Geschichte & Forschung Ikonographie Werkzeuge & bäuerliches Gerät

Schuster-Attribute
Schuh, Schuhsohlen, Halbmond und Kneipe


 Einzeichnungen auf Steinkreuzen und Kreuzsteinen 

Würzburg I
Bayern / Stadt Würzburg

Eingeritzt sind: eine Schuhsole (u), ein Halbmond (m) und eine Schusterkneipe (o) - sie kann leicht mit einem Stiefel verwechselt werden. Die Deutung des vierten Zeichens (l) ist noch unklar, es könnte sich um einen Holzschlegel handeln.
Foto: Schenk (2006)


Arnsdorf / Miłków III
Polen / Niederschlesien

Schwert und zwei Schuhsohlen, letztere als historisches Schusterzeichen.
Foto: Azzola (1990)


Ettlingen III
Baden-Württemberg / Lkr. Karlsruhe

Auf beiden Seiten ist eine Schuhsohle angebracht, darunter ein Halbmond.
Foto: Wild (2006)



Andernach VIII
Rheinland-Pfalz / Lkr. Mayen-Koblenz

Spätmittelalterliches Grab-Steinkreuz im Museum der Stadt Andernach, mit Schuh im Kreuzubgsfeld.
Foto: Azzola (1990)


Walldürn II
Baden-Württemberg / Neckar-Odenwald-Kreis

Das Kreuz trägt als Zeichen eine nach unten gerichtete linke Schuhsohle, daneben ein Halbmond ohne Pfriem.
Foto: Hessek (2006)


Weismain I
Bayern / Lkr. Lichtenfels

Mit Sohle als historisches Schuhmacherzeichen.
Foto: Azzola (1990)



Lembeck I
Nordrhein-Westfalen / Lkr. Recklinghausen

Beidseitig reliefierte Stiefelsohle.
Foto: Brockpähler (1963)


Backnang II
Baden-Württemberg / Rems-Murr-Kreis

Schuhsohle in der Kreuzmitte, nach rechts weisend; darüber aufrecht stehendes Messer im Kopfbalken.
Foto: Hessek (2007)






 Darstellungen in anderer Verwendung 

Schusterzeichen in Burrweiler, datiert 1728.
Foto: Wild (2006)

Zunftzeichen in Edenkoben, datiert 1678
Foto: Wild (2006)

Schuh und alter Halbmond als spätmittelalterliches Handwerkszeichen der Hersfelder Schuhmacher im Rippengewölbe der Turm-Vorhalle der Hersfelder Stadtpfarrkirche.
Foto: Azzola (1990)

Siegel des Schuhmacher- und Gerberamtes in Hildesheim von 1345 mit einer Kneipe, einem alten Halbmond und zwei Schuhen als historische Handwerkszeichen.
Quelle: Azzola / Stadtarchiv Hildesheim

Stifterplatte außen an der Südseite der Friedhofskapelle von Wasungen an der Werra mit einer Kneipe und einem alten Halbmond.
Foto: Azzola (1990)

Philip Blech, 1601. Handwerkerwappen auf einer Nürnberger Grabplatte. Im Wappen ein Stiefel und ein Schnabelschuh, der letztere ist von einem Pfeil durchbohrt. Von Pfeilen durchbohrte Schuhe hatten auch die Schuster von Danzig (1385), von Biberach (17.Jh.) und von Wien (1754).
Quelle: Deutsche Gaue (1904/05)

Die Wappen- / Hausmarken-Darstellung in einem Brüstungsfeld im ersten Obergeschoss des Eckhauses "Schmiedegasse" / "Lottestraße" in Wetzlar zeigt einen Schusterhalbmond.
Foto: Rumpf (2008)



 Die Werkzeuge des Schuhmachers und seine Zunft 

Links: Schuhmacher-Kneipe aus der Sammlung Schadwinkel in Mehrum bei Hohenhameln. Die Kneipe ist 19cm lang.
Rechts: Schuhmacher-Kneipe aus der Sammlung Schadwinkel in Mehrum bei Hohenhameln. Die Kneipe ist 19,3cm lang.
Fotos: Azzola (1990)

Alter Halbmond aus der Schusterwerkstatt im Freilichtmuseum der Sandvigschen Sammlungen - Maihaugen - bei Lillehammer in Norwegen. Das Blatt des Halbmondes ist 15,6cm lang.
Foto: Azzola (1990)

[...] Unser Schuster Blech hat, wenn er nicht sehr jung starb, seinen Zunftgenossen und Mitbürger Hans Sachs († 1576) noch gekannt. Er hat einen Stiefel und ein Schnabelschuh im Wappen; letzterer ist von einem Pfeil durchbohrt und vonon Pfeilen durchbohrte Schuhe hatten auch die Schuster von Danzig (angeblich 1385, doch wahrscheinlich ca. 1500), von Biberach im 17.Jahrhundert, von Wien 1754. Die Nürnberger Schuster führten einen Reiterstiefel mit 2 Schuhen, ebenso die Augsburger (1577); die Kronacher (Obfr.) ein Messer zum Sohlhaut-Teilen und ein Instrument zum Absatz-Fummeln nebst dem alten Schusterbeil, die Schuster zu Pleinfeld (Weißenburg Mfr.) hatten im Wappen einen Bischof mit solchem Schusterbeil 1681. Die Münchner Schuster-Innung hat das Stadtwappen selbst (den Mönch oder das sog. Münchner Kindl), der Sage nach aus kaiserlicher Verleihung. [...]
(Grabplatten und Handwerkerplatten, in: Deutsche Gaue, Jahrgang 6, 1904/05, S.53-65)




 Weitere Deutungsversuche 

Der Schuh als Rechtssymbol
Schuh. Im altnordischenBecht kam das Symbol des Schuhs bei der Adoption und Legitimation vor. Der Vater soll ein Mahl anstellen, einen dreijährigen Ochsen schlachten, dessen rechtem Fusse die Haut ablösen und daraus einen Schuh machen; diesen Schuh zieht er dann zuerst an, nach ihm der adoptierte und legitimierte Sohn, hierauf die Erben und Freunde; man heisst das: mit einem in den Schuh steigen. Nach altdeutscher Sitte wurde der Schuh auch bei dem Verlöbnis gebraucht: der Bräutigam bringt ihn der Braut; sobald diese ihn an den Fuss gelegt hat, wird sie als seiner Gewalt unterworfen betrachtet. Nachher wurde es üblich, der Braut neue Schuhe darzubringen. Mächtigere Könige sandten geringeren ihre Schuhe zu, welche diese zum Zeichen der Unterwerfung tragen konnten.
(Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885, S.820)



 Schuhmode im Mittelalter 

Männliche Trachten und Schuhwerk vom Ende des 15. Jahrhunderts.
Quelle: Bergner (1906)

Schuhmode um 1440.
Quelle: Scheible (1847)

   Die Schnabelschuhe gehörten zur alltäglichen Tracht beyder Geschlechter; und selbst wenn keine eigentlichen Schuhe oder Stiefeln getragen wurden und der Hosenstrumpf bloß mit einer ledersohle versehen war, durfte die lange Spitze daran nicht fehlen, ja gerade dann sieht man Schnäbel, die um mehr als zwölf Zoll den Vorderfuß überragten oder ihn um so viel verlängerten. Das in diesem Falle, und auch in den Lederschuhen, die Spitzen mit Wolle, Erg und baumwolle ausgestopft gewesen läßt sich nachweisen, man erräth es auch leicht, wenn man die Abbildung knieender Personen, besonders auf Gemälden des 15ten Jahrhunderts betrachtet; denn da pflegt dort (a), wo die Zehen endigen, den Schnabel sich umzubiegen; ruht der Fuß aber im Steigbügel, dann krümmt sich die Spitze abwärts (b). Nur wenn die Sohle dicht und hart, oder wenn die Spitze nicht zu lang ist, behält letztere auch beym Knieen ihre Form bey (c).
   Es scheinen aber zwey verschiedene Arten Schnabelschuhe bestanden zu haben, vielleicht zu einer Zeit; denn man liest von gerade hervorstehenden Spitzen und von in die Höhe gekrümmten Schnäbeln; man soll sie mit Schnitzwerk verziert, mit Metall, sogar mit Silber überzogen und ihnen an den Enden die Form von Klauen, Hörnern, auch von menschlichen Gesichtern gegeben haben; und einige Fürsten hätten - so wie an ihre Kleider - Schellen daran gehängt, um ihre Ankunft weithin zu verkünden. Anfänglich habe man sie Poulaines, d.h. Schiffschnäbel, späterhin aber Entenschnäbel genannt, als ihre Länge bis auf einige Zolle abgenommen habe [...]
   Beckmann1) hält den Grafen Fulco IV. von Anjou, der um 1087 lebte, für den Verbreiter, wo nicht Erfinder der Schnabelschuhe; denn diese seyen eigentlich schon bey den Römern unter den Namen calcei uncinati oder repandi gebräuchlich gewesen. [...]
   Im 11ten Jahrhundert erwähnten ihrer Petrus Damianus und Anna Comnena. Im 12ten beschrieb sie Joh. von Altevilla unter den Wirkungen der Sittenverderbniß; und der Abt Gilbert, † 1124, setzt noch hinzu, die Schuhe seyen von Corduanleder gewesen. Im dreizehnten Jahrhundert findet man die Engländer wegen dieser Schuhe aus Spott geschwänzte genannt, z.B. bei Math. Paris zum Jahr 1250. Im Jahr 1212 verbot das Concilium zu Paris den Geistlichen diese Schuhe. Dieses Verbot wurde 1365 auf dem Concil zu Angers wiederholt. [...]
   In einer Kleiderordnung der Stadt Zürich von 13702) wird den Frauen und Jungfrauen verboten, Kleider zu tragen, die vorauf noch neben zugeknöpfelt oder genestelt seyen, eben so wenig sollen sie genestelte Schuhe tragen. Und ihnen sowohl als den Männern und Kindern ist das Tragen von Schuhen verboten mit Spitzen, in die man etwas schieben könne.[...]
   Im Jahr 1444 trug man in Erfurth rothe Schuhe von Hirschleder mit spitzen Schnäbeln3).
   1470 verbot der Rath zu Bern jedermänniglich, längere Schuhspitzen zu tragen, als das niedere Geleich eines Fingers, bey 3 Pfd. Strafe1).
   1485 verordnete der Magistrat zu Regensburg: Längere Schuhspitzen zu tragen, als zwei Fingerglaich lang, ist jedermann verboten. Nur fremden Handwerks-Gesellen ist es erlaubt, längere Schnabelschuhe zu tragen, so lange, bis sie die mitgebrachten zerissen haben, oder neue machen lassen zu dürfen. Die Schuhe und Sockeln der Frauen aber dürfen keine längeren Spitzen haben, als ein Fingerglied lang4).
   Zum Jahr 1496 bemerkt Werlich in seiner Augsburger Chronik: Die Schnabelschuhe verschwanden und machten den breiten, flachen oder gebogenen Schuhen Platz, sowie auch die Holzschuhe um diese Zeit den ledernen Sohlen oder Pantoffeln Platz machen mußten5).[...]
   Sollen diese Holzschuhe, die mit den Schnabelschuhen zugleich verschwanden, etwa jene Holzsohlen gewesen seyn, welche man hie und da unter dem Schnabelschuh abgebildet sieht (Abb. unten), auch sie haben Schnäbel, welche den obern an Länge entsprechen und die, wie es scheint, jene schützen sollen?
   Es kommen aber, jedoch selten, zu Ende des 15ten und Anfang des 16ten Jahrhunderts auch solche Holzschuhe mit Spitzen vor, welche wegen der Stollen, die sich an ihnen finden, zum Gebrauch bey kothigen Wegen bestimmt zu seyn scheinen; und niedliche Holzschuhe obiger Art finden wir an Frauenfüßen.[...]
1) Beckmann, Vorrath kleiner Anmerkungen. 8. 1795, S.37, 40 und 52
2) G. Meister, Gesch. von Zürich. 8. 1786, S.110
3) Falkenstein, Chronik von Erfurth, S.511
4) Gemeiner Regensb. Chr. III. 677f.
5) Werlich Augsb. Chr. fol. II. 257
(Einige der auffallensten Kleider-Trachten der Vorzeit, in: Die gute alte Zeit geschildert in historischen Beiträgen zur näheren Kenntniß der Sitten, Gebräuche und Denkart, vornehmlich des Mittelstandes, in den letzten fünf Jahrhunderten; nach großentheils alten und seltenen Druckschriften, Manuscripten, Flugblättern ec., hrg. von J. Scheible, Stuttgart 1847, S.54-137)



 Weiterführende Quellen und Literatur (speziell) 
Azzola, F.K. - Die beiden Bruchstücke einer entwickelten, spätmittelalterlichen Kreuzplatte mit den historischen Handwerkszeichen eines Schusters in der Stadtkirche St. Crucis zu Allendorf an der Werra, in: Zeitschrift des Vereins für hessische Geschichte und Landeskunde, Band 95, 1990, S.19-24
Azzola, F.K. - Der Kreuzstein im Museumshof Rahden. Ein Beitrag zur Ikonographie des spätmittelalterlichen historischen Halbmondes der Lederberufe, in: Mitteilungen des Mindener Geschichtsvereins, 59.Band 1987, S.65-76
Azzola, F.K. - Der Grabstein des Hans Braun mit einem Schuhmacher-Handwerkszeichen an der Kirche von Schweinsberg. Ein Beitrag zur Geschichte des Halbmondes, in: Hessische Heimat, Jg.41 (1991), Heft 3, S.90-96
Azzola, F.K. - Die spätmittelalterliche Kreuzplatte in Neunburg vorm Wald mit einem alten Halbmond und einer Sohle als historische Handwerkszeichen der Schuhmacher, in: Beiträge zur Flur- und Kleindenkmalforschung in der Oberpfalz 17 (1994), S.135-142
Azzola, F.K. - Der besondere Halbmond des Nürnberger Pergamentierers Fricz Pyrmetter, um 1425, im Hohausmuseum zu Lauterbach? in: Hessische Heimat, 46.Jahrgang, Heft 1 (1996), S.12-14
Azzola, F.K. / Bormuth, H. / Haas, H.W. - Überregionale Entwicktungszüge historischer Schusterzeichen auf Kleindenkmalen - Zugleich ein Beitrag zur lkonographie Odenwälder Handwerkszeichen, in: Beiträge zur Erforschung des Odenwaldes und seiner Randlandschaften III (Breuberg-Neustadt 1980), S.363-382 mit 49 Bildern auf 24 Tafeln
Bergner, Heinrich - Handbuch der Bürgerlichen Kunstaltertümer in Deutschland, 2.Band, Leipzig 1906
Götzinger, Dr. E. - Reallexikon der Deutschen Altertümer. Ein Hand- und Nachschlagebuch der Kulturgeschichte des deutschen Volkes, Leipzig 1885
Grabplatten und Handwerkerplatten, in: Deutsche Gaue, Jahrgang 6, 1904/05, S.53-65
Scheible, J. (Hrg.) - Einige der auffallensten Kleider-Trachten der Vorzeit, in: Die gute alte Zeit geschildert in historischen Beiträgen zur näheren Kenntniß der Sitten, Gebräuche und Denkart, vornehmlich des Mittelstandes, in den letzten fünf Jahrhunderten; nach großentheils alten und seltenen Druckschriften, Manuscripten, Flugblättern ec., Stuttgart 1847, S.54-137


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