Deutschland Baden-Württemberg Rhein-Neckar-Kreis

Altneudorf / OT von Schönau


Blick zum Standort
Foto: Rüger (2012)

Detail Einzeichnung
Foto: Rüger (2012)

Zeichnung bei
Mößinger (1932)

Denkstein
“Bäckermädel”

Mönchbrunnen
in Schönau

PLZ: 69250

GPS: N 49° 27,361', O 8° 49,493'

Standort: Etwa 30 bis 40 Meter oberhalb des Bäckermädel-Denkmals, direkt bei einem Topographischen Punkt.

Größe / Material: 80:35:18 / Sandstein

Geschichte: Der Stein steht nicht mehr senkrecht, aber das Kreuz mit den Ring-Enden ist sehr gut zu erkennen. Der Stein steht auf der Grenze zwischen dem Staatswald und dem Wald der Evangelischen Pflege, er entspricht den Grenzsteinen im Michelbucher Forst, die die Nummern 136 und 143 tragen.
Bezüglich des Grenzsteines am "Bäckermädel" könnte man sich vorstellen, den Originalstein im Lapidarium unseres Museums "Hühnerfautei" unterzubringen und am alten Platz eine Kopie aufzustellen. (Verein Alt Schönau e.V. 2012)

Auf der Steinplatte ist ein Kreuz eingeschlagen, dessen Enden als Kreisringe ausgebildet sind. Es handelt sich möglicherweise um ein uraltes Grenzzeichen des Klosters Schönau, dessen Gebiet in einer Stiftungsurkunde aus dem Jahr 1141 beschrieben wird. Ein ähnliches Zeichen findet sich am Grenzstein Nr. 143 bei Michelbuch. Dagegen wird im Jahr 1524 die Schönauer Grenze in einem Wappen am "rote Bild" durch gekreuzten Abtstab und Schlüssel dargestellt.
Durch das hohe Alter des Grenzzeichens lässt sich erklären, dass dieses nicht mehr als solches verstanden wurde und so eine sagenhafte Deutung als Schere und Weck entstand und der Stein für ein Steinkreuz gehalten wurde.

An der Stelle, an der das "Bäckermädel“ in den Wanderkarten eingetragen ist, steht das um 1900 errichtete Denkmal, in dessen Sockel "Wecken“ dargestellt sind. Durch dieses Denkmal ist das "wahre“ Bäckermädel, also der Grenzstein mit dem Kreuz, im Bewusstsein der Bevölkerung offenbar etwas in Vergessenheit geraten. Richard Matthes (1952) gibt in seinen "Sagen aus dem Kreis Bergstraße“ die Sage vom Bäckermädel wieder, bezieht die Sage aber offenbar auf das Denkmal, das er für einen Brunnen hält. Dies mag daher rühren, daß weiter unten am Weg der Mönchbrunnen steht, der 1896 im selben Stil gestaltet wurde.

30. Das Bäckermädel heißt ein kleines Steinkreuz am Weg von Schönau nach Heddesbach, das ich aber früher weiter oben an einem Weg gegen die Wolfsgrube fand. Darauf sind Wecken, also Zeichen ihrer Beschäftigung dargestellt, aber auch eine Schere, die sie zugleich als Näherin charakterisiert, während sie damit wieder ermordet sein soll. (Christ 1925)

Sage: Ein Mädchen, das mit Wecken von Schönau nach Heddesbach unterwegs war, also ein Bäckermädchen, wurde dort ermordet mit einer Schere. Ihr zum Gedächtnis errichtete man an der Mordstelle ein Steinkreuz, auf dem Schere und Weck angebracht wurden. (Mößinger 1932)

Quellen und Literatur:
Mößinger, Friedrich - Das "Bäckermädel" im Odenwald (mit Abb.), in: Mannheimer Gesch.-Bl., 1932, H.12, Sp.239-242
Matthes, Richard - Das Bäckermädel, in: Sagen aus dem Kreis Bergstraße, Bensheim 1952, 2. Auflage 1972, S.27, Nr.61
Christ, Carl - Denkmäler aus der Gegend von Heidelberg und vom Odenwald, In: Kurpfälzer Jahrbuch, 1.Jg., 1925, S.123 Nr.30
Ehrig, Paul - Historische Grenzsteine im hessischen Odenwald, In: Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften, Band IV, Publikation des Breuberg-Bundes, Breuberg-Neustadt 1986, S.489-508
recherchiert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach
Ergänzungen von Leopold Hessek, Bad Friedrichshall und Hans Rüger, Verein Alt Schönau e.V. (Fotos vom 17.01.2012)



Das "Bäckermädel" im Odenwald
Von Reallehrer Friedrich Mößinger in Gernsheim

   Oestlich von Altneudorf im Odenwald befindet sich an der Straße, die durch den Wald von Schönau nach Heddesbach führt, ein mächtiger Gedenkstein, der unter einem eingeritzten Kreuz die Inschrift "Bäckermädel" trägt. Nach übereinstimmendem Zeugnis dortiger Einheimischer steht jedoch der alte Stein, der zu dem an dieser Stelle gebräuchlichen Namen "Bäckermädel“ den Anlaß gab, weiter oben am Berghang und läßt sich auch heute noch dort mit einiger Aufmerksamkeit finden. In dem "Kurpfälzer Jahrbuch 1925“ hat Karl Christ diesen Stein als Steinkreuz bezeichnet, wohl unter dem Eindruck, dass die davon berichtete Sage eine typische Steinkreuzsage ist. Ein Mädchen, das mit Wecken von Schönau nach Heddesbach unterwegs war, also ein Bäckermädchen, wurde dort ermordet mit einer Schere. Ihr zum Gedächtnis errichtete man an der Mordstelle ein Steinkreuz, auf dem Schere und Weck angebracht wurden. In der Tat sieht man noch heute auf dem Stein ein eingegrabenes Gebilde, das man bei flüchtiger Betrachtung für eine Schere halten kann. Bei genauer Besichtigung aber stellt sich heraus, dass von Schere und Weck gar nicht die Rede sein kann. Es handelt sich bei der Darstellung fraglos um ein etwas schräg liegendes Kreuz, dessen Enden als Kreisringe ausgebildet sind. Zwar sind die beiden rechten Ringenden nur noch schwach zu erkennen, weil der Stein an dieser Stelle stark verletzt ist und dadurch ein ganzes Stück seiner Breite eingebüßt hat, aber die Gesamtdarstellung wird dennoch deutlich. Außerdem hat der Stein nicht im mindesten Kreuzform, sondern ist eine schmale, roh bearbeitete Platte (Maße zirka 80:35:18 Zentimeter), die, wie schon erwähnt, rechts und auch oben ein Teil durch späteres Abschlagen verloren hat. Von Querarmen ist keine Spur zu entdecken; nichts deutet darauf hin, dass sie je vorhanden waren.
   Das Kreuz mit den Ringenden könnte irgendein Besitzerzeichen sein; es wäre dann eine Andeutung, welcher mann an dieser Stelle umgekommen sei - eine Annahme, die immer noch den Gedanken eines Sühnemals, wenn auch keines Kreuzes, aufrecht erhält. Daß dann später die unverstandene Marke als Schere und Weck erschien und die entsprechende Sage hervorrief, wäre gut denkbar. Aehnlich entstandene Sagen lassen sich in ganz Deutschland finden.
   Zu einer ganz anderen Annahme und zu einer Klärung des Sachverhalts führt eine Spur, die durch Zufall aufgefunden wurde. Unter den alten Grenzsteinen im südlichen Odenwald befinden sich zwei an der Ostgrenze des Michelbucher Forstes, die durch ihr Aussehen den Eindruck hohen Alters machen. Während aber am Pfalzwald sehr schöne Steine von 1583 mit dem Hirschhorn auf der einen und dem Abtstab für Schönau auf der anderen Seite die Besitzverhältnisse klar anzeigen, ist dies bei den genannten Steinen nicht der Fall. Der eine trägt ein tief eingegrabenes Kreuz mit gespaltenen Enden, der andere ein tief eingegrabenes Kreuz mit Ringenden. Auf den ersten Blick fällt bei letzterem die Aehnlichkeit mit dem Bäckermädel auf, obwohl auf dem Grenzstein das Kreuz senkrecht steht. Beide Steine zeigen außerdem eine Nummer und den von einem S durchkreuzten Abtstab, dünn eingeritzt und offenbar nachträglich, vielleicht viel später eingehauen. Dazu kommt noch G B (Großherzogtum Baden) und auf der sonst leeren Rückseite G H (Großherzogtum Hessen), die nicht vor 1806 angebracht sein können. Es verdient noch bemerkt zu werden, dass das auf der gleichen Grenze, nicht weit von den alten Steinen stehende "rote Bild“, ein Bildstock aus dem Jahre 1524, ebenfalls als Grenzmal gesetzt wurde, denn es trägt auf der einen Seite das Schönauer, auf der anderen das Hirschhorner Wappen.
   Diese Grenzsteine sind nun von entscheidender Bedeutung für unser "Bäckermädel“. Es ist der Gedanke nicht von der Hand zu weisen, dass dieser Stein ebenfalls ein Grenzstein war, und zwar aus shr alter Zeit. Dafür spricht nicht nur seine schon erwähnte plattige Form, sondern auch der Umstand, dass der alte Stein heute noch fast auf der Grenze steht, wo Steine von 1792 mit dem Schönauer und mit dem Pfälzer Wappen auf der Gegenseite zu finden sind. Dabei muß es sich um eine sehr alte Grenze handeln, wahrscheinlich um das Gebiet, das im Stiftungsbrief für das Kloster Schönau vom Jahre 1142 genannt wird, denn der Küpfelbach, der heute talabwärts dort die Grenze bildet, trägt schon 1142 diesen Namen. Kurze Zeit später, im Jahre 1150, kam auch der Michelbucher Hof, an dessen Grenze die Steine mit den Kreuzen zu sehen sind, als Schenkung des Bischofs von Speyer an das vor kurzem gegründete Kloster Schönau. Leider hat sich, trotz freundlicher Hilfe des Badischen Generallandesarchivs, die Bedeutung der Kreuze, insbesondere der Ringkreuze, nicht ermitteln lassen. Es bleibt eine Vermutung, dass diese sehr frühe, vielleicht die erste Besitzzeichen des Klosters Schönau waren, die damals, also schon im 12. Jahrhundert, auf den Grenzsteinen angebracht wurden. Ein solch hohes Alter erscheint trotz mancher Bedenken möglich, einmal, weil schon im Jahre 1524 das Schönauer Wappen auf dem "roten Bild“ ganz anders dargestellt ist (Schlüssel und Abtstab gekreuzt und von einem S durchschlungen), und dann, weil nur ein hohes Alter es verständlich macht, dass die wahre Bedeutung des Kreuzes aus dem Gedächtnis der Leute kam und jene sagenhafte Deutung als Schere und Weck entstehen konnte. Daß im übrigen ein Kreuz als Zeichen des Klosterbesitzes nahe liegend ist, braucht nicht besonders betont zu werden.
   Zusammenfassend darf also gesagt werden, dass das "Bäckermädel“ nichts Weiteres als einen alten Grenzstein darstellt und der neue Denkstein dort fehl am Platze ist.
   (Anm.: Dagegen ist die Rockenmagd zwischen Brombach und Unterschönmattenwag, die von Langheinz (Arch. f. hess. Gesch. 14) und Christ (Mannh. Geschichtsbl. XIV 1913 und Kurpfälzer Jahrbuch 1925) als Bildstock bezeichnet wird, einwandfrei der Rest eines Steinkreuzes, worüber an anderer Stelle berichtet werden wird.)
(Mannheimer Gesch.-Bl., 1932, H.12, Sp.239-242)


Sühnekreuze & Mordsteine