Deutschland Baden-Württemberg Lkr. Karlsruhe

Ettlingen (I)


Abbildungen bei
Müller (1930)

PLZ: 76274

GPS: N 48° 57.586', O 8° 22.74'

Standort: Am Waldweg nach Scheibenhardt, ca. 500m nördlich des Parkplatze am Runden Plum.

Größe / Material: 70:68:20 / Buntsandstein

Geschichte: Das Steinkreuz steht bei einem steinernen Kruzifix von 1726.
Armoberflächen nach außen stark abgeschliffen. Kleine rundliche Vertiefungen auf linkem Arm und Kopf. Ausgeglichen, Kopfhöhe leicht betont. Zeichen: Nach oben weisendes, links gerichtetes Metzgerbeil. Darüber im Kopf nach oben weisendes, links gerichtetes Messer. (Losch 1981)

Neben den zwölf Steinkreuzen an der Alexiuskapelle lassen sich bei Ettlingen noch zwei weitere Standorte für Steinkreuze nachweisen. An der Straße von Ettlingen nach Scheibenhardt steht bei den früheren Schießständen der Ettlinger Unteroffiziersschule am Waldrand in niederem Gestrüpp ein einfaches Barockkruzifix aus dem Jahre 1726 mit den Buchstaben M.L. (Michael Lumpp, Ziegler) und einem messerartigen Berufszeichen. Daran lehnt ein Steinkreuz aus rotem Sandstein mit stark verwitterten Querbalken (Abb.4). Ein eingeritztes Messer und ein mächtiges, breitflächiges, quadratisches Beil, anscheinend ein Hackbeil, lassen vermuten, dass hier ein Metzger plötzlich verstorben ist. Das gleiche Beil findet sich auf dem gotischen Grabstein eines Hans Unstet an der Martinskirche in Ettlingen. Damit wäre vielleicht eine Hilfe für die Altersbestimmung des Steinkreuzes gegeben, vorausgesetzt, dass man, wie einige Forscher es wollen, nach den eingeritzten Zeichen eine Datierung vornehmen kann. (Müller 1930)

Sage:

Quellen und Literatur:
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981
Müller, Otto August - Steinkreuze in Mittelbaden, in: Mein Heimatland, 17.Jg., 1930, S.195-222
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Ettlingen (II - VIII)
Zur Einzelansicht die Steinkreuze anklicken.

Ettlingen II Ettlingen III Ettlingen IV Ettlingen V Ettlingen VI Ettlingen VII Ettlingen VIII

Abbildungen bei
Losch (1981)

Aufnahme von 1935
ohne Kreuze
(Foto Marburg)

Aufnahme von 1962
mit Kreuzen
(Foto Marburg)

GPS: N 48° 56.874', O 8° 24.788'

Standort: Am nördlichen Ortsausgang der B 3 am Friedhof vor der Alexiuskapelle.

Geschichte: Neu aufgestellt 1979 in lockerer Gruppierung. Vorher standen die Kreuze im Kreis um die Kapelle. Bis 1867 befanden sie sich am ehemaligen Gutleutehaus, bei dessen Abbruch sie an die zugehörige Kapelle gesetzt wurden. Im Jahr 1938 wurden 6 Kreuze und die Reste weiterer 6 Kreuze gezählt. Nach älteren Angaben sollen es früher 11 Kreuze gewesen sein. Heute sind noch 6 Kreuze und der Torso eines siebten Kreuzes erhalten. Ein einarmiges Kreuz ohne Kopf ist erst 1979 verschwunden. (Losch 1981)

Sage: In früheren Zeiten hatte die Stadt Ettlingen ausgedehnte Waldungen, die sich weit ins Albtal hinein bis in die Gegend von Bernbach erstreckten. In diese Wälder ließen die Ettlinger Bürger ihre Schweine zur Mast treiben. Sie ließen in der Nähe des Klosters Frauenalb einen Schweinestall errichten, in den der Schweinehirt die Borstentiere über Nacht eintreiben konnte. Die Klosterleute von Frauenalb beklagten sich darüber, daß sie der Geruch des Schweinestalles belästige. Sie erboten sich, den Stall auf ihre Kosten abzureißen und an einem entlegeneren Platz wiederaufzubauen. Doch die Ettlinger lehnten ab. Eines Tages kam die Botschaft nach Ettlingen, daß die Schweinestiege abgebrannt sei. "Das haben die Klosterleute getan!" eiferten die Ettlinger. Sie rotteten sich zusammen und zogen nach Frauenalb. Dort übten sie eine unchristliche Vergeltung, indem sie sämtliche Gebäude des Klosters niederbrannten. Wegen dieser Tat erhob die Äbtissin des Klosters Klage beim Kaiser. Dieser verurteilte sämtliche zwölf Ratsherren zum Tode. Die Hingerichteten wurden auf der Richtstätte begraben und für jeden ein Sühnekreuz gesetzt. Später wurden dann die Kreuze zur Alexiuskapelle gebracht. (Assion u.a. 1983)

Als die Waldungen von Ettlingen noch bis Bernbach gingen, ließ die Bürgerschaft nächst der Abtei Frauenalb eine gemauerte Schweinsteige mit einem Ziegeldache erbauen. Diese Nähe fiel den Klosterleuten so beschwerlich, daß sie sich erboten, die Steige auf ihre Kosten zu versetzen, und, als die Ettlinger es abschlugen, sie in der Nacht durch Feuer zerstörten. Kaum war dies in Ettlingen bekannt geworden, so rief der Stadtrath die Bürger zur Rache auf, stürmte an ihrer Spitze nach Frauenalb und gab dasselbe den Flammen preis. Über diese Gräuelthat klagte die Aebtissin persönlich bei dem Kaiser – (Statt des Kaisers nennen Andere den Markgrafen von Baden.) –, welcher sämmtliche Rathsherren zum Tod, und die Bürgerschaft dazu verurtheilte: den ganzen Waldbezirk von Bernbach bis zur Moosalb dem Kloster abzutreten, und den Thurm in ihrem Stadtwappen umzukehren, dass er auf der Spitze stehe. Der Vollziehung dieses Unheils wohnte er selbst in Ettlingen bei, und als elf Rathsherren enthauptet waren, fragte er seinen Hofnarren, wie ihm das Köpfen gefalle. "Wenn's Weidenstöcke oder Krautköpfe wären, die wieder ausschlügen, gefiele es mir schon!" gab der Narr zur Antwort, wodurch er den Kaiser bewog, den zwölften Rathsherrn (den einige versteckt, andere gegenwärtig sein lassen) zu begnadigen. Die Enthaupteten wurden auf dem Richtplatze begraben, und auf die elf Gräber eben so viele Steinkreuze mit eingehauenen Köpfen und Schwertern gesetzt.
In der Folge, als der Platz Weinberg geworden war, kamen die Kreuze außen an die Mauer bei dem Gutleuthause; er behielt jedoch bis heute von ihnen den Namen die Kopfreben. Bei den Kreuzen gehen die elf Rathsherren – einer schwarz, die übrigen feurig – in den heiligen Nächten um. Wegen ihrer Hinrichtung mußten ihre Nachfolger schwarze Mäntel tragen, die erst vor wenigen Jahren außer Gebrauch gekommen sind. (Baader 1851)

Quellen und Literatur:
Losch, Bernhard - Sühne und Gedenken. Steinkreuze in Baden-Württemberg, Stuttgart 1981
Müller, Otto August - Steinkreuze in Mittelbaden, in: Mein Heimatland, 17.Jg., 1930, S.195-222
Assion, Peter u.a. - Das pfälzisch-fränkische Sagenbuch, 1983, Ziff. 46
Foto Marburg
Baader, B. - Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden, Karlsruhe 1851, S.176.
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Ettlingen (II)
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Größe / Material: 85:52:15 / Sandstein

Geschichte: Es ist beidseitig ein nach rechts gerichtetes Rebmesser eingeritzt.

Sage:



Ettlingen (III)
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Abbildung bei
Müller (1930)

Größe / Material: 81:58:14 / Sandstein

Geschichte: An diesem Kreuz sind die Kanten zu einem Achteck-Querschnitt profiliert. Auf beiden Seiten ist eine Schuhsohle angebracht, darunter ein Beil-ähnliches Werkzeug, das in Verbindung mit der Schuhsohle als "Halbmond" zu interpretieren ist. So nannte man das von Schuhmachern und Sattlern verwendete Werkzeug zum Zuschneiden des Leders.

Kopfhöhe betont, sonst ausgeglichen. Stark profilierter Achteckquerschnitt, vor den Balkenenden auf Rechteckquerschnitt abgesetzt. Beidseitig Axt bzw. Beil oder Halbmond, nach rechts weisend. Darüber im Kopf nach unten zeigende Schuhsohle; auf der straßenabgewandten Seite ist die Schuhsohle langgezogen und reicht mit ihrer Spitze noch etwas in das Beil hinein. (Losch 1981)

Dieses Steinkreuz scheint also nach den Zeichen das Totenmal eines Handwerkers, vielleicht eines Schusters zu sein. Es muß sicher aus dem Mittelalter stammen, da – abgesehen von der ganzen Form – auf dem rechten Querbalken des wohl stark angewitterten, aber doch gut erhaltenen Kreuzes anscheinend noch Spuren mittelalterlicher Mönchsschrift zu erkennen sind. (Müller 1930)

Sage:



Ettlingen (IV)
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Größe / Material: 84:47:17 / Sandstein

Geschichte: Längsbalkenansicht und Querbalkenlänge jeweils betont; leichte Schaftverbreiterung. Sechsspeichiges Rad in doppelten Konturen als Einzeichnung. (Losch 1981)

Der linke Querbalkenteil fehlt. Auch das Zeichen, ein Rad oder eine Rosette (Radius 12 cm) ist nicht mehr vollständig. Man darf annehmen, daß dieses Steinkreuz einem Müller oder Wagner gesetzt worden ist. (Müller 1930)

Sage:



Ettlingen (V)
nach oben

Größe / Material: 86:72:17 / Sandstein

Geschichte: Es ist ein Schindelbeil eingemeißelt.

Sage:



Ettlingen (VI)
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Größe / Material: 82:56:13 / Sandstein

Geschichte: Kopfhöhe betont; Armlänge knapp; Kopf leicht nach rechts geneigt, Kopfende schräg nach rechts unten gekappt. Querbalken verläuft leicht schräg von links unten nach rechts oben. Die Armenden sind leicht zum Schaft hin gekappt. Der rechte Arm setzt an der Unterseite höher an als der linke. 144 oberflächlich eingeritzt. (Losch 1981)

Auf dem Querbalken ist noch die Zahl 144 zu erkennen. Möglich wäre, daß man auch 174... lesen kann (die Zahlen sind verkratzt), möglich auch, daß dieses Steinkreuz als Grenzzeichen verwendet wurde. Auffällig ist bei ihm die geringe Tiefe im Verhältnis zu den sonstigen Maßen. (Müller 1930)

Sage:



Ettlingen (VII)
nach oben


Abbildung bei
Müller (1930)

Größe / Material: 75:54:18 / Sandstein

Geschichte: An diesem Steinkreuz ist ein großes Pflugsech angebracht – ein Bauern-Symbol, wie es im Karlsruher Raum häufig vorkommt.

Das Steinkreuz war schon einmal in zwei Teile auseinandergebrochen und musß jetzt mit einer Klammer zusammengehalten werden. Das Zeichen wird wohl als Schwert oder langes Messer (52cm lang), das in der Scheide steckt, anzusprechen sein. Das kleine Kreuzchen (†) auf dem Schwert - gleich unterhalb des Querbalkens - könnte auf den ersten Blick für ein Steinmetzzeichen angesehen werden. Es sind mir aber auf Steinkreuzen bis jetzt noch keine derartigen Verzeichnungen begegnet. Darum möchte ich eher glauben, daß es sich um eine Verzierung der Scheide handelt, oder man hat, wie sich dies manchmal findet, auf dem Kreuz noch ein Kreuzchen angebracht. (Müller 1930)

Sage:



Ettlingen (VIII)
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Größe / Material: 55:(?):25-27 / Sandstein

Geschichte: Steinkreuzrest, von welchem nur ein Teil des Schaftes erhalten ist. Auf der Rückseite die Jahreszahl 1867 – das Datum der Umsetzung an den jetzigen Standort.

Einfacher Stumpf, der aber nach den Maßen der kläglichen Überreste zu einem sehr kräftigen Steinkreuz gehört haben muß. Als Zeichen ist noch die Spitze eines Messers oder Schwertes zu erkennen. Unten ist die Zahl 1867 eingehauen, die aber keineswegs das wahre Alter angeben kann. Das Steinkreuz könnte als Grenzzeichen gedient haben. Wahrscheinlicher ist aber, daß die Zahl das Jahr der Aufstellung an der Kapelle angibt. (Müller 1930)

Sage:



Auszug aus
Steinkreuze in Mittelbaden
von Otto August Müller, Bühl

Ettlingen
   In den nächsten Dörfern an der vermutlich alten Straße, in Oberweier und Ettlingenweier, waren bis jetzt keine Steinkreuze aufzufinden. Dagegen können in dem Gemarktungsbezirk Ettlingen 15 Stück nachgewiesen werden. Allein an der Alexiuskapelle sind 12 Kreuze vereinigt. Allerdings sind sie teilweise in so kläglichen Überresten, nur noch als Steinstumpen erhalten und so wenig sichtbar im Gesträuch, dass man allgemein nur von 10 oder 11 Kreuzen wusste und ich selbst nur 10 bei meinem Besuch aufnehmen konnte. Bei neuerlichen genauen Nachforschungen stellte aber Herr K. Springer, Ettlingen, 12 Steinkreuze fest. Die verschiedenartigsten Formen und, wie bei den vielen Gewerben eines Städtchens begreiflich, auch verschiedenartige Zeichen begegnen uns bei diesen Kreuzen, im Gegensatz zu denen in und bei Dörfern, die meist einseitig nur Pflugsech, Pflugschar oder Winzermesser zeigen. Ob allerdings diese so verschieden geformten Steinkreuze von Anfang an zusammengehörten, ist sehr fraglich.

Lageplan für die Steinkreuze an der Alexiuskapelle zu Ettlingen

Abb.1: Steinkreuze an der Alexuskapelle zu Ettlingen

   Die Alexiuskapelle liegt am nordöstlichen Ausgang von Ettlingen, an der Straße nach Wolfartsweier, unweit des neuen Friedhofes und der ehemaligen Kaserne der Unteroffiziersschüler. Die 12 Steinkreuze sind folgendermaßen an der Kapelle verteilt. Die Seite nach der Straße mit dem Eingang ist frei. An der Südseite stehen dann 4 Steinkreuze, an der Nordseite 5, die anderen hinten um den Chor herum (vgl. Skizze und Abb.1) 1).
   Das erste an der Südseite (Abb.2) ist von besonders schöner Form, unzeifelhaft gotisch, achteckig und nur an den ausbuchtenden Enden viereckig. Auf dem Längsbalken sind eine Fußsohle (oder ein Schuh) und ein Beil eingeritzt, und zwar, was nur in ganz seltenen Fällen vorkommt 1), auf der Vorder- und Rückseite des Kreuzes. Dieses Steinkreuz scheint also nach den Zeichen das Totenmal eines Handwerkers, vielleicht eines Schusters zu sein. Es muß sicher aus dem Mittelalter stammen, da – abgesehen von der ganzen Form – auf dem rechten Querbalken des wohl stark angewitterten, aber doch gut erhaltenen Kreuzes anscheinend noch Spuren mittelalterlicher Mönchsschrift zu erkennen sind. (Maße: L.B. 65H., 21 Br. (achteckig), 8 T. (einfache Schmalseite); Q.B. 21 H., 59 Br., 8 T., außen 13 T.; Kopf 25 H., 18 Br., 13 T.)
   Nicht ganz klar sind die Zeichen an dem zweiten Steinkreuz (Abb.1). Eine 44cm lange Einritzung zieht vom linken Querbalken über den ganzen unteren Teil des Längsbalkens. Es ist ein Gebilde ähnlich dem Zeichen auf dem einen der beiden Kreuze bei Greffern (Amt Bühl). Dort wird es vom Volk als Zopf angesprochen 3). Möglich, dass wir einen sogenannten "Rüttelstecken“, ein Attribut des Pflügers, vor uns haben. Das Zeichen daneben könnte man für eine Sichel halten, doch soll es wohl eher ein Winzermesser darstellen. Was aber die Einritzung am Kopf des Kreuzes bedeuten soll, kann ich nicht entscheiden. Da in Ettlingen früher viel Ackerbau treibende Bevölkerung ansässig war und Weinberge sich bis zum heutigen Tag an den Hängen des Wattberges finden 4), lassen die gedeuteeten Zeichen auf einen Ackersmann und Rebbauern schließen. Das Kreuz zeigt lateinische Form und ist ziemlich regelmäßig gehauen. Doch nehmen die Maße an den Enden der Arme jeweils etwas ab. (Maße: L.B. 60H., 18 Br. Am Kopfansatz, 19 Br. Unter den Querbalken, 18 Br. Am Boden, 16 T.; Q.B. außen 18, sonst 19 H., 52 Br., 16T.; l.Q.B. 16 Br., r.Q.B. 17 Br., Kopf 18 H., 18 Br., 16 T.)
   Das dritte Steinkreuz (Abb.1 und 3), ebenfalls in lateinischer Form und regelmäßig gearbeitet, war schon einmal in zwei Teile auseinandergebrochen und musß jetzt mit einer Klammer zusammengehalten werden. Das Zeichen wird wohl als Schwert oder langes Messer (52cm lang), das in der Scheide steckt, anzusprechen sein. Das kleine Kreuzchen (†) auf dem Schwert - gleich unterhalb des Querbalkens - könnte auf den ersten Blick für ein Steinmetzzeichen angesehen werden. Es sind mir aber auf Steinkreuzen bis jetzt noch keine derartigen Verzeichnungen begegnet. Darum möchte ich eher glauben, daß es sich um eine Verzierung der Scheide handelt, oder man hat, wie sich dies manchmal findet, auf dem Kreuz noch ein Kreuzchen angebracht. (Maße: L.B. 64 H., 18 Br., 18 T.; Q.B. 17 H., 54 Br., 18 T.; Kopf 22 H., 17 Br., 18T.)
   Das kräftigste Steinkreuz an vierter Stelle (Abb.1), das lateinische Form hat, aber etwas nach dem Malteserkreuz neigt (nach den Enden zu Verbreiterung der Arme), ist stark beschädigt. Der linke Querbalkenteil fehlt. Auch das Zeichen, ein Rad oder eine Rosette (Radius 12 cm) ist nicht mehr vollständig. Während beim dritten Kreuz ein bestimmter Beruf mit Sicherheit nicht anzugeben ist (Metzger, Ritter oder sonst ein Schwert tragender mann), darf man bestimmt annehmen, daß dieses Steinkreuz einem Müller oder Wagner gesetzt worden ist.
   Die übrigen Steinkreuze am Chor und an der Nordseite der Kapelle sind mit Ausnahme von Nr.10 und 12 hinter Büschen versteckt. Fast alle sind mehr oder weniger stark beschädigt. Sehr gut erhalten und schön lotrecht in lateinischer Form gehauen ist aber noch das fünfte Kreuz. Es scheint, nach Art und Erhaltung zu schließen, jünger zu sein als die übrigen. Auf dem Querbalken ist noch die Zahl 144 zu erkennen. Möglich wäre, daß man auch 174... lesen kann (die Zahlen sind verkratzt), möglich auch, daß dieses Steinkreuz als Grenzzeichen verwendet wurde. Auffällig ist bei ihm die geringe Tiefe im Verhältnis zu den sonstigen Maßen. (L.B. 72 H., 20 Br.., 13 T.; Q.B. 20 H., 56 Br., 13 T.; Kopf 27 H., 20 Br., 13 T.) Vom sechsten Kreuz ist nur noch ein Stammstumpf und der linke Querbalkenteil übriggeblieben. Die maße sind: L.B. 31 H.; Querbalkenteil 15 H., 15 T., 15 Br.

Abb.2: Steinkreuz an der Alexuskapelle zu Ettlingencenter>

Abb.3: Steinkreuz an der Alexuskapelle zu Ettlingen

   An siebter Stelle folgt ein einfacher Stumpf, der aber nach den Maßen der kläglichen Überreste zu einem sehr kräftigen Steinkreuz gehört haben muß. (Maße: 36 H., 26 T., 24 Br.) Als Zeichen ist noch die Spitze eines Messers oder Schwertes zu erkennen. Unten ist die Zahl 1867 eingehauen, die aber keineswegs das wahre Alter angeben kann. Das Steinkreuz könnte als Grenzzeichen gedient haben. Wahrscheinlicher ist aber, daß die Zahl das Jahr der Aufstellung an der Kapelle angibt.
   Von mir übersehen wurden das achte und neunte Kreuz an der Nordseite der Kapelle. Die Überreste sind aber tatsächlich auch ganz unansehnlich. Zwei vierkantige, rote Sandsteine (Sandstein ist, wie ja schon gesagt, das übliche Material) ohne Zeichen ragen kaum noch aus dem Boden. Ein Loch dicht über der Erde und eine senkrechte Kerbe lassen darauf schließen, daß der verschwundene Oberteil des Steinkreuzes Nr.8 mit einer später abgerosteten Klammer befestigt war. Die Maße sind: Nr.8: 14 H., 19 Br., 17 T.; Nr.9: 8 H., 27 Br., 22 T. Gut sichtbar ist der Stumpf des zehnten Steinkreuzes, da dieser vor einem Epitaph steht, das in die Nordmauer der Kapelle eingelassen ist. Viel ist jedoch von dem schlanken Kreuzchen auch nicht übriggeblieben. Man kann noch den Rest eines ganz schmalen Zeichens (Degen?) erkennen. Sonst wirkt aber der Stumpf mit den Maßen: 30 H., 18 Br., 16 T. - gerade weil er so frei steht -, mehr als kläglich.
   Aus der Zeit der Gotik stammt der neunte Stumpf, der in den Formen (achteckig) dem ersten Steinkreuz ahnelt, aber bedeutend kräftiger ist. Schon die Höhe des Stumpfes (68cm) übertrifft die Höhe des anderen Kreuzes (65cm). Die andern Maße sind: 26 Br. (achteckig), 9 T. (einfache Schmalseite). Ob die Einritzung eines Pflugsech oder ein spitz zulaufendes, rundrückiges Messer darstellte, ist nicht zu entscheiden, da ja der obere Teil fehlt. Nicht ganz klar ist schließlich das Zeichen des plumpen, kräftigen Kreuzes an zwölfter Stelle. Es könnte eine Art Hacke sein, wobei allerdings Schneide und Stiel fast gleich lang wären. Das Steinkreuz zeigt lateinische Form, ist regelmäßig gehauen, aber stark beschädigt. (Maße: L.B. 95 H., 23 Br., 18 T.; Q.B. 21, außen 22 H., 75 Br. (Rest, Gesamtbreite wohl etwa 80cm), 18 T.; r.Q.B. 23 Br., Kopf 32 H., oven 22 Br., 17 T.)
   Wenn so viele Steinkreuze auf einem verhältnismäßig kleinem Raum beieinander stehen, muß dies auffallen. Das Volk hat sich darum schon früh mit den Kreuzen beschäftigt, hat sie zueinander in Beziehung gebracht und mit einer Ettlinger Sage verknüpft. "Als die Waldungen von Ettlingen noch bis Bernbach gingen, ließ die Bürgerschaft nächst der Abtei Frauenalb eine gemauerte Schweinsteige mit einem Ziegeldache erbauen. Diese Nähe fiel den Klosterleuten so beschwerlich, daß sie sich erboten, die Steige auf ihre Kosten zu versetzen, und, als die Ettlinger es abschlugen, sie in der Nacht durch Feuer zerstörten. Kaum war dies in Ettlingen bekannt geworden, so rief der Stadtrath die Bürger zur Rache auf, stürmte an ihrer Spitze nach Frauenalb und gab dasselbe den Flammen preis. Über diese Gräuelthat klagte die Aebtissin persönlich bei dem Kaiser – (Statt des Kaisers nennen Andere den Markgrafen von Baden.) –, welcher sämmtliche Rathsherren zum Tod, und die Bürgerschaft dazu verurtheilte: den ganzen Waldbezirk von Bernbach bis zur Moosalb dem Kloster abzutreten, und den Thurm in ihrem Stadtwappen umzukehren, dass er auf der Spitze stehe. Der Vollziehung dieses Unheils wohnte er selbst in Ettlingen bei, und als elf Rathsherren enthauptet waren, fragte er seinen Hofnarren, wie ihm das Köpfen gefalle. "Wenn's Weidenstöcke oder Krautköpfe wären, die wieder ausschlügen, gefiele es mir schon!" gab der Narr zur Antwort, wodurch er den Kaiser bewog, den zwölften Rathsherrn (den einige versteckt, andere gegenwärtig sein lassen) zu begnadigen. Die Enthaupteten wurden auf dem Richtplatze begraben, und auf die elf Gräber eben so viele Steinkreuze mit eingehauenen Köpfen und Schwertern gesetzt.
In der Folge, als der Platz Weinberg geworden war, kamen die Kreuze außen an die Mauer bei dem Gutleuthause; er behielt jedoch bis heute von ihnen den Namen die Kopfreben. Bei den Kreuzen gehen die elf Rathsherren – einer schwarz, die übrigen feurig – in den heiligen Nächten um. Wegen ihrer Hinrichtung mußten ihre Nachfolger schwarze Mäntel tragen, die erst vor wenigen Jahren außer Gebrauch gekommen sind." 5)
   In der hier gegebenen Formulierung ist die Sage eine wörtliche Wiedergabe nach Baaders "Volkssagen aus dem Lande Baden" vom Jahre 1851 (vgl. dort S.176). Baader hatte die Sage aber schon 1839 in Mone's Anzeiger veröffentlicht, und darauf bezieht sich wohl der Ettlinger Baumeister Johann Ulrich, der in seinen Aufzeichnungen aus den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts - wie mir Herr Springer mitteilt - die Sage unter Hinweis auf Baader bringt. Auch der schon genannte P.J. Schneider erzählt in seiner Topographie von Ettlingen aus dem Jahre 1818 (S.110/11) von dieser Begebenheit und berichtet: "Wirklich finden sich noch an der Mauer außerhalb des Gutleuthausgebäudes eilf große Steine in der Erde versenkt, mit verschiedenen Figuren, welche diese Geschichte beurkunden sollen.“ Weiter zurück konnte ich die Sage bis jetzt literarisch nicht verfolgen. Doch da es dem Wesen der Volkssage entspricht, etwas Auffälliges und ob seines hohen Alters nicht mehr klar Bestimmbares auf eigene Weise zu erklären, müssen wir der Sage über ihre literarische Fixierung hinaus genügend Spielraum zur Entwicklung lassen. 6) Es kann also mit Bestimmtheit angenommen werden, dass eine Ansammlung von 11 Kreuzen beim Gutleuthaus zum mindesten seit etwa zwei Jahrhunderten bestand. Ebenso bestimmt kann aber wohl auch behauptet werden, dass dieser Zustand nicht ursprünglich war. Nach Form, Größe und Erhaltung sind die Steinkreuze an der Alexiuskapelle doch eine bunte Gesellschaft; nichts gemeinsames ist in dieser Beziehung festzustellen; im Gegenteil, schon aus der Form ist klar erkennbar, dass sie verschiedenen Jahrhunderten angehören.
   Kaum zu entscheiden wird aber sein, wenn nicht der Zufall uns hilft, ob die Steinkreuze in früheren Jahrhunderten nach und nach beim Gutleuthaus errichtet worden sind, oder ob schon erstellte Kreuze aus irgendwelchen Gründen später versetzt und beim Gutleuthaus zusammengetragen wurden. 7) Mit dieser Frage wird aber zugleich allgemein die Frage nach der Entstehung der Steinkreuznester, wie man solche Ansammlungen von Steinkreuzen nennt, angeschnitten. Steinkreuznester mit größerer Stückzahl sind in Baden sehr selten. Es fehlt darum an ausreichendem Untersuchungsmaterial. In der Nähe von Reicholzheim (Amt Wertheim) werden 11 Steinkreuze durch die Sage miteinander in Verbindung gebracht. 8) In Mittelbaden sind mir Steinkreuznester, aber nur mit zwei bis drei Kreuzen, bekannt in Knielingen, bei Greffern und an der Kapelle bei Sinzheim (Amt Bühl). Diese wird bemerkenswerterweise auch mit dem Gutleuthaus in Zusammenhang gebracht.
   Sehr wohl möglich ist, dass schon im eigentlichen Mittelalter einige Kreuze bei der Gutleuthauskapelle in Ettlingen standen. Das Steinkreuz siedelt sich ja gern bei Kapellen an (z.B. Wolfhag bei Oberkirch, Nikolauskapelle in Achern, Rammersweier bei Offenburg, Sinzheim usw.). Da die zwei Steinkreuze in gotischem Stil auf der Vorder- und Rückseite bearbeitet sind, was sonst bei Steinkreuzen kaum vorkommt, könnten sie vielleicht auch als ursprüngliche Grabkreuze vom Friedhof der Gutleute gedeutet werden. Nachdem der Platz durch einige Kreuze so eine Bestimmung, eine gewisse Weihe bekommen hatte, wurden bei Unfällen und Morden neu zu errichtende Steinkreuze dort erstellt. 9)
   Auffällig ist, wenn man vom heutigen Bestand ausgeht, dass nicht nur Baader von 11 Steinkreuzen berichtet, sondern daß auch ein Kenner Ettlingens, wie es doch der dort ansässige Arzt P.J. Schneider war, von "eilf großen Steinen" spricht. Auffallen muß es aber ganz besonders, dass der früher genannte Ettlinger Baumeister J. Ulrich, der 1791 in Ettlingen geboren ist, ohne Widerspruch Baaders Sage anführt. Damals muß also der Bestand, der zur Bildung der Sage führte, noch der alte gewesen sein. Seit wann sind es aber wohl 12 Kreuze? Wahrscheinlich seitdem man die Kreuze von der Mauer des Gutleutehauses an die Alexiuskapelle selbst versetzte. 10) Bei dieser Neuaufstellung mag dann das 12. Kreuz an der Kapelle hinzugefügt worden sein. Eine Neuaufstellung war aber nötig geworden durch die baulichen Veränderungen an der Gutleuthauskapelle. Spätestens zu Anfang des 15. Jahrhunderts hatte das Ettlinger Gutleuthaus eine Kapelle, die St. Georgskapelle, erhalten. 11) Sie wird dann in einer Urkunde von 1543 erwähnt, und auch im Visitationsprogramm von 1683 genannt. Doch soll sie damals dem Totengräber "pro recondendis instrumentis et seminibus" = zur Aufbewahrung von Geräten und von Samen gedient haben, 12) scheint also nicht mehr zu gottesdienstlichen Handlungen benutzt worden zu sein. Auch das Gutleuthaus selbst hat später nur noch Pfründner beherbergt und war nach Errichtung eines neuen Spitals und Pfründnerhauses entbehrlich geworden. 1859/60 wurden darum das Wohnhaus und der Schopf abgebrochen, 1866/67 auch der vordere Teil der Kapelle niedergerissen. Der Rest wurde zur heutigen Kapelle umgebaut, die am 7. September 1869 Erzbistumsverweser Kübel konsekrierte und dem hl. Alexius weihte. 1867 wurde wohl auch die umgebende Mauer niedergelegt, und darum wurden die Steinkreuze um die Alexiuskapelle herum neu aufgestellt. Die Jahreszahl 1867 auf dem siebten Steinkreuz scheint darauf hinzuweisen.

Abb.4: Steinkreuz und Kruzifix bei Scheibenhardt (Karlsruhe)

   Soviel über die vermutliche Geschichte der Steinkreuze an der Alexiuskapelle. Wenn ich mich jetzt noch äußern darf über den Eindruck, den die Kreuze an der Kapelle machen, so muß ich feststellen: So gut oft solche Steinkreuze in der Landschaft wirken, wenn zwei oder drei zusammenstehen, so wenig kann eine solche Ansammlung bzw. parademäßige Aufstellung an einer Kapelle befriedigen. Der Eindruck wird durch die Häufung gemindert; eines stört das andere in seiner Wirkung, und die nackte Mauer ergibt keinen stimmungsfördernden Hintergrund. Das Steinkreuz gehört in die Landschaft. Wenn es auch da verstümmelt und verwittert, im Erdreich fast versunken oder unbeachtet im Grase liegend, oft einen traurigen Anblick bietet, es bildet eben doch einen starken Stimmungsfaktor, wenn es so ganz mit der Landschaft verwachsen ist. In der Aufstellung an der Kapelle aber wirkt es gestellt und bestellt. Ähnlich verhält es sich mit der ja gut gemeinten Gepflogenheit, Bildstöcke aus der Landschaft zu nehmen und an Kapellen aufzustellen. Wenn nicht ganz dringliche Gründe vorliegen (Verkehrshemmung, bauliche Veränderungen usw.) sollte man Steinkreuz und Bildstock stehen lassen, auch wenn sie bestaubt und beschädigt an belebter Straße ausharren müssen. Von ihrem angestammten Platz sollen sie nicht verdrängt, vor allem aber nicht in Museen aufbewahrt werden, da sie dort zum leblosen Stein oder Stück Holz herabsinken.
   Neben den zwölf Steinkreuzen an der Alexiuskapelle lassen sich bei Ettlingen noch zwei weitere Standorte für Steinkreuze nachweisen. An der Straße von Ettlingen nach Scheibenhardt steht bei den früheren Schießständen der Ettlinger Unteroffiziersschule am Waldrand in niederem Gestrüpp ein einfaches Barockkruzifix aus dem Jahre 1726 mit den Buchstaben M.L. (Michael Lumpp, Ziegler) und einem messerartigen Berufszeichen. Daran lehnt ein Steinkreuz aus rotem Sandstein mit stark verwitterten Querbalken (Abb.4). Ein eingeritztes Messer und ein mächtiges, breitflächiges, quadratisches Beil, anscheinend ein Hackbeil, lassen vermuten, dass hier ein Metzger plötzlich verstorben ist. Das gleiche Beil findet sich auf dem gotischen Grabstein eines Hans Unstet an der Martinskirche in Ettlingen. Damit wäre vielleicht eine Hilfe für die Altersbestimmung des Steinkreuzes gegeben, vorausgesetzt, dass man, wie einige Forscher es wollen, nach den eingeritzten Zeichen eine Datierung vornehmen kann. (Maße: L.B. 80 H., 21 Br., 20 T.; Q.B. 21 H., 68 Br., 20 T.; Querbalkenende 18 H.; Kopf 26 H., 20 Br., 20 T.)
   Zwei weitere Steinkreuze standen nach Baaders Angaben 13) in Ettlingen an der Straße nach Schöllbronn. "Zwei wandernde Metzgergesellen bettelten in einem Hause zu Ettlingen und erhielten einen Kreuzer. Denselben wollte der Empfänger für sich behalten, der andere machte aber auf die Hälfte Anspruch. Hierüber geriethen sie miteinander in Streit, der eine zog ein langes Messer, der andere eine Hippe (Winzermesser) hervor, sie fielen sich an und tödteten sich gegenseitig. Dies geschah am Ende der Stadt, Schöllbronn zu, und es stehen deßhalb am dortigen Wege zwei niedere Steinkreuze, auf deren einem eine Hippe, auf dem andern ein Messer eingehauen ist." Die zwei Kreuze sind heute verschwunden. Meine ursprüngliche Vermutung, dass sie vielleicht 1867 zu den anderen Kreuzen an die Alexiuskapelle gestellt worden seien, wurde durch Nachforschungen des Herrn Springer widerlegt. Die zwei Steinkreuze standen am südlichen Straßenraine der Schöllbronner Straße, bis dort nach Ausweis des Grundbuchamtes im Jahre 1887 das Haus „Schöllbronner Straße 20“ erbaut wurde. Was aus den Steinkreuzen wurde, war nicht genau festzustellen; doch vermutet der frühere Besitzer des Grundstücks, dass sie zerschlagen und als Mauersteine verwendet wurden. Das Los so vieler Steinkreuze und ein Beweis für die Gefühlsrohheit im Zeitalter der "Sachlichkeit".

Quellen:
1) Verschiedenen Aufnahmen von den Steinkreuzen an der Alexuskapelle wurden mir in dankenswerter Weise von Herrn Hauptlehrer L. Bopp durch Vermittlung des Herrn K Springer zur Verfügung gestellt.
2) In Mittelbaden mir nur noch bekannt bei dem gotischen Steinkreuz beim "Alten Schloß" bei Baden-Baden, dem sogenannten "Kellers Kreuz". Allerdings ist dort das Zeichen der Vorder- und Rückseite nicht gleich.
3) Vgl. O.A. Müller, "Steinkreuze in der Umgebung von Bühl", Ortenau 1927, S.161
4) Nach P.J. Schneider, Versuch einer medizinisch-statistischen Topographie von Ettlingen [...] hatte Ettlingen 1818 noch 1873 Morgen Ackerfeld und 135 Morgen Weinberge. Doch wird der Rebbau damals infolge häufiger Fehljahre schon stark zurückgegangen sein.
5 Frauenalb ist allerdings 1403 niedergebrannt worden. Damals war Fehde zwischen Markgraf Bernhard von Baden und König Rupprecht von der Pfalz. Ettlingen war also an der Einäscherung Frauenalbs nicht schuld.
6) Herr Dr. Künzig, Freiburg i.B., machte mich nach Fertigstellung vorliegender Skizze darauf aufmerksam, daß es sich bei der Sage von den 11 hingerichteten Ratsherrn um ein Wandermotiv handelt. Einen weiteren badischen Beleg erbringe Firmenich, Germaniens Völkerstimmen III, Berlin 1854. Dort findet sich S.586 in Mundart die "Sag vun de zwölf Brusler Rothsherre, die z' Obergrombach hiegricht worre senn." Trotz einiger Verschiedenheiten stimmen die beiden Sagen in den wichtigsten Punkten vollständig überein. Eine jüngere Variante der Ettlinger Sage in Mundart bringt Künzig übrigens in seiner sehr empfehlenswerten Sagensammlung "Stammeskunde deutscher Landschaften. Schwarzwaldsagen", S.297. Vgl. ebenda Anmerkung S.368.
7)
Dr. Kuhfahl bringt a.a.O. S.86 und 91 Beispiele für späteren Standortwechsel und S.79 einen bestimmten Beleg für die Entstehung eines Steinkreuznestes durch zusammentragen der Kreuze.
8) Baader a.a.O D.364/65
9) Vgl. meine Ausführungen, Ortenau 1927, S.166
10) Daß Näher, "Die Umgebung der Residenzstadt Karlsruhe" 1884, noch auf S.54 von 11 steinernen Kreuzen spricht und C.F. Schneider noch 1911 in den "Sagen aus der Heimat" die Sage in alter Fassung bringt, ist kein Gegenbeweis.
11) Freiburger Diözesenarchiv XII S.110 wird ein Anniversar von 1426 genannt.
12) Freiburger Diözesenarchiv XII S.115f.
13) B. Baader, Neugesammelte Volkssagen aus dem Lande Baden... Karlsruhe 1859

(aus: Müller, Otto August - Steinkreuze in Mittelbaden, in: Mein Heimatland, 17.Jg., 1930, S.195-222



Ettlingen (IX)


Rückseite

Aufnahme
von 1935

PLZ: 76274

GPS: N 48° 53,413', O 8° 26,694'

Standort: An der Gemarkungsgrenze von Ettlingen-Spessart und Schöllbronn. Hinter dem letzten Haus von Fischweiher überquert ein Wanderweg die Moosalb, am nördlichen Ufer ca. 100m den Hang hoch, dann den Wanderweg nach links bis zum Stein.

Größe / Material: 128:46:13 / Sandsteinplatte (Kopie - Original im Museum der Stadt Ettlingen)

Geschichte: Die Steinplatte steht in einem mit "15.05.1990" bezeichneten Betonsockel. Die Rückseite der Platte trägt die Inschrift
15 ^ 70
5
1837
GS
^
An einem Baum neben der Platte ist eine Erläuterungstafel angebracht.

Sage:

Quellen und Literatur:
Hentschel, Karl-Heinz - Der Ettlinger "Tote Mann" aus neuer Sicht, in: Hierzuland, Badisches und anderes von Rhein, Neckar und Main 9/18 1994, S.48–59
bebildert und recherchiert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach



Der Ettlinger "Tote Mann" aus neuer Sicht
von Karl-Heinz Hentschel, Karlsruhe

Der "Tote Mann", Grenzzeichen Nr. 5 an der Gemarkungsgrenze Schöllbronn-Spessart.
Mineros-Abguß.

An der Gemarkungsgrenze von Ettlingen-Spessart und Schöllbronn steht seit alter Zeit der Grenzstein "Toter Mann". Von der Stadtbahn-Haltestelle Fischweier ist das denkwürdige Kleindenkmal bequem in 15 Minuten zu erreichen. Der Weg führt zunächst 250m auf der Straße in das Moosalbtal bis zum Sägewerk. Dann zweigt ein Fußweg rechts ab zu einem Steg über die Moosalb und zugleich in den Wald. Dort gilt es dann nur, noch den Hinweistafeln zu folgen. Über den Stein wurde des öfteren geschrieben, aber trotz allem liegt seine Geschichte noch immer im dunkeln. Das Folgende ist ein Versuch, neue Erkenntnisse mit schon vorliegenden Berichten und Urkunden zu vereinen und damit das Dunkel etwas zu erhellen.
In den Monatsblättern des Badischen Schwarzwaldvereines Nr. 8 vom August 1909 geht 0. Heilig erstmals umfassend auf den Flurnamen und den Grenzstein "Toter Mann" ein. In seinem Aufsatz "Der Tote-Mannstein unweit Ettlingen" vermutet er, daß der Stein seinen Namen von der ursprünglichen Flurbezeichnung erhielt und daß das Gerippe diesen Flurnamen bildlich darstellt. Ferner weiß er zu berichten, daß der Flurname noch anderwärts anzutreffen ist. Nach seinen Ausführungen soll die alte Römerstraße hart an dem Stein vorbeigeführt haben. Einen Bezug des Namens zu einer früheren Bergwerkstätigkeit sieht er im Gegensatz zu späteren Autoren noch nicht. Heilig legt den Schwerpunkt seiner Beschreibung auf die mit dem Stein verbundene Sage, die er sich im nahegelegenen Burbach erzählen ließ. Es geht darin um einen Mann, der in der Nähe des Steinstandortes verunglückte. Die Sage, die später meist gekürzt oder etwas verändert wiedergegeben wurde, lautet in der Fassung von Heilig folgendermaßen:
Ein Mann wollte dort ein Starennest ausheben. Er stieg auf einen hohen Baum und vergrößerte das Loch, in welchem die jungen Stare waren, um sie besser herausholen zu können. Da ging ein Wanderer vorbei und sagte zu dem Mann auf dem Baum, er versündige sich; heute sei ja Dreifaltigkeitssonntag. Der Mann auf dem Baum erklärte: dies verschlage nichts; er werde den schönsten Vogel fliegen lassen. Nun holte er den ersten Vogel heraus. Der war sehr schön. Der nächste war aber immer schöner als der vorhergehende. Der Mann hielt nun das gegebene Versprechen nicht, sondern behielt alle vier Vögel für sich. Da brach der Ast, und der Frevler fiel zur Strafe in die hohle Eiche. Erst nach Jahren fand man sein Skelett vor. Ihm zum Gedenken hat man den Stein gesetzt.

In Ettlingen und Spessart wird diese Sage ähnlich erzählt. Nur kommt hinzu, daß der Geist des Verstorbenen von Zeit zu Zeit umgehen muß. Und einmal hat ein Wanderer den auf dem Baum sitzenden Geist angesprochen, wobei dieser in sonderbarer Weise antwortete. In dem gereimten Zwiegespräch zwischen dem Geist und dem Wanderer berichtet der Geist, daß er Vögel aushebt – "Siebene in einem Nest".
Das im Volksmund überlieferte Zwiegespräch ist heute auf einer Tafel neben dem Stein wiedergegeben.

Zur Bergwerksthese

In seinem Aufsatz "Wald- und Flurnamen aus der Umgebung von Ettlingen" geht M. Walter im Jahre 1913 ebenfalls auf den "Toten Mannstein" ein. Nach seiner Auffassung hat der Stein seinen Namen von der alten Waldbezeichnung bekommen. In der Folge heißt es, daß der Name "Toter Mann" häufig auf verlassene Bergwerke hinweist und daß manchmal statt "Toter Mann" auch die Bezeichnung "Alter Mann" zu finden sei. In Wirklichkeit wurde umgekehrt der "Alte Mann" in neuerer Zeit vereinzelt vom "Toten Mann" verdrängt. Hierauf wird noch einzugehen sein.

Holzschnitt aus Holbeins Totentanz, um 1530.

Um die Bergwerksthese zu unterstützen, führt Walter weiter an, daß sich auf einer Karte von 1710 bei Maisch das Bergwerkszeichen findet. Es ist aber mit Sicherheit anzunehmen, daß es sich dabei um die gestürzte Pflugschar, das Malscher Fleckenzeichen, handelt. Schon im ältesten Dorfsiegel von Maisch aus dem Jahre 1471 ist dieses Zeichen enthalten, das überdies das Wappen der Gemeinde ziert. Innerhalb der Malscher Gemarkung hat es nie einen Bergbau gegeben. Die in den Jahren 1801-1808 im Malscher Gemeindewald abgebaute Tonerde gehörte nicht zum sogenannten "Bergregal". Die badische Regierung ließ damals prüfen, ob es sich wegen der Tiefe des Abbaues noch um Grundeigentum der Gemeinde oder schon um Bergwerksprodukte handelte, die abgabenpflichtig gewesen wären. (GLA 229/ 63544)
Einen weiteren Beweis für ein Bergwerk sieht Walter in dem für das 15. Jahrhundert nachgewiesenen Flurnamen "die Schmitte" im Wald gegenüber dem "Toten Mann". Zur Bekräftigung dieser Aussage wird zugleich auf den einstigen römischen Bergbau im Schwarzwald hingewiesen. Wiederum nennt auch er eine alte Römerstraße, deren recht deutliche Geleisspuren am Stein vorbeiziehen sollen.
Spätere Autoren übernahmen Walters Vermutungen zum Bergbau beim "Toten Mann" und den Hinweis auf die Römerstraße. So schreibt E. Spitz in den "Heimatkundlichen Beiträgen zum Amtsbezirk Ettlingen" aus dem Jahre 1930: "Spuren dieser Römerstraße, nämlich alte Pflasterung, sind noch jetzt beim Totenmanstein zu sehen." Für eine Römerstraße im Umfeld des Steines fanden sich jedoch in den Ortsakten des Staatlichen Denkmalamtes, Außenstelle Karlsruhe, keine Belege. Ohnedies spricht der unmittelbar vom "Toten Mann" nach Norden ansteigende frühere Grenzweg nicht unbedingt für eine römische Trasse. Nachdem im Zuge der Gebietsreform Namensänderungen von Wegen und Flurnamen nötig wurden, beschloß das Forstamt Ettlingen, den von Schöllbronn zum "Toten Mann" führenden früheren Grenzweg in "Römerstraße" umzubenennen. Diese Änderung ist hiernach in die Deutsche Grundkarte 7116,4 Fischweier, Ausgabe 1986, eingegangen. Das Forstamt stützte sich bei seinem Entschluß auf die in der Bevölkerung schon lange verbreitete Ansicht, daß der Weg mit einer Römerstraße in Verbindung stehe. Möglicherweise sind in der Nähe des Grenzweges (vormals Pfaffenrother Weg) früher doch einmal Spuren einer Römerstraße sichtbar gewesen.

Ausschnitt aus der Grundkarte 7116,4 Fischweier, Ausgabe 1986
Mit Genehmigung des LVermA Karlsruhe

In "Beiträge zur Geschichte der Stadt Ettlingen" werden von E. Schneider die Flurnamen der Stadtgemarkung Ettlingen beschrieben. Auch diese Arbeit nimmt auf den von M. Walter angenommenen Bergbau Bezug. Als Hinweis auf einen ehemaligen Bergbau wird dann erneut der im 15. Jahrhundert erwähnte Waldname "Schmiede" angeführt. In seiner "Geschichte der Stadt Ettlingen" stützt sich R. Stenzel auf eine Urkunde von 1150, die schon den Flurnamen "Schmitte" nennt. Deswegen vermutet auch er hinter dem Flurnamen "Toter Mann" einen allerdings bescheidenen Erzbergbau. Sprache im Wandel Was bei all diesen Überlegungen übersehen wurde: der Begriff "Toter Mann" ist erst im 19. Jahrhundert im Zuge des Sprachwandels verschiedentlich an die Stelle des ursprünglichen "Alten Mannes" getreten. Dies muß nun ausführlich belegt werden, denn der Ettlinger "Tote Mann" wird seit Jahrzehnten immer wieder allein auf Grund des Namens mit Bergwerken in Verbindung gebracht.
Noch im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm findet sich nur der "Totenmann" als Ausdruck für den Totengräber. Unter dem Stichwort "Alter Mann" steht bei Grimm: "Alter mann heißen abgebaute, mit gesteinsmassen ausgesetzte oder eingestürzte räume in der grube; alter mann in der grube heißt der von den alten hingestürzte oder von eingegangenem gezimmer vermülmte oder verfaulte berg."
In der Literatur der vergangenen Jahrhunderte ist stets nur der "Alte Mann" , aber niemals der "Tote Mann" zu finden.
Zedlers "Großes vollständiges Universallexikon" aus dem Jahre 1732 verbindet den Begriff "Alter" mit verschiedenen bergmännischen Rechten. So heißt es z.B.: "Alter, dieses wird in denen Bergwerken wohl in Acht genommen, denn der Ältere hat vor dem Jüngeren im Felde gemeiniglich einen Vorzug." Der "Tote Mann" indessen wird bei Zedler überhaupt nicht erwähnt.
Auch das erstmals 1712 erschienene "Natur-Kunst-Berg- und Handlungs-Lexikon" von J. Hübner kennt den "Toten Mann" nicht. Die Ausführungen zum "Alten Mann" sind bei Hübner weitgehend mit der Formulierung des Grimmschen Wörterbuches identisch und dürften den Brüdern Grimm als Anhalt für ihren Eintrag gedient haben. Allerdings ist bei Hübner noch eine weitere Passage zu nennen, die erklären könnte, weshalb später einmal aus dem "alten Mann" ein "Toter Mann" werden konnte. Es heißt dort: "Alter Mann ist das in Bergwerken ausgehauene und wieder mit Bergen ausgesetzte oder ausgestürzte Feld, als z.E, wenn man im ganzen Gestein arbeitet, und auf solche Berge durchschlägig wird, so spricht man, wir haben einen alten Mann erschlagen." Die Formel "erschlagen" sollte ursprünglich nur bedeuten, daß man auf einen alten, aufgefüllten Stollen durchgeschlagen hatte. Das altertümliche, bergmännische "erschlagen" ist später vielleicht umgedeutet worden. Trübners Deutsches Wörterbuch erklärt das bergmännische "erschlagen" mit dem Zerschlagen des Gesteins, bei dem etwas aufgefunden oder gewonnen wird. Das Grimmsche Wörterbuch nennt noch einschlagen und durchschlagen dafür.
Christian Berward, von dem im Jahre 1673 ein Werk über die Sprache der Bergleute erschien, erklärt den "Alten Mann" unter den "bergläuftigen Arten zu reden" so: "Alter Mann in den Gruben / ist der von den alten eingestürzete / von eingegangenem Gezimmer vermülmte oder verfaulet Berg." Unter den alphabetisch aufgeführten bergmännischen Begriffen gibt es bei Berward keinen "Toten Mann".
Etwa in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts dürfte der Begriff "Toter Mann" da und dort in die Literatur Eingang gefunden haben. Im Deutschen Bergwörterbuch von H. Veith aus dem Jahre 1871 wird unmittelbar nach der Nennung "todter Mann" auf "alter Mann" verwiesen. Veith beschreibt alles, was mit dem "alten Mann" zusammenhängnt, sehr ausführlich. Er nennt dabei einleitend die abgebauten, mit Gesteinsmassen ausgesetzten oder eingestürzten Räume in einer Grube. Aber an keiner Stelle wird dabei nochmals auf den toten Mann Bezug genommen.
Selbst zu Beginn des 20. Jahrhunderts nennen Nachschlagwerke als Erklärung für die schon abgebauten Teile einer Lagerstätte nur den "Alten Mann". So wird es auch in Meyers Großem Konversationslexikon von 1902 beschrieben, in dem aber der "Tote Mann" nicht vorkommt. In dem 1952 erschienenen Großen Brockhaus wird wiederum nur der bergmännische Name "Alter Mann" erklärt. Der "Tote Mann" ist darin als Begriff aus der Metallurgie aufgeführt. Der Begriff konnte außerdem auch den Steinhaufen auf dem Grab eines Erschlagenen bezeichnen, der von jedem Vorübergehenden um einen Stein vermehrt werden sollte. Das Handwörterbuch des Deutschen Aberglaubens berichtet, daß dieser Brauch noch im 19. Jahrhundert in der Lausitz gang und gäbe gewesen sei. Es ist deshalb vielleicht nicht überraschend, wenn es gerade in Sachsen den Flurnamen "Toter Mann" 28 mal gibt.
Die neueren Nachschlagewerke sind in der Erklärung der beiden Begriffe nicht immer einheitlich. Die Brockhaus Enzyklopädie von 1966-1973 und Meyers Enzyklopädisches Lexikon von 1971-1978 führen jeweils beide Formen auf den Bergbau, d.h. auf abgebaute, verfüllte Lagerstätten zurück. Die Brockhaus Enzyklopädie von 1986-1993 erklärt aber nur den "Alten Mann" so und beschreibt den "Toten Mann" als nicht geschmolzene Beschickungssäule im Kern eines Schachtofens.
Im "Lexikon des Bergbaues" aus dem Jahre 1962 sind wiederum nur Erklärungen für den "Alten Mann" zu finden. Zusätzlich wird angemerkt, daß der bergmännische Ausdruck "Alter Mann" aus den Bergbaurevieren des Oberharzes übernommen wurde. Gemeint waren damit Teile der Erzvorkommen, die vor der Großen Pest abgebaut worden waren. Durch den vielfältigen Tod in den Jahren 1348/50 kam der Bergbau fast völlig zum Erliegen. Das "ABC Bergbau", das 1984 in Leipzig veröffentlicht wurde, sowie das Kleine Bergbaulexikon von 1988 aus Essen führen erwartungsgemäß ebenfalls nur den "Alten Mann" auf. Der "Tote Mann" kommt in beiden Ausgaben nicht vor.

Der Flurname "Toter Mann"

Ein Junge darf ein Geldstück mit dem Mund aus der für den Grenzstein ausgehobenen Grube aufnehmen und wird dabei unsanft behandelt. Vermeintlich sollte er sich damit den Standort des Steines zeitlebens
merken können.
Kupferstich in: Allgem. Klug- und Rechtsverständiger Haus-Vatter, 1722.

Aus allen zu Rate gezogenen Nachschlagewerken wird ersichtlich: Der Ettlinger Grenzstein "Toter Mann" kann nicht auf einen alten, verlassenen Bergwerksstollen zurückgehen. Dasselbe gilt übrigens für die gleichlautenden Flurnamen im Südwesten der Schöllbronner Gemarkung sowie zweimal im Spessarter Gebiet. Erst rund 500 Jahre nach der Erstnennung des "Toten Mannes" wurden zuweilen auch verlassene Stollen so bezeichnet. Zugleich wurde deutlich, daß sich der neue Begriff nicht allgemein durchsetzen konnte, ja daß er zu Gunsten des "Alten Mannes" langsam wieder zurückgedrängt wird.
Bei den Flurnamen stellt sich nun zusätzlich die Frage, ob wirklich sämtliche Eintragungen in der Grundkarte aus alten Quellen stammen. Bei früheren Vermessungsarbeiten konnten zuweilen Auskünfte von Ortsansässigen zu einem falschen Flurnameneintrag im Kartenwerk führen. Außerdem erscheinen nicht selten im Umfeld aussagekräftiger Gewannamen Neubildungen, wobei der alte Name nur eines Zusatzes bedarf. So gibt es z.B. auf Spessarter Gebiet, rund 1000 m nördlich des Steinstandorts, den "Totenmann Rain", und in etwas geringerer Entfernung das "Todtenmannstal". Vermutlich gehen beide Bildungen auf den ersten "Toten Mann" zurück.
Wahrscheinlich handelte es sich bei dem möglicherweise unbekannten Toten an der Schöllbronner Gemarkungsgrenze nicht um ein Tötungssdelikt, denn das hätte in der damaligen Zeit zu einem Steinkreuz geführt. Die Darstellung am Grenzstein spricht eher dafür, daß dort ein unbekannter Mann eines natürlichen Todes starb.
Vielleicht gab es damals sogar Verhandlungen über die örtliche und juristische Zuständigkeit; es war nämlich nicht gleichgültig, wie ein Toter im Grenzabschnitt lag. In manchen Fällen war diejenige Gemeinde zuständig, auf deren Grund und Boden der Kopf des Verstorbenen lag, an anderen Orten waren es die Füße oder das Herz (vgl. Beck). Es wird berichtet, daß gelegentlich nachgeholfen wurde, indem man den Toten einfach auf die Nachbarseite legte. Wurde aber beim Nachbarn die ursprüngliche Lage des Toten bekannt, so konnte sich dieses makabre Spiel wiederholen. Mit solchen Handlungen sollten kostenaufwendige Schreibarbeiten und bei unbekannten Toten die Begräbniskosten vermieden werden. Wurde aber in der Bevölkerung von einem. unbekannten Toten gesprochen, so konnte schließlich nur von einem "toten Mann" die Rede sein.
Der Flurname "Toter Mann" ist übrigens in Deutschland recht häufig und läßt sich mehrmals auf Todesfälle, ja sogar auf vorgeschichtliche Gräber zurückführen. Nach der Sage ist unser Stein für einen verunglückten Mann an den Platz gekommen. Das ist durchaus wahrscheinlich. Sollte dort vielleicht ein Fremder, ein Unbekannter, ein Beeren- oder Pilzsammler einmal sein Leben ausgehaucht haben? Dann hätte dies der Bevölkerung einen neuen, namentlich bestimmbaren Fixpunkt für spätere Ortsbestimmungen im Umfeld des Ereignisses geliefert. Schließlich waren brauchbare Landkarten im 15. Jahrhundert noch unbekannt und somit die Orientierung weitgehend von markanten Geländepunkten, Wasserläufen und Flurnamen abhängig.
In der Pfalz gibt es gleichfalls in einer Grenzlinie einen "Toten Mann", für den ein Name aus alten Urkunden hervorgeht (Ortsangaben mit Rechts- und Hochwerten für das Meßtischblatt Annweiler bei Eitelmann). In einer Grenzbeschreibung aus dem Jahre 1780 beschreibt der Rhoder Schultheiß das zwischen dem Hermeskopf und dem Kieseleckerbild befindliche Grenzzeichen Nr.141: "Ein großer feltzen [Felsen] gegen den Toden Mann, oder Greider Jost genandt." Mit der Aufzählung der Grenzmarke Nr.146 wird angemerkt: "Ein großer feltzen Bey dem Todten Mann" (zitiert nach Christmann). In einer Abschrift einer Grenzbeschreibung aus dem Jahre 1602 heißt es: "so in den Weg füran, Biß an den Greider Jost genanden Toten Mann" (Eitelmann). Die Namensnennung "Greider Jost" [Kräuter Jost] läßt sich nur so auslegen, daß an der Stelle ein Mann zu Tode kam, den man unter diesem Namen kannte.

Der "Tote Mann" in Degernau

Das Gewann "Toter Mann" in der kleinen Gemeinde Degernau im unteren Wuttachtal ist seit 1933 als Fundstelle neolithischer Werkzeuge bekannt. Als dann eine Grabung im Jahre 1936 neolitisch-frühbronzezeitliche Keramik erbrachte, entschloß man sich im Jahre 1954 zu einer Nachgrabung. Bald wurde unter der Ackeroberfläche ein längerer Stein entdeckt, der zunächst ein Bezug zu dem benachbarten Flurnamen "Langenstein" vermuten ließ. Aber dann wurden nur die Reste eines sogenannten "Riesensteingrabes" vorgefunden. Aus den Teilen der zerbrochenen Giebelplatte konnte geschlossen werden, daß sich etwa in der Mitte der Platte ein annähernd kreisrundes Loch, mit 0,37m mittlerem Ø befand: das sogenannte "Seelenloch". Auffällig war das Fehlen auch des kleinsten Fundstückes. Es wird deshalb vermutet, daß das Grab ursprünglich etwas von der Fundstätte entfernt lag. Vielleicht wurde es schon in alter Zeit entdeckt und dabei die Platte verlagert. Ein möglicherweise vorgefundenes Skelett könnte dann zu dem Flurnamen "Toter Mann" geführt haben.
Auch für das Degernauer Gewann ist eine Sage überliefert. Es soll dort ein Einsiedler gelebt haben, der eines Tages von unbekannten Tätern ermordet und beraubt worden sei. Und deshalb heiße jene Gegend "Toter Mann". Einer Nachprüfung konnte dies jedoch nicht standhalten, obwohl ein Einsiedler am 21. Juni 1709 dort tatsächlich erdrosselt wurde. Urkunden beweisen aber, daß der Flurname älter als die Sage ist (vgl. Sangmeister). Es gibt aber nicht nur "tote Männer". Christmann weist auf Flurnamen hin, die auf weibliche Opfer von Unglücksfällen oder Verbrechen hindeuten. Es folgt eine Auswahl: "An der toten Frau", "Die tote Frau", "Im toten Mädchen", "Die tote Jungfer", "Die toten Weiber", "Der Tote-Magd-Weg". Bei diesen Beispielen gibt es kaum einen Zweifel daran, daß die Namen auf Todesfälle in dem jeweiligen Gewann hinweisen. Vielleicht sollten wir uns diesen Gedanken auch für unseren Ettlinger "Toten Mann" zu eigen machen. Christmann weist übrigens noch nach, daß in der Nähe von Flurnamen mit "Tot" oder "Toten" nicht selten vorgeschichtliche Grabstätten angetroffen werden oder alte Römerstraßen vorbeiziehen. Neue Fragen könnten sich auftun, wenn tatsächlich einmal beim "Toten Mann" eine alte Römerstraße nachzuweisen wäre.
Bei allen Überlegungen darf die Entstehungszeit des ersten "Toten Mannes" nicht außer acht bleiben. Es ist sicher nicht falsch, die über Jahrhunderte mit dem Stein verknüpfte Jahreszahl 1570 dafür anzusetzen. Noch im 15. Jahrhundert ist der Tod kein fleischloses Gerippe, sondern eine eingefallene, geschrumpfte Leiche, meist von einem um den Leib geschlungenen Grabtuch teilweise umhüllt. Erst im anschließenden 16. Jahrhundert wird der Tod dann als völliges Gerippe dargestellt. Die früheren Darstellungen des Totentanzes hatte man aufgegeben. Jetzt greift der Tod unmittelbar in das Geschehen ein. Beispiele für diese neue Auffassung sind die Holzschnitte von Hans Holbein dem Jüngeren, die als "Imagines mortis" 1530 erschienen. Sicher hat Holbein mit seinen Folgen des Totentanzes die Menschen des ausgehenden Mittelalters stark beeindruckt. Und so ist es denkbar, daß es nur vier Jahrzehnte bedurfte, bis sich die neue Darstellung des Todes an dem Grenzstein wiederfand. Mit dem Hinweis auf dem Stein sollte dann vielleicht an einen Mann erinnert werden, der an dieser Stelle dem Tod folgen mußte.

Umgangsbeschreibungen im Ettlinger Lagerbuch

Illustration in der Umgangsbeschreibung des Jahres 1683. Beide Seiten des Grenzsteines sind dargestellt. fol. 152 r. in Lagerbuch Nr.1 der Stadt Ettlingen

Das gegen 1720 angelegte Ettlinger Lagerbuch Nr.1 enthält die Umgangs- und Grenzbeschreibungen aus den Jahren 1391 bis 1720. Zur ersten Markungsbeschreibung des Jahres 1391 vermerkt der Schreiber: "Osser einem gar alten Parmentin Brieflein an Dato 1391 so noch in der Statt Gewölb erhalten uß geschrieben". Für die Grenzbeschreibung von 1395 lautet ein ähnlicher Eintrag: "...auß einem von Wurmen zerstochenen spermentin Brieflein an dato 1395 ustgeschrieben." In den beiden Abschriften kommt der "Tote Mann" noch nicht vor.
In der dann folgenden Umgangsbeschreibung von 1461 wird der Grenzstein "Toter Mann" erstmals genannt. Auf fol. 13 r. lautet die Einleitung : "Allter Umbgang der Statt Ettlingen anno domini Millesimo susexagesinus primo demnach mit dem Closter Herrenalb der Tausch schon beschehen außer einem alten zerfloßenen papyrin Libell [Büchlein] ußgezogen." [Der Schreiber hat vermutlich ein Kürzel für die Zahl 400 nach "Millesimo" mißdeutet.] Im Anschluß findet sich auf fol. 13 v. die Randbemerkung "Todtmann" und im fortlaufenden Text: heißt es danach: " ...undt von dem selben stein überhin biß alb uf, biß in die Mußalb, undt von der Mußalb stein, der da steht undten im Stützenbrand am Todtmann..." Es ist nicht ganz sicher ob dabei nur der Stein, oder vielleicht doch zunächst der Flurname gemeint ist. Das gilt auch für die "Beschreibung der Statt Marckt Ettlingen" aus dem Jahre 1476, in der es heißt: "biß in den Stein der da steht undten am Totten Mann."
Eine nicht datierte Umgangsbeschreibung aus der Zeit um 1500 läßt wieder vermuten, daß damit nur der Grenzstein gemeint ist. Der Eintrag lautet: "Vom selben stein, ein [Stein] heyst zu dem Todten Man." Es folgen dann in dem Lagerbuch die Beschreibungen der durchwegs alle sieben Jahre vorgenommenen Grenzbesichtigungen, damals "Umbgang" genannt. Bei diesen Grenzumgängen galt es, den Grenzverlauf mit den vorhandenen Grenzbeschreibungen zu kontrollieren und fehlende oder beschädigte Grenzzeichen festzustellen. Zugegen waren immer Bewohner der Gemarkung, der Schultheiß, einige Ratspersonen sowie die örtlichen Untergänger. Die letzteren waren seit alter Zeit für die Kontrolle der Germarkungsgrenzen und der Liegenschaften zuständig. Sie, die auch manchenorts Schieder, Unterschieder, Märker, Geschworene oder Steinsetzer genannt wurden, legten die "Geheime Unterlagen" oder "Zeugen" unter neue Marksteine, um damit die Meßpunkte zu sichern.
An den meist feierlichen Grenzumgängen nahmen stets viele Leute und insbesondere die männliche Jugend teil. Zuvor wurden manchmal Knaben für die Besichtigung wichtiger Steine ausgewählt und dann namentlich in das Umgangsprotokoll eingetragen. In einer Ettlinger Umgangsbeschreibung aus der Zeit um 1520 sind sie unter der Überschrift "Bürgers Söhn" verzeichnet. Um die Erinnerung der Jungen an den Standort wichtiger Grenzsteine zu festigen, war es üblich, einige von ihnen hart auf solche Steine zu stoßen und an den Haaren zu ziehen. Allerdings wurden auch Nüsse, Brezeln oder kleine Münzen unter die jungen geworfen (vgl. Beck). Man war davon überzeugt, daß sie sich dadurch den Grenzverlauf und den Standort wichtiger Grenzsteine einprägten, um ihn schließlich an die folgende Generation weitergeben zu können.
Zwölf- bis vierzehnjährige Knaben wurden früher auch hinzugezogen, wenn von den Untergängern neue Grenzsteine gesetzt wurden. Dabei konnte es ebenfalls recht unsanft zugehen. In Florinis Hausvaterbuch heißt es dazu: "Man leget auch wohl ein Stücklein Geldes in die Grube, dahin der Marck kommen soll, und überläßt es einem Jungen, dafern ers mit dem Munde aufhebt, im Aufheben aber stößt man ihm das Maul leidentlich auf die Erde." Im selben Buch werden noch verschiedene Sprüche aufgeführt, die anschließend von den Jungen aufgesagt werden mußten. So heißt es einmal: "Wann dieser Stein durch Unbestand Entkam aus seinem Marckungsland: Will ich ein wahrer Zeuge seyn, Und nicht ein Klotz und stummer Stein."

Erste bildliche Darstellung im Jahre 1651

In der Umgangsbeschreibung des Jahres 1554 ist der "Tote Mann" als sechzehnter Hauptstein aufgeführt und wird als "am Todten Mann oder der Todtmann" bezeichnet. Diese Formulierung ist in alle dann folgenden Grenzbeschreibungen eingegangen. Mit dem Gemarkungsumgang des Jahres 1651 werden die wichtigsten Grenzsteine in der Beschreibung auch bildlich, also mit ihren Zeichen, Wappen und Formen dargestellt. Für diese Umgangsbeschreibung hat der Schreiber auf fol. 120 r. ein erstes, sehr einfaches, fast kindliches Abbild des sechzehnten Hauptsteines gezeichnet. Ein "Knochenmann" hält in der Rechten die Sanduhr und in der Linken ein hakenförmiges Gebilde, das eine Sense symbolisieren soll. Neben dem Bild sind die Steinnummer 16 und die Jahreszahl 1570 eingetragen. Über der Abbildung ist zu lesen: "Von alters her der Todte mann, werd ich von der statt Ettlingen gnand". Obwohl der "Tote Mann" schon 1461 urkundlich erwähnt wird, dürfen wir annehmen, daß ein so gearbeiteter Grenzstein tatsächlich erst im Jahre 1570 entstand.
In dem Lagerbuch finden sich bis zum Jahre 1720 noch drei weitere bildliche Darstellungen des "Toten Mannes". Immer führt der Tod auf diesen Bildern eine Sense in der Linken. In der Beschreibung von 1672 wird dann erstmalig auf fol.139 v. die Rückseite des Steines mit dem Ettlinger Wappen neben der Hauptfigur wiedergegeben. Das Wappen markierte damit Ettlinger Waldbesitz auf der heutigen Gemarkung Spessart, während der "Tote Mann" die Schöllbronner Markung anzeigte. Die späteren Darstellungen im Lagerbuch sind ähnlich und zeigen auch immer die Rückansicht des Steines mit dem Ettlinger Wappen.
Die Umgangsbeschreibung des Jahres 1720 bringt unvermittelt Farbe in das Lagerbuch; die bildlich wiedergegebenen Grenzsteine sind teilweise koloriert. Die Sanduhr in der Rechten des Gerippes ist rot ausgezogen und der Stein mit einem bunten Blütenkranz umgeben. Der bekannte Hinweis auf den "Toten Mann" ist jetzt, im Gegensatz zu den vorhergegangenen Bildern, in die obere Steinfläche eingegangen; eine Ausführung, die auch der uns bekannte Stein zeigt. Mit der Beschreibung aus dem Jahre 1720 enden im Ettlinger Lagerbuch Nr.1 die Aufzeichnungen über Grenzumgänge.
Eine im Generallandesarchiv Karlsruhe vorliegende Grenzbeschreibung der Stadt Ettlingen aus dem Jahre 1763 beweist, daß sich damals auf der Rückseite des Steines noch immer das Ettlinger Wappen befand. Damit wurde wie zuvor der Ettlinger Waldbesitz ausgewiesen. Die betreffende Passage lautet: "über obgemelten Weeg zum sogenannten Todten Mann 22 Ruthen 5 Schuh. Von vorigem Stein, auf welchem einerseits der Tod - anderseits das Ettlinger Wappen und die Jahreszahl 1570 eingehauen, auf einen nur 4 Schuh davon stehenden hohen Stein mit einem Winkel."
Es darf angenommen werden, daß es sich hier noch um den 1720 beschriebenen Stein handelte. Ein aber mit einem Winkel bezeichneter kleinerer Stein steht heute mit einer "Weisung" auf der Kopffläche als Stein Nr. 6, nur 1,50m entfernt. Die obenauf eingeschlagene "Weisung", eine abknickende Rille, zeigt an, daß hier der Grenzverlauf einen Winkel bildet.

Der "Tote Mann-Stein" und seine Zeichen

Auf dem uns bekannten Grenzstein, dessen Original mittlerweile im Albgaumuseum steht, ist aber auf der Rückseite kein Ettlinger Wappen sichtbar. Es fanden sich auf der Fläche die beiden vertieften Jahreszahlen 1570 und 1837 sowie die Buchstaben GS. Die Zahl 1570 ist in der Mitte durch eine fast wappenförmige, leichte Vertiefung getrennt, in deren Mitte ein einfacher Winkel eingerillt ist. Die Maße der Vertiefung, ca. 15cm x 20cm, und ihre Form könnten vielleicht doch auf ein ausgehauenes ehemaliges Ettlinger Wappen hindeuten. Allerdings lassen die Proportionen der schwachen Vertiefung darauf schließen, daß es sich dann nicht um das bekannte "gespaltene" Wappen handelte. Somit dürfte nur der schwebende Zinnenturm, das Zeichen für Ettlingen, das Feld geziert haben. Darunter folgt die Zahl 5, das ist die inzwischen neue, laufende Nummer des Waldgrenzpunktes. Ein zweiter, etwas kleinerer Winkel, ist unter dem Buchstabenpaar angebracht. Auf die Bedeutung der beiden Winkel wird noch einzugehen sein. In dem 1936 erschienenen Band "Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirkes Ettlingen" wird unter dem Begriff "Toter-Mann-Stein" eine kurze Beschreibung des Steines gegeben. Nach E. Lacroix handelt es sich um eine stehende Sandsteinplatte, 1,28m hoch, 0,46m breit und 0,13m tief. Es folgt der Hinweis auf den Knochenmann mit der Sanduhr und die darüber angebrachte Inschrift. Lacroix hat sie so wiedergegeben:
"VON ALTTERS HER ZUM TOTTEN MANN WERDT ICH VON DER STAD ETTLINGEN GENANT"
Für die Rückseite werden nur die Jahreszahl 1570 und die darunter angebrachte Zahl 1837 sowie wie die Buchstaben GS genannt. Die beiden Winkel und die Nummer des Steines sind nicht aufgeführt. Das Wort "Stadt" ist bis einschließlich 1720 augenscheinlich immer als "Statt" an den Stein gekommen. Im Lagerbuch ist stets nur diese alte Form zu finden. Die jetzt modernere Endung des Wortes und das fehlende Ettlinger Wappen am Revers sprechen für eine Erneuerung oder zumindest Überarbeitung des Steines. Auffallend ist außerdem die eindeutig gleiche Gestaltung der Ziffern 1 und 7 in den beiden Jahreszahlen. Im übrigen ist der "Tote Mann" auf allen Abbildungen des Lagerbuches mit einer Sense in der Linken wiedergegeben. Waren frühere Steine vielleicht so gestaltet? Die im Lagerbuch immer wieder mit einer Sense gezeichneten Knochenmänner lassen es vermuten.
Es scheint so, daß der von Lacroix erfaßte Grenzstein eine Renovation ist, bei welcher das Ettlinger Wappen entfiel oder vielleicht entfernt wurde. Dafür kamen aber die Initialen GS für die angrenzende Gemarkung Spessart an den Stein. Mit den in jener Zeit üblichen neuen Waldvermessungen ging teilweise eine einheitliche Beschriftung der Grenzsteine einher. Es muß offen bleiben, ob die Initialen und die Jahreszahl 1837 auf eine Vermessung zurückgehen oder allein mit einer Erneuerung oder Überarbeitung des Steines zuammenhängen.
In den letzten Jahrzehnten schritt die Verwitterung an dem Totenmannstein so weit fort, daß die Schrift im oberen Teil des Steines nicht mehr lesbar war. Es wurde deshalb beschlossen, den alten Stein in das Museum der Stadt Ettlingen zu überführen. Zuvor fertigte eine Freiburger Firma einen farblich angepaßten Betonabguß und ergänzte dabei die fehlenden Schriftstellen. Die bei Lacroix beschriebenen Merkmale wurden übernommen und außerdem die von ihm nicht aufgeführten Winkelzeichen sowie die Nummer des Steines.
Die Nachbildung steht seit 1990 an Stelle des Originals am alten Platz. Wiederum zeigt die Kopie das menschliche Skelett und die bekannte Inschrift. Die Rückseite der Neuschöpfung trägt wie ursprünglich die Jahreszahlen 1570 und 1837 und die Buchstaben GS für die Gemarkung Spessart. Die beiden bisher unbeachteten Winkel gehen ganz eindeutig auf das Spessarter Orts- oder Fleckenzeichen, einen "Sparren", zurück. Dieser "Sparren", in Spessart auch "Schleife" genannt, markiert neben den Initialen zusätzlich die Spessarter Gemarkungsgrenze. Auf der Vorderseite aber blickt der Knochenmann auf Schöllbronner Gebiet. Nicht ganz verständlich ist der fehlende Hinweis darauf, daß es sich um eine Nachbildung handelt. Auf der Rückseite des Abgusses wäre unter dem Buchstabenpaar GS zumindest die modern gestaltete Jahreszahl 1990 einzuschlagen.

Literatur und Quellenhinweise:
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Brockhaus Enzyklopädie (1966 -1973). Bd.1 u.18. Wiesbaden.
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Hentschel, K.-H. (1988): „Grenzzeichen, Untergänger und 'Geheime Zeugen'" in: Hierzuland 3-Jahrg. Heft 1. S. 34-45. Karlsruhe.
Hübner, J. (1712): Natur-Kunst-Berg-Gewerk- und Handlungs-Lexikon. Leipzig.
Das kleine Bergbaulexikon (1988). Essen.
Lacroix, E. (1936): Die Kunstdenkmäler des Amtsbezirkes Ettlingen. Karlsruhe.
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Roschlau, H. (1984}: ABC Erzbergbau , Leipzig.
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Schneider, E. (1980): Die Flurnamen der Stadtgemarkung Ettlingen. Karlsruhe
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Walter, M. (1913): „Wald- und Flurnamen aus der Umgebung von Ettlingen." In: Monatsblätter des Schwarzwaldvereins, 16. Jahrg. S. 166 ff.
Wappenbuch des Landkreises Karlsruhe (1986}, hrsg. vom Landkreis Karlsruhe.

Generallandesarchiv Karlsruhe: Abt. 199/212, Abt. 229/63544
Stadtarchiv Ettlingen: Lagerbuch Nr.1 der Stadt Ettlingen.

(aus: Hierzuland, Badisches und anderes von Rhein, Neckar und Main 9/18, 1994, S.48–59)



Ettlingen (X)

GPS: N 48° 57,051', O 8° 24,885'

Standort: An der Straße nach Durlach (Gewann "An der Hand").

Größe / Material: 163:24:26 / Sandstein

Geschichte: Wegweiser in Form eines Pfeilers aus rotem Sandstein ohne Profilierung. An der Stirnseite oben Ritzzeichnung einer roh stilisierten Hand, darunter Jahreszahl und Inschrift, schwarz nachgezogen. H. (Unterkante d. Inschrift vom Boden) 163, B. 25,5, Bu. 5,5cm. - Kapitalis.
1 6 o 4 / DURLACH. (Seeliger-Zeiss)

Sage: Nördlich von Ettlingen in der Nähe des Friedhofs an der Durlacher Straße steht ein Stein, der einmal ein Wegweiser gewesen sein muss. Im Volksmund wird er "An der Hand" genannt. Die Anwohner erzählen sich, dass dieser Stein Denkmal eines Mordes sei. Sie begründen ihre Geschichte mit einer Hand, die auf dem Markstein eingemeißelt ist, auf dem die Jahreszahl 1604 und der Ortsname Durlach steht.
Woher kommt dieser ungewöhnliche Name des Steins?
Alles begann mit zwei diebischen Burschen, die nach der Maiandacht in der Martinskirche sich hinter zwei Säulen versteckten, um nach der Messe das Opfergeld zu stehlen. Bei ihrer Tat wurden sie jedoch von dem Kirchendiener überrascht. Gerade als sie flüchten wollten, verließen glücklicherweise einige Männer das nahe gelegene Gasthaus. Als sie sahen, dass die Diebe den Kirchendiener, der die beiden entdeckt hatte und nun lauthals um Hilfe rief, beiseite gestoßen hatten, rannten sie laut grölend hinter den beiden her. Erst an der Stelle, an der heute der seltsame Markstein steht, konnten die empörten Dorfleute die Diebe stellen. Da einer der beiden sich nicht ergeben wollte, versuchte er in Richtung der Hedwigsquelle zu entwischen. Nach kurzer Verfolgung kam es zu einer Rauferei, bei der dem Flüchtenden, der sich heftig wehrte, die Hand mit einer scharfen Sichel abgeschlagen wurde.
Zur Abschreckung von solchen Taten sollen die Ettlinger den Stein "An der Hand" aufgestellt haben. ("Sag´ emol" 2003)

Quellen und Literatur:
Seeliger-Zeiss - Die Inschriften des Großkreises Karlsruhe, 1981, S.171, Ziff.340
"Sag´ emol" - Ettlinger Sagen ©, Albertus-Magnus-Gymnasium Ettlingen 2003
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Foto vom 21.01.2007)


Sühnekreuze & Mordsteine