Zwei in Kirchhofsmauern eingelassene Steinkreuze
Von Dr. Richard Loth.
Meine im 18. und 26. Heft dieser Mitteilungen niedergelegten Arbeiten über die
Steinkreuze in der Umgegend von Erfurt behandeln Kreuze, welche frei an der Strasse stehen. Es mussten diese freistehenden Denkmäler schon deshalb eine
entsprechende Höhe und Festigkeit haben, damit sie dem Verkehr standhalten, sie mussten auch einen Fuss haben, welcher in die Erde eingebettet werden konnte.
Ich füge hier zwei Steinkreuze bei, welche in der Friedhofsmauer eingemauert sind. Das eine Kreuz befindet sieh in der westlichen Friedhofsmauer des in dem Kreise
Ziegenrück bei Pössneck gelegenen Dorfes Wernburg, das andere in Döllstädt,
einer an der Eisenbahnstrecke Erfurt - Langensalza gelegenen Ortschaft. Ersteres ist nur
46cm, letzteres 54cm hoch und breit. Es ist also bei dieser geringen Grösse wohl ausgeschlossen, dass sie ursprünglich frei an der Strasse gestanden haben und erst
später eingemauert sind. Es ist vielmehr mit Sicherheit anzunehmen, dass die Friedhofsmauer ihnen von vornherein zum Schutz gedient hat. Die Form lässt erkennen,
dass sie aus derselben Zeit stammen, wie die in meinen früheren Arbeiten abgebildeten Steinkreuze. Ob die jetzt vorhandene Friedhofsmauer die ursprüngliche Mauer ist,
ist für die Frage gleichgültig. Die Mauer kann im Laufe der Zeiten häufig neu hergestellt sein. Das Kreuz wurde aus Pietät in die neue Mauer immer wieder eingefügt. Es ist
dieser Vorgang für Döllstädt nachweisbar. Die Friedhofsmauer ist vor 7-8 Jahren neu hergestellt. Das Kreuz befand sich bereits in der alten Mauer und wurde in die jetzt
stehende wieder eingemauert. Wenn man aber bedenkt, dass die Sühnekreuze stets an Orten errichtet wurden, wo viele Menschen verkehrten, in der Absicht, dass diese
für die Seele des ohne Beichte Dahingeschiedenen eine stille Andacht verrichten konnten, so gab es eigentlich keine geeignetere Stelle, als eine Friedhofsmauer.
Vielleicht wurde auch in der Nähe des Kreuzes an der Mauer des Friedhofs die Leiche des Erschlagenen, eines unbekannten stillen Wanderers, welchen fern von der
Heimat sein Schicksal ereilte, beerdigt. Inschriften sind nicht vorhanden. Auch fehlen Sagen oder urkundliche Nachrichten über diese beiden Kreuze. Es wäre von
Interesse, dieser Art der Steinkreuze weiter nachzuforschen.
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(Mitteilungen des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt, Heft 27, 1906, S.81-83)
In das Gebiet ernsthafter Überlieferung gehört wohl ein Bericht aus
Oszling, wonach beim Kreuz die Selbstmörder über die Kirchhofsmauer geworfen worden seien, weil man sie nicht
zum Tore habe hineintragen drürfeb. Für den Ursprung des Denkmals ist dies Gerede allerdings kaum von Bedeutung.
(Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.185)