Auffällig ist, daß man verhältnismäßig oft Kreuze an Grenzen findet. Das hat schon in der Frühzeit der Steinkreuzforschung
dazu geführt, einen Teil der Kreuze als Grenzzeichen zu deuten, besonders dann, wenn es sich um Abgrenzung von
Kirchenländereien handelte. Wir wissen heute, daß Steinkreuze nur in seltenen Fällen ursprünglich die Funktion eines
Grenzsteines bekamen. Daß man dennoch häufig solche Standorte vorfindet, mag dadurch zu erklären sein, daß der Mörder
sein Opfer über die Grenze geschafft hat, um seine Tat zu vertuschen und somit einer Bestrafung zu entgehen. Solche auf Grenzen
stehenden Objekte sind aber in der Folgezeit verschiedentlich zur Beschreibung von Grenzverläufen als Orientierungspunkte
herangezogen worden und damit mitunter auch auf alten Karten verzeichnet. Nicht selten haben sie auch zur Bezeichnung von
Flurstücken und zu alten Flurnamen geführt. Gelegentlich tragen solche Male auf der Oberseite des Kopfes ein kleines
eingeschlagenes Kreuz, das zu Vermessungszwecken eingebracht wurde und jüngeren Datums ist.
Mit der Einführung der Carolina, "des heiligen römischen Reiches peinliche Gerichtsordnung", im Jahre 1532 hörte der
private Sühnevergleich auf. Durch dieses Reichsgesetz übernahm der Landesherr die Rechtsprechung bei Mord bzw. Totschlag.
Damit entfiel auch die Verpflichtung, ein Sühnekreuz zu setzen. Wenn man von einer gewissen Übergangszeit absieht, die zur
Durchsetzung des Neuen wohl erforderderlich war, sind Kreuze, die ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts gesetzt worden
sind, Gedenkkreuze, die an die Toten erinnern. Sie sind dann auch von den Angehörigen des Verstorbenen gesetzt worden, wie wir
es bis zum heutigen Tag kennen.
Der Aufstellungsort der Steinkreuze ist seinerzeit sehr unterschiedlich festgelegt worden. Meist sollten sie dort errichtet werden,
wo die Mordtat begangen worden war. Sie konnten aber auch an oft begangenen Wegen, bevorzugten Plätzen oder in unmittelbarer
Nähe von Kirchen stehen, damit der Vorübergehende hier des Toten gedenke und ein Gebet spreche. Damit wird die Funktion des
Sühnekreuzes im Rahmen des Seelgerätes, das oben erwähnt wurde, bestätigt.
Das Kreuz ist tief eingesunken,
zeichen- und inschriftlos. Ein einbetonierter Metallknopf ist wohl eine Grenzmarkierung aus jüngerer Zeit. Ursprüngliche Grenzmarkierungen sind die Kreuze nicht,
eher hat sich die Grenze an den Kreuzen orientiert. [...]
(Bormuth u.a. - Steinkreuze im bayerischen Odenwald, 1997, S.483)
Was auf der Grenze steht, gehört beiden Gebieten an; deshalb errichtete man Sühnekreuze gern auf der
Gemarkungsgrenze, um beide betroffenen Orte an der Sühne teilhaben zu lassen.
(Bächtold-Stäubli, Hanns (Hrg.) - Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, 1987, Bd.III, Sp.1147)
Ferner erscheint es beachtlich, daß sich bis auf eine einzige Ausnahme unter keinem der ausgehobenen Kreuze unvergängliche
Gegenstände, wie z.B. Holzasche oder Tonscherben, eingeschüttet fanden, wie sich nach deutschem Brauch zur unwiderleglichen Bezeichnung von
Grenzzeichen benutzt wurden. Gewöhnlich ruht der rohe, unbehauenen Fuß des Kreuzes auf dem gewachsenen Boden und ist infolge des Eigengewichts im Laufe der Zeit mehr oder weniger
eingesunken. Unter allen sächsischen Ausgrabungen steht lediglich das Oybiner Kreuz vereinzelt da, denn anläßlich seiner früheren Versetung wird in einer Schilderung vom Jahre 1828 der Fund
von Kohle bestätigt.
(Kuhfahl, Dr. G.A. - Die alten Steinkreuze in Sachsen, 1928, S.155)