Deutschland Brandenburg Lkr. Uckermark

Ellingen (I) / OT von Prenzlau


Blick zum Standort
Foto: Sommer (2009)

die andere Seite
Foto: Sommer (2009)

seitliche Ansicht
Foto: Sommer (2009)

Zustand 2005
Foto: Sommer

Detail Einzeichnung
Foto: Sommer (2005)

Abbildung bei
Gralow (1980)

Zeichnung bei
Hinrichs (1969)

PLZ: 17291

GPS: N 53° 20,905', O 13° 49,353'

Standort: An der Bundesstraße 198, am östlichen Abzweig nach Ellingen.

Größe / Material: 103:78:20-48 / Granit

Geschichte: Der roh ausgehauenen Granit zeigt auf der Ostseite eine Hand mit gespreizten Fingern in einem Kreis, dem in gleicher Entfernung voneinander vier Kreuze aufgesetzt sind. Die Westseite weist ebenfalls einen Kreis auf, der aus den beiden halbierenden Durchmessern ein Kreuz enthält. Die Enden der Durchmesser zeigen außerhalb wieder die vier aufgesetzten Kreuze. Ursprünglich stand das Steinkreuz am Chauseerand, 1938 wurde es umgesetzt. Dabei kam der bis dahin in der Erde befindliche Sockel mehr zur Geltung. H: 103cm, B: Arme 78cm, Sockel 118cm, Stärke: Kopf 20cm, Arme 32cm, Sockel 48cm.

1. Ellingen, Kreis Pasewalk (Taf.7) Steinkreuz, vermutlich 14. Jahrhundert, Granit.
Standort: Das Kreuz befindet sich heute an der Weggabelung der F 198 nach Ellingen. Früher stand der Stein etwas nördlicher, bei der Regulierung der Straße wurde er versetzt. Mbl. Dedelow 2648, R 54 21 780/H 59 13 600.
Beschreibung: Etwa 1m hohes und 0,30m starkes Sühnekreuz. Die Vorderseite zeigt einen Kreis, in dessen Mitte eine Hand bis zum Oberarm dargestellt ist. Die Finger zeigen vom Betrachter aus gesehen nach links. Das Kreuz wird verschiedentlich gedeutet. Unter anderem wird in ihm eine Wegweisung, ein Grenzstein oder Marktkreuz vermutet. Vom Kreis aus gehen vier kreuzartige Einritzungen in verschiedene Richtungen (jeweils um 90° versetzt). Die Rückseite ist bis auf das Fehlen der Hand ähnlich, nur die Einritzungen treffen sich in der Mitte des Kreises und bilden somit ein Sonnenrad.
Historischer Hintergrund / Sage: Urkundliche Überlieferungen sind uns nicht bekannt. Die Sage berichtet: Zwei Brüder, Offiziere, von denen der eine in Pasewalk und der andere in Prenzlau diente, hatten wegen der Trunkenheit des einen ein Duell am Blindower Tor in Prenzlau (hier stand ebenfalls ein Kreuz). Einer wurde sofort getötet und der andere schleppte sich, schwer verwundet, noch bis nach Ellingen, wo er starb. (Gralow 1980)

Ellingen
Meßtischblatt Dedelow 2648, R. 21 780 H. 13 600
Das am Wegeabgang von der F198 nach Ellingen stehende und in Betreuung der Gemeinde befindliche "Sühnekreuz" ist 1 Meter hoch und 30 Zentimeter stark. Der jetzige Standort ist nicht mehr der ursprüngliche, er war etwas nördlicher und wurde nach Pflasterung und Straßenregulierung hierher verlegt. Zur würdigen Gestaltung der unmittelbaren Umgebung stellte 1939 der Bauer Paul Fielitz-Ellingen einige Quadratmeter Ackerland zur Verfügung. Urkundliche Nachrichten über die Entstehungszeit, die Aufstellung und den Zweck des Kreuzes sind wohl kaum noch vorhanden. Ledebur hat in seiner Arbeit 1852 eine Beschreibung von Bekmann (1751) übernommen und gibt an, daß früher um das Kreuz herum ein Steinkranz gelegen habe, wie man ihn häufig bei frühgeschichtlichen Grabstätten findet, sagt jedoch, daß 1845 eine solche Steineinfassung nicht mehr vorhanden war. Er war einem Irrtum zum Opfer gefallen, wie sich später herausstellte; denn Bekmann meinte in seiner Beschreibung der Mark Brandenburg ein Kreuz beim Dorf Arensdorf bei Frankfurt und erwähnte im gleichen Zusammenhang auch das von Ellingen. Einen weiteren Bericht finden wir im "Nachlaß Bekmann" 1741 von der Hand des Güstower Pfarrers und wörtlich:
"Auf dem Felde des Filials Ellingen stehet ein großer Stein in Form eines Kreuzes aufgerichtet, auf welchem ein circul und in demselben eine flache Hand ausgehauen. Die Historien so von diesem Stein erzählet werden, sind so verschieden, daß man nicht weis, welche man glauben soll von den alten Traditionen. Nachfolgendes aber wurde mir von diesem Stein erzählet. Ein Schulzen Knecht hat selbigen aus Verwegenheit umgeschmissen. Er ward aber dergestalt gekniffen, daß er in der Nacht noch aufstehen und selbigen wieder aufrichten muß, worauf er ihn zufrieden gelassen hat. Fides penes autorem."
Umfangreich ist der Kranz von Sagen und Märchen um diesen Stein. W. Groß sagt im Kreisheimatkalender 1937: Zwei Wanderburschen rasten an der späteren Stelle des Kreuzes und geraten in Streit, in dem der eine erschlagen wird. Bei der Errichtung des Sühnekreuzes durch den Mörder ereilt diesen der Tod. Schmidt-Eberswalde bringt folgende Sagen: Das Kreuz ist lange vor der Franzosenzeit (gemeint ist 1806/8) dorthin gesetzt. Zwei Riesen sollen sich gegenseitig totgeschlagen haben. Der eine kam von Ellingen, der andere von Blindow (richtig wohl Klinkow, Anm. Hinrichs). Weiterhin starben an dieser Stelle einige Offiziere oder Kürassiere, sogar ein General soll dort gefallen sein. Ein gegenseitiger Totschlag zweier Brüder findet mehrere Male Erwähnung.
Nach Erzählungen alter Einwohner von Ellingen berichtet Hans Tegge: Zwei Offiziere, Brüder, von denen der eine in Pasewalk, der andere in Prenzlau diente, hatten wegen Trunkenheit des einen am Blindower Tor (wo auch ein Kreuz stand), ein Duell, bei dem einer tödlich verwundet wurde. Der andere Bruder schleppte sich, schwer verletzt, noch bis Ellingen und starb dort. An beiden Todesstellen entstanden dann die Kreuze.
Alle diese Sagen greifen in eine modernere Zeit hinein. Das Ellinger Kreuz ist unbedingt ein Erzeugnis der christlichen Frühzeit unserer Gegend. Die eingemeißelten Kreise weisen noch auf das Heidentum und mögen sogenannte Sonnenräder darstellen, denen man die christlichen Kreuze beigab. Die Bedeutung der Hand auf der Südseite ist zur Zeit noch ungewiß. Einige Berichter vermuten in diesem Steinzeichen auch eine Art von Wegweiser. (Hinrichs 1969)

Ellingen, an der Chaussee, Granitkreuz, etwa 3 Fuß hoch. Ebenfalls von Bekmann 1571 erwähnt. Es "soll lange vor dem Franzosenkriege dorthin gesetzt sein, und zwar sagen die einen , das dort ein paar Riesen einander totgeschossen, von denen der eine auf Ellingschen Felde gestanden, der andere aber von Klinkow oder Blindow gekommen wäre. Andere sagen aber wieder, es seien ein paar Offiziere oder Kürassiere gewesen, die dort gestorben. Und endlich sagen noch ander, es sei ein großer General gewesen, der an dieser Stelle gefallen sei. Interessant ist bei diesen Geschichten die eigenartige Wandlung, welche die Sage im Laufe der Zeit durchgemacht hat. Die anfängliche Bedeutung des Sühnekreuzes ist dem Volksbewußtsein ganz entschwunden. Denn zwischen dem Zeitalter der Riesen und der Franzosenzeit sind doch merkliche Unterschiede. (Schmidt 1916)

Sage: 1. Eine Sage übermittelt Willi Groß im Heimatkalender von 1932. Danach kehrten zwei befreundete Steinmetzen von der Wanderung aus Lübeck nach Prenzlau zurück. Weil einer krank war, kehrten sie in Ellingen zur Nacht ein. Im Dorf wurde Erntefest gefeiert, und Kuno, der gesunde Geselle, nahm am Fest teil. Er muß wohl bei den Frauen gut angekommen sein, denn ab Abzweig nach Ellingen wurde er von einem Prenzlauer erstochen. Hennerke, der andere Steinmetz, erfuhr in Prenzlau angekommen, daß sein Bruder der Mörder seines Freundes war. Er machte sich Vorwürfe, seinen Freund nicht vom Fest abgehalten zu haben. Am Ufer des Quillow fand er eine Steinplatte aus graurotem Granit. Die formte er zu einem Kreuz und konnte noch die mordende Bruderhand ohne Dolch einmeißeln, ehe ihn die Kräfte verließen. Sterbend bat er seine Eltern, das Kreuz aufzustellen, dort, wo der Mord geschehen war, in Ellingen am Wege.
2. Eine andere Sage, aus einer jüngeren Zeit, erzählt von drei Brüdern. Der eine war Kaufmann, die anderen Wegelagerer. Als der Kaufmann zur Dedelower Mühle ritt, wurde er in der Nähe der Ellinger Kiesgrube überfallen. Im Kampf tötete er einen Räuber, ehe er fliehen konnte. Auf dem Rückweg ein zweiter Überfall. Wieder gelang es dem Kaufmann, einen Räuber zu erschlagen. Als er dem Sterbenden ins Gesicht blickte, hauchte der: Zweifacher Brudermörder! Nun wurde dem Kaufmann bewußt, daß er seine zwei Brüder getötet hatte, und er ließ zur Sühne das Kreuz errichten.
3. Noch jünger ist die dritte Überlieferung des Volksmundes. Sie verbindet das Ellinger Kreuz mit einem zweiten Kreuz, das einst am Abzweig Brüssower Straße in Prenzlau und später vor dem alten Landratsamt stand. Danach kam es zwischen zwei Offizieren, einem Prenzlauer und einem Pasewalker zu einem Zweikampf am Blindower Tor. Tödlich verwundet brach der eine am Tor zusammen, während sich der andere noch bis Ellingen schleppte, wo er dann starb. An beiden Stellen sollen später die Kreuze errichtet worden sein.
4. Nicht weit von Ellingen steht hart an der Chaussee ein granitenes Kreuz etwa von drei Fuß Höhe, das soll lange vor dem Franzosenkrieg dorthin gesetzt sein und zwar sagen die einen, daß dort ein Paar Riesen einander todt geschoßen, von denen der eine auf dem ellingischen Felde gestanden, der andere aber von Klinkow oder Blindow hergekommen wäre; andere aber sagen wieder, es seien ein Paar Offiziere oder Kürassiere gewesen die dort gestorben, und endlich sagen noch andere, es sei ein großer General gewesen, der dort gefallen. (Kuhn 1848)

Quellen und Literatur:
Bekmann, Johann Christoph / Bekmann, Bernhard Ludwig - VI. Steinerne Kreuze, in: Von den Alterthümern der Mark, Erster Band, II.Theil, Sp.452, Berlin 1751
Kuhn, A. / Schwartz, W. - Das Kreuz bei Ellingen, in: Norddeutsche Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg, Pommern, der Mark, Sachsen, Thüringen, Braunschweig, Hannover, Oldenburg und Westfalen. Leipzig 1848, S.57
Schmidt, Rudolf - Märkische Sühnekreuze, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der Deutschen Geschichts- und Alterthumsvereine, 1916
Groß, Willi - Das Flurkreuz von Ellingen, in: Heimatkalender, 1932
Hinrichs, Alfred - Die Flurkreuze des Kreises Prenzlau, in: Deutscher Kulturbund Neubrandenburg. Bezirkskommission Natur und Heimat. Mitteilungen des Bezirksausschusses für Ur- und Frühgeschichte, Nr.16, 1969
Schoknecht, Ulrich - Aus der Arbeit im Bezirk Neubrandenburg 1968/69. Erfassung der Steinkreuze, in: Deutscher Kulturbund Neubrandenburg. Bezirkskommission Natur und Heimat. Mitteilungen des Bezirksausschusses für Ur- und Frühgeschichte, Nr.16, 1969
Gralow, Klaus-Dieter - Die mittelalterlichen Steinmale im Bezirk Neubrandenburg, in: Mitteilungen des Bezirksausschusses für Ur- und Frühgeschichte Neubrandenburg, Nr.27, 1980, S.70-79
Schulz, Erwin - Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg - Woldegk, Schibri-Verlag Milow, 2000
recherchiert und bebildert von: Forschungsgruppe Preußische, Mecklenburgische und Anhaltische Meilensteine e.V.
Ergänzungen von Detlef Sommer, Wünsdorf (Fotos von April 2009, 2005)



Das Flurkreuz von Ellingen
Willi Groß, Prenzlau

Der heiße Sommertag tauchte in die Kühle des Abends unter. Über die alten Weiden an der Landstraße von Woldegk nach Prenzlau hauchte der flammende Himmel goldenes Licht und malte allerlei Bilder um Stämme und Steine. Zwei wandernde Steinmetzen kamen die Straße daher. Stiefel und Kleider, sogar Felleisen und Hut waren dicht bestäubt. Bei jedem Schritte wirbelte ein grauer Schwalm neben ihnen auf, begleitete sie eine Weile und zerfloß hinter ihnen in Nichts. Das Gesicht des einen war hochgerötet. Der Schweiß hatte sichtbare Spuren über die runden Wangen gezogen. Der andere war von schmaler Gestalt und sah blaß aus. Um seine Augen hatte die Anstrengung blaue Schatten gelegt. Sein Mund war leicht geöffnet und lechzte nach einem labenden Tropfen. Sein Auge aber trachtete in die Weite voraus, wo die Türme und Dächer Prenzlaus im Abendlichte funkelten. Dort lag ihre Heimatstadt, das Ziel ihrer Wanderung nach langer Abwesenheit. "Kuno", sprach der Blasse, und seine Schritte stockten, "wir finden die Tore geschlossen, wenn wir dort sind, laß uns in Ellingen einkehren, ich kann nicht mehr weiter." Und dabei stand er still, zog ein rotbuntes Schnupftuch aus der Tasche und trocknete die Stirn. "Weiter, weiter, Hennerke", forderte Kuno ihn auf, "Wer wird sich kurz vor dem Ziele noch besinnen!" Und rüstig schritt er zu, ohne sich umzusehen. Hennerke aber stützte die Hand an einen Weidenstamm, ließ den Kopf hängen, fiel dann mit einem leisen Seufzer in das dürre Gras am Wege und blieb hingestreckt liegen.

Kuno ging endlich zurück und redete auf ihn ein, die halbe Meile noch auszuhalten. Hennerke aber breitete die Arme aus, ließ sein Haupt darauf sinken und schloß die Augen. Der Marsch von Lübeck her hatte ihn doch angepackt. Und kurz vor dem Ziele versagten seine Kräfte. Ein jäher Hustenanfall schüttelte ihn hin und her und ließ ihn erschöpft liegen. Kuno bückte sich, nahm ihm fürsorglich das Felleisen vom Rücken, schob es unter sein Haupt und öffnete ihm den Kragen. "Dann wollen wir wenigstens versuchen, das Dorf zu erreichen" , meinte er sanft. Und als er Blutstropfen auf den Lippen seines Gefährten bemerkte, wischte er sie vorsichtig ab. Während sie am Wege saßen, waren einige vollbeladene Erntewagen an ihnen vorbeigefahren und seitwärts nach Ellingen abgebogen. Langsam schleppten die Pferde die Last hinter sich durch den tiefen, mahlenden Sand. Kaum waren in dem dichten Staube ihre Mäuler zu erkennen. Ihrem müden Schlenkern war anzumerken, daß sie unter Hitze und schwerer Arbeit tagelang ihren Strang gezogen hatten.

Das Volk der Schnitter aber saß in fröhlicher Stimmung auf dem letzten Wagen um eine aufgestellte Strohpuppe und sang ein Erntelied, denn die Ernte war beendet. Von den erhobenen Harken der Binderinnen flatterten bunte Bänder und verkündeten die letzte Fuhre. Als der Wagen an den beiden Wegmüden vorbeifuhr, flog ein kleiner Ährenkranz hernieder. Kuno griff danach und schwang ihn freudig empor, während der Gesang auf dem Wagen plötzlich verstummte. Ein Mädchen winkte ihm von oben lachend zu. Dann trottete auch dieses Gefährt vorbei, und es wurde ganz still auf der Straße. Ein kurzer Lerchenschlag wachte noch einmal aus den Stoppeln auf und endete mit einem jubelnden Triller. Darauf reckten sich die Schatten der Weiden länger und länger, bis sie sich nur noch wenig von der einfallenden Dämmerung abhoben und in ihr völlig zerflossen. Hennerke hatte sein Haupt schwer in die hohle Hand gestützt. Seine Brust hob sich stoßweise, seine Augen aber hingen verlangend an dem Ährenkranze, den Kuno noch hin und her drehte. Er seufzte schwer auf, richtete sich dann empor und stellte sich mühsam auf die schwankenden Füße. "Mich friert", stieß er mit tonloser Stimme hervor, "komm, laß uns eine Herberge suchen. Vielleicht meine letzte."

"Hennerke, was redest du" , lachte Kuno und war ihn behilflich. "Der kleine Anfall wird bald vorübergehen, wenn du erst einen Abendtrunk genommen. Es war heute sehr heiß. Morgen sind wir daheim, und dann wird dich Mutter tüchtig pflegen." Langsam bogen auch sie nach dem Dorfe ab. Es war Abend geworden. Nur die Türme von St. Marien trugen noch ein Fünkchen Sonnenlicht auf ihren Dächern. Hennerke winkt lächelnd noch einmal hinüber, ehe sie im Dorfkruge nach Handwerksbrauch um ein Nachtlagen vorsprachen. Dort aber herrschte lustiges Leben. Unter der breitästigen Rüster auf der Dorfaue schritten schon junge Paare nach dem Klange der Schalmeien zum Tanz. Immer mehr Mädel und Burschen fanden sich ein, den Tanz um die letzte Garbe zu führen, die an einem tiefen Aste des Baumes als Puppe aufgehängt war. Kuno und Hennerke waren nach gründlicher Säuberung und kurzem Imbiß auf dem Heuboden zur Ruhe gegangen. Aber keinem wollte der erquickende Schlaf kommen. Während Hennerke ein trockener Husten plagte und ihm der Atem röchelnd durch die Brust fuhr, lag Kuno der Klang der Schalmeien im Ohr, und es kribbelte ihm merklich in den Füßen. Er versuchte zu schlafen. Aber immer wieder jauchzten die Töne bekannter Tanzweisen durch seine Sinne, bis er endlich flüsterte: "Junge, Hennerke, ich halt's nicht mehr aus. Willst du mit zum Tanz?" Doch der mochte nicht, redete ihm vielmehr zu, allein zu gehen.

Da erhob sich Kuno von seinem Lager, entnahm seinem Ranzen eine saubere Bluse, ordnete Haar und Anzug, nahm den Ährenkranz, der neben ihm gelegen hatte, stieg die Leiter hinab und mischte sich unter das junge Volk. Der Platz war durch Kienfackeln erleuchtet. Flackerndes Licht goß sich über die tanzenden Paare und warf ihre Schatten in bunter Bewegung durcheinander. Bestürzt und erschrocken zugleich starrte Kuno in den Trubel. In seinem Hirn wirbelte es noch bunter als auf dem Platze. In seiner Brust fühlte er einen Druck, daß er die Arme heben mußte. Als er so dastand und den Ährenkranz einen Augenblick hoch über seinem Haupte hielt, löste sich aus den tanzenden Paaren eine Tänzerin, ließ ihren Burschen stehen und schritt gesenkten Hauptes auf Kuno zu. Vor ihm knickste sie dreimal, schlug die Augen auf und lächelte ihn an. Er aber setzte ihr den Kranz auf ihre dicken, blonden Zöpfe, die sie wie eine Krone um ihr Haupt geschlungen hatte, legte seinen Arm um ihre Hüften und schritt mit ihr zum Tanz.

Alle machten Platz und stellten sich rings im Kreise auf. Das Mädchen hielt Kuno bei der Hand und stand mit ihm unter der Puppe. "Du mußt sie anzünden", flüsterte es ihm zu. Er begriff nicht. Ihm war, als ginge er an der weichen Hand des Mädchens durch ein Land, in dem die Blumen rot wie Fackeln leuchteten und der Nachtwind wie Schalmeienton durch die Wipfel strich. Er hörte nicht das breite Lachen der Burschen und das heimliche Kichern der Mädchen. Er fühlte nur seine Hand ab und zu gedrückt und den Klang lieber Worte im Ohr. Ihm war so wohl, als wäre er daheim. Da sprang plötzlich ein großer, schmaler Bursche in städtischer Kleidung, derselbe, den das Mädchen vorhin losgelassen, aus dem Kreis der verstummenden Zuschauer hervor, ergriff eine Fackel und entzündete die Puppe, das sie hell aufloderte und wie Pulver verbrannte. Die Schalmeien setzten mit schnellen Takten ein, die Paare faßten sich an und bildeten einen dichten Ring um den herabfallenden glimmenden Rest. "Wir müssen hinüberspringen", flüsterte das Mädchen. Doch Kuno stand wie geblendet und fühlte sich von dem Burschen beiseite gedrängt. Schon hatte der die Widerstrebende bei der Hand, als eine helle Empörung unter den Zuschauern ausbrach. Laute Rufe: "Der Steinmetz soll springen, er hat den Kranz gehabt, weg mit dem Schneider" ertönten.

Da wachte Kuno auf, er packte den Burschen an Arm und Wams und warf ihn unter Hohngelächter aus dem Kreise hinaus. Dann riß er das Mädchen, das ihm entgegenlachte, an sich und führte es mit hellem Jauchzer zum Sprunge. Die Schalmeien schmetterten, die Paare klatschten im Takt dazu und sprangen den beiden fröhlich nach. Im Tanze wirbelten sie weiter. Eine Mühle und eine Dreitur wurden vom Kiekbusch und Klapptanz abgelöst, bis man sich nach dem "Gode Nacht" bei verlöschenden Fackeln trennte. Die Schalmeien schwiegen, und still gingen die Paare heim. Sie hatten einem alten Brauche genügt und die letzte Garbe verbrannt. Kuno aber nahm sein Mädel bei der Hand, und sie wanderten langsamen Schrittes zum Dorfe hinaus. Die Blonde hatte die letzte Garbe auf dem Felde gebunden, hatte ihren Ährenkranz einem Burschen zuwerfen und ihn für sich gewinnen dürfen. Und nun hatten sich beide gefunden. Der Mond stieg hinter ihnen glührot aus den Uckerwiesen auf und warf ihre dicht aneinander geschmiegten Schatten lang voraus.

Derweil lag Hennerke immer noch von Schmerzen in der Brust gequält auf seinem einfachen Lager. Er hielt die Augen weit offen, und ihm war, als sähe er Kuno an der Seite eines frohen Mädchens durch die Nacht schreiten. Eine furchtbare Unruhe warf ihn hin und her. Er bemerkte einen menschlichen Schatten hinter ihnen von Baum zu Baum gleiten, sah funkelnde Augen und einen blinkenden Dolch. Ein schriller Schrei traf da sein Ohr und riß ihn hoch. Er tastete zu dem Beilager hinüber und fand es leer. "Kuno, lieber Kuno" , seufzte er und sank errmattet zurück. Schweiß trat ihm vor die Stirn, und vor Aufregung zitterte er an Händen und Füßen. Zwischen Traum und Wachen brachte er die Zeit bis zum Morgen zu. Als Kuno immer noch nicht zurück war, erhob er sich mühsam und hielt im Hofe und vor dem Tore Ausschau. Dann trieb es ihn zum Dorf hinaus. Wo der Weg in die Straße einbog, stockte sein Fuß. Dort saß ein Mädchen über Kuno gebückt und hielt sein Haupt im Schoße. Unaufhörlich streichelte es sein Haar und seine Stirn. Seine Wangen aber waren in dem Morgenlichte weiß wie Schnee, die Augen hielt er geschlossen, und über seine geöffneten Lippen tropfte hellrotes Blut. Hennerke ahnte erschrocken, daß sein Gesicht in der Nacht Wahrheit gewesen und daß Kunos Leben in Gefahr sei. Er stürzte in die Knie, legte sein Ohr auf des Freundes Brust und vernahm nur noch einen langsamen, schwachen Herzschlag. Aus dem Auge des Mädchens sprach die furchtbare Pein jäh zerrissener Hoffnung, die kein Wort, keine Gebärde Hennerkes zu ändern vermochte. Als er am Boden eine große Blutlache sah, wußte er um das Geschehene, strich dem Mädchen dankbar über die Hand und eilte, so schnell es ihm möglich war, ins Dorf zurück, um Hilfe zu holen.

Einige Männer fanden sich zusammen, um den Steinmetzen auf einem kleinen strohbeschütteten Wagen zu holen, brachten aber unter Begleitung des unaufhörlich schluchzenden Mädchens nur seine Leiche zurück. Am Nachmittage wandte sich Hennerke heimwärts. Und weil er eine doppelte Last mit sich schleppte, ging er nur langsam. Es quälte ihn der Vorwurf, in den letzten Tagen nicht schneller gewandert zu sein, dann wären sie gestern oder gar schon früher daheim gewesen, und Kunos Eltern hätten ihn gesund und frisch begrüßen können. Es bedrückte ihn auch unendlich, daß er ihm noch zugeredet hatte, auf den Dorfplatz zum Tanz zu gehen. Vielleicht wäre das Unglück auch dann vermieden. Als er über den Quillow schritt, fesselte das schnellfließende, blinkende Wasser seinen Blick. Er lehnte sich an das steinerne Brückengeländer und sah lange hinein. Die Sonnenstrahlen tanzten in flimmerndem Spiele über den Bach, und es funkelte und leuchtete darüber wie aus hundert kleinen Spiegeln. Plötzlich kroch eine Wolke über die Sonne, vernichtete den Glanz und ließ zerrissene Schatten darin untertauchen. Hennerke glaubte Kunos blasses Gesicht darin zu erkennen. Doch spülten die wechselvollen Wasser dies Bild bald wieder hinweg. Aber vor seiner Seele stand es und wollte nicht weichen. Immer höher türmte sich sein Schuldbewußtsein auf, immer stärker hämmerte sein Herz unter dem Druck des Erlebten. Hilfeflehend wanderten seine Augen über die Umgebung und gewahrten eine starke Steinplatte aus graurotem Granit. Erlöst atmete er auf, denn im gleichen Augenblick bewegte ihn ein sühnender Gedanke.

Er ging auf den Stein zu, zog Hammer und Meißel aus dem Ranzen und begann, ihn zu prüfen. Und weil er kernig und brauchbar war, stand sein Entschluß fest, daraus ein einfaches Kreuz für seinen Freund zu formen. Diese Absicht gab ihm Kraft, das letzte Wegstück forsche zu durchschreiten. Als er vom Kuhtore aus in die Strohstraße eintrat, sah ihm niemand mehr die Schwere der Wanderung an. Am Ende der Strohstraße bog er rechts in die Baustraße ab, um die Bude seines Vaters, eines ehrsamen Schneiders, aufzusuchen. Einsilbig schrillte die Glocke über der geöffneten Haustür. Kühle Luft schlug ihm aus dem schmalen, langen Flur entgegen. Ihm wurde schwindlig und er mußte sich am Treppengeländer halten, als seine Mutter ihm mit blassem, müden Gesicht entgegentrat. Es zuckte kein Strahl der Freude.
Wie anders hatte er sich doch die Heimkehr ausgemalt. Seines Bruders Platz auf dem Arbeitstisch war leer. Nun erfuhr er auch, daß derselbe heute früh in hastiger Eile auf die Wanderschaft gezogen sei, ohne sich ordnungsgemäß von seinem Gewerk und von seinem Vater, der zugleich sein Meister war, abzumelden. Er sei mehr geflohen als gegangen. Nach drei Tagen stand Hennerke am Grabe Kunos, der in dem Friedgarten am Stettinschen Tore eingesenkt wurde. Viele trauerten um den so jä Dahingegangenen. Hennerkes Eltern aber waren daheimgeblieben. Ihr Gebaren wunderte ihn mehr und mehr. Und aus Stichelreden und absichtlich hingeworfenen Worten der Teilnehmer mußte er schließen, daß sie ihren guten Ruf irgendwie eingebüßt hatten. Zu Hause sprach er sanft mit der Mutter, wußte seine Rede auf das Gehörte zu bringen und erfuhr nun aus ihrem Munde, daß sein Bruder im Verdacht stehe, Kuno hinterrücks erstochen zu haben. Da ging er still in seine Kammer und sank gebrochen auf sein Lager.
(Erwin Schulz, Das blaue Licht - Sagen und Geschichten aus dem Raum Strasburg - Woldegk, Schibri-Verlag Milow, 2000)




Ellingen (II) / OT von Prenzlau


Blick zum Standort

die andere Seite

Perspektive

Detail Inschrift

GPS: N 53° 21,369', O 13° 50,159'

Standort: Ca. 1 Kilometer vom Ort, an der Straße nach Schönwerder, an der nordwestlichen Straßenseite.

Größe / Material: ca 400cm hoch

Geschichte: Gedenkkreuz. 1806 nach der verlorenen Schlacht von Jena und Auerstedt flüchtet die preußische Armee nach Norden. In Prenzlau ergeben sich die Truppen bestehend aus 10.000 Mann am 28.10.1806 den Franzosen. Nur eine Nachhut unter Führung von Prinz August (einem Neffen Friedrichs II.), bestehend aus ca. 240 Mann, hatte die Nachricht von der Kapitulation nicht bekommen. So kam es zwischen Ellingen und Schönwerder zu einem erbitterten Kleingefecht. Erst als die Munition der Preußen ausging, ergaben sie sich. 1841 ließ der Landrat des Kreises Prenzlau zur Erinnerung an diesen Kampf ein Granitkreuz errichten. (Text nach www.prenzlau-online.de)

Inschrift Vorderseite:
Den
Kriegern
welche unter Führung eines
heldenmutigen Prinzen
nach tapferer
vom
Feinde selbst
gerühmten
Gegenwehr,
eines besseren
Schicksales
würdig,
hier erlagen
Inschrift Rückseite:

Den 8ten Oktober
1806
Am Fuß der Rückseite befindet sich noch eine unleserliche Schrift.

Sage:

Quellen und Literatur:
prenzlau-online.de
recherchiert und bebildert von Detlef Sommer, Wünsdorf (Fotos von Oktober 2010)


Sühnekreuze & Mordsteine