Deutschland Hessen Lkr. Bergstraße

Fürth (I)


Abbildung bei
Bormuth (1975)

PLZ: 64658

GPS: N 49° 39,249', O 8° 52,641'

Standort: Im Fürther Zentwald, ca. 800m östlich der Wegscheide, unterhalb des Wanderwegs Nr.4/5.

Größe / Material: 34:50:20 / Sandstein

Geschichte: Der Kreuzrest steht auf einem ca. 70cm hohen Felsblock in einem rechteckigen Loch. Auf der Vorderseite des Felsens ist eine ca. 50cm hohe menschliche Figur plump eingeritzt. Neben dem Kreuz ist eine Info-Tafel angebracht:
"Das Schneiderkreuz zeigt einen lahmen Schneider, der hier im 17. Jahrhundert umkam, woran dies Sühnekreuz erinnert."
Wegen der Unebenheit des Felsens sind die Beine der Figur unterschiedlich lang dargestellt, was - in Verbindung mit der als Nadel und Faden gedeuteten Rille auf dem Kreuz – zur volkstümlichen Überlieferung des "lahmen Schneiders" führte. Die Zeichen auf Kreuz und Sockelfels werden von Azzola als Waidmesser (= Zeichen eines Jägers oder Jagdgehilfen) gedeutet. Bei dem Kreuz ist demnach der Fuß abgebrochen; es wurde falsch herum auf den Sockel gestellt.
Siehe auch: Drei Odenwälder Bildsteine - 1953 von Werner Hardes

Maße 40 (Rest):52:25, Sockel 90
Sandstein
Seit Werner Hardes über den sog. Lahmen Schneider 1953 zum ersten Male berichtete, haben sich zahlreiche Abhandlungen mit dem Kreuz, vor allem aber mit der eigenartigen Zeichnung des Sockelsteines befaßt. An Deutungsversuchen hat es nicht gefehlt, eine klare Aussage aber fehlt bisher.
Das Kreuz steckt lose in einem unbearbeiteten Felsblock, der nur oben eine Öffnung zur Aufnahme des Kreuzes hat. Auf der Talseite des Steines ist recht primitiv eine menschliche Figur eingeritzt, deren Gesicht dem Beschauer zugewandt ist, aber beide Füße sind nach rechts gedreht. Der rechte Arm scheint in die Hüfte gestützt, während der linke offenbar einen Gegenstand umfaßt, der auf den Mann einzudringen scheint. Wegen einer Unebenheit im Stein ist das linke Bein kürzer als das rechte. Zwei weitere Zeichnungen auf dem Stein sind ebensowenig zu deuten wie das Attribut des Kreuzes. Bei der Darstellung auf dem Sockelstein handelt es sich offenbar um die Darstellung eines Geschehens, bei dem der Stifter, von einem Gegenstand getroffen, getötet wird. Solche szenischen Darstellungen finden sich zuweilen auf Flurdenkmälern, z.B. in Ziegelhausen, wo der Stifter von einem Baum stürzend abgebildet ist. In denkmalkundhcher Sicht sind sie eine Fortentwicklung der figürlichen Darstellung des Toten.
Die Zeichnung auf dem Block ist heute uns nicht mehr verständlich. Sie führt daher zu manchen Fehlinterpretationen. Hardes berichtet, daß er den Mann, der ihn auf das Kreuz aufmerksam machte, nur mit Mühe bewegen konnte, ihm den Stein zu zeigen. Die Scheu vor dem geheimnisvollen Stein war nur schwer zu überwinden. Hardes konnte folgende Sage in Erfahrung bringen: "Es war einmal ein lahmer Schneider, der hat auf den Almen bei Ober-Ostern gewohnt. Einmal hat er für eine Frau in Hiltersklingen ein Leibchen gemacht. Wie er fertig war, lieferte er es ab und erhielt auch sein Geld. Auf dem Fleimweg benutzte er eine Abkürzung durch den Fürther Centwald. Da ist auf einmal einer aus dem Wald gekommen und hat ihn totgeschlagen. Der Täter ist nie gefunden worden."
Diese Sage ist durch das Bild auf dem Stein entstanden. In dem materialbedingt verkürzten linken Bein sieht der Volksmund die Verkrüp-pelung des Mannes und deutet zusätzlich die anderen Attribute als Schneidergeräte (Nadel und Zwirn). In den Kirchenbüchern von Güttersbach ist im Dreißigjährigen Krieg ein Mann namens Jeckel erwähnt, der den Beinamen "Lahmer Schneider" führte. Daß die Erinnerung an diesen Mann sich im Volke so lange gehalten hat, trotz des Aussterbens der gesamten Altbevölkerung des Marbachtales, ist recht unwahrscheinlich.
Das Kreuz ist plump gearbeitet und paßt zu der rohen Zeichnung. Der obere Kreuzbalken ist ausgebrochen. Manchmal wurde aus der unterschiedlichen Verwitterung von Kreuz und Sockelstein auf verschiedene Entstehungszeiten geschlossen. Hierbei muß man bedenken, daß der Sockelstein völlig unbearbeitet ist, während das Kreuz auch heute noch deutliche Spuren der Oberflächenbearbeitung aufweist. Der Felsblock in der Hanglage seines Standortes ist seit Jahrtausenden vom Schmelz- und Regenwasser überspült worden und im Winter von Schnee und Eis bedeckt, während diese zerstörenden Kräfte das sich weit über das Niveau des Abhanges hebende Kreuz nicht erreichen. Nahe bei dem Steinkreuz finden sich Reste einer alten Kohlplatte. Das Kreuz selbst sehen wir im Zusammenhang mit der alten Hohen Straße vom Neckar nach Norden, die wir schon mehrfach anhand von Flurdenkmälern verfolgt haben.
Von Schneiderattributen auf Flurdenkmälern ist auch anderswo die Rede, so beim Bäckermädel von Altneudorf (vgl. F. Mößinger, in: Die Starkenburg, 1950, FI.8) und auch vom Zollstock bei Schönmattenwag. (Bormuth 1975)

Sage: Ein lahmer Schneider, der auf den Almen bei Ober-Ostern wohnte, hatte für eine Frau in Hiltersklingen ein Leibchen gemacht. Er lieferte es ab und erhielt sein Geld. Auf dem Heimweg benutzte er eine Abkürzung durch den Fürther Centwald. Da ist einer aus dem Wald gekommen und hat ihn totgeschlagen. Der Täter ist nie gefunden worden.

Quellen und Literatur:
Hardes, Werner - Drei Odenwälder Bildsteine, 1953, in: "Volk und Scholle", Hessische Heimatzeitschrift für Volkskunde, Geschichte, Natur, Kunst und Literatur, 25. Jg., Oktober 1953, S.30-32
Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung. Jg.31, 1975, Heft 1/2, S.61-62, Nr.3.1
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Ziff.6319.7
recherchiert und bebildert von Rudolf Wild, Annweiler-Queichhambach (Foto von 2006)



Fürth (II)


Zustand 2006
Foto: Rumpf

Pressefoto des
1981 auf dem
historischen Sockel
errichteten Kreuzes

GPS: N 49° 39,230', O 8° 47,223'

Standort: Nahe dem Nordausgang des Ortes zweigt von der "Erbacher Straße" eine Straße mit dem Namen "Am steinernen Kreuz" ab. An dieser Straße nördlich vor dem Haus Nr.5 steht das Kreuz.

Größe / Material: 170:87:18 / roter Sandstein

Geschichte: Im Jahr 2010 wurden die Steine am jetzigen Platz neu aufgestellt. Das Kreuz ist aus drei Steinen zusammengesetzt, Kopf, Querholm und Schaft. Die Sockelplatte hat eine etwas unregelmäßige Form und mißt 12x50cm (vorn), 75(hinten)x74cm, das Loch darin 20x23cm. (Werner 03/2012)

Zur Zeit lagert der Steinkreuzsockel (73:77:24 / roter Sandstein) auf dem Gelände der Gärtnerei Müller (Straße "Am Steinkreuz") zwischen zwei Treibhäusern.
Ursprünglicher Standort am Weg von Fürth nach Kröckelbach / OT von Fürth, seit 1981 auf Privatgrund an der Einmündung der Straße "Am Steinkreuz" in die B38, auf Betreiben des Grundstückseigentümers vor wenigen Jahren von hier entfernt.
1981 förderte ein Bauer auf seinem Acker an der "Galgenhohl" (oben beschriebner Weg von Fürth nach Kröckelbach) den Steinkreuzsockel beim Pflügen zu Tage. Das zugehörige Kreuz wurde nicht gefunden. Heimatgeschichtlich engagierte Bürger verbrachten ihn auf das o.a. Privatgrundstück und errichteten ein neues Steinkreuz, das sie in den Sockelstein einfügten. Auf Betreiben des Grundstückseigentümers - möglicherweise aus religiösen Gründen - musste das Kreuz samt historischem Sockelstein entfernt werden und lagert seitdem am beschriebenen Ort bei der genannten Gärtnerei. (Rumpf 06/2006)

Sage: Eine junge Magd, die vom Sohn des Dienstherrn ein Kind erwartete, erhängte sich am Fürther Galgen. Als der Sohn später durchs Feld beim Galgen ritt, erschien ihm eine Frau in weißem Gewand, die ebenso wie das Kind, das sie auf dem Arm trug, laut klagte, worauf das Pferd des Bauernsohnes scheute und er zu Tode stürzte. Seine Familie setzte das Kreuz, (dessen Sockelstein 1981 gefunden wurde).

Quellen und Literatur:
Gehbauer, K / Reuter, C. - Überlieferungen aus Fürth und Umgebung, in: Chronik von Fürth, Fürth 1970
Bormuth, Heinz - Die alten Steinkreuze im Landkreis Bergstraße, in: Mitteilungsblätter der Deutschen Steinkreuzforschung. Jg.31, 1975, Heft 1/2, S.72, Nr.7.9
Riebeling, Heinrich - Steinkreuze und Kreuzsteine in Hessen, 1977, Ziff.6318.5
Odenwälder Zeitung, 14./15.September 1991
recherchiert und bebildert von Volker Rumpf, Ebsdorfergrund (Foto von Juni 2006)
Ergänzungen von Gernot Werner, Balgstädt (Foto vom 9.03.2012)


Sühnekreuze & Mordsteine