An Kreuzwegen wurden noch in nachmittelalterlicher Zeit Selbstmörder begraben und Bildstöcke zum
Troste ihrer Seelen gesetzt. - Auch in Frankreich stehen besonders viele Kreuze seit dem frühen Mittelalter an Kreuzwegen, wo sie vor den bösen Geistern schützen.
(Brockpähler, Wilhelm - Steinkreuze in Westfalen, 1963, S.121 Anm.21)
Von den Denksäulen wenden wir uns nun zur zweiten
Gruppe: zu den Bittsäulen.
Sie wollen Krankheiten, Unwetter, Mißwachs, Feuer, Geisterspuk u. dgl. abwenden. Sehr zahlreich sind sie in den Weingegenden: Vitus im Kessel ist der Patron;
oft finden sich zierliche Barocksäulen mit Weinlaub umwunden. Der heilige Donatus schützt die Saaten, Florian die Häuser und Scheunen, der heilige Nepomuk die
Brücken, die Wetterkreuze gegen Unwetter (z.B. bei Karnabrunn), die Kreuzwegsäulen gegen die bösen Geister, die an Kreuzwegen ihr Unwesen treiben.
Aufgerichtet wurden sie zumeist von Einzelnen, manchmal aber auch von mehreren, von
Eheleuten, von Familien, von Gemeinden, von Korporationen.
(Vancsa, Dr. Max - Über Bet- und Denksäulen in Niederösterreich, in: Berichte und Mitteilungen des Altertums-Vereins zu Wien, Band XXXIX, 1905, S.110)
Eine ähnliche Bedeutung wie die Steine als Sitz und Aufenthaltsorte der Toten haben im germanischen Volksglauben
auch Quellen und Bäume; der Glaube an die Zauberkraft von Weihegeschenken, wie man sie bei den Germanen als Dankesgabe für wiedererlangte Gesundheit oder
Unterstützung an Bäumen und an Kreuze aufhing, findet sich in ähnlicher Weise bei den Aegyptern, Griechen und Römern, und hat sich wenn auch in veränderter Art
erhalten bis auf den heutigen Tag, wo diese Votivgaben in Kirchen und Kapellen unter Anrufung der Heiligen aufgehängt werden. Diese Weihegeschenke sind schon
in vorchristlicher Zeit hauptsächlich an Kreuzwegen niedergelegt worden, die, wie bekannt, im Volksglauben zahlreicher Völker eine so große Rolle als Aufenthaltsort
der Toten spielen; bei den Griechen wird an Kreuzwegen der Herrin Hekate geopfert. Mit der Bannung des Toten in Steine hängt aufs Engste zusammen die uralte
Vorstellung von der möglichen Wiederkehr des Toten, aus der sich der Vampyrglaube entwickelt hat. Es gibt kaum eine deutsche Sagensammlung, in der sich nicht
Wiedergängersagen an Kreuzwege knüpfen; auch dieser Glaube ist bei vielen Völkern der Erde ein uralter. Aus Angst vor dem Umgehen hat man schon in den
Hockergräbern den Toten die Beine zusammengebunden oder auch die Toten gepfählt, durchbohrt und zerstückelt. Am Kreuzweg erschienen die Toten als
Irrlichter, als feurige Hunde, als Menschen
ohne Kopf, als feurige Reiter; hier kann man die wilde Jagd, das wütende Heer, die Schar der Toten sehen; hier treiben
auch die Hexen ihr Zauberwerk, und beschwört man die Toten am Kreuzweg und sucht man durch Zauber Krankheiten zu heilen, ganz besonders während der
Zugzeit der Toten in den 12 heiligen Nächten von Weihnachten bis zum Dreikönigstag. Wie lebendig die Vorstellung von dem Aufenthalt der Toten an diesen Steinen ist,
zeigt sich noch heute daran, daß man an manchen Orten Stroh bei diesen Kreuzen niederlegt, damit sich die Toten ausruhen können; man sieht am Kreuzwege auch
die Toten des kommenden Jahres.
(Ernst, Max - Alte Steinkreuze in der Umgebung Ulms, in: Mitteilungen des Vereins für Kunst und Altertum in Ulm und Oberschwaben, Heft 29, 1934, S.18)
Als Orakel und Zukunftsvoraussager sollen bisweilen ebenfalls die steinernen Wegkreuze Verwendung gefunden haben.
"Am Heiligen Abend geht der Bauer zu einem Steinkreuz, macht um dasselbe drei Kreise mit der Haselrute ... und 'horcht' ... um die Mitternachtsstunde in das kommende
Jahr". Auch dieser Brauch ist heute bei uns längst nicht mehr heimisch, in abgewandelter Form jedoch wurde er noch im frühen 20.Jahrhundert in der N-Oberpfalz und in
NO-Oberfranken gepflegt:
Hier nannte man es "am Kreuzweg horchen". Bevorzugterweise mußte es eine Weggabelung sein, an der sich auch ein Feldkreuz (nicht unbedingt also ein
Steinkreuz) befand. Dieses "Horchen" übte man aus am Andreasabend (die Nacht vor dem 30.November) und / oder in der Neujahrsnacht (jeweils um Mitternacht). Dieser
Brauch konnte auch in anderer Weise ("Bettbrett-Treten" u.ä. ausgeführt werden).
(Schmeissner, Rainer, H. - Steinkreuze in der Oberpfalz, 1977, S.324-325)