Die Schnabelschuhe gehörten zur alltäglichen Tracht beyder Geschlechter;
und selbst wenn keine eigentlichen Schuhe oder Stiefeln getragen wurden und der Hosenstrumpf bloß mit einer ledersohle versehen war, durfte die lange Spitze
daran nicht fehlen, ja gerade dann sieht man Schnäbel, die um mehr als zwölf Zoll den Vorderfuß überragten oder ihn um so viel verlängerten. Das in diesem Falle,
und auch in den Lederschuhen, die Spitzen mit Wolle, Erg und baumwolle ausgestopft gewesen läßt sich nachweisen, man erräth es auch leicht, wenn man die
Abbildung knieender Personen, besonders auf Gemälden des 15ten Jahrhunderts betrachtet; denn da pflegt dort (a), wo die Zehen endigen, den Schnabel sich
umzubiegen; ruht der Fuß aber im Steigbügel, dann krümmt sich die Spitze abwärts (b). Nur wenn die Sohle dicht und hart, oder wenn die Spitze nicht zu lang ist,
behält letztere auch beym Knieen ihre Form bey (c).
Es scheinen aber zwey verschiedene Arten Schnabelschuhe bestanden zu haben, vielleicht zu einer Zeit; denn man liest von gerade
hervorstehenden Spitzen und von in die Höhe gekrümmten Schnäbeln; man soll sie mit Schnitzwerk verziert, mit Metall, sogar mit Silber überzogen und ihnen an
den Enden die Form von Klauen, Hörnern, auch von menschlichen Gesichtern gegeben haben; und einige Fürsten hätten - so wie an ihre Kleider - Schellen daran
gehängt, um ihre Ankunft weithin zu verkünden. Anfänglich habe man sie Poulaines, d.h. Schiffschnäbel, späterhin aber Entenschnäbel
genannt, als ihre Länge bis auf einige Zolle abgenommen habe [...]
Beckmann1) hält den Grafen Fulco IV. von Anjou, der um 1087 lebte, für den Verbreiter, wo nicht Erfinder der
Schnabelschuhe; denn diese seyen eigentlich schon bey den Römern unter den Namen calcei uncinati oder repandi gebräuchlich gewesen. [...]
Im 11ten Jahrhundert erwähnten ihrer Petrus Damianus und Anna Comnena. Im 12ten beschrieb sie Joh. von Altevilla unter den
Wirkungen der Sittenverderbniß; und der Abt Gilbert, 1124, setzt noch hinzu, die Schuhe seyen von Corduanleder gewesen. Im dreizehnten
Jahrhundert findet man die Engländer wegen dieser Schuhe aus Spott geschwänzte genannt, z.B. bei Math. Paris
zum Jahr 1250. Im Jahr 1212 verbot das Concilium zu Paris den Geistlichen diese Schuhe. Dieses Verbot wurde 1365 auf dem Concil zu Angers wiederholt. [...]
In einer Kleiderordnung der Stadt Zürich von 13702) wird den Frauen und Jungfrauen verboten,
Kleider zu tragen, die vorauf noch neben zugeknöpfelt oder genestelt seyen, eben so wenig sollen sie genestelte Schuhe tragen. Und ihnen sowohl als den
Männern und Kindern ist das Tragen von Schuhen verboten mit Spitzen, in die man etwas schieben
könne.[...]
Im Jahr 1444 trug man in Erfurth rothe Schuhe von Hirschleder mit spitzen Schnäbeln3).
1470 verbot der Rath zu Bern jedermänniglich, längere Schuhspitzen zu tragen, als das niedere Geleich eines Fingers, bey 3 Pfd. Strafe1).
1485 verordnete der Magistrat zu Regensburg: Längere Schuhspitzen zu tragen, als zwei
Fingerglaich lang, ist jedermann verboten. Nur fremden Handwerks-Gesellen ist es erlaubt, längere Schnabelschuhe zu tragen, so lange, bis sie die mitgebrachten
zerissen haben, oder neue machen lassen zu dürfen. Die Schuhe und Sockeln der Frauen aber dürfen keine längeren
Spitzen haben, als ein Fingerglied lang4).
Zum Jahr 1496 bemerkt Werlich in seiner Augsburger Chronik: Die Schnabelschuhe verschwanden
und machten den breiten, flachen oder gebogenen Schuhen Platz, sowie auch die Holzschuhe um diese Zeit den ledernen
Sohlen oder Pantoffeln Platz machen mußten5).[...]
Sollen diese Holzschuhe, die mit den Schnabelschuhen zugleich verschwanden, etwa jene
Holzsohlen gewesen seyn, welche man hie und da unter dem Schnabelschuh abgebildet sieht (Abb. unten), auch sie haben Schnäbel, welche den obern an Länge entsprechen
und die, wie es scheint, jene schützen sollen?
Es kommen aber, jedoch selten, zu Ende des 15ten und Anfang des 16ten Jahrhunderts auch solche Holzschuhe mit Spitzen vor, welche
wegen der Stollen, die sich an ihnen finden, zum Gebrauch bey kothigen Wegen bestimmt zu seyn scheinen; und niedliche Holzschuhe obiger Art finden wir an Frauenfüßen.[...]
1) Beckmann, Vorrath kleiner Anmerkungen. 8. 1795, S.37, 40 und 52
2) G. Meister, Gesch. von Zürich. 8. 1786, S.110
3) Falkenstein, Chronik von Erfurth, S.511
4) Gemeiner Regensb. Chr. III. 677f.
5) Werlich Augsb. Chr. fol. II. 257
(Einige der auffallensten Kleider-Trachten der Vorzeit, in: Die gute alte Zeit geschildert in historischen Beiträgen
zur näheren Kenntniß der Sitten, Gebräuche und Denkart, vornehmlich des Mittelstandes, in den letzten fünf Jahrhunderten; nach großentheils alten und seltenen
Druckschriften, Manuscripten, Flugblättern ec., hrg. von J. Scheible, Stuttgart 1847, S.54-137)