Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Die Wegekreuze
An der Grenzscheide zwischen kirchlicher und weltlicher Kunst stehen die Wegekreuze, vielfach auch
Sühnekreuze genannt. Meist formlose, ungefüge, aus Granit oder Sandstein gearbeitete Stücke, finden wir sie entweder dicht am
Wegerand oder abseits im Ackerfeld; bald gleichen sie einem gewöhnlichen Balken-, bald einem Kleeblatt oder eisernen Kreuz.
Überwiegend dürfte ihre Aufstellung bis in die früheste Zeit der Besiedelung zurückgehen; sie mögen an den Märtyrertod eines
Sendboten des Christentums erinnern, oder sie werden nach dem Spruch des Richters als Sühne für die Bluttat von dem Verurteilten
errichtet. Ferner mögen auch diese Denkmäler als Grenzzeichen kirchlicher Sprengel oder weltlicher Machtbereiche angesehen
werden; eine letzte Erklärung endlich, die namentlich für die Steinkreuze in fränkischen Gegenden bei Würzburg und Umgebung
vielfach zutrifft, dürfte auch bei unseren Kreuzen nicht ausgeschlossen sein. Als nämlich Ende des 13. Jahrh. die
Kreuzzugsbegeisterung nachließ, suchte man der Bevölkerung den Besuch der Schädelstätte dadurch möglich zu machen, daß man
in der Heimat selbst einen Kalvarienberg schuf, dadurch, daß man im Hinblick auf die Kreuzigung Christi zwischen den beiden
Schächern drei einfache Steinkreuze errichtete oder in einen Steinblock einmeißelte. Die Eigenheit des bei uns meist verwendeten
harten Granits forderte jedoch strengstes Maßhalten, so daß man in den allerdings selteneren Fällen höchstens kindlich naive
Strichzeichnungen vorfindet.
Obwohl im Verzeichnis breits die meisten Steinkreuze, von denen typische Beispiele Abb. XVI zeigt,
angeführt werden, seien sie jedoch der Übersicht wegen nachstehend aufgezählt:
Zusammenfassung der Steinkreuze im Kreise Luckau
Standort (alter und jetziger) |
Baustoff |
Eigentümer |
Jetzige Bestimmung |
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1. |
Am Ausgang der Arenzhainer Dorfstraße nach Trebbus |
Sandstein ohne Zeichnug oder Inschrift |
Arenzhain |
Wegweiser |
2. |
Früher bei der Sandgrube der Gemeinde Brenitz, jetzt an der Ecke des Schulhausgartens in Friedersdorf b. B. |
Sandstein ohne Zeichnug oder Inschrift |
Brenitz |
Wegweiser |
3. |
Früher bei der Kirche, jetzt an der Schönewalder Dorfstraße bei Brenitz am Kreuzpunkt nach Frankena |
Sandstein ohne Zeichnug oder Inschrift |
Schönewalde |
Wegweiser |
4. |
Am Ausgang der Werenzhainer Dorfstraße nach Kirchhain |
Sandstein, der obere Arm des Kreuzes fehlt |
Werenzhain |
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5. |
An der Wegekreuzung Frankena, Gröbiß und Hennersdorf-Münchhausen |
Sandstein, der rechte Arm vom Beschauer aus fehlt |
Kreis Luckau |
Wegweiser |
6. |
Am Ausgang der Nehesdorfer Straße nach Finsterwalde |
Granit ohne Zeichnung, kurzarmig, ungefüge |
Kreis Luckau |
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7. |
Früher angeblich beim Dorfpfuhl, jetzt am Fußsteig von Pahlsdorf nach Zeckerin |
Einfacher Granitblock mit eingemeißeltem Kreuz und angeblichem Schwert |
Pahlsdorf |
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8. |
An der Gabelung des Weges von Waltersdorf nach W.-Drehna und Gehren |
Granit |
Gutsbesitzer Engels in Waltersdorf |
Wegweiser |
9. |
Am Egsdorfer Graben auf dem Feldweg Garrenchen-Stoßdorf nördlich der Chaussee Luckau-Kalau zwischen Garrenchen und Schlabendorf |
Sandstein |
Außer diesen Wegekreuzen standen einst zwei Kreuze aus Sandstein an
der Dorfstraße in Lindena.
Sie wurden jedoch im Jahre 1896 für die Grundmauer des Stallneubaues eines Häuslers in Lindena mitverwendet. Ein Kreuz in
Zieckau, das einst in Privatbesitz war, ist laut Mitteilung an der Kirchhofsmauer eingemauert
(in: Die Kunstdenkmäler der Provinz Brandenburg; 1917, Band V, Teil 1)
VI. Hin und wieder sowohl in den Stäten, als auf dem Land trifft man steinerne Kreuze
an, von welchen die Einwohner der gegend gemeiniglich allerhand abendteuerliche dinge zu erzehlen wissen. Doch ist die gemeinste
und wahrscheinlichste sage, diese, daß dergleichen zum andenken eines an den orten erschlagenen Menschens aufgerichtet
worden. Dieses bestätigt unter anderen das sogenannte Barnimskreuz, welches noch zu Micraelii zeiten in den
Ukermündischen heide gestanden, und an der stelle von holz aufgerichtet worden, da Herzog Barnim im jahr 1295. erstochen
worden: und noch A. 1741.hat die Gemeine aus Gr. Schauen, Stork. Insp. An dem orte ein solches Kreuz aufgerichtet, wo
ein Schäfer von einem ausreisenden Soldaten ist erschossen worden. Dergleichen werden wir sehen zu
Berlin, zu Prenzlow, auf dem
Kremmendamm, zu Bismark,
zu Borstel, auf der Höwischen
Feldmark, unweit Berkau, Gardeleg. Insp. bei
Kleinau, und vor Trebbin,
ingleichen auf dem Ellingischen felde in der Ukermark, auf
welchem letzteren noch ein zirkel und in demselben eine flache hand ausgehauen stehet.
(aus: Bekmann, Johann Christoph und Bekmann, Bernhard Ludwig - Chur und Mark Brandenburg
nach ihrem Ursprung, Einwohnern, Natürlichen Beschaffenheit, Gewässer, Landschaften, Stäten, Geistlichen Stiftern etc. Regenten,
deren Staats- und Religions- Handlungen, Wapen, Siegel und Münzen, Wohlverdienten Geschlechtern Adelichen und Bürgerlichen
Standes, Aufnehmen der Wissenschaften und Künste in derselben, theils aus schriftlichen und aus Archiven hergenommenen, oder
auch gedruckten urkunden, theils aus der erfahrung selbst zusammen getragen und vefasset. Erster Band, II. Theil, Sp.452, Berlin 1751.)
Anmerkung: Dieser Artikel von 1751 ist eine der ältesten gedruckten Quellen zu den Steinkreuzen der Mark Brandenburg.
Um einer wesentlichen Verschiedenheit der als Sühnekreuze bekannten Steine einen bezeichnenden Namen zu geben, empfiehlt es sich, die Steine mit eingeritztem Kreuzzeichen "Kreuzstein" zu nennen, die Kreuze aus Stein "Steinkreuze".
1. Der Kreuzstein von Pahlsdorf,
der im Band VII, S.138, bekannt gegeben wurde, ist jetzt von der dort genannten Stelle nach dem
Dorfe gebracht und dort an der Wegscheide aufgestellt worden. Er ist hier nicht nur mehr vor Beschädigungen gesichert, sondern gleichzeitig ein
Denkstein der umfassenden Fürsorge, welche Kreisbehörde und Dorfbehörde dem Nachlaß aus der Vor- und Frühgeschichte unserer Mark entgegenbringen.
Dieser Kreuzstein wurde als Sühnekreuz aufgefasst; es darf aber nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Meinung über diesen Steine noch
sehr geteilt ist, und soll hier hervorgehoben werden, daß Virchow in der Zeitschrift für Ethnologie XXI, S.596, Fig.5a-b, einen ähnlichen Stein nannte
und abbildete aus Sobrigau im Königreich Sachsen. Dieser wurde von ihm als ein slavischer "Grabstein" bezeichnet und der ersten christlichen Zeit zugestellt.
2. Das Steinkreuz von Schönewalde bei Sonnewald.
An der Wegscheide nach Kirchhain und Frankena steht im Orte Schönewalde bei Sonnewalde ein Steinkreuz als Wegweiser (Fig.1).
Es ist aus Sandstein ziemlich geradflächig und scharfkantig ausgeführt.
Die Höhe über der Erde und die Breitseite betragen 1m, die Dicke 0,26m, Kreuzbalken und Arme sind parallelseitig geformt. Eine Sage ist nicht bekannt.
Bei der Zusammenstellung der Sühnekreuze im Kreise Luckau, Band V, S.380 ff. und Band VI, S.37, ist ein solches auch von Schönewalde genannt, aber
nicht gesagt, ob dieser ort Schönewalde bei Lübben in Betracht kommt, und es ist auch keine dieses Darstellung dieses Steinkreuzes gegeben.
3. Das Steinkreuz von Münchhausen bei Sonnewalde.
1,6km westlich von Münchhausen steht an der Wegscheide Frankena – Hennersdorf ein Steinkreuz als Wegweiser. Es besteht aus
grauem Granit (Fig.2). Die Vorderseite ist nach den Ecken konvex abgemeißelt, die Rückseite ist bruchroh, der Fußteil fazettenartig abgekantet. Die
Höhe über dem Erdboden beträgt 92cm bei 50cm Fußhöhe, die Endbreite des Kopfes 30, die des Fußes 39cm. Der rechte Arm ist abgebrochen.
Eine Sage wurde auch von diesem Steinkreuz nicht berichtet – das Vorhandensein einer solchen aber von dem Lehrer Richter daselbst behauptet.
Es soll auch eine Darstellung desselben vorhanden sein, wohl aber auch unter ungenauer Bezeichnung der Oertlichkeit; denn es wird ein Hennersdorfer
Sühnekreuz genannt, das es überhaupt nicht gibt; es ist aber sehr wahrscheinlich, daß dieses Münchhausener gemeint ist.
4. Das Steinkreuz von Friedersdorf bei Sonnewalde. (Fig.3)
1) Die Nachforschung nach einer darauf bezüglichen Sage in Trebbus führte auf interessante Mitteilung in "Riehl und Scheu, Die Mark Brandenburg", S.699.
Zur Deutung des Namens Trebbus an dieser Stelle machte ein Wende die Mitteilung, dass Trebbus im örtlich gefärbten Wendisch so viel heiße wie "Dreifuß".
In Wörterbuchern ist das nicht bestätigt. In "Der Falsche Waldemar" von Willibald Alexis wird Trebuß als Name eines Berliner Ratsmannen genannt.
stand früher im Walde an der Wegkreuzung Herzberg – Sonnewalde – Friedersdorfer Schaftrift. Gegenwärtig steht es im Dorfe.
Es ist ebenfalls aus grauem Granit gemeißelt, 1,60m hoch, im Kreuz 64cm breit. Alle vier Teile sind nach innen verschmälert. Eine Sage ist auch zu diesem
Kreuze nicht bekannt, und verworrene Andeutungen von Beziehungen zu einem Trebbuser Nonnenkloster fanden keine Bestätigung 1).
So sehr man gegenwärtig geneigt ist, die alten Steinkreuze als "Sühnekreuze" zu betrachten, und die Ansicht, dass es "Grenzzeichen" seien abweist, so
ist doch eine gewisse Unsicherheit dieser Annahme nicht zu verkennen und noch geboten, die Frage unter neuen Gesichtspunkten zu erwägen.
Auf solche führt auch das mittelalterliche Geleitwesen, neu angeregt besonders für die Niederlausitz durch die Publikation des Herrn Dr. Lehmann
(Senftenberg) über Senftenberger Geleitnachlaß 2).
Als Wegzeichen des Geleitwesenswerden "steinerne Kreuze" genannt, "daran des Geleitherrn Wappen und das Wort 'Gleite' eingeschrieben" 3).
Oft werden in der alten Literatur "Kreuze in den Feldern" erwähnt, "oft aber sind es Andachtskreuze oder Erinnerungszeichen an irgend welche Tat, oder
Sühnebilder für geschehenen Mord" 4).
Wenn zu Zwecken des Geleitverkehrs steinerne Kreuze an den Wegen aufgerichtet wurden und in den Feldern steinerne Kreuze, die nicht Sühnekreuze
waren, so müssen solche heut noch ebenso vorhanden sein, wie die Sühnekreuze. Es geht daraus hervor, dass unter den Sühnekreuze angesprochenen,
alte Steinkreuze noch viele sind, die nicht Sühnekreuze sind. Es ist deshalb zu empfehlen, darauf zu achten, ob an alten Steinkreuzen ausgewitterte Stellen
noch Reste des Wortes "Gleite" erkennen lassen oder Reste von Wappenzeichen.
Da das Vorkommen von Steinkreuzen auch für Oberitalien feststeht, so deutet das auf einen internationalen Brauch, wie es auch das Geleitwesen war,
und die Kirche international ist und ihr die Verwendung von Kreuzen näher liegt, auch die Aufstellung von Andachtskreuzen, Sühnekreuzen und Bildstöcken,
so ist es sehr wohl denkbar, dass sie an den Geleitstraßen solche Steinkreuze benutzt oder aufgerichtet – auch mit kirchlichen Abzeichen.
Ebenso ist sehr wohl anzunehmen, daß der Geleitverkehr auch kirchliche Wegekreuze zur Orientierung benutzte.
Nach den häufigen "Sühnekreuzen" ist etwas viel Mord und Totschlag vorgekommen – anderseits kann man doch wegen der fehlenden
Geleitkreuze nicht das Jahrtausende Geleitwesen leugnen, zumal sich diese Kreuze in verkehrsreichen Gegenden ersichtlich häufen und gern an Weggabelungen
stehen. Nach der dankenswerten Schrift des Herrn Dr. Kuhfahl über "Steinkreuze im Königreich Sachsen", ca. 400 Stück, stehen ungefähr 250 an Wegen, 27 an
Weggabelungen, 11 an Weichbild- und Flurgrenzen, 4 bei Gasthäusern, wenige nur in abgelegener Verborgenheit. Das ist ja allerdings auch von "Sühnekreuzen" zu
erwarten, daß sie an Wegen aufgerichtet wurden; sie sollten doch sicher nicht nur den Ort der Tat bezeichnen, sondern zur Andacht und zur Abschreckung wirken
an einer Stelle, wo man sie auch sieht; dennoch müssen auch Geleitkreuze unter den vorhanden Steinkreuzen sein. Selbst solche können Geleitkreuze sein.
Selbst solche können Geleitkreuze sein, welche das Wort "Gleit" und das Wappen nicht aufweisen, da das Geleitwesen in das frühe Mittelalter zurückreicht, wo
doch die Mehrzahl der Passanten nicht zu lesen verstanden, und aus diesem Grund sind sicher auch auf den Sühnekreuzen Schriftzüge so selten.
Da in diesen alten Zeiten die Wege außerhalb des Weichbildes selbst Einheimischen unbekannt waren und mehr nur von Geleitboten,
Fuhrleuten und Reisenden besucht wurden, so erschien es nicht recht zweckmäßig, die Sühnekreuze fernab von den Ortschaften aufzurichten, wenn sie nicht auch
noch andere Zwecke hätten, als an die böse Tat zu erinnern.
Die auf den Sühnekreuzen häufigen Waffenzeichen – besonders Schwerter und Beile – sind sicher nicht immer Hinweise auf die
Mordwaffen, welcher sich der Mörder bediente, obgleich der Volksmund es so auffasst, sondern obrigkeitliche Hinweise auf die Gerechtsame der Obrigkeit
und ihre Strafmittel, Zeichen, "daß man der Enden über Halß und Hand zu richten, und derowegen bei einem solchen Bild gleichwie heutigen Tages (1725) bei den
Mordsteinen wieder zurückweichen muß und einen andern in sein Gebiete weiter nicht greiffen dürfe" 5).
In jenen frühen Zeiten war man gezwungen, statt der Schriftzeichen andere Zeichen anzuwenden, und da scheinen solche
Waffenzeichen geeigneter auch als die Wappenzeichen; beide sind ja auch sehr nahe verwand, denn auch die letzteren waren ursprünglich Waffenzeichen.
Der Widerstreit der Auffassung ist vielleicht eine Folge davon, daß in jenen frühen Zeiten der Kulturentwicklung die Ursachen und
der Zweck der Steinkreuze nicht so scharf differenziert waren, wie der Scharfsinn der Gegenwart annimmt, so daß man besser einen übergeordneten Begriff
anwenden und schlechtweg von "Steinkreuzen" sprechen müßte, ganz abgesehen davon, dass man gewiß ebenso häufig auch Holzkreuze aufrichtete.
Das ist zu beachten bei dem Widerstreit der Meinungen zwischen Helbig, Meiche, Wilhelm, Pfau u.a. bezüglich der Annahme,
daß es sich um "Grenzzeichen" handle 6).
Zudem ist zu erwägen, daß die Steinkreuze nachweislich vielfach schon einen anderen Platz erhalten haben, auch der
Kreuzstein von Pahlsdorf 7).
(Mitteilungen der Niederlausitzer Gesellschaft für Anthropologie und Urgeschichte. 17. Band, Guben 1925/26, erste Hälfte 1925, S.77–82)
2) Niederl.Mitteil. XV (1920), S.3ff.
3) Sasonia, von Carola Christiano Schramm 1726, S.198 (d).
4) Ernst Gassner, Zum deutschen Straßenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des XVII. Jahrh. Leipzig, Hirzel 1889, S.54, mit zahlreichen
Literaturangaben.
5) Schramm a.a.O., S.126.
6) Die betr. Literatur siehe bei Dr. Kuhfahl a.a.O., S.233
7) Niederl. Mitteil. VII (1903), S.188.