Der Geist des Bürgermeisters Rubenow - 174XX Greifswald
Vor ungefähr 400 Jahren hat in Greifswald ein Bürgermeister
gelebt, Namens Doctor Heinrich Rubenow. Demselben hat die Stadt zwar vieles zu verdanken gehabt, indem es besonders seinen
Bemühungen gelang, daß die Universität nach Greifswald kam. Er war aber auch von unruhigem und rachsüchtigem Gemüthe, so daß
er die Stadt in viele Streitigkeiten verwickelte, und mancherlei Ungemach über sie brachte. Wenn er dann zur Verantwortung gezogen
wurde, so wußte er sich immer herauszureden, und er wurde aus einem Angeklagten ein Ankläger. So ließ er noch zuletzt den anderen
Bürgermeister, Diedrich von Dörpten, als einen Aufrührer zum Tode verurtheilen und auf offenem Markte hinrichten. Auf solche Weise
hatte er sich viele Feinde gemacht, und sein Ende war, daß er im Jahre 1462 auf jämmerliche Weise ermordet wurde. Das sollen die
Rathsherren selbst gethan haben. Man sagt auch, daß es in seinem eigenen Hause geschehen sey, und zwar unten auf dem Hausflur,
gleich an dem dort befindlichen Hals der Kellertreppe. Denn in diesem Hause, welches in der Baaderstraße liegt, und jetzt von dem
Bürgermeister Billroth bewohnt wird, sieht man noch oft des Abends seinen Geist. Er erscheint gewöhnlich mit Peitschenknall. Er sieht
sehr bleich aus, und trägt eine große Pelzmütze. Man sieht ihn nur in der Gegend des Kellerhalses, hinter dem er auch wieder
verschwindet.
(Temme, J.D.H. - Die Volkssagen von Pommern und Rügen, Berlin 1840, Nr.283)
Die Sage vom Wartislaw-Stein bei Stolpe - 17391 Grüttow
Eines Tages befindet sich Herzog Wartislaw mit Gefolge in den reichen Jagdgründen südlich der Peene. Ganz ermattet und müde ist er vom langen Ritt und von den
Anstrengungen der Jagd. Da lädt ihn der Schatten einer prächtigen Eiche zum Verweilen ein. Kaum daß sein Roß am mächtigen Baum festgemacht ist und der Herzog
sich ein wenig ausgestreckt hat, da nickt er auch schon friedlich ein. Sein Gefolge indes läßt ihn einstweilen zurück; die wilde Jagd geht weiter. Es dauert nicht lange, da
kommt ein Fischer des Wegs. Der hat sich längst noch nicht zum "verordneten" Christentum seines Herzogs bekehren lassen. An den vornehm gekleideten und selig
schlafenden Wartislaw herangetreten, erkennt er plötzlich seinen Landesherren. Wut und Zorn kommen in ihm hoch. Ist er es nicht, der die alten guten slawischen Götter
Jarovit und Svantevit verraten hat? Ist es nicht Wartislaw, der sich nun dünkt, der christliche Herzog der Pommern zu sein?
Da muß er nicht lange überlegen: Der Fischer ergreift eine schwere Keule und schlägt mit kräftigen Hieben auf den überraschten Herzog ein. Doch dessen Schreien
und Stöhnen bleibt zunächst ungehört. Mit letzter Kraft reckt er sich noch einmal empor und ergreift den Fischer. Dem reißt er den Kiefer aus - dann hat sich sein Leben
vollendet. Wenige Augenblicke später - auch angelockt durch das Stampfen und Wiehern des herzoglichen Pferdes - kehrt das Jagdgefolge Wartislaws in den Grüttower
Grund zurück. Neben dem Herzog liegt auch der heidnische Peenefischer - schwerverletzt. Ihm geben die Gefolgsleute des Herzogs den Todesstoß. Da liegen sie nun
beide: Täter und Opfer, Heide und Christ.
(Mohr, Lutz - Aus alten Überlieferungen ausgekramt: Die Sage vom Wartislaw-Stein bei Stolpe, in: Heimathefte für Mecklenburg und Vorpommern (Schwerin), 7.Jg., Heft 1/1997, S.49-50)
Der Kreuzstein von Barnim II - 17375 Hintersee
In alten Zeiten ritten die Pommernherzöge gerne
zur Jagd in die Ueckermünder Heide, dem großen Waldgebiet zwischen Oder und Peene, Haff und Uckermark.
Eines Tages überraschte die Nacht Herzog Barnim II. und seine Freunde in der Nähe von Vogelsang, wo das Schloss des
Vidante von Muckerwitz stand. Gerne nahm der Schlossherr die Jagdgesellschaft auf, bewirtete sie und ließ Nachtquartiere herrichten.
Am nächsten Morgen begrüßte die schöne Schlossherrin die Gäste. Der junge Barnim entbrannte in Liebe zu ihr.
Wieder im Stettiner Schloss angekommen grübelte er lange, wie er sie erobern könnte. Er beschloss, Vidante als herzoglichen
Gesandten zum König von Polen zu schicken. Als Barnim den Schlossherrn in sicherer Entfernung wusste, ritt er nach Vogelsang
und warb um die Gunst der jungen Frau. Beide genossen eine schöne Zeit.
Man hatte aber Vidante die Liaison der Beiden zugetragen. Wutentbrannt traf er zu Hause ein und sann auf Rache. Schon am
nächsten Tag erschien Herzog Barnim vor dem Schloss und stellte erschrocken die Rückkehr des Hausherrn fest. Er lud ihn zur Jagd
ein und bald verfolgten sie einen stattlichen Hirsch, so schnell, dass der Troß nicht folgen konnte.
Mitten im tiefsten Wald stellte Vidante Herzog Barnim II. und stieß ihm das Schwert in die Brust, bevor dieser sich wehren
konnte. Barnims Bruder ließ an der Mordstelle einen Gedenkstein und ein großes Kreuz errichten, das Barnimskreuz. Dieses stand
an der Chaussee von Stettin nach Ueckermünde zwischen Entepöl und Hintersee im Hochwald. Man sah das hohe schwarze Kreuz
erst wenn man kurz davor stand.
(Hinz, Johannes - Pommern. Wegweiser durch ein unvergessenes Land, Bechtermünz Verlag,
Augsburg 1996)
Das Steinkreuz von Schaprode - 18569 Schaprode
Am Wegrand vor Schaprode, da steht ein grauer Stein,
Drin meißelt' man vor Zeiten der Platen Wappen ein.
Der Stein starrt stumm und schweigend, sechshundert Jahre lang,
Um ihn webt graue Kunde der Sage dicht Gerank.
Ein tief Geheimnis deckte, wer hier erschlagen lag,
Sechshundert Jahr vergingen, der graue Stein der sprach.
Und sprach, daß Ritter Reimar in Fehd' und blut'gem Streit
Vom Rosse sank – die Sühne im Tode ihm zur Seit'.
In seiner Sünden Blüte trat er vor Gottes Thron;
Kein Priester konnt' ihm geben davon Absolution.
Und wer den Ahn erschlagen? Der Gegner Namen nennt.
Nicht Urkund und nicht Sage, nicht Stein noch Pergament.
Die Kirchenglocken läuten weit durch die Sommerluft,
Gepanzert ruhn die Ritter in ihrer Väter Gruft;
Des Weihrauchs Duft umwogte das Wappen, schwarz umhüllt,
Des Stammes nächster Erbe ergriff den alten Schild.
Ein wundertätig Bildnis von unsrer lieben Fraun,
In der Schaproder Kirche war's im Gestühl zu schaun;
Der Prieser kniet und betet zur Himmelskönigin,
Daß sie in lichte Höhen nähm des Ritters Seel' dahin.
Auf Heimatgrund erschlagen des Stammes Blüte lag;
Die ,Teilung der Apostel', das war der schwarze Tag.
Manch Wandrer betet leise, wenn er des Weges geht,
Wo auf dem grauen Steine, das schlichte Sprüchlein steht.
(Carl Gustav von Platen)
Der Sühnestein des Alexander von Harten - 18246 Wolken
An einem schönen Sommermorgen, zu Ende des
Monats Juny im Jahre 1623, bewegte sich eine schwere Reisekutsche mit 2 kräftigen Rappen bespannt, munter fort auf der bützower
Landstraße. In derselben befanden sich Alexander von Harten und sein Schreiber und Diener, Heinrich Hans Andreas von Driesen
genannt; auf dem Bocke aber saß der alte treue Kutscher, Peter Wirow.
Alexander von Harten, Bürgermeister der damals noch herzoglich pommerschen Stadt Demmin, war zwar ein gestrenger, aber
doch ein durchaus rechtlicher und redlicher Mann. Er beschützte und förderte das Gute und Wahre, hielt srenge auf Recht und
Gesetz, auf Zucht und Ordnung in seiner Stadt und war so dem guten Bürger ein Freund und Beschützer, dem schlechten aber ein
unnachsichtlicher Richter und Bestrafer.
Harten hatte Geschäfte in Mecklenburg gehabt und befand sich nun aufder Rückreise. Außer vielen wichtigen Papieren, die er
bei sich führte, enthielt auch sein Reisekoffer noch eine bedeutende Summe baaren Geldes, welches er aufdie Bitte und im Auftrage
eines demminer Einwohners – als dessen Erbtheil von einem im Mecklenburgischen verstorbenen reichen Verwandten, - zugleich
auch noch aufdieser Reise an betreffender Stelle einkassirt hatte.
Recht matt und müde hatte der Bürgermeister den Kopf in die Ecke des Wagens gedrückt und war eingeschlafen. Auf dem
ehrwürdigen Gesichte des alten Herrn, von langen grauen Locken umrahmt, ruhte stiller Friede, fromme Glückseeligkeit und Freude;
er schlummerte so sanft und träumte von Weib und Kind daheim, von seinem häuslichen Glücke und von den nahen reinen Freuden.
Auch des alten, getreuen Peter Wirow’s Gedanken weilten daheim; er dachte an die nahe Erndte und die sonstigen, nothwendigsten
Hof- und Feldarbeiten seines Brodherren. Schläfrig nickend saß er auf dem Bocke, zwar schlaff, doch sicher die Zügel mit der
Linken, die Peitsche nachläßig in der Rechten haltend, während die klugen Pferde im langsamen Trabe, munter die Landstraße
verfolgend, den Wagen weiter zogen.
Während die Beiden den Schlaf des Gerechten träumten, wachte aber der Schreiber, Heinrich Driesen, mit Hinterlist und
Habgier. Driesen, ein durchaus schlechter und verdorbener Mensch, war schon von Kindesbeinen an immer ein böser Bube gewesen.
Kein Mensch mogte ihn leiden, Niemand seiner Altersgenossen hielt Umgang mit ihm, denn stets suchte er bei seinen verächtlichen
Eigenschaften, auch noch Händel und Streit und Gelegenheit, sich mit Jedermann zu schelten und zu schlagen. Der Vater grähmte
sich so sehr darüber, daß er, als Heinrich beinahe 15 Jahre alt war, in eine tödtliche Krankheit verfiel und bald seiner, ihm schon
einige Jahre vorangegangenen Gattin in das Reich des ewigen Friedens nachfolgte. Als der junge Driesen nun so ganz allein und
verlassen dastand und Niemand von ihm wissen wollte, erbarmte sich der gute Bürgermeister des Waisenknaben, um vielleicht doch
noch dereinst einen ordentlichen Menschen aus ihm bilden zu können. Doch es war nur Schein und Täuschung; Driesen wußte sich
zu verstellen. Seine Niederträchtigkeit und Verstellungskunst ging soweit, daß er oft bei den guten Ermahnungen des würdigen
Bürgermeisters weinte und die größte Reue über sein früheres Leben an den Tag legte; sobald aber Harten dann nur den Rücken
gewendet hatte, steckte er boshaft grinsend die Zunge aus und betrog und hinterging denselben auf’s Neue.
Fünf Jahre schon war Heinrich Driesen im Hause des Bürgermeisters, als er nun seit 2 Tagen den Plan für den Raubmord
vorbereitete. Während Alexander von Harten noch so in der Kutsche träumte, stürzte sich plötzlich, gleich einem Tieger, der
schändliche Driesen auf den sorglos Schlafenden, und ehe dieser noch zur Besinnung kommen konnte, hatte Ersterer schon mit
mordgierigen Händen dessen lose umgelegtes Halstuch erfaßt und zog aus Leibeskräften die beiden Enden derselben so fest und
so lange zusammen, daß, ohne einen Laut von sich zu geben, Harten bald seinen Geist aufgeben mußte und erdrosselt dalag. – Als
diese That vollbracht, galt es auch den auf dem Bocke noch immer im halben Schlafe nickenden Kutscher zu beseitigen. Eben so
meuchlings überfiel er jetzt auch diesen, indem er sich leise aus dem Wagen schwang und, schnell wie eine Katze auf den Bock
kletternd, dem Arglosen das scharfe Messer in die Kehle stieß. Mit blutbefleckten Händen erbrach nun Heinrich Driesen, nach
vollbrachtem Doppelmorde, den Koffer, steckte zu sich was er an Geld enthielt und eilte dann, schwer mit Raub beladen, von dannen.
Eine Stunde später entdeckten vorbeikommende Arbeiter, was hier geschehen; sofort machten sie Anzeige davon, und bald
gelangte dieselbe auch, durch Vermittelung des Magistrates zu Bützow, nach Demmin. Allgemeine Theilnahme und Entrüstung
erweckte nah und fern die Kunde von diesem grauenhaften Verbrechen. Als man nach einigen Tagen die Leichen der Erschlagenen
in feierlicher Prozession zurücke nach Demmin führte, da strömte von allen Seiten viel Volks herbei, um den Todten die letzte Ehre
zu erzeigen. Unter Glockengeläute und Trauersang wurden später beide Leichen zugleich auf dem demminer Kirchhofe zur Ruhe
bestattet. Während man die irdische Hülle Alexander’s von Harten in das seiner Familie gehörende Erbbegräbniß beisetzte, senkte
man die des Peter Wirow in eine vor demselben bereitete Gruft, damit er seinem Herrn nun auch noch im Tode nahe sein sollte.
Zur Erinnerung an diesen Doppelmord setzte man bald darnach an der Stelle des wolkenschen Feldes, im sogenannten Darnow
Holze, wo derselbe verübt worden ist, einen Denkstein, mit eingangs genannter Inschrift.
Der auf dem Steine ausgesprochene Wunsch sollte nicht unerfüllt bleiben, denn obgleich man – ungeachtet der vielen
angestellten eifrigen Nachforschungen, sowohl von herzoglich mecklenburgischer, alsauch herzoglich pommerscher Seite, – erst nach
langer Zeit des Mörders habhaft wurde, so entging er deshalb doch nicht seiner gerechten Strafe. Bald nach seinem Ergreifen wurde
Heinrich Driesen lebendig geviertheilt und seine irdischen Ueberreste auf dem Schindanger verscharrt.