stieg über den "Nußknick", wo sie eine früher stark begangene Straße in die Nordpfalz kreuzte, auf den heute von der
Eisenbahn untertunnelten Paß beim Altenhof zwischen Enkenbach und Fischbach hinab. Östlich von Kaiserslautern (am heutigen Friedhof) mündete sie schließlich
in die von Dürkheim bzw. Neustadt kommende Talstraße ein.
Der Hochstraße kam noch in den Revolutionskriegen des ausgehenden 18. Jahrhunderts eine große strategische Bedeutung zu. Beim Vormarsch der Preußen
1794 stieß Blücher mit seinen Grenadieren und Husaren am 22. Mai von Grünstadt kommend bis zur Platte und dem Schorlenberg vor, um dann die Franzosen im
Neustadter Tal anzugreifen. Am 18., 19. und 20. September des gleichen Jahres kam es zwischen Schorlenberg und Eselsfurt zu schweren Kämpfen, in deren Verlauf
es den Preußen gelang, ihren Gegner bis Trippstadt zurückzuwerfen und Kaiserslautern zu erobern.
Zu Beginn unseres Jahrhunderts scheiterten die Bemühungen, die Hochstraße dem modernen Verkehr zu erschließen. Doch benutzten sie während des Ersten
Weltkrieges viele m Urlaub fahrende Soldaten, wenn sie von der Bahnstation Enkenbach ihre Heimatdörfer im Leininger Land oder in der Rheinebene erreichen wollten
oder von dort zum Bahnhof Enkenbach zurückkehren mußten. Auch zur Zeit des passiven Widerstandes im Jahre 1923 als die Franzosen den zivilen Eisenbahnverkehr
lahmlegten, lebte der Verkehr auf der Hochstraße erneut auf. Heute hat sie ihre einstige Bedeutung an die Autobahn abgetreten, die zwischen den Anschlußstellen
Wattenheim und Enkenbach teilweise parallel zu ihr verlauft.
Zwischen Wattenheim und Altenhof führen Autobahn und Hochstraße durch ein weitgehend menschenleeres Waldgebiet, das bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts
der ideale Schlupfwinkel für allerhand lichtscheues Gesindel war. Hier trieb um 1610 die Bande des Enkenbacher Kraußenbutzers ihr Unwesen, und noch um 1800
machte der "Schwarze Hannes" als Brandstifter und Kindsentführer den nördlich der beiden Straßen gelegenen Stumpfwald unsicher, bevor er 1802 in Mainz auf dem
Schafott endete.
Von Stilepochen beeinflußt
Die 5 Steinkreuze an der alten Hochstraße westlich von Wattenhelm stammen aus verschiedenen Epochen zwischen der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts und
dem Jahr 1866 und unterscheiden sich in ihrer Form erheblich voneinander. Denn auch so bescheidene Male wie Kreuze unterliegen einer Entwicklung, die sowohl ihre
Proportionen und Konturen als auch ihre Attribute, wie Zeichen, Inschrift und Jahreszahl, umfassen.
Dabei ist das vom Holzkreuz beeinflußte einfache Mal mit parallellaufenden oder sich nach außen verbreiternden Balken als Grundform des Steinkreuzes
anzusprechen. Ihr gehören das Steinkreuzfragment im Fischbacher Wald und das Combekreuz an, die beide wohl in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts entstanden
sind.
Sind Flur-Steinkreuze und Grab-Steinkreuze im Mittelalter als zwei eigenständige Typen aufzufassen, so beeinflußt nach der Mitte des 16. Jahrhunderts das
Grab-Steinkreuz das in der Flur errichtete Mal. Mit dem Ende des mittelalterlichen Sühnewesens nach Einführung der Halsgerichtordnung Kaiser Karls V. (1530) und
der Ausbreitung der Reformation ging der Brauch, Steinkreuze zu errichten, zurück. Dagegen begann sich die Gewohnheit Kreuze auf Gräbern zu setzen in ganz
Deutschland auszubreiten. Darüber hinaus stellt das Grabkreuz ein Serienprodukt mit festgelegten Typen dar, das in recht einheitlicher Form und großer Zahl eine
weite räumliche Verbreitung fand, während das Flur-Steinkreuz, selbst in der Zeit seiner Hochblüte, wohl weitgehend in Einzelanfertigung entstand.
Die Abhängigkeit vom Grab-Steinkreuz zeigt deutlich der um 1730 errichtete "Metzgerstein": Er erhob sich ursprünglich über einer breiten, möglicherweise
geschwungenen Fußverbreiterung, die in einem Sockel steckte. Doch hat der Steinmetz auf die bei Grab-Steinkreuzen des 18. Jahrhunderts übliche reiche Gestaltung,
wie kleeblattförmige Balkenenden und plastisch herausgearbeiteten Schmuck, verzichtet und die zierliche durch eine wuchtige Form ersetzt.
Dies gilt auch für den "Kochlöffel", der ebenfalls im 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte. Doch fließen die Konturen seiner Balken stärker ineinander als beim
"Metzgerstein".
Seit dem Spätmittelalter gibt es Male, die den Kreuzstamm besonders betonen: Kopf und Schaft sind breiter als die Arme oder deren Länge ist deutlich verkürzt.
Wie weit die Betonung des Kreuzstammes geführt werden kann, zeigt das "Waßner"- oder "
Jakobskreuz" aus dem Jahre 1866. Betont ist nur noch der Schaft, Kopf und Arme sind dagegen gleich
stark verkürzt und wegen der stark konkav geschwungenen Konturen nicht mehr klar voneinander zu trennen. Die flächige Form ist ein Entwicklungszug des
Grab-Steinkreuzes im späten 18. Jahrhundert. Ihn nehmen sich die Gebrüder Matheis aus Wattenheim, die 1866 das Kreuz schufen, zum Vorbild, obwohl zur
gleichen Zeit auf dem Friedhof Kreuze und Säulen auf Postamenten das Grab-Steinkreuz verdrängt hatten. Die Beschreibung folgt dem Alter und der typologischen
Entwicklung der 5 aus rotem Sandstein geschaffenen Steinkreuze und beginnt deshalb im Westen jenseits der Kreisgrenze mit dem Mal im Fischbacher Wald:
Das Mal im Fischbacher Wald
Fragment eines Steinkreuzes östlich des Forsthauses Schorlenberg (Höhe 84cm, Dicke 27/28cm).
Etwa 600m östlich des Forsthauses und des Autobahnrastplatzes Schorlenberg steht ungefähr 10m südlich der alten Hochstraße der Rest eines Steinkreuzes,
von dem nur Kopf und Schaft erhalten blieben. Zwei Einschußlöcher erinnern vielleicht an die Kämpfe vom 18.-20. September 1794, bei dem möglicherweise auch die
Arme abgeschlagen wurden. - Doch das sind mehr als vage Vermutungen, denn über das Kreuz, das wohl in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als Sühne- oder
Erinnerungsmal entstand, liegen keine Nachrichten vor.
Das "Combekreuz"
Das "Combekreuz" am alten Standort |
Der "Metzerstein" -das Fußstück diese Kreuzes fehlt |
Der “Kochlöffel” am alten Standort |
Das “Wassnerkreuz” |
Lageplan der Steinkreuze bei Wattenheim: 1. Steinkreuzfragment, 2. "Combekreuz",
3. "Metzgerstein". 4. "Waßnerkreuz" und 5. "Kochlöffel".
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