Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Auf unserer Rückkehr nach Breslau sahe ich bei Würben, einem grüssauischen Gute, sieben alte steinerne
Kreuze, deren man in Schlesien sehr viele antrift, welche dort müssen zusammengebracht und eingemauert worden sein. Bei dieser
Gelegenheit will ich alle Kreuze der Art, die ich auf meiner Reise sahe, aufzählen, und Ihnen meine Meinung darüber zum Schluß
mittheilen.
Ich sah dergleichen Kreuze: ein ziemlich großes auf der ersten Meile zwischen Schweidnitz und d. Dorfe Jauernich, eins tausend
Schritte hinter Hirschfeld, zwei in Herzogswalde, eins eine halbe Meile hinter Naumburg a. Queis, am Wege nach Bunzlau, eins vor u.
eins bei Wartau, eins in Ullersdorf, eins in Röhrsdorf am Weg nach Lehnhaus, eins bei Grüssau, ein sehr großes und breites vor, u.
ein kleineres hinter Striegau, eins bei Zedlitz, 2 in Bunzelwitz, 2 am Wege von Breslau nach Strehlen, eins am Wege von Neisse nach
Kamenz, eins ½ Meile vor Warthe, eins zwischen Heinrichau u. Peilau, ein sehr großes u. großes u. ein kleineres zwischen
Reichenbach und Schweidnitz, 8 in Waizenrode in der Kirchhofmauer, die von Straßen dorthin ebenfalls versammlet worden sein, und
eins ½ Meile vor Breslau.
Alle diese 38 Kreuze sind meistentheils so roh gearbeitet, daß man glauben könnte, die Natur habe sie selbst gemacht: denn es
ist keine Spur eines Meißels oder Werkzeuges daran zu bemerken. Man glaubt gewöhnlich, diese Kreuze wären Denksteine der auf
der Straße Erschlagenen. Allein ich habe diesen Glauben noch nicht beipflichten können, weil es mir unwahrscheinlich vorkommt, daß
man in der grauer Vorzeit so viel Umstände mit einem Erschlagenen solle gemacht haben, dazu stehen mehrere solche Kreuze mitten
in Dörfern, wo ein Straßenmord nicht so leicht gedenkbar ist. Und wie viele Menschen wurden nicht zur Zeit des Faustrechtes auf den
Heerstraßen erschlagen; wie viel mehr solcher Denksteinkreuze müssten überall auf den Straßen noch stehen! – Auch sind die
meisten dieser Kreuzsteine dem Anschein nach älter als das Faustrecht, und ich bin fast überzeugt, daß sie, wie ich mich erinnere
irgendwo gelesen zu haben, Denkmäler von Gottgerichtskämpfern, oder der im Gottesgericht Gefallenen sein mögen. Oder könnten sie
nicht auch aus den Zeiten des beginnenden Christenthums Denkmäler von erschlagenen Heidenbekehrern und Priestern der neuen,
damals viel Widerstand findenden Christusreligion sein? Der Feuereifer der ersten Heidenbekehrer, und der oft blutige Widerstand
der Heiden ist bekannt. – Es käme darauf an, die Sache genauer zu untersuchen, und zu diesem Behufe eins u. das andere solcher
Kreuze auszugraben. Liegt ein Kämpfer darunter, so muß sich noch etwas von seiner Rüstung erhalten haben; ists ein Priester oder
bloßer Wandersmann, so wird man schwerlich etwas anderes als Knochen vorfinden. Indessen müssen bei einer solchen
Untersuchung hauptsächlich alte Rechts- u. Kampfbücher zu Rathe gezogen, u. nach einer Ausgrabung ein solches Kreuz gehörig
wieder aufgerichtet werden. Den es ist Pflicht, Denkmäler des Alterthums in Ehren zu halten: daher gefällt mir auch das
Zusammensammeln solcher Kreuze, wie in Würben u. Waizenrode, nicht; sie stehen nur da an ihrem rechten Orte, wo sie
ursprünglich hingesetzt wurden. Nächstens mehr, in einer zweiten Epistel, von unserer Winterreise.
Stets der Ihrige!
K. T. Heinze.
Nachwort:
Dieser Artikel ist ein Beispiel für das schon frühzeitig erwachende Interesse gebildeter Kreise an den Steinkreuzen und ihren
Errichtungsgründen. In Schlesien ist es der erste Artikel der mir bekannt wurde und damit auch einer der ersten Artikel in Deutschland
überhaupt. Nur in Sachsen wurde im "Magazin für sächsische Geschichte" (1785) und in der "Lausiztische Monatsschrift"
(1796), über die Steinkreuze berichtet.
Was diesen Artikel für unserer Zeit interessant macht, ist der Denkmalschutzgedanke, den man auch heute noch als
gerade zu fortschrittlich bezeichnen kann.
Wer war nun jener K. T. Heinze der für den 1. Jahrgang der Zeitschrift "Idunna und Hermode", in mehreren Fortsetzungen, einen
Reisebericht durch Schlesien schrieb?
Es handelt sich um den Lehrer, Bibliothekar und Privatgelehrten Karl Teuthold Heinze oder auch Karl Christian Traugott Heinze,
geboren 1765 in Stargard, gestorben 1813 in Breslau. Er korrespondierte, von seinem Wohnort Klein-Münche bei Birnbaum an der
Warthe, mit bekannten Wissenschaftlern und Literaten seiner Zeit, unter anderem mit Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich
Gottlieb Klopstock. Weitere Angaben zu seinem Leben und Werk konnte ich leider nicht auffinden.
Es wäre wünschenswert, wenn er und sein Werk der Vergessenheit entrissen würde.
(recherchiert und kommentiert von Uwe Stößel, Saalfeld)
Schon manchem Zeitzer werden die beiden Steinkreuze vor dem Kalktore aufgefallen sein, von denen das
eine das Zeichen des Schwertes trägt, während das andere ohne erkennbare Zeichen ist.
Was hat es mir diesen beiden Kreuzen auf sich? Sind es alte Grabsteine? Oder Sühnekreuze, gesetzt als Buße für eine
begangene Tat? Sind es Weichbildgrenzen oder eine Art Marterln aus katholischer Zeit? Alle diese Fragen haben sicher schon
heimische Forscher beschäftigt, aber eine befriedigende Antwort wird keiner gefunden haben. Wenn ich im Folgenden einen Beitrag
zur Lösung der Steinkreuzfrage zu geben versuche, so bin ich mir bewusst, dass auch ich nicht restlos die Fragen zu klären vermag,
doch möchte ich wenigstens auf die Möglichkeit einer Erklärung dieser altersgrauen Steinkreuze hinweisen. Nachdem ich unabhängig
von der Landschaft, nahezu 1000 Steinkreuze nach Standort, Sage, eingemeißelten Zeichen und Namen untersucht habe, ergibt sich
ein Bild, das anderes Licht als bisher auf diese stummen Zeugen der Vergangenheit wirft.
Was zunächst das vorkommen der Steinkreuze betrifft. So sind sie auch in der näheren Umgebung von Zeitz nicht selten. Hierfür
einige Beispiele: Schon 2km vor Zeitz am Weg nach Groß-Osida stoßen wir wieder auf ein Steinkreuz, was übrigens in Eulau sein
Gegenstück findet. Ein anderes steht 12km westlich von Zeitz am Westente von Stolzenhain, eins zwischen Königshofen und
Eisenberg, eins an der weißen Mühle zwischen Kursdorf und Rauda bei Eisenberg, eins nördlich Kursdorf am „Nossener Walde", eins
an der Straße Naumburg - Neisschütz, zwei Stück am Wege Naumburg - Boblas, eins an der sogenannten „Eselhhohle", ein weiteres
an der Westseite von Krölpa, zwei am Nordausgange von Flemmingen,
eins mitten im Dorfe Boblas, eins an dem Wege Löbitz - Pauscha, zwei
Stück bei Gröbitz im Kreis Weißenfels, eine Gruppe von 5 Kreuzsteinen dicht bei
Frauenprießnitz in der Gabelung der Straße nach Wetzdorf
und Grabsdorf - Thierschneck, mehrere im Tautenburger
Walde, bei Jena, bei Roda usw. - Aber das Vorkommen der
Steinkreuze beschränkt sich nicht etwa auf unsere engere Heimat, alleine in Schlesien sind etwa 600, im hinteren Odenwald über 80,
um Weimar an 60, im ehemaligen Königreich Sachsen 300-400, in beiden Hessen an 100 nachzuweisen, und in der Harzgrafschaft
Honstein hatte ehedem fast jedes Dorf sein Steinkreuz. Doch auch außerhalb der deutschen Grenzen sind sie zu finden: im Kaukasus,
in Westrussland, in Polen in Ungarn, Mähren, Böhmen in Deutsch-Österreich, in der Lombardei, in England wie in Nordeuropa. Und
ihr Standort ist ganz willkürlich, wir treffen sie mitten im Dorf an, an Kreuzwegen, im Walde, auf Bergen, an Brücken, in Gärten und
Wiesen, kurzum überall. Während wir aus dem Standort der Steinkreuze wenig schließen können, gibt ihr Vorkommen Anlass zu der
Vermutung, dass sie germanischen Ursprungs sein könnten, weil sie tatsächlich ausschließlich in den Gebieten zu finden sind, die
ehemals germanisch waren oder heute noch sind.
Und damit ergibt sich die Frage ihrer Bedeutung. Um es gleich vorwegzunehmen - gibt es für mich heute kein Zweifel mehr, dass
diese Steinkreuze uralt sind, und dass sie in engem Zusammenhang mit der germanischen Götterlehre stehen. Denn wären es
Grabsteine oder Sühnekreuze, warum wählt man dann in den Zeiten vollendeter Steinmetzekunst so plumpe, ungefüge, rohe Formen,
die z.T. kaum die Kreuzform erkennen lassen? Es sei nur an das „Wetterkreuz" bei Eisenberg oder an das Kreuz bei Stolzenhain
erinnert, die wirklich mit christlichen Kreuzen kaum etwas gemeinsam haben.
Nein, es sind altheilige, germanische Göttersteine, die einst in Hainen oder Wäldern, auf Wiesen und Bergen, an Bächen und
Wegen standen und kultischen Handlungen unserer Vorfahren dienten. Ein solches Heiligtum wird jede Siedlung gehabt haben. Wo
aber mehrere Kreuzsteine vorkommen - ja gibt es richtige Kreuzsteinnester - da sind diese Seine mehreren Gottheiten geweiht
gewesen, falls sie nicht bei der Separation oder aus sonstigen Gründen zusammengetragen sind. Mehrere solcher Kreuzsteine haben
wir bekanntlich in Gröbitz (Kr. Weißenfels) (früher!), bei Naumburg, bei Flemmingen, bei
Frauenprießnitz und wie erwähnt, am
Zeitzer Ressourcegarten. Am interessantesten ist dabei das Vorkommen
von 5 Steinen bei Frauenprießnitz. Hier stehen östlich vom Dorfe 5 Steine beisammen, die übrigens nicht alle Kreuzform haben. Der
am südlichsten stehende Stein hat viereckige Säulenform und zeigt auf der Nordseite die Umrisse einer Schwertklinge. Der nächste
Stein lässt die Kreuzform noch erkennen, und ein großes vertieftes Schwert in Kreuzform ist darauf zu sehen. Der dritte Stein ist ein
plumpes, verstümmeltes Kreuz, gleichfalls mit dem Schwert. Der folgende Stein zeigt ein sehr gut erhaltenes Kreuz, die Außenecken
sind abgeschrägt, in den Kreuzwinkeln ist die Steinmasse stehen geblieben. Dahinter steht als fünfter Stein wieder eine Säule, auf
deren einen Seite ein gleicharmiges Kreuz eingemeißelt ist. Angeblich sind diese 5 Steine erst bei der Separation an dieser Stelle
zusammengetragen, aber nach Aussagen der Einwohner haben die Steine früher im Flurteil „Hessenburg" verstreut gestanden.
Anderweitig habe ich Steinkreuznester bis zu 6 (früher 9!) Steinen am „Hornfelde" bei Allstedt und am „Holungsbügel" bei Nordhausen,
bis zu 11 (früher 12?) Steinen am Kreuzweg Wertheim - Bronnbach oberhalb von
Reicholzheim nachweisen können. Untersucht man diese
Steinkreuznester näher, dann kommt man zu dem Ergebnis, dass nie ein Stein dem anderen gleicht, und dass selbst da, wo die Form
dieselbe ist, zum mindesten dann das eingemeißelte Zeichen anders ist. In solchen Fällen haben wir also Steine vor uns, die
verschiedenen Zwecken dienten, d.h. wohl verschiedenen Gottheiten geweiht waren. Und damit ergibt sich die interessante Tatsache,
dass zu den Kreuzsteinen auch jene Steine zu rechnen sind, die Säulen- oder Scheiben- oder andere Formen tragen. Verfolgen wir
nun die Form der eigentlichen Kreuzsteine, dann kann man wohl im allgemeinen 5 Hauptarten feststellen, die auch in der Zeitzer
Gegend anzutreffen sind:
1.) das lateinische Kreuz (z.B. Zeitz, Naumburg, am Weg nach Groß-Osida),
2.) das Malteserkreuz, ähnlich dem Eisernen Kreuze (an der weißen Mühle zwischen Kursdorf und Rauda, bei Naumburg an der Eselshohle).
3.) das sogenannte Antoniuskreuz (bei Löbitz an der Wegkreuzung Löbitz - Pauscha),
4.) das Kleeblattkreuz (in Boblas),
5.) das Radkreuz (in der Zeitzer Gegend nicht nachweisbar).
Neben diesen 5 Hauptformen kommen noch zahlreiche Nebenformen vor: bald fehlt dieser, bald jener Kreuzarm, bald ist die Form des Kreuzes mehr oder weniger verjüngt, bald hat man die Steinmasse zwischen den Kreuzwinkeln stehen gelassen, wie am 4. Stein von Frauenprießnitz, bald ist die Steinkreuzform kaum noch zu erkennbar, wie bei dem von Gröbitz oder Eisenberg.
Zu den Kreuzsteinen gehören aber, wie bereits angedeutet , auch die Steine, die selbst keine Kreuzform haben, auf denen aber
hier und da das Zeichen des Kreuzes vorkommt. Als Beispiel hierfür kommt wieder die Frauenprießnitzer Gruppe in Betracht, wo der
eine Stein Säulenform hat, auf der eine Seite aber ein im Umriss gearbeitetes Kreuz erkennbar ist. Was sollen diese Steine und
Kreuze Bedeuten? Da die selben Formen in allen germanischen Ländern wiederzufinden sind, und man dasselbe Kreuz, das in
unserer thüringisch-sächsischen Heimat steht, im Schwarzwald wie in Böhmen, in der Lombardei wie in Schweden antrifft, so haben
wir es aller Wahrscheinlichkeit nach mit keinem christlichen, sondern mit einem germanischen Kreuzzeichen zu tun, das Thors
Hammerzeichen sehr ähnlich ist. Denn, wie wir wissen, hat die Form der Kreuze, abgesehen vom rechtwinkligen lateinischen Kreuz,
überhaupt keine Beziehung zum Christenkreuz. Aber auch dieses lateinische Kreuz ist ja, wie namhafte Gelehrte, z.B. Montelius,
nachgewiesen haben, weit älter als das Christentum. Und, dass es auch keine Steinkreuze nicht erst jüngeren Datums sind, dass auch
keine Sühnezeichen des 14. oder 15. Jahrhunderts sind, beweist ihre Erwähnung in viel früherer Zeit. Im Jahre 779 bestimmte Papst
Leo III, man solle an Wegkreuzungen, da, wo man sich zu begegnen pflegt, Wegekreuze errichten. Sollte hier nicht ein
altgermanischer Brauch fortleben, so wie man auf die Anordnung der Päpste die neuen christlichen Kapellen auch an Orten
heidnischer Kulturstätten aufbaute? Und, dass schon zur Zeit Karls des Großen Steinkreuze vorhanden waren, sagt uns eine
Hersfelder Urkunde vom Jahre 786, in der nördlich von Trebenau in Hessen-Nassau ein Steinkreuz erwähnt wird. Die Erhaltung
dieser einfachen, altersgrauen Zeugen der Vorzeit verdanken wir nur der Tatsache, dass es Kreuze waren oder Steine mit
Kreuzzeichen. Darum ließ das Christentum sie stehen und vernichtete nur besonders berühmte germanische Heiligtümer, wie etwa
die Irminsul, jene zu Ehren Irmins = Wodan errichtete Säule (Erwähnen möchte ich hierbei, dass unter den Steinkreuznamen auch der
Name „Ibermannstein" b. Arholzen im Braunschweigischen gefunden habe, worin das Wort Ir-man = der erste, echte Mensch stecken
könnte, wanderte doch auch Wodan unter dem Heldennamen Irman, Irmin, Iring durch die Lande. Dass die Milchstraße auch
Iringstraßc heißt, sei nebenbei erwähnt).
Dass später das Volk mit jenen verlassenen Steinkreuzen nichts mehr anzufangen wusste, ist erklärlich. Die alten Götter waren
entthront, ihre Kultstätten wurden gemieden, aber geheimnisvoll raunte Frau Sage von jenen ehedem heiligen Steinen.
Und sie boten ja Anlass genug zu düsteren Erzählungen. Da waren seltsame, runenartige Einritzungen vorhanden, sonderbare
Zeichen, die keiner mehr zu deuten verstand: Schwerter und Beile, Sonnenräder und Sicheln, Spitzhämmer und Hufeisen,
Sohlenabdrücke und brotartige Gebilde, Hirtenschippen und Peitschen, Maurerkellen und Votivhände, scherenartige Zeichnungen
und Wolfsangeln, Pfeile, Keulen, Becher, menschliche Figuren und anderes mehr. Was aber sollen diese z.T. grob-naiven
Einritzungen der Kreuzsteine? Tiefes Dunkel ruht über diesen Symbolen, die sich wiederum nicht auf einzelne Länder beschränken,
sondern überall in gleicher Form zu finden sind. Das was höchst merkwürdig ist, ist die folgende Tatsache: selbst bei gleicher Form
der Kreuzsteine im Kreuzsteinnest ist nie das gleiche Zeichen vorhanden; also wieder ein Beweiß, dass diese Steine verschiedenen
Gottheiten dienten. Als Beispiel möchte ich noch einmal das Frauenprießnitzer Steinkreuznest heranziehen: der erste Stein hat
viereckige Säulenform und trägt das Schwertzeichen, der zweite hat verstümmelte Kreuzform und hat ebenfalls eine
Schwertzeichnung, der dritte hat die Form des Antoniuskreuzes mit Schwert, der vierte hat zwar Kreuzform, aber in den 4 Winkeln
ist die Steinmasse geblieben und so eine Art Achteck entstanden, aus dem die Kreuzform erhaben herausgearbeitet ist, der letzte
Stein hat wieder Säulenform, und auf der einen Seite ist ein gleicharmiges Kreuz eingehauen. Selbst bei den 11 Steinen und Kreuzen
von Reicholzheim gleicht kein Stein dem anderen, und Schwert, Dolch,
Hammer, Speer und Schlegel wechseln sich mit zeichenlosen Steinen ab. Was sollen nun diese Gebilde? Zwar maße ich mir nicht an,
restlos eine Klärung dieser sonderbaren Zeichen herbeizuführen, aber doch möchte ich einen Versuch einer möglichen Lösung wagen.
Am häufigsten finden wir das Schwertzeichen, das sowohl das Symbol Zins wie Wodans wie Thors sein könnten. Beim Schwert
leisteten die Germanen ihre Eide, das Schwert war das Zeichen der Thingstätte. Wohl jeder Gott und jede Göttin der Germanen hatte
ihr Symbol, ihr Ideogramm, ihr Signum. Wir brauchen nur an das 7. Kapitel von Tacitus, Germania zu denken, wo es heißt:
„effigiesque et signa quaedam, detracta lucis, in porelium ferunt", d.h. „die Germanen holen gewisse Bilder und Zeichen
aus heiligen Hainen und nehmen sie mit in die Schlacht." Oder im 9. Kapitel schreibt Tacitus folgendes: „Pars Sueborum et Isidi
saerificat... unde causa et origo peregrino sacro, parum comperi, nisi quod signum ipsum in modum liburna figuratum docet advectam
religionem."
In deutscher Übersetzung: „Ein Teil der Sueben opfert auch der Isis. Wo der Grund und der Ursprung dieses fremden Kultes
stammt, habe ich nicht ergründen können. Doch weist das Zeichen der Göttin, das die Gestalt eines Schnellseglers hat, darauf hin,
dass diese Religion von außen her gekommen ist."
Das Symbol jener Suebengöttin, die Tacitus Isis nennt, war also ein Schnellsegler, wenn anders Tacitus das Signum überhaupt
richtig gedeutet hat. Auch die anderen auf Steinen und Steinkreuzen angebrachte Symbole sind Götterzeichen. Außer dem Schwert
kommen in unserer Heimat noch folgende Steinkreuzzeichen vor: das Beil auf dem Steinkreuz von Löbitz und von
Drößnitz (Sachsen-Altenburg), 2 sohlenähnliche Gebilde auf
den Kreuzarmen des Rodaer Steinkreuzes, ein viergeteiltes Sonnenrad bei Öchlitz westlich Merseburg, das achtspeichige Sonnenrad
am Kreuzstein vom Forsthaus Spaal (S.-A.), Näpfchen und
Sonnenrad auf Stab an einem Kreuzstein jenseits des Teiches von Mötzelbach (S.-A.).
Die Axt oder das Beil ist meines Erachtens das Zeichen Thors, der auch den Hammer (vgl. das Kreuz von
Pflanzwirbach!) oder die Keule oder die Gerte gewissermaßen
als Wappen fuhrt. Über das 4- oder 8-speichige Sonnenrad etwa zu sagen, erübrigt sich, nachdem es längst als germanisches
Sonnensymbol geklärt ist. Auf nordischen Runenstäben bedeutet dieses Rad den Weihnachtstag, den Geburtstag des Sonnengottes
und hat sich übrigens als Handwerksmarke bis ins 16. Jahrhundert erhalten. In diesen Zusammenhang gehört auch der Doppelkreis,
der auf dem Steinkreuz bei Freyburg a.U. erhalten ist. Die sohlenähnlichen Gebilde auf den Kreuzarmen des Rodaer Steinkreuzes
oder die sogenannten Näpfchen am Mötzelbacher Kreuz sind
bereits schon lange als Zeichen vorchristlicher Zeit erkannt. Dass auch die weiblichen Gottheit der Germanen ihre besonderen
Ideogramme hatten, wie Sichel und Spinnrad, lässt sich aus den Sagen, die diese Kreuzsteine umranken, leicht erklären. Beide
Symbole kommen in der Zeitzer Gegend nicht vor, hingegen ist die Sichel an einem Kreuzstein im Kreis Eckartsberga, die Spindel
am Kreuzstein b. Treffurt (Aus Böhmen wird allein 27mal berichtet, daß an Steinkreuzen mit den Sichelzeichen 'sich
Sichelmädchen gegenseitig aus Eifersucht zerfleischt hätten'.) vertreten. Auch andere Kreuzsteinzeichnungen, wie Pflugschar, Brot,
Brezel, Hirtenschippe, Gabel, Keule, Speer und andere, vor allem aber die bekannten Hufeisen, Roßtrappen und Hahnentritte, sie alle
scheinen mir germanische Göttersymbole zu sein.
Und diese Annahme findet ihre Bestätigung durch die Steinkreuzsagen. Freilich mit den meisten von ihnen wird man nicht viel
anfangen können, denn das Volk, das den Sinn der altersgrauen Kreuz nicht mehr kannte, brachte sie einfach mit lokalgeschichtlichen
Begebenheiten, mit der Schweden- oder Franzosenzeit zusammen. Und wo eine Stadt oder ein Dorf bemerkenswerte historische
Persönlichkeiten aufzuweisen hatte, wurden diese mit dem Steinkreuz in Beziehung gebracht. Wie um den großen Stein bei
Keuschberg am Jahrestag der Hunnenschlacht wilde Reiter jagen sollen, so wurden die beiden altheiligen Steine von Zscheiplitz,
der „Himmel" und die „Hölle", mit der Ermordung des Pfalzgrafen Friedrich von Sachsen verbunden. Und schließlich ein Beispiel aus
der Zeitzer Gegend anzuführen, soll am Steinkreuz bei der weißen Mühle zwischen Cursdorf und Rauda Graf Ekbert II erschlagen
worden sein, obwohl er nach geschichtlicher Quelle in einer Mühle des Selketales seinen Tod fand. Wie solche Sagen entstehen,
erkennt man noch deutlich aus den Steinkreuzgeschichten von
Pflanzwirbach, 3km nordöstlich von Rudolstadt. Hier stehen 3 Kreuze, eins mit dem Zeichen des Brotes (?) (Semmel), das
zweite mit dem Sonnenrad, das dritte mit dem Hammer. Die Volkssage ist hier sofort fertig: ein Bäcker, ein Wagner, ein Schmied
haben sich hier gegenseitig aus Eifersucht um ein Mädchen bei der Kirmse erschlagen. Auf solche Weise kommen wir natürlich der
Bedeutung der Steinkreuze schwer näher. Überall wo Kreuze mit Beilzeichen stehen soll ein Fleischer, wo wie ein Sonnenrad auftritt,
ein Wagner, wo eine Sichel zu sehen ist, ein Sichelmädchen erschlagen sein usw.
Sagen, die lediglich auf solchen Zeichen beruhen, vermögen uns wenig Aufklärung zu geben. Daneben aber gibt es
Steinkreuzsagen, die mythologische Reste in sich bergen.
Wenn von einem böhmischen Steinkreuz die Sage geht, dass hier ein weißer Hengst eine Jungfrau vergewaltigt habe, dann ist
der weiße Hengst als Wodan zu deuten, und die Jungfrau als Erdgöttin, die der Sonnengott gewinnt (Vgl. die griechische Sage von Zeus, der
in Stiergestalt sich der Europa nähert!). Oder wenn von anderen Steinkreuzen die Sage gehen, dass hier zur Geisterstunde die wilde
Jagd, der Mann ohne Kopf, die weiße Frau, der Jäger oder Fuhrmann mir Hund, der Wolf, eine feurige Katze, aufhockende
Gespenster, Irrlichter und anderes zu hause seien, dass Pferde am Steinkreuz scheuen, sich rasend gebärden und schaumbedeckt
heimjagen, dann haben wir echt germanisches Sagengut vor uns(Wodans heilige Tiere scheuen die alte Stätte seiner Verehrung.).
Mir sind leider solche Sagen von Steinkreuzen aus der Umgebung von Zeitz nicht bekannt, aber hier gibt es ein paar
Steinkreuzsagen, deren Kern in die graue Vorzeit unseres Volkes ragt. So erzählt man sich vom „Wetterkreuz" zwischen Königshofen
und Eisenberg, dass hier durch Beten der Einwohner ein Gewitter zerstreut worden sei. Interessant ist an dieser Sage einmal das
Gebet der Einwohner an dieser Stelle, was auf eine Kultstätte hindeuten könnte, zum anderen das Gebet zum Wettergott, zum
Donnerer, zu Thonar oder Thor. Und wenn die 2 Kreuze bei Klosterlausnitz zur Erinnerung daran gesetzt sein sollen, weil hier 2
Nonnen vom Blitz erschlagen seien, dann haben wie hier wieder die Beziehung der Kreuzsteine zum Donnergott Thor. Auch die Sage,
dass vom Steinkreuz „auf dem Rodel" bei Freyburg einst die Wallfahrer auf den Knien nach Freyburg gerutscht seien, birgt wohl einen
alten Kern. Denn die gleiche Sage kehrt am Steinkreuz von Mylau bei
Greiz wieder und erinnert vielleicht daran, dass einst am Steinkreuz der germanische Flurumgang begann. Der feurige Hund, der
am „Kreuzchen" von Dürrengleina bei Jena spukt und untreue Brautleute auffrisst, scheint niemand anderes zu sein als der zum
Hundegespenst gewordene Wodan, der oft auch in Gestalt des Wolfes an Steinkreuzen wiederkehrt.
Charakteristische Steinkreuzsagen fehlen, wie gesagt, in der Zeitzer Gegend. Was aber den meisten Steinkreuzsagen
gemeinsam ist, ist folgendes: Fast stets erschlagen sich die betreffenden Personen gegenseitig, ob es nun zwei Brüder sind, oder 2
Fleischergesellen oder Handwerksburschen, Schäfer, Förster, Sichelmädchen, kurzum, überall haben wir einen jähem Tod durch
blutige gegenseitige Tat vor uns, bei dem oft die Ursache Eifersucht um ein Mädchen ist. Das gibt zu denken. Sollte hier, worauf schon
Größler (Altheilige Steine der Prov. Sachsen. Neujahrsblätter 1896) hingewiesen hat, der Jahresmythos von Sonne und Winter zum
Ausdruck kommen, der immer wiederkehrende Kampf des Lichtes, der Sonne und Wärme um die Erdgöttin mit den Mächten der
Finsternis und der Kälte?
Diese Sage knüpft sich auch an den Kreuzstein von Löbitz: zwei Fleischergesellen sollen hier mit ihren Beilen einen Zweikampf
bestanden haben, der beiden das Leben kostete. Sollte dann Thor, dessen Beilzeichen an diesem Kreuze tief eingemeißelt ist, zum
Fleischergesellen herabgesunken sein, wie er ja auch in der Gestalt des wandernden Zauberers und Zimmergesellen Pumphut
fortlebt? (Vgl. die Sage von Mockrehna, nach der Pumphut sein Beil gegen den Kirchturm von Mockrehna schleuderte wo es Stecken
blieb - Kampf des alten Gottes gegen das Christentum!).
Und wenn vom Steinkreuz auf der Höhe zwischen Almrich und
Niedermöllern der Volksmund berichtet, dass hier ein Schäfer ein Mädchen erschlagen habe und selbst dann gerichtet sei,
so klingt der alte Jahresmythos vom Kampf des Lichtgottes um die Erde auch hier durch. Denn der Schäfer oder Hirt ist kein anderer
als Wodan, der in der Edda mit seinen Wölfen als Hirt vor der Winterburg de Riesen Gumer erscheint. Erinnert sei auch der Worte
Schirners: „Sag du mir, Hirt, der am Hügel sitzt du Bewacher alle Wege ..."!
Genug von der Deutung dieser in Form menschlicher Erlebnisse gekleidete Naturvorgänge, sie lassen sich an anderen
Steinkreuzsagen noch deutlicher erklären. Also auch hier in diesen sagen, sind germanische Bestandteile unverkennbar. Darum
auch der Glaube, daß - das Versetzen jener heiligen Steine Unglück bringe und das Pulver, vom Kreuzstein abgeschabt, gegen
Krankheiten helfe. Diesem Heilglauben sind auch die zahlreichen
Verstümmelungen, Einschürfungen und Rillen zuzuschreiben und schließlich auch das Einschlagen von Nägeln, um die Krankheit zu
vernageln oder zu bannen. Damit wird der Kreis dieser altheiligen Steine immer größer, auch die Nagelsteine, die gleichfalls
heidnischen Ursprungs sind, um die dieselben Spukgeschichten zuhause sind, gehören mit den Kreuzsteinen auf eine Stufe.
Schließlich bestätigen auch de Namen all dieser Steine meine Vermutung von germanischen Kultstätten. Den Namen
„Wetterkreuz" bei Eisenberg haben wir bereits betrachtet, er kehrt übrigens am Schnappenberg b.
Lößnitz i.Sa., in Großenhain i.Sa., bei Crimmitschau i.Sa.
Und bei Mobendorf (Bez. Döbeln) wieder. Daß „Schäfer- und Hirtensteine" mit dem Wodanskulte zusammenhängen, ergab sich aus
den Sagen. Der Name „Jägerkreuz", der gleichfalls häufig vorkommt, erinnert an den wilden Jäger, der Name „Pferdekopf' bei
Wenigerode an Wodans heilige Tier, der Name „Spinnrad", „Spinnerin", „Spinnerkreuz", „Spinnmädchen" an Frigga oder Frau Holle,
die Göttin aller Frauenarbeit, die besonders als Walterin der Spinnstube gedacht war. Andere Namen von Kreuzsteinen, wie
„Kinkel-, Hackel-, Stickel-, Bitzelstein", stellen Spottnamen (?) für Wodan dar und haben bereits ihre Deutung als germanischer
Opferstein gefunden. Interessant ist wieder der Name „Bettelmann" oder „Bettelfrau" für Kreuzsteine, da er auch als Flurname in
unserer Heimat geläufig ist und nach der Flurnamensforschung als Schmeichelname Wodans resp. Friggas erklärt wird (Poddel,
Potan, Bettel). So gibt es einen Flurnamen „Bettelmann" bei Kößlitz, einen „Bettelhain" bei Groß-Peterwitz.
Es würde zu wie fuhren, alle die Steinkreuznamen aufzufuhren, nur einer sei noch erwähnt: „der tote Mann" oder „das tote Weib".
Durch ihn soll zum Ausdruck kommen, dass die alten Götter tot sind - das Christentum ließ ihren Kult sterben. Ein Steinkreuz, im
Tautenburger Wald steht „am toten Mann".
Ueber bemerkenswerte Steinkreuznamen aus der Zeitzer Gegend kann ich leider keinen Beitrag liefern, aber vielleicht regen
diese Zeilen einen Heimatforscher an, den alten Kreuzsteinnamen einmal nachzugehen. Auch Flurnamen der Umgebung des
Steinkreuzes können uns wertvolle Beiträge zur Lösung der Steinkreuzfrage liefern. Wenn z.B. ein Flurteil neben dem Kreuzstein
„Tanzberg" oder „Götzenhain" oder „Hölle" oder „Donnersborn" oder „Hufeisen" oder „Heidenholz" heißt - und alle die genannten
Flurbezeichnungen habe ich bei Steinkreuzen nachgewiesen - in diesen Fällen sagt uns die Oertlichkeit von selbst, dass wir
heidnische Vorstellungen mir ihr verbinden können.
Gegenüber diesen Ausführungen wird mancher Forscher mit Recht entgegnen: wenn die Steinkreuze germanische Kultsteine
sind, wie steht es dann mit der Tatsache, daß sie doch offensichtlich auch als Sühnezeichen und Weichbildgrenzen vorkommen? Zur
Frage der Sühnezeichen habe ich folgendes zu sagen: Wenn es Sühnezeichen wären, wie kommt es dann, dass, unabhängig von
der Landschaft, dieselben Steinkreuzformen, dieselben Symbole immer wiederkehren? Und warum wählte man dann so plumpe
Formen? Wohl mag hier und da ein Sühnekreuz darunter sein, - vielleicht einmal ein Kreuz der christlichen (lateinischen) Grundform -
aber nur selten wird die Beziehung zwischen Steinkreuz und Sühneurkunde auch hier festzustellen sein. Denn alle Sühneurkunden
reden nur davon, daß ein Kreuz gesetzt werden soll, und schwerlich vermag jemand nachzuweisen, welches Kreuz das ist. Fürs alte
Königreich Sachsen hat beispielweise Kuhfahl bei kaum einem Steinkreuze eine sichere Beziehung zu 45 mittelalterlichen
Sühneurkunden finden können. Und warum stehen dann die Steinkreuze so völlig willkürlich im Gelände umher? Auch die Inschriften,
die sich z.T. an Steinkreuzen befinden, geben in den seltensten Fällen ein geschichtlich einwandfreies Bild. Entweder sind sie jüngeren
Datums oder überarbeitet. Dahin gehört der unleserliche Name mit der Jahreszahl 1853 am Steinkreuz westlich Stolzenhain, dahin
gehört die Jahreszahl 1806 auf dem Steinkreuz an der Straße Maua - Rothenstein südl. von Jena und schließlich auch die
Jahreszahlen 1451 und 1869 am Kreuz nördlich Cursdorf hinter dem „Nossener Wald". Ob die Jahreszahl 1451 an den sächsischen
Bruderkrieg erinnern soll, bleibt dahingestellt.
Bei der Masse der vorhandenen Steinkreuze wurden sie zu allen möglichen Zwecken benutzt: als Denkmäler für Gefallene, für
Schlachten und Kriege wie für die Rettung aus Wasser- und Feuersgefahr, als Grenzsteine und Bausteine und auch als
Weichbildgrenzen. Wären die Steinkreuze aber von Anfang an Grenzsteine gewesen, dann müßte sich mindestens einmal ein Name
finden, der auf diese Bedeutung hinwiese. Ich habe bei annähernd 1000 untersuchten Steinkreuzen nicht einen einzigen, auch nur
ähnlich klingenden Namen gefunden. Wenn die Steinkreuze zu Hunderten und Tausenden ehedem vorhanden waren - wie viel mag
allein der Straßenbau und die Separation vernichtet haben! - warum sollte man erst neue Steine behauen! Viel einfacher war ja da die
Verwendung dieser alten Kreuze! Und daß dem so war, beweisen uns noch heute unzählige Steinkreuze, die man kurzerhand als
Wegweiser verwendet. So erklärt sich vielfach das Zusammentreffen altgermanischer Göttermale mit Grenzsteinen und sonstigen
Malzeichen. Aber in erster Linie waren unsere alten Kreuzsteine Kultzeichen, erst im Nebenamt wurden sie zu einer Zeit, da man sie
nicht mehr Verstand, Grenz- und Weichbildzeichen. Das scheint auch eine Eisenberger Flurbeschreibung von 1653 zu bestätigen, in
der es heißt: "das 'Wetterkreuz' scheidet Gösener, Eisenberger und Königshofener Flur", "maßen ein großer Stein an
dem 'Wetterkreuze' steht."
Auch zu kirchlichen Zwecken wurden die alten Steinkreuze gern benutzt, sie erhielten christliche Weihen, wurden mit
Bildnischen versehen und als Marterln verwendet. So oberhalb von Pößneck nach Ziegenrück zu am Steinkreuz das Bild des
Cruzifixes mit Heiligenschein eingeritzt.
Heute stehen jene steinerne Zeugen der Vergangenheit unbeachtet abseits vom Wege, und die Menschen gehen achtlos vorüber
und wissen den Sinn der verwitterten, altersgrauen Steine nicht mehr zu deuten.
Nach der obigen Ausführung aber erscheint es mir doch angebracht, mit größerer Ehrfurcht diese Steinkreuze, die uns ein
gütiges Geschick bewahrt hat, zu betrachten und ihnen fortan einen anderen Platz in der Denkmalpflege einzuräumen, als bisher
geschehen ist, ihnen, den heiligen Steinen unserer Altvorderen, um die die Fittiche unserer germanischen Vorzeit rauschen.
(Quelle: Die Mark Zeitz, Zwanglos erscheinendes Blatt für Vorgeschichte; Geschichte und
Altertumswissen, Heimatkunst, Heimatkunde und Heimatschutz sowie für deutsches Schrifttum, darüber Zeitschrift des
„Geschichts- und Altertumsvereins für Zeitz und Umgebung" und als Beilage zu den Zeitzer Neusten Nachrichten 1935)
Aus dem Königreich Sachsen sind mir ans einschlägiger Literatur. mündlichen und schriftlichen Mitteilungen
und eigener Anschauung an Zahl ca. 180 Steinkreuze an 117 Standorten bekannt geworden. Ein Teil davon ist als früher vorhanden
gewesen einwandfrei bezeugt; die meisten existieren noch und zwar aller Wahrscheinlichkeit nach zumeist an den Orten ihrer
Aufstellung. Vorgekommene Ortsveränderungen erstrecken sich auf unbeträchtliche Entfernungen und sind durch bauliche,
landwirtschaftliche und ähnliche Massnahmen veranlasst (siehe unten, z. B. zu Nr. 34 und 35).
Ihre Grössenverhältnisse sind sehr verschieden, doch lassen sich in der Hauptsache wohl drei Arten unterscheiden, die etwa als
Durchschnittsmass haben: 50cm, 70cm, 1m. Vielleicht kann man die Beziehung aufstellen: Je grösser, desto älter. Doch kommt hierbei
noch die Form in Betracht. Von denen, die mir in der Natur oder in Abbildungen zu Gesicht gekommen oder aus genauen
Beschreibungen bekannt geworden sind, zeigen viele die gewöhnliche Kreuzform mit rechtwinklig abstehenden Armen (crux immissa,
lateinisch 1). Eine grössere Anzahl hat auch die Form des Malteserkreuzes (mit nach innen
sich verjüngenden Armen, orientalisch 2).
Bei manchen ruhen 2 rechtwinklige Arme auf dem nach oben schmäler werdenden Schaft (crux commissa. Antoniuskreuz
3). Im germanischen Museum zu Nürnberg fand ich auf dem Gewand des Gründers des
Kölner Domes (1200) das rechtwinklige Kreuz, auf den Grabmälern zweier Mainzer Erzbischöfe (1300) die Malteserform, auf dem
Grabstein des Minnesängers Ulrich von Lichtenstein (1200—1276) gleichfalls das nach den Enden der Arme zu sich verbreiternde
Kreuz, auf einem Grabstein aus dem 5. Jahrhundert eine dieser ähnliche Gestalt:
Ein sehr
beachtenswertes Merkmal zur Bestimmung des ungefähren Alters bilden die auf vielen Kreuzen eingehauenen Zeichen: Kreuz,
Schwert, Rad, Armbrust, Lanze, Stab, Axt, Dreschflegel, Hufeisen (?), Plugreute (?), Mannes-, Frauenfiguren u. a. Die Form der
eingehauenen Schwerter, Armbrüste, auch Bischofsstäbe weist auf das 11. bis 14. Jahrhundert. Besondere Zeichen mögen wohl
auch dem besonderen Zweck, dem das Kreuz gesetzt war, andeuten. Hierbei sei eine Vermutung ausgesprochen. In
Döben bei Grimma steht ein Kreuz mit "Hufeisen und Dreschflegel" und in
Colditz eines mit "Schere und Elle" (Mitt. d. Vereins für Sächs.
Volkskunde 1899, 11. Heft. S.3). Ferner weist ein solches zwischen Kirchberg und Hirschfeld
"zwei gekreuzte Messer mit Brotchen", bei Wolfersgrün "eine
Ofengabel" auf; die gekreuzten Messer finden sich an der Johanneskirche in Chemnitz als "zwei kreuzweis
eingehauene Dolche" wieder. Es ist natürlich, dass das Alter, Beschädigungen etc. der Steine die Zeichnung nur ungenau erkennen
lassen, dazu mag auch die Vorliebe für Sagen schauriger Art, die sich mit den alten Zeichen verbunden (Zweikämpfe u. a.), zu ihrer
Deutung mitgewirkt haben. Warum sollen aber die Messer und Dolche nicht auch Schwerter darstellen wollen? Tragen doch auch die
politischen Grenzsteine Sachsens aus dem 17. und 18. Jahrhundert die gekreuzten Kurschwerter. Auch die seltsame Ofengabel, das
Brotchen, das Hufeisen (sonst wohl als Grenzzeichen gebraucht, für kirchliche Abgrenzung aber kaum nachweisbar, fordern andere
Deutung. In der Kirche zu Hohendorf, Ephorie Borna, einer Grenzparochie des Zeitzer Bistums, sind an den Kämpfern eines
Wölbbogens zwei Wappen angebracht. Das eine zeigt Schwert und Schlüssel gekreuzt, das andere Dreschflegel und Holzgabel, wie
man sie zum Ausschütteln des gedroschenen Getreides braucht, mit kurzem Stielansatz. (Schwert und Schlüssel zeigt auch die
Haustüre der Pfarre zu Auligk, demselben Sprengel zugehörig gewesen). Beide Schilde stammen ans dem 15. Jahrhundert, sind in
erhabener Arbeit ausgeführt, sehr gut erhalten und darum in ihren Zeichen völlig deutlich. Es dürfte kaum zu weit geschlossen sein,
wenn man von diesen unverdächtigen Zeugen aus das Hufeisen und das Brotchen, die Pfugreute und die Ofengabel als Schüttelgabel
(ohne und mit Stiel), die gekreuzten Messer und Dolche und die rätselhafte Schere als Schwert und Schlüssel gekreuzt deuten wollte.
Eine Entscheidung könnte nur eine Untersuchung der Steine selbst bringen, soweit sie noch möglich und von Nutzen ist. Näher auf die
Zeichen an den Kreuzen einzugehen. erfordert eine besondere Arbeit, für die hier kein Raum ist. Wir haben es vielmehr mit ihrer
Bestimmung zu tun.
Die Sagen von Mordkreuzen etc. sind als Erzeugnisse der Volksphantasie, die durch die ihr unverständlichen, geheimnisvollen
steinernen Fragezeichen aus der Vorzeit stark angeregt werden musste, zumeist ohne geschichtlichen Wert. Sie erhalten ihn erst
recht nicht durch die Wiederholung ähnlicher Sagen bei gleichen, räumlich oft sehr weit geschiedenen Zeichen; das von Virchow
aufgestellte Gesetz vom doppelten Fall gilt hier von der Dichtung, nicht von dem durch sie behaupteten Ereignis. Zwar sind
Bestimmungen zur Errichtung von Sühne-, Mord- oder Ehrenkreuzen quellenmässig nachgewiesen (siehe in der angeführten
Literatur Needon, Trauer: Die Kreuzsteine. S. 76 f.). Aber solche Kreuze sind in Sachsen (anders ist es in Böhmen; s. Wilhelm in
Bohemia 1901. Nr. 313, Erzgeb. Ztg. 1903. XXIV, N. Vgtl. Ztg. 1902. Seite 126) selten und fast ausnahmslos durch eine Inschrift oder
ein besonderes Zeichen entsprechend kenntlich gemacht. Andere mögen zur Bezeichnung einer Gerichtsstätte gedient haben.
Vielleicht gehören Kreuze mit ein- oder ausgehauenem Rade hierher 4). Doch findet
sich das Radkreuz als Bekrönung des Portals an der alten St. Gangolfskirche in Bamberg. Die grosse Mehrzahl müssen als
Grenzzeichen angesprochen werden. Schon ihr gewöhnlicher Standort auf beherrschenden Höhen, an wichtigen alten Strassenzügen,
in geschichtlich bedeutsamen Gegenden, in der Nähe von kirchlichen Gebäuden und Zubehörungen, ihre gruppenweise
Gleichartigkeit in Material und Form, die wiederkehrende. Art der Zeichen, die auch sonst als Grenzzeichen gelten, machen diese
Annahme wahrscheinlich und setzten mich vor Jahren auf die Spur, die ich in dieser Arbeit verfolge. noch ehe ich eine Ahnung von
irgend einer wissenschaftlichen Bearbeitung des Gedankens durch andere hatte. In der älteren Literatur wagen sich Hinweise auf die
Bedeutung der Kreuze als Grenzzeichen nur einzeln zu Tage, verstärken sich aber nach und nach. Nach Bösigk bringt Peschek 1828
einen Beweis dafür bei in der Erwähnung von Asche und Scherben. die sich unter einem in Oybin stehenden Kreuze fanden, und
Archidiakonus Bürger in Torgau spricht 1857 (ebenfalls bei Bösigk) denselben Gedanken sehr bestimmt aus, während Bösigk selbst
ihn besonders von alten Klosterbezirken gelten lassen will. Trauer sucht den Nachweis für eine ganze Reihe vom Kreuzen als
Grenzzeichen für den Kirchenbezirk Plauen i.V. zu erbringen. ist freilich später in seiner Ansicht wieder schwankend geworden.
Wiederholt findet man in der einschlägigen Literatur den Gedanken ausgesprochen, dass das Kreuz ein bereits vorchristliches
Grenzzeichen sei. Einen merkwürdigen Beleg bringt der Leipziger Pfarrer und Assyriologe Jeremias in dem Werke bei: "Das alte
Testament im Lichte des alten Orients", Leipzig 1904, Seite 356f. Er gibt aus Hommel, Aufs. und Abhdlg. III, 474 die Abbildung eines
elamitischen Grenzsteines mit dem Kreuze darauf. ln der ähnlichen Bedeutung untilgbarer Bekräftigung setzten nach ihm die Elamiter
und Babylonier das Kreuz als Schlusszeichen unter ihre Urkunden. Hilprecht. Baby!. Inschriften II., pl. 59, zeigt es auf der Abbildung
einer Tafel aus der Hammurabidynastie und zwar in der Form des Malteserkreuzes. Hierher gehört auch das Zeichen, mit dem nach
Ezech. 9,4 die Verschonten (dem Herrn Geweihten) gezeichnet werden sollen; es ist nach Jeremias a. a. O., S. 356 ein
schrägliegendes Kreuz , also ähnlich
manchen auf unsern Steinkreuzen eingemeisselten Kreuzen, die am unteren Ende nach rechts abgebogen sind (vergl. die Abbildung
in den Mitt. des Vereins für Sächs. Volkskunde II. 1900, Heft 3). Einen Zusammenhang zwischen diesen altorientalischen Zeichen und
unseren Steinkreuzen wage ich nicht zu konstruieren, aber die Tatsache dieses Zusammentreffens liegt vor. Und als Tatsache
erscheint mir heute die Bedeutung der Steinkreuze als Grenzzeichen in Sachsen. Auf einer Karte eingezeichnet erschienen sie nicht
planlos durcheinander gewürfelt, sondern ergaben stark in die Augen fallende Gruppierungen. Es liegt nahe, in Kreuzen die Zeichen
für kirchliche Grenzen zu vermuten. Das mutmassliche Alter der Steinkreuze weist bis auf eine Gruppe in die vorreformatorische Zeit.
Also müsste es sich um Abgrenzung von Bistümern oder deren Unterabteilungen handeln. So galt es also, Grenzlinien solcher Gebiete
aufzusuchen. die sich etwa mit der Gruppierung der Steinkreuze oder eines grossen Teiles derselben decken würden. Ob die Kreuze
jedesmal unmittelbar an der Grenze des betreffenden Distrikts stehen, vermag ich nicht nachzuweisen, ist auch nicht von Belang. Es
handelt sich nicht um Abgrenzung wirklichen Besitzes an Grund und Boden, sondern eines (kirchlichen) Hoheitsgebietes. Es genügte
also, wenn die betreffende Grenzgemeinde irgendwo an einem markanten Punkte ihren Grenzstein hatte. Der Gemeinde selbst blieb
die Abgrenzung ihrer Flur durch örtliche Bestimmung überlassen. Nur in unbewohnten Gegenden, an entscheidenden Punkten. z.B. an
aus- oder einspringenden Ecken der Grenzlinie, au Kreuzungspunkten von Strassenzügen u. ä. mögen die Steine auf der eigentlichen
Grenzscheide gestanden haben. In der Hauptsache habe ich im Königreiche Sachsen 6 Gruppen unterschieden, die unter folgenden
Benennungen gehen mögen:
A) Die voigtländische Gruppe,
B) Die Meissner Gruppe,
C) Die Chutizigruppe.
D) Die Nisanigruppe,
E) Die Bautzner Gruppe.
F) Die Zittauer Gruppe.
A) Die voigtländische Gruppe
Südlich von Plauen im sächsischen Voigtlande ziehen sich neben vereinzelt stehenden Kreuzen zwei Gruppen von solchen in
einem doppelten Bogen von West nach Ost und Nord. Sie setzen auf sächsischer Seite gegenüber der preussischen Stadt Gefell ein.
Der grösste Bogen findet seinen südlichsten Punkt bei Markneukirchen und zieht sich die Göltzsch und die Pleisse entlang bis in die
Gegend von Zwickau. Die Kreuze finden sich bei folgenden Orten:
1. Kemnitz,
2. Krebes, mit Schwert, gross, 3. Schwand, "uralt", mit dreieckigem Vorsprung am Fusse. 4. Bobenueukirchen, mit eingehauenem Kreuze, 5. Hohes Kreuz (bei Lauterbach), 6. Unterwürschnitz, mit Schwert "einem Reitersäbel ähnlich". 7. Marieney, 8. Erlbach, 9. Gopplasgrün, 10. Werda, mit Krummstab, 11. Falkenstein, mit Armbrust alter Form, 12. Auerbach. 3 Kreuze, 13. Waldkirchen, mit Ofengabel (? s. Einl.), 14. Wolfersgrün, mit 2 gekreuzten Messern und Brotehen (? s. Einl.), 15. Niederplanitz. |
Der kleinere Kreis weist folgende Kreuze auf:
Nach 1 - 3 östlich. 16. Oberlosa, 17. Theuma, 18. Bergen (hat früher eine Gruppe von Kreuzen gehabt). 19. Neuensalz, Malteserkreuz, 20. Thossfell, mit Beil. Ausserdem finden sich Kreuze die südwestliche Grenze Sachsens entlang in: 21. Hohendorf, mit Pflugreute (s. Einl.), 22. Brambach, 23. Gottmannsgrün (böhm ), 24. Posseck. mit der Zahl 1779, 25. Sachsgrün, sowie in 26. Raschau b. Ölsnitz und 27. Ölsnitz selbst, mit gekrümmtem Schwert. |
Bis Anfang des 12. Jahr. war das südliche Voigtland kirchenloses Land. Im Jahre 1122 bestätigt Bischof
Dietrich von Zeitz urkundlich die von Albert Grafen zu Eberstein gestiftete Pfarrkirche zu Planen im Gau Dobena. Die Urkunde (Original
im sächs. Hauptstaatsarchive) setzt genau die Grenzen dieser Stiftung fest. die sich mit denen des Gaues decken. Anders lassen sich
u.E. die Worte nicht verstehen: Terminos quoque pagi huic pagine imposuimus irrefragabiliter precipientes, ut ommes infra hos
constituti decimas ut prescriptum est sacerdoti Thome, ejusque in ecclesia plawn successoribus reddant et in omnibus que divina sunt
in baptismo in confessione et in sepultura se illi subjectos esse debere recognoscant.
Besondere Schwierigkeiten verursacht die Feststellung der nunmehr beschriebenen Grenze, da sie eine Anzahl heute nicht mehr
vorhandener Namen aufweist. Trauer "Die Kreuzsteine" vertritt die Ansicht, die nach dem Wortlaut der Urkunde abzulehnen sein wird:
"Gau- und Sprengelgrenze decken sich nicht" und kommt daher, zumal er die Herrschaft Voigtsberg-Ölsnitz aus der Stiftung
ausschalten zu müssen glaubt, zu gewagten exegetischen und geographischen Annahmen. Er hat für sich die Kenntnis durch eigne
Anschauung, aber er setzt sie zu Gunsten seiner Hypothese zurück. Für diese macht er u.a. geltend: Die Kreuze stehen nur da, wo
die Sprengelgrenze sich nicht mit der Gaugrenze deckt, deshalb weist auch die westliche Nordgrenze keine Kreuze auf, weil sie mit
der Gaugrenze sich deckt. Das ist aber erst recht im Westen und Süden der Fall, und doch stehen hier Kreuze. Die Sache liegt
vielmehr so: Im Nordwesten grenzt kein anderes Archidiakonat an den Plauener Sprengel. Denn der Archidiaconatus Zizensis
umfasst auch das Voigtland mit und geht deshalb glatt über die nordwestliche Dobnagrenze hinweg. Aber im Westen (Bamberg),
Süden (Regensburg, Prag), Osten (Archid. trans Muldam), Nordosten (Plisni) grenzen andere Kirchensprengel. Deshalb stehen hier
Kreuze, auch wenn Kirchen- und Gaugrenze sich decken. Hier setzt Böttger mit dem Vorzuge grösster Wahrscheinlichkeit ein. Er
bestimmt mit Hilfe der aus Archidiakonatregistern und andern Urkunden festgestellten Grenzkirchspiele die Grenzen jener Urkunde
wesentlich einfacher und u.E. sicherer als Gau- und Sprengelgrenze zugleich. Sein ganzes vierbändiges Werk ist der Beweis für die
Richtigkeit des von ihm citierten Grundsatzes (Corresp. bl. des Gesamtv. 3. Jahrg. S. 59 und 97): "Indem die Kirche sich auf den
vorhandenen weltlichen Grundlagen naturgemäss aufbaute, wurde sie das treue Abbild der weltlichen Verfassung und trug dieses bei
dem festen und stabilen Charakter, der ihr eigen ist, in Zeiten hinüber, wo die Formen der weltlichen Verfassung schon längst in
Trümmer zerfallen waren" - und seiner Folgerung: "Die Grenzkirchspiele der Archidiakonate mit ihren eingepfarrten Ortschaften
erweisen zugleich die der Gaue und Diözesen." (Auch diese Arbeit wird noch Belege für die Richtigkeit dieser Ansicht beibringen.)
Trauers Annahme einer von der Gaugrenze zum Teil abweichenden Sprengelgrenze ist auch deshalb wenig wahrscheinlich, weil ja
nach der angeführten Urkunde der Dobnagau bis zur Plauener Stiftung keine Pfarrkirche besass. Auch der Pleissengau erhielt
zwischen 1079 und 1090 die ersten Pfarrkirchen: Altenkirchen und Reichenbach. Es ist, abgesehen vom Wortlaut unsrer Urkunde,
doch sehr unwahrscheinlich, dass in einem nahezu kichenlosen Lande besondere kirchliche, von den Gaugrenzen abweichende
Grenzlinien sollten festgesetzt worden sein, wenn man nicht annehmen will (und das tut auch Trauer nicht), dass diese kirchliche
Abgrenzung erst lange Zeit nach Stiftung des Sprengels vorgenommen wäre.
Da sich Böttgers Weise mit den Angaben der Grenzurkunde sehr wohl vereinigen lässt, folgen wir ihr; im Süden und Osten des
Bezirks geht sie mit Trauer gleichen Weg. Er führt a capite Cocotuia, d. h. von Jocketa aus an die Göltzsch. Es ist die Südgrenze des
Plisnigaues und des Reichenbacher Sprengels um 1140 (Mitt. d. Plaueuer Altert.V. 1896 S. 20). Hier finden sich Steinkreuze bei
Thossfell, nach der Form des eingehauenen Beiles zu schliessen sehr
alt, und bei Neuensalz (doch vergl. zu letzterem das unten über den
kleinen Kreis Gesagte). An der Göltzsch trifft diese Linie auf die von Norden kommende Grenze des Plisniarchidiakonats und -gaues,
an der die Kreuze bei Niederplanitz, Wolfersgrün und
Waldkirchen stehen, und die sich als Dobnagrenze die Göltzsch
entlang zur Muldenquelle (weisse Mulde) und Zwota fortsetzt. Dass der Ausdruck ad summum Grodini von einer Bethöhe zu verstehen
ist, erweist eine Lausitzer Grenzurkunde vom 7.V.1241, die die Form summmitas moutis braucht. Hier biegt die Grenzlinie (Ecke: zwei
Steinkreuze Gopplasgrün - Erlbach!) nach Osten um, die
Schwarzbach (alestra secunda als Gabelzufluss der Elster) entlang bis Adorf, führt an der Elster abwärts (alestra recta) bis zum
Einfluss des Locherbachs (Milne) bei Hundsgrün (Kreuze bei Unterwürschnitz
und Marieney) und diesen aufwärts bis zur Quelle. Von ihr springt sie
auf die Trieb über (mittlerer Quellbach - media stirbel, Kreuz bei Gottmannsgrün),
läuft abwärts bis Bösenbrunn (Hohes Kreuz), springt von hier zum
Schafbach (Milezibach-Krenz bei Bobennenkirchen) über, geht an diesem abwärts bis zur Feile (Lomnice), von dieser über die Höhe
(biniu), zwischen Ober- und Unterzöbern hindurch die Kemnitz aufwärts bis Kemnitz-Misslareuth [Kreuze bei Krebes,
Kemnitz (Bamberg) und Schwand
(Plauen-Dobna)]. Der weitere Verlauf der Grenze ist für unsern Zweck ohne Belang. Von der Quelle der Schwarzbach bis an die der
Trieb grenzt Plauen-Dobna mit Bistum Regensburg, von dort bis Misslareuth mit Bistum Bamberg. An den oben gezeichneten Linien
finden wir nicht weniger als 15 Standorte von Steinkreuzen in Grenzkirchspielen mit 17 Kreuzen. An scharfen Unterbrechungen ihres
geraden Verlaufes stehen öfter 2 oder mehr Kreuze in gegenüberliegenden Orten verschiedener Sprengel. Zur Beurteilung solcher
Gruppierungen ist es vielleicht nicht überflüssig, darauf hinzuweisen, dass bei Unterzeichnung der mehr erwähnten Bestätigungsurkunde
auch der Erzbischof Albert von Mainz zugegen war. Mussten doch die Inhaber der Nachbarsprengel ein grosses Interesse an möglichst
genauer Festlegung der Grenzkirchspiele haben. Die Aufstellung der Kreuze mag darum auch nicht allzulange nach der Stiftung selbst
erfolgt sein; wenigstens lassen die Zeichen auf einzelnen Steinen (s. 2, 10, 11 des Verzeichnisses), die Form anderer (s. 2, 5) auf
hohes Alter schliessen.
Über den von den Kreuzen 16 - 20 gebildeten kleineren Bogen bin ich nur auf Vermutungen angewiesen. Vielleicht bildeten sie
eine engere Abgrenzung des Planener Kirchenbezirks, nachdem 1340 die erste Kirche zu Ölsnitz gegründet und zu selbständiger
Bedeutung gelangt war; Ölsnitz ist von Alters her Superattendenz gewesen. Zugleich war damit eine Abgrenzung des voigteilichen
Gebiets (einschliesslich der Kreuze zu Raschau, Ölsnitz und Bergen?)
gegeben. Auf eine jüngere Zeit lässt z.B. auch die Form des Kreuzes bei Neuensalz
schliessen und zugleich auf die Aufstellung durch die Plauener Deutschordensherrn.
Auch die Bestimmung der Kreuze 21, 22, 24, 25, bietet besondere Schwierigkeiten. Sie stehen an der böhmisch- und
bayrisch-sächsischen Grenze, wie sie die Leipziger Teilung 1485 für die ernestinische Linie der Wettiner geschaffen hat. Ihre
Standorte sind erst mit der Reformation unter sächsische Kirchenhoheit gekommen. Wenn sie überhaupt als Grenzzeichen gelten
sollen, dann können sie als solche erst in nachreformatorischer Zeit aufgerichtet sein. Das Possecker Kreuz
trägt ja sogar die Jahreszahl 1779. Dass diese Möglichkeit nicht ausgeschlossen zu sein braucht, dafür wird der Nachweis bei
Besprechung der Zittauer Gruppe versucht werden.
Indessen, auch wenn wir die Kreuze 21, 22, 24 - 27 als zweifelhaft ausser Betracht lassen, so bleiben immerhin in der
voigtländischen Gruppe die Steinkreuze von 21 Standorten, die mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit als Grenzzeichen eines kirchlichen
Gebietes etwa aus dem 12. Jahrhundert angesprochen werden können.
B) Die Meißner Gruppe
Der Name ist gewählt, weil die hierher gerechneten Kreuze u. E. eine Abgrenzung des Meissner Bistums nach Westen durch
ganz Sachsen hindurch darstellen. Es sind folgende:
28. bei Schlettau an der Strasse nach Scheibenberg, 29. bei Geyer, mit Schwert, an einer alten Strasse nach dem Greifensteine zu, 30. bei Dorfchemnitz, mit 2 gekreuzten Dolchen (Schwertern ? s. Einl.), 31. bei Klaffenbach, mit Schwert, 32. bei Altchemnitz, mit Kreuz, 33. in Chemnitz, an der Johanniskirche, mit 2 gekreuzten Dolchen (s. Einl.), 34. bei Ebersdorf von seinem ursprüngl. Standorte, weil der Landwirtschaft hinderlich, versetzt, 35. bei Ringethal, ein grosses Kreuz mit Schwert, desgl. 3 kleine mit verschiedenen Zeichen (s. u.), |
36. in Fischheim bei Wechselburg mit Stab, 37. bei Rochlitz am Wege nach Wechselburg, mit Schwert. 38. in Kolkau bei Rochlitz mit Axt, 39. in Seelitz 5), bei Rochlitz. mit betender Figur. 40. in Topfseifersdorf, 41. bei Colditz, am Wege von Schönbach nach Leupahn. mit "1652". 42. bei Coldlitz, am Wege nach Thumirnicht. mit Elle und Schere (? s. Einl.), "Schneiderkreuz", 43. in Döben bei Grimma, eins ohne Zeichen. eins mit Hufeisen (? s. Einl.) und Dreschflegel, 44. in Böhlen bei Grimma. 45. in Seelingstädt bei Grimma. 46. in Deuben bei Wurzen |
Nach der Meissner Bistumsmatrikel von 1346 und dem Verzeichnis der Einkünfte ans dem decanatus trans Muldam der
praepositura Numburgensis, abgedruckt bei Lepsius I. S.348 ff. bilden die Kreuze bei Schlettau,
Geyer und Dorfchemnitz unzweifelhaft Grenzmarken zwischen den
Bistümern Naumburg - Zeitz und Meissen, wobei Crottendorf südl. von Schlettau,
das Kloster Grünhain, Zwönitz, Lößnitz
(hier früher 3 Kreuze vor dem Schneebergertore) auf Naumburger, Schlettau,
Hermannsdorf, Geyer, Niederzwönitz,
Dorfchemnitz auf Meissner Seite die Grenzparochien bilden.
Von hier aus verläuft die Grenze nach der Meissner Matrikel erst nördlich die Würschnitz abwärts, dann nordwestlich über
Lugau, Gersdorf, Hermsdorf, Reinholdshain (sämtlich Naumburgisch) zwischen Remse und Waldenburg an die Mulde, diese abwärts
bis gegen Penig, wo westlich der Mulde das Merseburger Bistum einsetzt; seine Grenze zieht sich an Kohren (Merseb.) vorbei, die
Wyhra abwärts, wendet sich bei Zedtlitz-Borna westwärts bis Hohendorf (Naumb.) und schneidet über (47) Auligk (Steinkreuz,
Sandstein. Malt., 1m hoch. beschädigt, ohne Zeichen), (48) Gatzen bei Groitzsch (Steinkreuz, Sandstein, 1m hoch, beschädigt,
Malteserform) und Trautzschen hei Pegau die Elsteraue, um die Rippach abwärts bei ihrer Mündung die Saale zu erreichen. Die
Meissner Bistumsgrenze läuft muldenabwärts bis zur heutigen Landesgrenze (und weiter).
Merkwürdigerweise finden wir auf dieser Strecke von Dorfchemnitz bis in die Rochlitzer Gegend kein Kreuz. Wohl aber stehen
mitten in den so abgegrenzten Gebieten solche bei Klaffenbach
nördlich von Dorfchemnitz zwischen der Würschnitz und der Zwönitz (das sogen. Arnokreuz), ferner bei Altchemnitz,
in Chemnitz, Ebersdorf, Ringethal
an der Zschopau. Trauer in seinem Aufsatz über das Arnokreuz sieht in diesem ein Grenzzeichen des Benediktinerklosters zu
Chemnitz und bemerkt ebenda, dass diese Form bereits im 12. Jahrh. üblich gewesen sei. Mir scheint die grosse Ähnlichkeit dieser
ältesten Kreuzform mit der der meisten übrigen Kreuze dieser Gruppe eine andere Lösung zu fordern.
968 wurden die Bistümer Merseburg, Zeitz und Meissen geschaffen und ihre Grenzen festgestellt. 981 wurde Merseburg wieder
aufgehoben und sein Gebiet verteilt, 1004 wieder hergestellt. Es liegt auf der Hand, dass die Grenzen zunächst fliessend waren. Die in
verschiedenen Abfassungsformen wiederholte Grenzfeststellung des Meissner Bistums, wie sie die Urkunde Otto III, vom 6. Dez 996
enthält (Cod. Dipl. Sax. III, 1. S.21) lässt vermuten, dass die Grenze von Dorfchemnitz aus nördlich so verläuft: Die Zwönitz (caput
Mildae s. Böttger IV. S. 187f.), dann die Chemnitz abwärts bis in die Gegend von Rochlitz. Dieser Ansicht, dass das Dreieck zwischen
Chemnitz und der Mulde zunächst zur Diöcese Naumburg zu rechnen war, ist auch Hauck (Kircheng. III. S.134). Ebenda erfahren wir
aber noch mehr: "(Die Grenze Merseburgs gegen Meissen), berührte in der Gegend von Strehla die Elbe, wandte sich südlich zur
Chemnitz und der Mulde und von dieser nordwestlich zur Saale". "Ein Landstrich zwischen Chemnitz und Elbe, der an die Ostgrenze
des Gutizigaues stiess, gehörte ursprünglich zu Merseburg und kam dann an Meissen -". (nach Thietmar III, 16: pars illa, quae ad
Gutizi orientalem pertinet ac fluviis Caminici Albique distinguitur). Daraus schliesse ich auf folgenden ursprünglichen Verlauf der
Grenze des Meissner Bistums von Norden her: Sie ging von der Elbe die Jahna aufwärts zur Mulde in der Nähe der
Zschopaumündung, sodann die Zschopau aufwärts bis Ebersdorf - Oberwiesa. Hier sprang sie zur Chemnitz über und folgte derselben,
wie oben geschildert, d.h. nach der Urkunde von 996, im umgekehrten Verlauf: caput mildae et sic deorsum ambas plagas ejusdem
fluminis (scil. prope occidentalem ripam Rochilinze) = zwischen ihren zwei Zuflüssen Würschnitz und Zwönitz nach Süden. Das wäre
die erste Feststellung (vergl. auch Böttger IV. S.230) 968-981. Spätere Festsetzung hat sodann, den Punkt prope occid. etc.
hinzufügend (das scil. scheint mir auf eine spätere Einfügung hinzudeuten und - Alt-Zschillen liegt auf dem westlichen Muldenufer!),
das Meissner Gebiet von der Elbe und dem Unterlaufe der Zschopau bis an die Mulde erweitert und die Grenze, wie folgt, geführt:
Püchau, Wurzen (Befehl Heinrichs II. vom 22. Febr. 1017, Cod. Dipl. Sax. II, 1, S.26. Urkunde Heimichs III. von 1040 a.a.0. S.27),
Lastau b. Colditz, (Thietmar in Cod. Dipl. Sax. a.a.O. S.23); sodann wie ohen geschildert Altchemnitz, die Zwönitz, Würschnitz
aufwärts bis Schlettau. Diese Grenze ist durch unsre Kreuzreihe festgehalten. Der Sprung von Colditz - Rochlitz an die Zschopau
macht eine Häufung von Kreuzen gerade an dieser Stelle wahrscheinlich. Endlich kamen noch das Archidiakonat Zschillen, dessen
Kloster 1168 gestiftet und das 1278 zu einer Komthurei der Deutschherrn umgewandelt wurde, sowie das Gebiet westlich der Linie
Würschnitz - Zwönitz (sedes Stolberg und Waldenburg) zu Meissen und begründeten den in der Matrikel von 1346 gegebenen Umfang.
(Das Erweiterungsstreben des Meissner Bistums im 12.-14. Jahrh. auch nach andern Seiten weist Lic. Bönhoff im Neuen Sächsischen
Kirchenbl. 1900 Sp. 324 nach.)
Auf der oben gezeichneten Grenzlinie finden wir sämtliche Standorte der Kreuze in der Meissner Gruppe auf Meissner Seite,
die Mulde entlang, stehen also auf dem rechten Ufer mit Ausnahme von 41, 44 - 46, Nr. 41 ist aus Anlass der "Tötung durch eine
Wildsau 1652" errichtet (Steche, Inv.- werk). Standort 46 bei Wurzen gehörte ebenso wie das nördlich davon gelegene. Püchau
urkundlich nachweisbar zum Meissner Bistum, obwohl links der Mulde gelegen (vergl. Böttger IV. S.192: die hier gegebene Erklärung,
dass die Mulde vielleicht früher ihr Bett weiter westlich gehabt habe, fanden wir bei einer Ortsbesichtigung sehr wahrscheinlich. Die
Möglichkeit. dass auch die Kreuze bei Bühlen und Seelingstädt bereits Meissner Gebiet auf dem linken Muldenufer abgrenzten, ist nicht
ausgeschlossen Die Grenze würde dann von Döben über die Mulde, die hier einen weiten Bogen nach Osten macht, nach Böhlen
überspringen und über Seelingstädt, Deuben, Püchau die Landesgrenze erreichen. Doch soll für die Standorte 44 und 45 im
folgenden Abschnitte eine andere Erklärung versucht werden.
Standort 31, Ringethal, weist 4 Kreuze auf. Es liegt rechts der
Zschopau, von ihr im Halbkreise eingeschlossen. Das älteste Kreuz,
1,25m hoch, aus Sandstein mit rechtwinkeligen Armen, weist in sehr frühe Zeit zurück und könnte deshalb sehr wohl in die
ursprüngliche Grenzlinie eingerückt werden, wie es geschehen ist. Es stand erst an der Pfarre des Dorfes, ist aber von der
Gutsherrschaft neuerdings auf einen Aussichtspunkt versetzt worden. Ausser ihm finden sich noch 3 Kreuze aus Porphyr, 75, 75
und 65cm hoch. Eins trägt die Zeichnung eines Baumes (nach Steche), ein andres die eines Schwerts, das dritte die eines Beils.
Vielleicht stammen diese als späteren Abgrenzungen der einzelnen sedes (darauf scheint ihre Stellung an der Grenze verschiedener
sedes hinzudeuten), jedenfalls aus jüngerer Zeit als das grosse Kreuz, das mit den übrigen der ganzen Reihe, vielleicht Nr. 33
ausgenommen, sowohl nach Grösse als nach Form und nach dem Zeichen (vgl. die sehr alte Form des Schwertes, die primitive
Abbildung des Bischofsstabes bei 38, der Figur bei 39!) sehr wohl in das 11. Jahrh. gerückt werden kann.
C) Die Chutitzgruppe
Im Nordwesten Sachsens zwischen Pleisse und Parthe sind mir erst in jüngster Zeit 5 Steinkreuze bekannt geworden, deren
Standort, so sehr er auch des Zusammenhangs mit den übrigen zu entbehren scheint, ihnen doch wohl die Bedeutung von
Grenzzeichen sichert. Im Dorfe (49) Mölbis bei Rötha, nach Espenhain von Westen nach Osten zu, steht das erste, ca. 90cm hoch,
an den drei oberen, rechtwinkelig zusammentreffenden Armen stark beschädigt mit deutlich erkennbarem ausgehauenem Kreuz, das
nahezu die Grösse des ganzen Steines hat. Man nennt das Flurstück an dem es steht, das heilige Holz. Dem Volksaberglauben nach
geht dort nachts ein Drache um (Schützer der Grenzen!); auch soll hier ein Förster eine Frau erschossen haben. Nördlich davon (50)
bei dem Dorfe Kömlitz standen bis vor 6 Jahren zwei Kreuze;
das eine wurde zu einem Brückenbau verwendet (von roter Farbe,
also wahrscheinlich Porphyr das andre steht noch. Es ist aus Sandstein, 66cm hoch. mit rechtwinkeligen, beschädigten Armen. nach
unten verbreitertem Fusse, eingehauenem Schwert. Angeblich sind hier ein paar Schneider erstochen (dann zeigte wohl das
verschwundene Kreuz die Scheren wie Nr. 42?), auch ein Offizier im dreissigjährigen Krieg begraben worden (beides häufig
wiederkehrende, wohl vom Schwertbild veranlasste Sagen). Eine kleine Strecke nördlich davon liegt das Dorf (51)
Ölzschau, bei dem mehrere Strassen von West nach Ost und von
Südwest nach Nordost sich kreuzen. An dieser Kreuzung und zwar nach Norden zu stehen zwei Kreuze, das erste 66cm hoch, mit
rechtwinkeligen Armen und nach unten sich verbreiterndem Fusse, ein Schwert zeigend, die Arme durch dreieckige Ausätze
verbunden; das andere 78cm hoch, mit rechtwinklig ansgearbeiteten Armen, die Kanten abgeschrägt, mit dem Rest einer Bildhauerei,
die einen Schwertgriff darzustellen scheint. Was wollen diese Kreuze hier mitten in ehemalig Merseburgischem Gebiete? Vielleicht
geben zwei Urkunden Antwort.
Nach Dr. Kretzchmar in seiner Abhandlung: Die Entstehung von Stadt und Stadtrecht etc., 75. Heft der Untersuchungen zur
deutschen Staats- und Rechtsgeschichte, beruft sich Thietmar von Merseburg (vergl. Böttger IV. S.320) in seinem Chron. III darauf,
dass Kaiser Otto II. seinem Vorgänger Gisilero Suencuam civitatetm suam cum - foresto inter Salam ac Milham fluvios - jacenti
geschenkt habe (Urk. des Kaisers Otto II. 153). Dr. Kretzschmar weist aus einem 1285 ausgestellten Privileg Rudolphs von Habsburg
nach, dass das Stift sich als Eigentümer eines zwischen Saale, Mulde und Pleisse gelegenen Forstes, der Stadt Leipzig und des Ortes
Naunhof betrachtet habe. Für unsre Untersuchung ist die Erwähnung des Forstes und Naunhofs in diesem Zusammenhang wichtig.
Ferner enthält das Urkundenbuch des Hochstifts Merseburg eine Urkunde vom 23. September 1105, nach der Bischof Alboin dem
Kloster Pegau den Zehnten in 17 namentlich aufgeführten, im Burgward Groitzsch in der Grafschaft des Markgrafen Udo zwischen
Wyhra und Schnauder gelegenen Ortschaften überlässt (vergl. Böttger IV. S.317).
Die Erwähnung von Naunhof und Leipzig in jener Urkunde und die Namen der in dieser an Pegau überlassenen Ortschaften,
soweit sie heute noch zu identifizieren sind, machen es gewiss, dass beide Bezirke aneinander grenzten. Als nördliche in der zweiten
Urkunde genannte Grenzorte des an Pegau gewiesenen Bezirks sind anzusehen Zetzschwitz bei Zwenkau, Rötha, Zössen; vielleicht
darf man in dem Milanesdorf des Verzeichnisses Mölbis, in dem Drogisdorf Trages sehen. Nimmt man hinzu, dass in einem
Decembuche der Pfarrei Groitzsch von 1524 auch Pomsen als zinspflichtig an die Kirche zu Groitzsch aufgeführt wird und demnach
doch höchstwahrscheinlich demselben Bezirke, nämlich dem Burgward Groitzsch, angehört hat, so ergibt sich als Grenze zwischen
den beiden genannten Bezirken eine Linie die südlich von Zwenkau die Hardt entlang auf den Göselbach trifft, diesem aufwärts etwa
bis Rohrbach folgt und von da zwischen Pomsen und Naunhof die Parthe schneidet, um den bei Beiersdorf entspringenden Bach
abwärts durch Seelingstädt (44!) bei Böhlen (43!) an der Mulde zu enden. Dann ständen die Kreuze 49 - 51 mit 44, 45 in
ungezwungenem Zusammenhang als Grenzzeichen zwischen den oben erwähnten Gebieten. Erwägt man, dass nach Kretzschmar
u.a. der Waldbezirk Gegenstand von Streitigkeiten war, dass aber auch das von Merseburg unabhängige Kloster Pegau ein grosses
Interesse daran hatte, seinen Nutzungskreis (Interessensphäre) einem unmittelbaren Besitztum des Merseburger Stifts gegenüber
festzustellen, so erscheint eine Verrainung und Versteinerung durchaus natürlich. Sie ist jedenfalls noch vollständiger gewesen, und
die Kreuze von heute (wenn schon alle bekannt geworden sind) sind nur kümmerliche Reste, da der örtlichen Überlieferung nach noch
mehr solche Steinkreuze früher gestanden haben sollen. Bemerkenswert erscheint auch der überlieferte Flurname "heiliges Holz"
sowie die Reste grosser Waldungen, die sich nördlich dieser Linie in der Zwenkaner Hardt, dem Universitätsholz bei Belgershein,
dem Naunhofer Forst mit "Gotteswald" u.a. erhalten haben. Entscheidend dürfte sein, dass unsre Linie sich mit der alten Gaugrenze
Chuitizi-Scuntira (nach 974; s. Böttger IV. S.318 u. 322) nahezu deckt und nur im letzten Drittel nach Norden davon abweicht. Das
oben berührte Verhältnis von Pomsen zu Groitzsch macht es wahrscheinlich, dass die Gaugrenze auch in ihrem Endverlauf nach der
Mulde doch der von uns gezeichneten Linie entsprach (gegen Böttger a.a.O.), dafür spricht auch die wiederholte urkundliche
Erwähnung Nerchaus als im Gau Chutizi gelegen (vgl. Böttger IV. S.320 f.), das unsere Linie über die Mulde hinüber fortsetzt.
D) Die Nisanigruppe
Eine besondere Häufung von Steinkreuzen findet sich südlich und südöstlich von der Hauptstadt Sachsens, Dresden. Der Name
für diese Gruppe ist gewählt, weil sie sämtlich von der Grenze des alten Gaues Nisani eingeschlossen sind; ihre Linie deckt sich
freilich nur z.T. mit diesen Grenzen. Ihre Standorte bilden einen Kreis, der sich von Dresden-Neustadt rechts der Elbe bis Wehlen,
dann über Pirna die Gottleuba aufwärts erstreckt, nahe der Landesgrenze
zur Müglitz, dann zur roten und wilden Weisseritz überspringt und diese abwärts, mit Tharandt
als westlichstem Punkte, südöstlich um Dresden herum zum Anfang zurückkehrt. Es sind folgende:
52. Dresden Neustadt, an der Strasse nach Stolpen, 53. Weissig, sedes Radeberg n.d. Meissn. Matr., bis an die Arme versunken, malt. Armbrust 90cm breit, 54. a.d. Königsbrücker Landstrasse zwischen Dresden und Klotzsche - 70 cm über dem Boden hoch 6). 55. Elbersdorf. Filiale von Porschendorf, sedes Pirna, desgl., gross, plump, rechtwinklig, 56. Wünschendorf b. Dittersbach 70 hoch, Malt., Schwert, 57. ” ” ” Armbrust, 58. Doberzeit bei Lohmen, mit verbindender Scheibe, 1m, Malt., 59. Lohmener Wald, Malt., oberer Arm ausgebrochen, 60. an der Bastei, die 4 Arme durch Scheibe verbunden, 2 Kreuze mit rechtsabgebogenen, unterm Arm eigemeisselt, "soll an einer alten Flurgrenze stehen", Malt. 61. Posta a.d. Elbe, Radkreuz, 62. Pirna, eins mit Zeichnung eines Lastträgers, 5 am Fusswege nach Krietzschwitz, 1820 beseitigt, am Kreuzgarten mit eingemeisseltem Kreuz, drei davon "uralte, plump behauene, grosse Kreuze", 63. Zehista, eingemeisseltes Kreuz, 64. Rottwerndorf, 3 Kreuze, eins am Wege nach Pirna. 65. Grosscotta, an der Strasse nach Kleincotta, 5 stehende Kreuze, mit Axt, Armbrust, Schwert und 1 liegendes Kreuz, |
66. Hartmtannsbach bei Gottleuba, 2 Kreuze, 67. Breitenau, 1 mit Kreuz im Kreis, 2 ohne Zeichen, 142/108 u. 108/64, 84/46, das erste Malteserform, 68. Börnersdorf, 2 Kreuze, eins davon mit Armbrust, Malt., 69. Liebstadt, "einige Kreuze", 70. Cunnersdorf "sogen.Wittigskreuz", 71. Oberhesslich, 72. Niederfrauendorf, 73. Dippoldiswalde, "1 1/2 Ellen breit", 74. Ruppendorf, "einige Kreuze", mit Bild der heiligen Anna, mit Schwertern, 75. Tharandt, "Bergfriedkreuz mit Helm", 76. Leubnitz, sedes Dresden n.d. Meissn. Matr., rechtwinkl., 90cm hoch, 77. Dresden (abgesehen von der innern Stadt), ein Kreuz, Juni 1904 an der früheren Dippoldiswalder Strasse in der Erde gefunden, Sandstein, rechtwinklig, 1,20m hoch, 78. ein Kreuz am Großen Garten, mit Schwert, gross, roh, 79. Neuostra bei Leubnitz, Nebenbemerkung: Leubnitz (mit. Neuostra) schenkte Markgräfin Elisabeth samt dem Patronatsrechte am 12.Juni 1288 dem Kloster Alt-Zelle. 80. Possendorf, 90 hoch, unbeholfen gearbeitet, (Malt.). |
Auffallend ist, dass hier mehr als in andern Gruppen die einzelnen Standorte häufig mehrere Kreuze zugleich
aufweisen. Eine Erklärung dafür haben wir nicht, wenn man nicht annehmen will, dass wiederholte Grenzrevisionen zu dieser Häufung
geführt haben. Denn unsere bisherigen Erfahrungen lassen uns auch hier kirchliche Grenzen vermuten. In der Tat zeigt ein Vergleich
mit den in der Meissner Bistumsmatrikel von 1346 genannten Grenzkirchspielen, dass der Kreuzkreis genau die beiden sedes Pirna
und Dippoldiswalde des Archediakonats Nisan einschliesst. Nr. 80 liegt inmitten der sedes Dippoldiswalde. Vielleicht hat sein Steinkreuz
ein besonderes Ereignis als Aufstellungsgrund. Darauf scheint die seltsame abweichende Form hinzudeuten. Auch Nr. 75 ist als
Grenzzeichen sehr fraglich, Nr. 53 liegt in der sedes Radeberg, Nr. 76, vielleicht auch 77 - 79 und 52 in der sedes Dresden nach der
Meissn. Matrikel, alle andern gehören dem umgrenzten Bezirk an. Zur Erklärung dieser Abweichung sei folgendes bemerkt. Form,
Grösse und Zeichen der Kreuze, soweit sie beschrieben sind, weisen ihnen ein sehr hohes Alter zu und dürften ihre Aufstellung in
eine Zeit rücken, in der Dresden noch ohne jede Bedeutung und die Meissner Matrikel von 1346 noch nicht aufgestellt war. Das lässt
die Vermutung zu, dass die strittigen Standorte ursprünglich doch dem Kirchenkreis der übrigen angehört haben und erst längere Zeit
nach Aufstellung der Kreuze der Dresdner sedes (76-79, 52) und der Radeberger (53) einverleibt wurden 7).
Unsere Mutmassung dürfte eine Stütze auch aus dem gegenteiligen Verhältnis der Matrikel zu unserer Kreuzlinie entnehmen können.
Im Süden schliesst unsere Linie die Orte Lauenstein, Altenberg, Glashütte, Geising von dem umgrenzten Bezirke aus; die Meissner
Matrikel führt sie als zur sedes Dippoldiswalde gehörig an. Woher dieser Unterschied? Lauenstein wird urkundlich zum ersten Male
1289 als castrum Levensteyn, dann 1372 Leuwenstein, 1389 Lauwenstein, 1410 Lauensten genannt und führt in seinem Stadtwappen
"den Löwen, der zum Felsen aufsteigt. Die drei Stadtwappen von Lauenstein, Königstein (Löwe mit abgeschlagener Hand) und
Tetschen (Löwe mit Barbe) bedeuten ohne Zweifel die im Namen des böhmischen Landesfürsten auszuübende Gewalt der Markwarte
über Grund und Boden und Wasser (und Bewohner D.V.) im Markwalde - "(A. Klemm, Geschichte der Festung Königstein. Leipzig
Arwed Strauch 1905 S.146). Lauenstein ist also in der Zeit der Abfassung der Meissner Matrikel politisch und kirchlich (Klemm a.a.O.
S.133) böhmisch gewesen und gehörte vermutlich wie Königstein,
Struppen, Gottleuba , Ölsen, (Zehntreg. von 1384 in d.F.E. Bibliothek
in Prag) zum Dekanat Aussig, sicher zum Erzbistum Prag. Die Kirche zu Glashütte ist erst 1519 selbständig, die zu Altenberg 1458
und zu Geising 1884 erbaut worden. Diese 4 Kirchspiele sind also in einer späteren Abschrift der Meissner Matrikel hinzugefügt
worden. Demnach ergibt die Kreuzlinie eine Abgrenzung, die mindestens vor 1289 geschehen sein muss; sonst würde sie Lauenstein
wenigstens einschliessen. Dass gerade an diesem Punkte Grenzzeichen fehlen sollten, ist bei ihrer sonstigen Häufigkeit nicht wohl
anzunehmen. Von der Gottleuba den Grenzwald entlang die wilde Weisseritz abwärts bis Ruppendorf
- Tharandt fällt die von uns gezeichnete kirchliche Grenzlinie mit der
südlichen und westlichen Grenze des Gaues Nisani zusammen. Auffälligerweise schliessen unsere Kreuze links der Elbe auch ein
andres politisches Gebiet genau ein und zwar das der Herrschaft Dohna im 11. oder 12 Jahrhundert. Zwar schieben die
Geschichtsatlanten (z.B. Putzgers Geschichtsatlas, Kämmel-Leipoldts Schulwandkarte zur Geschichte der Wettiner Lande) die
westliche Grenze des Dohnaschen Gebietes nicht bis an unsre Kreuzreihe vor. Aber Süssmilch-Hörnig, Das Erzgebirge S.184 lässt
es sich von der Gottleuba bis Dresden erstrecken. Nach der Angabe in der Neuen Sächs. Kirchengalerie Bd. Pirna Sp. 122 reicht es
von der Weisseritz bis zur Elbe 8). Urkundlich steht ferner fest, dass Rabenau zu
dieser Herrschaft gehörte, dass Burggraf Konrad von Dohna 1070 die erste Dresdner Brücke baute und den Brückenzoll für sich und
seine Nachkommen in Auspruch nahm, sowie dass aus Anlass der Erbauung einer Burg Thorun durch Heinrich von Dohna im Jahre
1206 (Nr. 74 im Urk.- Bch. das Hochst. Meissen) Grenzfeststellungen an der Weisseritz (sogar auf deren linkem Ufer) stattgefunden
haben. Alles das gibt uns das Recht, für die Grafschaft Dohna den durch unsere Kreuze festgestellten Umfang in Anspruch zu nehmen,
vielleicht auch in naheliegender Analogie die von uns bezeichnete Grenze soweit an Dresden heranzurücken (trotz Meissn. Matrikel),
wie es durch die nahe bei Dresden aufgefundenen Steinkreuze geschieht. Anmerkungsweise seien noch 2 Kreuze im Königsteiner
Gebiet erwähnt. Das eine (81) bezeugt folgende Notiz bei Klemm a.a.O. S.10: "Do leidt (1464) Ein steinn, do ist ein Kirchschlüssel
innen gehauenn." Das Flurstück, am Lilienstein, war Kirchenleite der Königsteiner Hauptkirche; ihr Signet war der Kirchenschlüssel.
Das andere Kreuz (82) steht zwischen Pfaffendorf und Königstein an einer "der Einsiedel" genannten Höhe; ein Arm ist abgeschlagen.
Klemm a.a.O. S.133 bezeichnet es in einem Citat als "das alte steinerne Einsiedler Grabcreuz" und führt sein Vorhandensein auf einen
an jener Stätte gehaust habenden Einsiedler zurück (a.a.O S.9.).
E) Die Bautzner Gruppe
Zu ihr rechnen wir folgende Kreuze:
83. Stürza, 2 Kreuze, "sonderbar behauen", "Inschrift nicht mehr zu entziffern" (N. Sächs. Kircheng. Bd. Pirna Sp. 646), sedes Stolpens, 84. Erkmannsdorf, sedes Radeberg. 85. Kleinwolmsdorf, sedes Radeberg , 90 hoch, Malt., plump, 86. Arnsdorf, 1,25m hoch, 40cm stark, an der Kirchhofsmauer, Malteserform, "Bischofstein genannt, weil durch das Setzen solcher Steine die Bischöfe einst ihr Gebiet gekennzeichnet hätten", 87. Leppersdorf bei Radeberg, Kirchhofsmauer wie das Arnsdorfer. 88. Gräfenhain b. Königsbrück, 1m hoch. Malt., Axt, 89. Seifersdorf b. Radeberg, "ANNO 1678 DEN 22. Martini". 90. Seifersdorf b. Radeberg - Ottendorfer Landstrasse, |
91. Königsbrück, 5 Kreuze, Lanze, Axt, Schwert, 92. Häslich, "1583 Grabstein", 93. Kamenz, 3 Kreuze und 1 mit Armbrust, obere Arm abgebrochen, 1 mit "1390", 94. Schweinerden b. Marienstern, rechtwinklig, Strassenkreuzung, 95. Cannewitz b. Elstra, Malt., gross, plump, ganz verstümmelt, armlos, Schwert (oder Stab), 96. Königswartha, 3 Kreuze, 97. Baruth, mit Schwert, 98. Niedergurig, mit Inschrift: Tod durch Wetterstrahl, 99. desgl., "grosses steinernes Kreuz" (N.), 100. Öhna, mit eingegrabenem Mühlrade, (N.) 101. Cunewalde, 2 Steine, einer mit eingehauenem Kreuz und Schwert, der andere mit umrahmten Kreuz, "ca 3/4 m aus der Erde hervorragend". |
Aus der Reihe der Grenzzeichen sind 92 und 98 von vornherein auszuschliessen. Im Übrigen scheint hier,
wofern nicht das Vorhandensein einer grösseren Anzahl von Kreuzen noch einmal nachgewiesen wird, der in der Einleitung
angemerkte Satz besonders stark zur Geltung zu kommen, dass die Kreuze nicht auf der eigentlichen Grenzlinie des betreffenden
Gebietes, sondern in für die Gebietshoheit besonders wichtigen Kirchspielen (Grenzparochien) stehen. Das scheint vor allem für die
Orte Königsbrück (91), Königswartha
(96) und Baruth (97) zu gelten. Sie waren ehedem Sitze gleichnamiger
Standesherrschaften von grösserem Umfange; die Kreuze an diesen Orten müssten dann nach unserer Annahme als Grenzzeichen
für das ganze dazu gehörige Gebiet anzusehen sein. Der Ort Königsbrück wird 1268 zuerst urkundlich genannt. Als erster urkundlich
genannter Besitzer der Herrschaft wird in einer Urkunde des Markgrafen Friedrich von Meissen vom 8. September 1298 Henricus da
Königsbrück aufgeführt. (N.S. Kg. Bd. Kamenz Sp. 352). Es gehörte zur sedes Kamenz. Königswartha wird 1213 unter das
Archidiakonat Bautzen gestellt (N.S. Kg. Bd. Bautzen Sp. 215). Baruth wird 1268 zuerst als Herrschaft genannt (a.a.O. Sp. 57). Die
beiden vorgenannten Herrschaften sind es auf sächsischer Seite allein, nur mit Hinzunahme der grossen ältesten Pfarrei Göda, die
nach der Meissner Matrikel den Bestand der Propstei Bautzen ausmachen.
Von ihr muss unterschieden werden das Dekanat Bautzen. Sein nördlicher Hauptteil (der südliche Teil zieht sich am linken Ufer
der Spree bis an und über die Landesgrenze) grenzt nach Nordwesten an das Gebiet der Propstei Bautzen, die Grenze bildet die
Spree, an ihr die Kreuze 99 und 100; nach Südwesten an die sedes Bischofswerdei; nach Süden an die sedes Löbau, hier Nr. 101,
das in der offenen Stelle zwischen der Spree und dem Zufluss des Löbauer Wassers, der den Grenzbach bildet, den Schlusspunkt
darstellt; nach Osten an die sedes Reichenbach und die Propstei Bautzen, wo dieser Bach, der bei Dehsa entspringt, die Grenze gibt,
hier Nr. 97. Die Kreuze (60), 83, (55), 84 - 91 bilden die Grenzlinie zwischen den beiden Lausitzer sedes Hohnstein und Stolpen,
Bischofswerda und Kamenz im Osten (erstere gehörten freilich nie zur Lausitz) und den im engern Sinne meissnischen sedes Pirna,
Radeberg und Grossenhain im Westen. Die Kreuze zu Kamenz (93) stehen nicht an einer Grenze, wohl aber am Sitze des
Erzpriesters und haben darum eine ähnliche Bedeutung als kirchliche Hoheitszeichen. Auch hier weisen Grösse, Form und Zeichen
der abgebildeten oder genau beschriebenen Kreuze in eine frühere Zeit, wohl in die Zeit kurz nach Erhebung der Petrikirche in
Budissin zur Kollegiatkirche und Gründung als Kollegiatstifts im Jahre 1213. Darauf deuten auch die oben schon angeführten
Jahrzahlen. Ein Kreuz in Kamenz trägt die Jahrzahl 1390.
F) Die Zittauer Gruppe
Die Zittauer Gegend gehörte kirchlich nie zum Bistum Meissen. Deshalb haben wir auch die Gruppen E und F nicht zu einer
Lausitzer Gruppe vereinigt. Sie bildete ursprünglich den östlichen Teil des Gaues Zagost, und wie sie politisch bis 1412 unter der
Krone Böhmens stand, so war sie kirchlich, solange ihre Bewohnerschaft katholisch war, ursprünglich Bestandteil des Erzbistums
Mainz, später des Erzbistums Prag im Archidiakonat Bunzlau als besonderes Dekanat. In die Kollatur über die zugehörigen
Kirchspiele teilten sich die Voigte der Herrschaft Zittau, an ihrer Stelle seit dem 14. Jahrh. der Rat der Stadt, sodann die Johanniter
von Zittau und Hirschfelde, die Cisterzienserinnen des Klosters Mariental (1234 gegründet) östlich von Zittau, und die Cölestiner vom
Oybin (1309 gegründet). Nach der Reformation übernahmen der Rat und die ländlichen Patrone die oberhirtlichen Pflichten in ihren
Gebieten; nur das Kloster Mariental hat heute noch das Patronat über eine ganze Anzahl evangelischer Kirchen inne.
Diese geschichtlichen Erinnerungen sind zur Lösung unserer Frage nötig, denn sie geben uns Fingerzeige über die Grenzen,
die wir von den um Zittau aufgefundenen Steinkreuzen etwa bezeichnet finden. Ihre Standorte sind:
102. Hirschfelde, mit Jahreszahl 1602. 103. Zittel, mit Jahreszahl 1637. 104. Oberseifersdorf, auf der Zittauer Grenze an der Strasse nach Zittau, 105. Grosshennersdorf, 106. Kleinschönau, 6 verschiedene Kreuze in verschiedener Gruppierung, 107. Döhnis bei Grottau, heute böhmisch, 108. Oybin, mit Jahreszahl 1670, 109. Lückendorf, 2 liegende Kreuze, |
110. Bertsdorf, 2 Kreuze in der Kirchhofsmauer, 111. Salendorf, 112. Althörnitz, 113. Zittau, a) in der unterirdischen Kapelle der Dreifaltigkeitskirche. mit grossem Messer und gekrümmtem Schwert (sorbische Sichel?), b) an der Frauenkirche, mit einem 66 cm langen Schwert, c) am Göhlitzer Steinwege, d) am Ende der Helwigsgasse. |
Die alte Dekanatsgrenze kann durch diese Kreuze nicht festgelegt sein. Denn das Zehntverzeichnis des
böhmischen Geschichtsschreibers Bohuslaus Balbinus S.J. von 1384 nennt 33 Pfarrkirchen, zu denen noch einige nicht aufgeführte
Kirchspiele hinzugerechnet werden müssen (N.S. Kg. Bd. Zittau Sp. 5f.), und von denen eine ganze Anzahl jenseits der Kreuzlinie
lagen. Wohl aber lässt der Umfang des Zittauer Weichbildes, wie ihn der Stadtschreiber Konrad Weissenbach 1396 ins älteste
Stadtbuch eingetragen hat (Carpzov, anal. II 247) und wie er durch Hinzutritt angekaufter (1554 Lückendorf, Waltersdorf, Dittelsdorf,
Ronau, Lichtenberg, Hirschfelde) und neugegründeter Orte (Johnsdorf 1539, Oybin 1550, Salendorf 1557. Herrenwalde 1583 u. a.)
erweitert worden ist, darauf schliessen, dass die Aufstellung der Kreuze eine Abgrenzung des städtischen Weichbildes bezweckte.
Sie stehen tatsächlich in oder bei Gemeinden des Weichbildes, die nach Osten an die Besitzungen des Klosters Marienthal, nach
Süden und Westen an Böhmen grenzten, während allerdings an der Nordgrenze uns keine Steine bekannt sind. Vielleicht liegt das
daran, dass hier mehrere Wasserläufe in Verbindung mit dem Höhenzuge des Kottmar eine deutliche natürliche Abgrenzung gegen
das Löbauer Gebiet bildeten. Vielleicht - und das ist das Wahrscheinlichere - ergibt auch die Zeit ihrer Aufstellung und das dabei
obwaltende kirchliche Interesse einen zureichenden Grund dafür.
1) Vgl. Mitt. d. V. f. s. Volkskde. I. 1899 H. 11 S 3 Nr. 3, 4, 13.
Anmerkung: Die Standorte (61) Posta und (92) Häslich konnten nicht zugeordnet werden.
Die oben als zugekauft erwähnten Orte gehörten ursprünglich zum Zittauer Weichbilde, gingen aber 1310 - 1319 verloren, als
der königliche Voigt Heinrich von Leipa die Donin auf Grafenstein und die von Liebenstein auf Friedland aus dem Obergericht entliess.
Dadurch entfielen dem Weichbilde ausser den obengenannten noch die Dörfer Gross- und Kleinschönau, Zittel, Hartau, Poritzsch,
Luptin. Grossschönau kam 1587 durch Kauf wieder an Zittau, die übrigen auf demselben Wege bereits 1387 oder 1380. Von diesen in
der Zugehörigkeit zu Zittau wechselnden Ortschaften weisen Kreuze auf: Hirschfelde,
Kleinschönau, Zittel, Lückendorf und Waltersdorf. Aus diesen Tatsachen lassen sich folgende Schlüsse ziehen: Entweder die
Kreuzlinie bezeichnet die Grenze des Zittauer Weichbildes vor 1310, wo die streitigen Dörfer noch ihm angehörten. Dann wären die
zu Oybin und Salendorf nach der Gründung dieser Orte hinzugefügt worden. Dagegen sprechen die späten Jahreszahlen bei Nr. 102
und 103. Oder aber, was u.E. eher anzunehmen ist, die Aufstellung der Kreuze (in der Stadt selbst ausgeschlossen) fällt drei
Jahrhunderte später in die Zeit nach Wiedererwerb und Nengründung der betr. Dörfer. Die Jahreszahlen bei 102, 103, 107 sprechen
dafür; und gerade diese Zahlen dürften auf kirchliche Gründe schliessen lassen, von denen der Zittauer Rat zu dieser Abgrenzung
bestimmt worden wäre.
Um die Wende des 16. Jahrhunderts setzte die Gegenreformation ein, die besonders von den Jesuiten betrieben wurde. Ihnen
hatte zum Unterhalt des neugestifteten Clementinum in Prag Petrus Canisius 1554 die Einkünfte des verlassenen Cölestinerklosters
Oybin zuzuwenden gewusst. Sein Versuch, dieses Kloster mit Angehörigen der Gesellschaft Jesu zu besetzen, schlug zwar fehl; 1562
verliessen sie die ungastliche Zittauer Pflege wieder. Aber sie kehrten zurück. "Nach der Schlacht am weissen Berg machten die
Katholiken vermeintliche Rechte geltend. lm Jahre 1624 war die Gegenreformation der oberen katholischen Geistlichkeit in Böhmen
bereits soweit vorgeschritten, dass auch die Bewohner der Grenzorte mit aller Strenge zum katholischen Glauben gezwungen wurden
oder das Land räumen mussten. "Besonders die östlich von Zittau gelegenen Kirchspiele hatten darunter zu leiden. Von 1629 an z.B.
konnte in Oberullersdorf (wohin Zittel eingepfarrt war) 30 Jahre lang kein evangelischer Geistlicher amtieren, weil die Gegenreformation
alles aufbot, die Bewohner dieses Kirchspiels für den katholischen Glauben zu gewinnen (a.a.O. Sp. 18. Sp. 523).
Man hatte 1619 in der Oberlausitz, wozu ja Zittau jetzt gehörte, wie in Böhmen, "Defensoren" gewählt, 25 an der Zahl, welche für
die militärische Verteidigung und für Aufrechterhaltung des evangelischen Glaubens sorgen sollten. Dem Zittauer Rat stellt die
Geschichte das ehrende Zeugnis aus, dass er in seiner Gesamtheit wenn auch vielleicht nicht nominell, so doch in der Tat hohen
Ernstes und Eifers für den evangelischen Glauben in seinem Bereich auch ohne besondere Wahl zu diesen Defensoren gehörte. Nach
alledem geht man wohl nicht fehl, wenn man ihm die Errichtung der fraglichen Steinkreuze in der Zeit der Gegenreformation an den
Grenzen von Gebieten unter römisch-katholischer Kirchenhoheit zuschreibt. Es war eine Massregel zur Sicherung kirchlichen
Grenzrechts, die im Norden seines Gebiets den evangelischen Grenznachbarn gegenüber nicht nötig war, deshalb dort keine
Grenzkreuze. Diese Kreuze weisen bezeichnendermassen keine Zeichen auf.
Die Kreuze in der Stadt selbst mögen wohl älter sein. An Nr. 113a knüpft sich eine der vielfach wiederkehrenden Bausagen, die
wir auf ihren geschichtlichen Gehalt nicht kontrollieren können. Die Dreifaltigkeitskirche ist 1488 erbaut worden. Vielleicht weist aber
der Umstand auf eine andere Spur, dass die unterirdische Kapelle von 1608 bis 1658 zur Aufbewahrung des von Gersdorfschen
Geschlechtswappens diente. Zu 113b kann nur erwähnt werden, dass die Frauenkirche 1355 zum ersten Mal urkundlich erwähnt wird.
Auf 113c und 113d wirft vielleicht ein Beschluss des Zittauer Magistrats von 1392 einiges Licht, den Needon mitteilt. Ein
Buttenbergischer Bürger Glünzel hatte Gelder, die er jährlich in Zittau zu erheben hatte, zum Strassenbau vermacht. Ihm sollte dafür
laut dieses Ratsbeschlusses an der betr. Strasse nach seinem Tode ein steinernes Kreuz gesetzt werden. Es ist wohl nicht
ausgeschlossen, dass wir hier ein solches Gedächtniskreuz in einem oder in beiden Fällen vor uns haben.
Der Vollständigkeit halber sei noch hinzugefügt, dass auch (114) zu Grossenhain, (115) Riesa, (116) Oschatz und (117) zu
Meissen sich Gruppen von Steinkreuzen befanden oder noch finden, in
und bei Oschatz allein 18 in 6 Gruppen, darunter ein 1389 gesetztes Marktkreuz, 2 Sühnekreuze und drei in der Nähe der Richtstätte,
1483 erwähnt. Grossenhain und Riesa waren Meissner Probsteien. Oschatz gehörte als sedes der Probstei Meissen an. Es dürften
also jene Kreuze wenigstens teilweise gleichfall in unserem Sinne anzusehen sein, wenn auch nicht als Grenzzeichen in engerem
Wortsinne, so doch nach dem mehrfach ausgesprochenen Grundsatz als Markzeichen für den Sitz kirchlicher Hoheit.
Wir sind am Ende unsrer Untersuchung. Es ist noch lange nicht jedes Dunkel gelichtet und jedes Geheimnis aufgeklärt, das um
die altersgrauen Zeugen früherer Jahrhunderte seine Schleier webt. Noch manche Frage harrt der Antwort: Woher die Häufung von
Kreuzen an einzelnen Standorten? Welche von ihnen sind Grenzzeichen?
Was wird ihre Bildersprache uns noch zu sagen haben, vor allen die der kriegerischen Waffen auf dem Zeichen des Friedens?
u.v.a.m. Das aber ist uns bei der Untersuchung, die sich auf mehr als 180 Kreuze auf 117 verschiedenen Orten des Königreichs
Sachsen erstreckt, aus einer lange gehegten Vermutung zur gewissen Überzeugung geworden: Die Verknüpfungen von mancherlei
Sagen von Mordtaten und andern unheimlichen Begebenheiten, besonders ans den grossen deutschen Kriegen der Vergangenheit,
mit den Streinkreuzen halten vor dem Lichte kritischer Prüfung nur in wenigen beglaubigten Fällen stand.
Die Steinkreuze Sachsens sind in ganz überwiegender Mehrzahl Grenzzeichen kirchlicher Herrschaftsgebiete.
Mancherlei Arabesken der dichtenden Volksphantasie weht der scharfe Wind der Kritik von den alten Steinen hinweg. Aber als
Zeichen und Zeugen der Geschichte stehen sie dem geschichtlichen Sinne unsrer Zeit nur um so ehrwürdiger da. Sie verdienen es,
dass ernste Arbeit berufener Kräfte in genauer Nachprüfung dessen, was ein Dilettant als seine Überzeugung hingestellt hat, sichtet,
zurechtstellt, ergänzt und - bestätigt
2) Vgl. Mitt. d. V. f. s. Volkskde. I. 1899 H. 11 S. 3 Nr. 1, 5.
3) Vgl. Mitt. d. V. f. s Volkskde. I. 1899 H. 11 S. 3 Nr. 8.
4) Vgl. Mitt. d. V. f. s. Volkskde. I. 1899 H. 11 S. 3 Nr. 6.
5) Nach der Stiftungsurkunde des Klosters Zschillen 1274 wurde 4 Hufen vom Grundbesitz der Kirche ausgepfarrt und dem Kloster überwiesen.
6) Nach Fischer, Bunte Bilder a. d. Sachsenlande Bd. I S. 94 enthält es die Inschrift Fin (is) Milit (is) Ihonas Dan (iel) [? Donin ? D. V.] und ist demnach als Sühnekreuz anzusprechen.
7) Vgl. dazu Neue Sächs. Kirchengalerie Bd. Dresden Sp 23 ff
8) Vgl. auch a. a. O. Bd. Dresden Sp. 11
Literatur:
Bösigk, Über Steinkreuze. Mitt. d. Kgl. Sächs. Altert.-V. 1857. Heft 10. Mitt. d. S. Vereins f. Volkskunde 1898, 1899, 1900.
Steche, Bau- und Kunstdenkmäler Sachsens.
Trauer, Die Kreuzsteine des Vogtlandes. Mitt. d. Alt: V. Planen 1890/91.
Trauer, An welchem Orte wurde Bischof Arno erschlagen? Lpz. Ztg. 1867 Nr. 54 der wissensch. Beil.
Needon, Mordkreuze und ihre Sagen. Lpz. Ztg. 1898 Nr. 23 d. w. Beil.
Neue sächs. Kirchengalerie. Bd. 1-10.
Die Urkundenbücher der Hochstifte Merseburg und Meissen.
Lepsius, Geschichte der Bischöfe von Naumburg I.
Böttger, Gau- und Diöeesangrenzen Norddeutschlands I. u. IV. u. a. m.
Seit der ersten Veröffentlichung unter diesem Titel in Bd. III. H.12 der Mitt. d. V. f. Volksk. hat der Verfasser folgende Kreuze kennen gelernt.
1. In Knatewitz bei Dahlen 1 Kreuz 1,78 m hoch, 65 cm breit, grauer Sandstein, gut erhalten, in der Kirchhofsmauer eingemauert, früher nachweislich auf einer Hügelböschung nach der ehemalig markgräflichen Seite hin, "Kirchenhammel" genannt, Malteser Form. (s. Abbild. 1.)
2. In Lambertswalde östlich bei Dahlen, im sogen. Dörfchen.
3. An dem Wege nach Sachsendorf nach Burkartshain, ca. 70 cm über dem Boden, rötlicher grobkörniger Sandstein, ursprünglich wohl Malteserform, stark verwittert, früher nachweislich in der Nähe der Burkartshainer Kirche, als Wegweiser auf seinen jetzigen Standort versetzt. (s. Abbild. 3.)
4. Bei Borna, Bez. Leipzig, auf dem alten Exerzierplatz, an der Abzeigung der Strasse nach Priessnitz, 1 m hoch, rechtwinklig, mir Schwert, Porphyr. (s. Abbild. 4.)
5. Bei Frohburg auf der Flurgrenze am Wege nach Greifenhain, 61 cm hoch, Porphyr; angeblich Offiziersgrab von 1813, Stelle wo der letzte Bär oder Wolf erlegt wurde, Pestkreuz. (s. Abbild. 5.)
6. Flurstück zum „Steinkreuz“ zwischen Groitzsch und Grosspriesligk, wies nach Aussage alter Einwohner ehemals ein Kreuz auf, dicht dabei der Galgenberg.
7. In Meissen, unterhalb des Domes an der Südseite an die Mauer gelehnt, 1,68 m hoch, seltsam geformt, mit runden Vertiefungen (Dreipass) auf den Armen, Sandstein, stark verwittert.
8. In Meissen, zwischen den beiden Torbogen auf dem Wege zur Albrechtsburg („Freiheit“) an Ludwig Richters Wohnhaus, 1,38 m hoch, 77 cm breit, Seitenarme rechtwinklig, Sandstein, stark verwittert und ausgebessert.
9. Im Garten der Realschule zu Grossenhain, früher in Zieschen, 70/60 cm, Sandstein, Malt.
10. Bei Skassa an der Strasse nach Grossenhain, in einem Steinbruch, 2 m lang, 85 cm breit, Malt., Sandstein.
11. / 12. / 13. Zwischen Naundörfchen und Merschwitz bei Grossenhain an der Strasse nebeneinander stehend, 90 cm hoch, 70 cm breit, Arme verbunden, Sandstein, plump, Malt.
14. In Nauleis bei Grossenhain am Dorfteiche, 95 cm hoch, 72 cm breit, Arme durch Keilstücke verbunden, Malt., Sandstein.
15. Bei Oberau am Fahrwege nach der Buschmühle, 54 cm hoch, 65 breit, 27 cm dick, Malteserform, verwittert, (s. Abbild. 15.)
16. In Konradsdorf bei Freiberg, eingemauert in den Südgiebel der Pfarrscheune
17. In Niederschöna bei Freiberg, am Zaune des Pfarrgehöftes, als Wegzeichen für Wallfahrer gedeutet.
18. In Geising, an der Strasse nach Altenberg im zuerst besiedelten Ortsteile, Dolch oder Schwert eingemeißelt.
19. In Claussnitz (Bez. Leipzig), auf dem Anger, Rochlitzer Porphyr, 85 cm hoch, rechtwinklig, Schwert. (s. Abbild. 19.)
20. Bei Zschoppelshain, nordwestlich vom Ort an einem Feldwege, ca. 65 cm hoch, rechtwinklig, Schwert, Porphyr, oberer Arm fehlt. (s. Abbild. 20.)
21. In Topfseifersdorf, Porphyr, Vorderseite Schwert, Rückseite 1686, rechtwinklig. (s. Abbild. 20.)
22. In Mühlau, ein Kreuz, früher am Hause des Tischlermstr. Schlorke, 1899 bei einem Anbau in die Grundmauer eingefügt, „weil hier so ein bischen Hexerei war;“ ca. 1 m hoch, Porphyr, Schwert.
23. - 25. In Chursdorf bei Penig, 3 Porphyrkreuze am Wettindenkmal nebeneinander. (s. Abbild. 23a, 23b, 23c.)
a) ca. 60 cm hoch, Seitenarm abgebrochen, Armbrust, Vertiefung auf dem Kopfende;
b) ca. 75 cm hoch, 60 cm breit, rechtwinklig, Schwert, stark beschädigt;
c) ca. 60 cm hoch, rechtwinklig, ein Seitenarm quer über die Mitte abgebrochen, Beil (?).
26. In Mylau im Vogtl. Am Aufgang zum Feldschlösschen, ca. 1m hoch, stark beschädigt, Granit, massig, plump, macht den Eindruck sehr hohen Alters, mit gusseiserner Tafel am Fuße; „dieses Kreuz diente nach P. Heubner den Wallfahrern als Gebetsstätte und Wegweiser nach der zurzeit der Reformation zerstörten St. Adelheidskapelle bei Schönfeld“. (s. Abbild. 26.)
27. Im Schneidenbacher Holze bei Reichenbach im Vgtl., früher ein altes Steinkreuz, das in neuerer Zeiterst von dort entfernt worden ist.
28. Bei Neuensalz im Vgtl., rechts am Wege nach Voigtsgrün vor der Abzweigung nach Altensalz, ziemlich verdorben.
29. u. 30. In Schönau im Vgtl. standen noch nach 1885 dicht beieinander 2 (oder gar 3) Kreuze, von Neuensalz aus gerechnet südlich vom Wege kurz vor der Brücke.
31. In der Straßengabel Neuensalz – Plauen und Neuensalz – Oelsnitz heißt ein Grundstück „Der Kreuzstein“.
32. Desgleichen ein Grundstück im Nordwestwinkel der Wegkreuzung Neuensalz – Thossfell und Zobes – Altensalz.
33. Im Im Herrnhuter Unitätswald, Parz. 18, an der Bertelsdorf – Kemnitzer Flurgrenze („Galgenstätte“ genannt), 53 cm hoch, ein Seiten- und der obere Arm abgeschlagen, rechtwinklig, Jahreszahl 1814. (s. Abbild. 33.)
34. u. 35. Nicht weit davon auf derselben Flurgrenze 2 ebensolche (Löbau???), ohne Beschädigung und Jahreszahl.
36. Auf Schönbacher Flur an der Grenze mit Lawalde ein größeres Kreuz.
37. Auf dem Friedhofe von Kittlitz ein ähnliches.
38. Desgleichen auf dem Fahrwege nach der Hönschmühle in Löbau.
39. In Jahnshain bei Kohren, an der von der Schule zum Gasthof führenden Dorfstrasse, Schwert (?).
Von außerhalb Sachsens sollen anhangsweise notiert werden: 40. In Paussnitz, 1 Stunde nördlich von Strehla, ein Kreuz.
41. - 43. In Zschackau (Kr. Torgau), jetzt 2, früher 3 Kreuze, Granit, 117 cm hoch, 95 cm breit, 31 cm dick, an den Dorfausgängen; „der Ort vermutlich Klosterland, ist sicher dem Cisterzienserkloster Dobrilugk zehntpflichtig gewesen“ (Pf. Brase.)
44. In Stadt Roda, Thüringen, am Wege zum Bahnhofe, mit Kreuzzeichen in der Mitte, gabelförmigen rechts und links, rechtwinklig.
45. - 47. An der Leuchtenburg auf dem „Kreuzacker“ 3 Kreuze, rechtwinklig, vom mittleren ein Seiten- und der obere Arm abgeschlagen.
48. Ein Grenzkreuz zwischen Bamberg und Sachsen (Kurfürstentum) von 1515, in Geschichtsbl. VII. Bd., S. 39, erwähnt.
Das angebliche Kreuz Nr. 48 ist ein Grenzstein an der Thüringisch-Bayrischen Grenze bei Lehesten (am sogenannten "Schönwappenweg"). Das Bild zeigt die Rückseite von 2 Notgeldscheinen vom Juni 1921 aus Lehesten mit der Abbildung des Grenzsteines aus 2 Richtungen.
Außerdem sind dem Verfasser neuerdings bekannt geworden: Eine handschriftliche Sammlung von Seinkreuzen des Herrn Lehrer Schmidtkonz-Würzburg, mit Abbildungen, mehrere Inventarisationen von Steinkreuzen aus Bayern in: Deutsche Gaue, Herausgeber Konrad Frank in Kaufbeuren, sowie in den Pfälzischen Geschichtsblättern 1905.
Oder sollen vielleicht durch Kreuze zu sühnende Untaten besonders häufig wegen Grenzstreitigkeiten nur an
Grenzen vorgekommen sein? Herr Prof. Wilhelm scheint das in der Tat anzunehmen, den er sagt: Totschlagsfälle wegen
Grenzstreitigkeiten mögen in früherer Zeit im Verhältnisse zu andern Ursachenwohl auch nicht allzu selten vorgekommen sein. Er
möge mir verzeihen, wenn ich das für ein reichlich zweifelhaftes Mittel halte, das starke vorkommen von Kreuzen auf Grenzzügen im
Sinne der Sühnekreuze zu erklären, beinahe ebenso zweifelhaft, wie wenn er es als selbstverständlich hinstellt, „dass manches bereits
vorhandene Sühnekreuz bei einer etwas später erfolgten Grenzregulierung nachträglich als Grenzzeichen bestimmt worden ist, da es
schon einmal auf oder in der Nähe einer Scheidung stand.“ Also doch Grenzsteine, nur auf Umwegen?! Dem widerspricht ja aufs
bestimmteste sein eigener Hinweis darauf, dass „man eigentliche Grenzsteine ....oft genug in der unmittelbarsten Nähe alter
Steinkreuze findet. Jene wären dann doch überflüssig gewesen, wenn man diese schon als Grenzzeichen .... anerkannt hätte.“ Aber
warum soll denn nicht z.B. eine spätere politische oder private Grenzfeststellung ihre Steine neben die Grenzkreuze alter nicht mehr
vorhandener kirchlicher Hoheitsgebiete gesetzt haben?
"wir Friedrich von Gs gnaden Pfalzgraf etc.
Bekhenen und thuen Kundoffenbar mit diesem Briefe, daß wir für Unß unser Erben und Nachkommen, zu rechten Erb Recht Vererbt
und verlassen haben, Unser Underthanen und liben gethreuen sambentlich einer gantzen gemain, ihrer Erbenund nachkhommen
unsers Dorff zu Plösßen, Waldeckher Herrschaft, unß Holzwachs auf d. Hayd genant, unser von tressau gelegen, zum Endes
Schmids zum Göppspühl veldung an, biss zu – pp – biss zum Steiner Creuz so zwischen Pfalz und Brandenburg markt pp – biss wider
zu des Schmids Endres Feld was diesser rainung nach zur linken Hand für Holzwachs ist, gehört zu der Hayd, mit aller zubehörung
ieziger Zeit stehender, dennkünftige gewänder Behölzung nichts aufgenommen – – – zu urkund mit unser anhangend Secret besiegelt
und gegeben auf Mittwoch etc. (s.o.)“ Hier ist klar und unzweideutig ein Steinkreuz aus älterer Zeit als Grenzmarke bezeichnet auf das man bei
neuerer Grenzfeststellung Bezug nimmt und zwar, wie der Wortlaut empfinden lässt, als auf etwas Gewohntes, Selbstverständliches.
Die pfälzischen Geschichtsblätter 1905, Heft 8 u. 9 (auf die mich Herr Dr. Tille-Leipzig hinwies) führen eine Anzahl urkundlich
bezeugter Grenzkreuze an. Die deutschen Geschichtsblätter (Dr. Tille) erwähnen ein solches gelegentlich Bd. VII S. 39.
„Insofern die im vorigen Abschnitt besprochen Kreuze das
Weichbild der Stadt Asch einschließen, sind sie auch als Grenzkreuze zu betrachten. Als solche werden im Mittelalter steinerne
Kreuze häufig benützt, wie man heute noch auf vielen Grenzsteinen Kreuze eingemeißelt findet. Sie dienten zur Bezeichnung größerer
oder kleinerer Gaue, Gemarkschaften und Bannforste, insbesondere aber für Umfriedungen von Kloster- und Kirchenbesitz“. Folgt Exemplifikation auf Asch und Umgebung, besonders S. 37 auf einen in der Nähe gelegenen Bannforst.
Eingehend behandelt hat die Steinkreuzfrage M. Raich in der Zeitschrift für katholische Wissenschaft und katholisches Leben (Der Katholik) 1904 3. Folge, Bd. 29, S 42 ff. und der thüringer Pfarrer Dr. Hch. Berger im Handbuch der kirchlichen Kunstaltertümer in Deutschland, Leipzig 1905, S, 365 ff.
Der ersten Veröffentlichung des Verfassers sind zustimmende und gegnerische Zuschriften uns Kundgebungen gefolgt. Zumal das letztere kann dem Forscher nur recht und der Forschung nur dienlich sein. Es sei gestattet, besonders auf die Einwendungen einzugehen, die von Herrn Dr. A. Meiche im VIII. Jahresbericht des V. f. S. Vkd. S.10 und von Herrn Prof. Wilhelm-Pilsen in seinem Artikel: Alte Steinkreuze etc. Mitt. des V. f. S. Vkd. 1906 Heft 2 erhoben worden sind.
Der Verfasser hat nicht „angenommen“, dass die von ihm bis 1905 gefundenen Steinkreuze die einzigen in Sachsen seien. Seine erste Veröffentlichung enthält keine Begründung dieser Ansicht, die vorliegende Mitteilung liefert den Gegenbeweis zu diesem Irrtum des Herrn Dr. Meiche. Dagegen ist richtig, das durch die neugefundenen Standorte von Kreuzen die bisher angegebenen Linien zwar nicht „anders verlaufen“ oder „vielleicht nicht mehr mit den Grenzen, die er angibt, zuzustimmen,“ wohl aber diese Grenzlinien erweitern und vervollständigen. Der Beleg dazu sollen weiter unten gegeben werden. Dass „die Scheidung zwischen den verschiedenen Arten von Grenzen (politisch, kirchlich – größere, kleinere) nicht genügend berücksichtigt“ sein soll, ist nicht recht verständlich. Der Helbigsche Aufsatz nimmt ja die Kreuze lediglich als Grenzzeichen kirchlicher Hoheitsgebiete in Anspruch. Einen Beleg dafür, dass es sich um solche Hoheitsgebiete, nicht um Landbesitz handelt, sucht er in der unten angeführten Grenzurkunde des Stifts Wurzen. Es ist richtig, dass die Grenztheorie das Vorkommen von ganzen Steinkreuznestern noch nicht genügend erklärt; auf diese Schwierigkeit hat eben der betreffende Vortrag ausdrücklich hingewiesen, und wird noch vieler mühevoller Kleinarbeit bedürfen, hier zu sichten und zu bestimmen. Gerade in solchen Nestern sucht auch der Verfasser Sühne- und andere Kreuze mit besonderer Bestimmung. Im Übrigen wird es die Zukunft lehren, wie viel Kreuze „durch Urkunden, Akten und Chroniken als Sühnekreuze (deren Vorkommen Verfasser bekanntlich gar nicht bestreitet) unumstößlich erwiesen“ sind. Der Verfasser musste mit dem ihm bis jetzt zugängigen Material rechnen und zufrieden sein und zog eben aus diesem bis jetzt ihm bekannten Material seine Schlüsse.
Bei diesem Punkte (Sühnekreuze) setzt ins besondere die gegnerische Veröffentlichung des Herrn Prof. Wilhelm ein (s. o.). Der Aufsatz war mir dem Inhalt und zum größten teil auch im Wortlaute nach bekannt, ehe ich ihn in den Mitt. des V. f. S. V. las. Ich fand ihn in der wissenschaftlichen Beilage zur Chemnitzer Allgem. Ztg. No. 13 1906, wo er eine Erwiderung schon gefunden hat, sowie im Pirnaer Anzeiger 1906, Unterhaltungsbeilage No. 6 f. Zu den von ihm wiedergegebenen Urkunden über das setzen von Sühnekreuzen in Sachsen kann ich noch einige hinzufügen. Das Magazin für Sächs. Gesch. 7. II. XXIII. S. zitiert 2 Protokolle aus den Stadtbüchern von Oschatz vom Jahre 1483 und 1485, die je ein Kreuz wegen Totschlags zu setzen anordnen. Herr Lehrer Herschel-Radeberg bringt eine solche bei, Mitt. 1906 Heft 1. Herr Lehrer Lungwitz-Geyer veröffendlicht eine dem Gerichtsbuche von Wiesa entnommene Urkunde von 1506 im Glückauf 1906 S.58 f, nach der ebenfalls ein Totschlag mit Seelenmessen, Wachsopfer, Romfahrt und dem Setzen eines steinernen Kreuzes gesühnt wurde. Wenn erst die Aufmerksamkeit der Forscher sich mehr auf diesen Punkt richtet, mag vielleicht noch manches Kreuz als Sühnekreuz auch in Sachsen sich erweisen. Auffällig bleibt immerhin, dass hier so wenig solcher Zeugnisse sich bisher gefunden haben, auch das die mir bisher bekannten einschlägigen Urkunden für den Sühnecharakter sich auch solche Kreuze beziehen, die nicht zu den von uns nachgewiesenen Grenzzügen gehören, oder anders gewendet, Urkunden noch nicht beigebracht sind.
Herr Professor Wilhelm gibt die Tatsache zu, dass solche Kreuze an Kirchspiel- oder Ortsgrenzen zu stehen kamen; in der Chemnitzer Allg. Ztg. Gibt er ferner zu, „dass besonders die im Forschungsgebiet des Herrn Pf. Helbig befindlichen alten Steinkreuze sich zum größten Teile an Plätzen befinden, über welche die ....Bistumsgrenze ging“.
Trotzdem sind auch diese Steine nach seiner Ansicht Sühnekreuze. Sie kommen gerade an Grenzen zu stehen, weil sie dort eine
reiche Fürbitte der Vorübergehenden für den Erschlagenen veranlassen sollten; oder weil Bischofssitze und Klöster mit ihrer kräftigeren
geistlichen Herrschaft in ihren Gebieten mehr Kreuze setzen ließen als es anderwärts geschah, „fernab von diesen Sitzen geistlicher
Macht.“ Es fragt sich, was Herr Prof. Wilhelm unter der Nähe oder Ferne von Bischofsitzen und Klöstern versteht. Nach gewöhnlicher
Auffassung liegen die meisten Standorte von Kreuzen in Sachsen eben „fernab von solchen“. Man vergleiche den Plauener, den
Pirna-Dippoldiswalder Bezirk besonders. Sie liegen eben, abgesehen von den Kreuznestern in einigen Städten, die zugleich Sitze
kirchlicher Machthaber waren, mit wenigen Ausnahmen an den Grenzen solcher Bezirke, während sich innerhalb der von den Kreuzen
bezeichneten Kreise auffallend wenig Exemplare finden. Das lässt sich bei dem jetzigen Stande des Materials für Sachsen nicht
bestreiten. Wie kommt das? Sollten die Machthaber solcher kräftiger geistlicher Patronanzen alle das Bestreben gehabt haben, die
Sühnezeichen gerade an die Grenzen ihrer Bezirke zu rücken? Sollten die vielen Kreuze in Gegenden, die zur zeit ihrer Aufstellung
meist nur schwach bevölkert und unwegsam sein konnten, wirklich Gelegenheit den Verstorbenen zu erlangen“? Denn das solche
Kreuze häufig in menschenleeren Gegenden zu finden waren, bezeugt ein Brief des P. Ursmarus an Ignatius von Loyola über eine
gefahrvolle Reise nach Prag, datiert Prag d. 21,V.1556, in Monum. Hist. Soc. Jesu litt. Quadrim. Tom. IV. 325f. Madrid 1897. In ihm
erzählt dieser Reisende, dass er
„in silvosis viis, quae olim Hercynia silva dicebantur, lapideas passim humiles cruces,
quibus conjuncta erant iisdem lapidibus enses, asciae, secures, pugiones insculpta..."
"auf den Wegen durch Wälder, die einst der Hercyniawald genannt wurden, überall niedrige
Steinkreuze mit eingehauenen Schwertern, Äxten, Beilen Dolchen gesehen hab...“
Schließlich vermisst Herr Prof. Wilhelm eine gewisse Gleichheit in Gestalt und eingegrabene Zeichen, die er für die Grenzsteine
gleichen Gebiets für nötig hält, während er trotzdem den Kreuzen in Sachsen wie in anderen Ländern einen gemeinsamen
Allgemeincharakter zuschreibt und sie deshalb alle als Sühnekreuze anspricht.
Gewiss gibt es einen Allgemeincharakter auch für Sühne- und Grenz- und andere Kreuze. Es gibt auch Grabkreuze, die einen
ähnlichen Charakter tragen; eine ganze Sammlung davon weist der Kirchhof Merkstein bei Aachen auf. Kreuz ist eben Kreuz, und ein
christliches Volk verwendet die Kreuzform für alles mögliche. Aber ein Blick auf die Menge Abbildungen von böhmischen und anderen
Kreuzen, die Herr Prof. Wilhelm die Güte hatte, mir zuzusenden, überzeugt von dem großen Unterschied der ihm als Sühnekreuz
nachgewiesenen und angenommenen böhmischen Kreuze von der Hauptmasse der sächsischen Steinkreuze. Dort eine bunte
Mannigfaltigkeit in Form, Größe und besonders in den eingehauenen Zeichen, oft bizarrer Art. Auch in Sachsen finden sich
solche Kreuze seltsamer Art, z.B. das wunderliche Exemplar unterhalb des Domes zu Meissen, das offenbar kein Grenzkreuz ist, u.a.
Aber im Grossen und ganzen herrscht hier eine auffällige Gleichmäßigkeit, die noch dazu in besonderen Gruppen zutage tritt. Eine
andere, aber in der Hauptsache gleichmäßige Form zeigen die Kreuze im Osten Sachsens, eine andere ebenso im Westen, in der
Hauptsache mit rechtwinkligen Schenkeln. Abweichungen sind in einzelnen Punkten nicht ausgeschlossen. Sie deuten jedenfalls auf
abweichende Bestimmung der in Form und Material abweichende Exemplare (Sühnekreuze u.a.).
Denn auch das Material ist gruppenweise das nämliche und zwar durchaus nicht immer durch die in der betr. Gegend
vorherrschende Gesteinsart bedingt; es ist für die einzelne Gruppe z.T. aus größerer Entfernung herbeigeschafft. Das lässt doch
wohl mit großer Wahrscheinlichkeit eine gemeinsame Aufstellungszeit, einen gleichen Zweck und eine Zentralstelle, von der aus die
Aufstellung geleitet wurde, vermuten. Auch hier zeigen Abweichungen besondere Bestimmungen an. Einen interessanten Beleg hierzu
gibt Herr Lehrer Herschel-Radeberg in der Mitt. d.V. für Sächs. Volkskunde 1906 S.10 für die weitere Umgebung für Radeberg.
Selbst die eingehauenen Zeichen kehren bei aller Verschiedenheit immer wieder auf und stellen auch hier die von Herrn Prof.
Wilhelm vermisste Gleichheit in gewissen Sinne her. Das es nicht gerade Wappen, Buchstaben sein müssen, leuchtet wohl ein; man
wird heutige Gepflogenheiten kaum ohne weiteres in das Mittelalter zurücksetzen dürfen, wenn man geschichtlich verfahren will.
Das klingt im Munde eines Laien ziemlich anmaßend. Glücklicherweise fielen mir, nachdem vorstehende Worte schon
niedergeschrieben waren, 2 Abhandlungen eines Autors in die Hände, der in der Richtung unserer Untersuchungen als hervorragende
Autorität gilt: „Die Wappen des Bistums Naumburg“ und „Zur Wappenkunde“ von Lepsius, Kl. Schriften, Bd. I, S. 51 ff. und Bd. III, S.
161. In der ersteren weist der Verfasser nach, was in meinem Vortrag als Vermutung ausgesprochen war, das Schlüssel und Schwert
gekreuzt das Wappen des Naumburger Bistums bildeten. Er sagte a.a.O.: „An Wappen überhaupt ist in so früher Zeit (10. Jahrh.)
nicht zu denken. Bis in das 13. Jahrh. Waren die Verzierungen der Schilder, wovon die Wappen im eigentlichen Sinne abzuleiten
sind, noch sehr willkürlich .... Die Geistlichen gingen hierin den Weltlichen nicht voraus; im Gegenteil ist zu vermuten, das die Turniere
zur Einführung der Geschlechtswappen Veranlassung gaben. In den bischöflichen Siegeln führten die Bischöfe früher und bis gegen
das 15. Jahrhundert – sich selbst.“ „Nirgends finden wir an Gebäuden des frühen Mittelalters und anderen Denkmälern eine Spur von
Wappen – –.“
So gibt uns das Nichtvorkommen oder Vorhandensein von Wappen u. ähnl. auf Steinkreuzen, die wir als Grenzzeichen ansehen
einen beachtenswerten Fingerzeig übe die Zeit ihrer Aufstellung und bestätigt unsere Annahme auch nach dieser Richtung. Darauf
wolle man achten, wenn man weiter unten eine Urkunde mitgeteilt wird, die ein Grenzkreuz mit Wappen einwandfrei bezeugt.
Man achte auch darauf, dass die verschiedenen Zeichen mit wenig Ausnahmen solche sind, die von Alters her als
Grenzmarkzeichen gegolten haben: Beil, Schwert (häufig in gekreuzter Form), Hufeisen als altgermanische Grenzzeichen (vgl.
Mitt. d. V. für Sächs. Volksk. 1900, Heft 1), das Kreuz u. a. Wer die Anpassungsfähigkeit der katholischen Kirche besonders des
Mittelalters kennt, wird sich an der Verwendung so wenig geistlicher Zeichen für kirchliches Gebiet nicht stoßen. Kurzum, zwar nicht
Uniformität, wie sie das formenfreudige Mittelalter überhaupt nicht kennt, wohl aber zweckendsprechende Gleichartigkeit der Kreuze
unterstützt die Ansicht von ihrer Bedeutung als Grenzzeichen ganz wesentlich. Weisen doch auch die Grenzzeichen unserer Tage auf
den Grund eines und desselben Besitzers oft genug große Verschiedenheit im Einzelnen auf, je nach der oft gar nicht weit
auseinanderliegenden Zeit der Aufstellung oder aus anderen zufälligen Gründen.
Natürlich ist das sicherste Mittel, Charakter und Entstehungszeit eines Steinkreuzes festzustellen, die Urkunde. Aber anderseits:
das argumentum esilentio, d.h. die aus dem Schweigen (auch der Urkunden) über eine Sache hergeleitete Begründung ist bekanntlich
für wissenschaftliche Untersuchungen immer eine missliche Sache, denn das Schweigen kann immer noch gebrochen werden. Bis
dahin muss man sich eben mit „Indizienbeweisen“ begnügen.
Keine üble Probe auf die Richtigkeit der Grenztheorie wäre es, wenn ich sagen könnte: hier läuft die Grenze, hier muss an
hervorragendem Punkt derselben ein Kreuz stehen – und es fände sich wirklich an der bezeichneten Stelle ein solches. Das ist durch
No. 18 im Eingang geschehen. Von dem Grenzwinkel in der Gegend von Geising sagt mein Vortrag: Das gerade an diesem Punkte
Grenzzeichen fehlen sollten (mir war zurzeit des Druckes dort keins bekannt), ist bei der sonstigen Häufigkeit nicht wohl anzunehmen.
Ich hatte die Erklärung dafür in den kirchengeschichtlichen Verhältnissen jener Gegend gesucht. Jetzt schreibt mir Herr P.
Fraustadt-Geising, dass „hinter dem obersten Hause von Altgeising – vor den Augen der Vorübergehenden verdeckt, in unmittelbarer
Nähe der Strasse nach Altenberg – in dem Teile von Altgeising, der vermutlich zuerst besiedelt worden ist, ein altes Steinkreuz steht,
in welches ein Dolch oder Schwert eingemeißelt ist. Sollte es das äusserste Grenzkreuz der sedes Dippoldiswalde sein?“ Ich glaube
bestimmt: Ja. Ein noch drastischere Probe wird eine unten angeführte Urkunde über Grenzstreitigkeiten zwischen dem Meissner
Bischof Wittich und dem Markgrafen Heinrich d. Erlauchten bringen. Hier sei nur noch hinzugefügt, dass das Wittichkreuz bei
Cunnersdorf durch seinen überlieferten Namen den Anlass seiner Entstehung in unserem Sinne schließen lässt.
Bei denjenigen Kreuzen der heutigen Zusammenstellung, deren Bearbeitung meine knappen Mußestunden bis jetzt gestattet
haben, liegt die Sache ähnlich. Die Nummern 4, 5, 39 (Borna, Frohburg, Jahnshain) bestätigen den im Vortrage angenommenen
Grenzverlauf zwischen Naumburg-Zeitz und Merseburg. Nr. 22 – 25 (Mühlau, Chursdorf) stehen genau auf der Südgrenze des
Archidiakonats Zschillen und finden im Ebersdorfer Kreuz (Nr. 34 des Vortrags) ihren östlichen und nördlichen Abschluss. Doch habe
ich die urkundlichen Belege für diesen letzteren Verlauf noch nicht genau nachprüfen können. Nr. 2 (Lampertswalde) und Nr. 40
(Paussnitz) der heutigen Arbeit stehen auf der Nordgrenze der sedes Oschatz gegen die sedes Mühlberg und Torgau und finden in
den weiter unten zu besprechenden Nr. 1 und 3 die Fortsetzung der Oschatzer Grenzen gegen die Propstei Wurzen. Man wird mir
nach alledem nicht verargen, wenn ich an die Bearbeitung der übrigen mit der Erwartung herangehe, in ihnen gleichfalls eine
Bestätigung der Grenztheorie zu finden.
Ob auch Urkunden noch einen sicheren Unterbau geben werden? Ob man in dieser Frage überhaupt viel mit Urkunden zu
rechnen haben wird? Auch in wilden Zeiten ist ein Mord, ein Totschlag noch ein außergewöhnliches Ereignis. Kein Wunder, dass
seine Sühne urkundlich festgelegt wird.
Grenzfeststellungen sind jederzeit etwas gewöhnliches, und vollends der Gebrauch, die Grenze durch Steine und Zeichen zu
markieren, ist uralt und allgemein verbreitet. Ich habe in ortsgeschichtlicher Arbeit da und dort viele Urkunden über Grenzfeststellungen
gelesen, aber sehr selten Angaben über setzen von Grenzzeichen und ihre Lage gefunden. Berge, Flüsse u. a. unveränderliche
Landmarken werden dazu benützt, die Grenzzeichen selbstverständlich erst nach Feststellung der Grenzflucht und ihrer Beurkundung
gesetzt. Es liegt somit kein besonderer Anlass vor, in den Grenzurkunden selbst der Kreuze zu gedenken. Vielleicht sind sie z.T. auch
später erst als Ersatz der alten Mal- und Laachbäume gesetzt worden. Wohl aber könnten spätere Urkunden über Grenzberichtigungen
etc. auf solche Kreuze zurückverweisen. Das ist in der Tat der Fall.
Aus dem reichen Material des Herrn Lehrer Schmidtkonz-Würzburg hebe ich einige heraus. „Bei Zell a.M. an der Zellersteig
befindet sich rechts am Wege, wenn man von Zell nach Hettstedt geht, ein Steinkreuz. Auf beiden Seiten ist ein Wappen dargestellt:
nach Zell zu würzburgisch (die Rechte des Stifts und die fränkischen Fähnlein), auf der entgegengesetzten Seite ein Adler“. Diese
Wappen erweisen das Kreuz offenbar als Grenzzeichen aus der Zeit nach dem 14. Jahrh. (s. o.!). „In Kutzenhausen b. Augsburg
steht ein Feldstein in Kreuzform, uralt; man sagt, es sei ein Grenzstein des früheren bischöflichen Gebietes“ (vergl. Hierzu No. 60 und
86 meines Sonderdruckes!).
Die Augsburgische Abendzeitung vom 7.I.1898 berichtet von einer Pergamenturkunde vom "Mittwoch nach Lucia n. Christi uns.
I. Hern und Seligmachers geburth fünfzehnhundert und neunundviertzigste jahr“, worin
Aber hat Sachsen ähnliche Urkunden aufzuweisen? Zunächst verweise ich, ohne hierzu Urkunden beifügen zu können, auf
K. Alberti, Bedeutung der Kreuzsteine, Asch 1897. Dort heißt es S. 33:
Zu den Urkunden über vorhandene Grenzkreuze rechne ich den oben erwähnten Rezess zwischen Bischof Witigo I. von Meissen
und den Marktgrafen Heinrich den Erlauchten, Brieff von der Grennitz im Ampt Wurzen vom 10. Novbr. 1284 (Urk. Nr. 263 im
Urkundenbuch d. Hochst. Meissen Bd. I S. 205), in dem Grenzirrungen zwischen Markgrafentum und Wurzner Stiftsherrschaft
geschlichtet werden. Ich führe die Hauptstellen der lateinischen Urkunden in deutscher Übersetzung an und gebe die Namen,
soweit sie sich heute bestimmen lassen, in heutiger Schreibweise wieder.
Der Urkunde führt die Grenze des Stifts Wurzen von Thallwitz und der jetzigen Wüsten Mark Schönendorf Zeduytz (in der
Siedewitzmühle a.d. Lossa noch erhalten), Collmen, Treben, wüste Mark Heinrichsdorf und Thammenhain zu den Druse genannten
Hügeln, wohl der Schildauer Berg; von da nach Lamprechtswalde, Börtewitz und zu den Bergen, die Hoyghe genannt werden.
Vielleicht ist die jetzige wüste Mark Krumm-Lampertswalde mit dem Stolpenberg gemeint. Bis dahin dürfte der Grenzzug mit der
heutigen Landesgrenze zusammenfallen. Nun heißt es: „(Von Börtewitz-Boertunitz) zu den kleinen Bergen, die Hoyghe genannt
werden, und zu den Rain- oder Grenzsteinen die zwischen dem Dorfe Rodegast (heute Radegast) und dem Dorfe, das Miltuytz
genannt wird (heute Meltewitz) gesetzt sind“ Meltewitz hängt mit der Filialkirchdorfe Knatewitz, in das es gehört, eng zusammen; die
Kirche steht an der Grenze der beiden Dörfer; östlich davon liegt Radegast. Hier in der Gottesackermauer von
Knatewitz ist ein
Kreuz aus grauem Sandstein 1,78 m hoch, mit den Armen 0,65 m breit ohne Zeichen, eingemauert. Es trägt den seltsamen Namen
„Kirchenhammel“ und stand, wie ältere Kirchenvorsteher bezeugen, früher außerhalb der Kirchhofsmauer auf einer Hügelböschung
und zwar auf der Ostseite, die nach dem markgräflichen Gebiete hinschaut. Ich nehme nach der ganzen Lage, die sich mit den
angaben der Urkunden deckt, dieses Kreuz als einen der lapides limitares seu finales, der Rain- oder Grenzsteine in Anspruch, die,
die Urkunde als hier gesetzt anführt. Wo die Übrigen stehen oder geblieben sind, mag ich zur Zeit nicht zu sagen. Vielleicht fällt von
dieser Aufführung einer Mehrzahl von Steinen ein Licht auf die vielfach vorkommende Häufung von Steinkreuzen an einem Ort. –
Die Grenze führt weiter über Wiperneswalde, jetzt wüste Mark und am Bache der durch Sachsendorf fließt entlang "zur Kirche
Borchardeshayn“ (Burkartshain). Bei dieser Kirche stand nachweislich früher das Steinkreuz, das jetzt zwischen
Burkartshain und Sachsendorf als Wegweiser dient. (Hier ist unwiederbringlich
bewiesen, dass einmal ein uraltes Steinkreuz aus öden Nützlichkeitsgründen an eine "Wegscheidung“ in allerjüngster Zeit [1850]
versetzt worden ist.) auch dieses Kreuz muss nach Lage der Sache mit größter Wahrscheinlichkeit als Grenzstein angesehen
werden. – Der weitere Grenzverlauf geht über den "Hübel“ westlich von Burkartshain den dort entspringenden Bach, „der Cremeze
genannt wird“ (nicht der bei Wurzen mündende Mühlbach, wie die Anmerkung im Urkundenbuch besagt!), entlang an und dann über
die Mulde durch das Trebsener Holz. In diesem Walde wird ein Stein aufgeführt, "der Durkelstein genannt wird“: "von diesem Stein
oder Zeichen bis an die Flurgrenzen des Dorfes, das Lulinitz (jetzt Leulitz) genannt wird“. Auch dieser Durkelstein ist offenbar als
Grenzzeichen angesehen, wie die Benennung signum d. h. Zeichen sagt. Ob er noch vorhanden ist, weiß ich nicht. – Und nun verläuft
die Abgrenzung über Schyzitz, Machern minor, Reheborn, Püchau etc. wieder an die Mulde und kehrt muldenabwärts in den Anfang
zurück. Hat man unter Machern minor, was doch wohl sicher ist, die wüste Mark Wenig-Machern zu suchen, so gehört in diesen
Grenzzug auch das im Dorfe Deuben stehende Kreuz (No. 46 des Vortrags).
Man wird mir unbefangener Weise kaum den Vorwurf unbesonnenen Arbeitens mit schwachfüßigen Hypothesen machen können, wenn ich in den vorstehendem neue Stützen für die Grenztheorie der Steinkreuze in Sachsen sehe, für die ich zahlreiche Zustimmungsmitteilungen auch von außerhalb Sachsens erhalten habe. Jedenfalls sind wir noch lange nicht soweit, dass mit der „schon zweimal aufgetauchten, einmal abgetanen, neustens wieder in Schwung gebrachten Deutung“ (Wilhelm) aufgeräumt wäre.
Ich habe mich absichtlich auf Sachsen beschränkt, obgleich mein Material weit darüber hinausreicht und ich über das mit merklichem Nachdruck im Aufsatz des Herrn Prof. Wilhelm hervorgehobene Verbreitungsgebiet hinaus z. B. noch Abbildungen von nordischen Steinkreuzen bis hinauf zur nördlichsten Bucht der nördlichsten Shetlandinsel kenne. Aber ich halte es für besser und fruchtbarer, wenn kleinere Gebiete von möglichst viel Forschern möglichst intensiv bearbeitet werden, als wenn man an einer Stelle aus die Untersuchungen auf zu umfängliche Kreise ausdehnen wollten. Der Zusammenschluss der Einzelforschungen zu größeren Ergebnisreihen erfolgt und auch noch, wenn nur die Einzelnen zur Vermeidung überflüssiger Wiederholungen untereinander Anschluss suchen.
Nachschrift. Zwischen Niederschrift und Druck vorstehenden Aufsatzes haben sich das Material wesentlich vermehrt und die Gründe für die Grenztheorie abermals verstärkt. Doch kann die Veröffentlichung erst später erfolgen.
(bearbeitet von Uwe Stößel, Saalfeld)
Zu den verschiedenen Meinungsäußerungen über den Zweck der alten Steinkreuze,
die gleichfalls in der Literatur niedergelegt sind, habe ich bei ihrer Besprechung im Ersten Abschnitt bereits flüchtig Stellung genommen.
Etwas näher möchte ich im Rahmen dieses sächsischen Forschungsberichtes lediglich an die mehrfach gestreifte
Grenzzeichentheorie erinnern, die von Pfarrer Helbig um 1905 für den damals bekannten Steinkreuzbestand im sächsischen
Staatsbereich aufgestellt wurde und trotz allseitigen Widerspruchs der deutschen Sachkenner 1)
durch keine weiteren Belege von Seiten des noch lebenden Verfassers verteidigt worden ist.
1) gegen Helbig sprechen sich aus:
Bezeichnenderweise hat sein Beispiel bei der fortschreitenden Ausbreitung der heimatkundlichen Steinkreuzforschung bisher
nirgends Nachahmung in anderen Gegenden gefunden, obwohl im Westen, bei manchem Steinkreuz an den Grenzen der Bistümer
Mainz und Würzburg, vielleicht hier und da ein Anhalt dazu vorhanden gewesen wäre. Der Verfasser ist bis heute jede Antwort in der
Fachpresse auf die vielen sachlichen Einwendungen schuldig geblieben und hat obendrein die Ergänzung unterlassen, die sich bei
ernsthafter Sachbehandlung aus der Verdoppelung der sächsischen Steinkreuzfunde für ihn wohl von selbst verstanden hätte. Statt
dessen kam mir einmal eine provinzielle Tageszeitung seines Wohnbereichs von 1912 in die Hand, in der er unter persönlichen
Seitenhieben seinen unentwegten Standpunkt ohne wesentliche Begründung bekannt gibt. Bei solcher Taktik halte ich meinerseits die
ernsthafte Mühe, die bisher schon auf die Widerlegung dieser alleinstehenden Ansicht verwendet worden ist, zunächst für genügend
und möchte hier nur ein neueres Ergebnis meiner Forschung feststellen, das keinem der übrigen Kritiker zugänglich war. Neben
persönlichen Ortsbesichtigungen und Umfragen bei der ländlichen Bewohnerschaft habe ich vor 1913 an mehr als 200 Pfarrer oder
Lehrer gedruckte Fragebogen ausgesandt und darin ausdrücklich auch nach volkstümlichen Bezeichnungen des alten Steinkreuzes im
Dorfe gefragt. Nirgends ist mir eine Bezeichnung wie Grenzkreuz, Weichbild usw. mitgeteilt worden. Auch die neueren umfangreichen
Erörterungen der Flurnamenforschung beim Dresdner Staatsarchiv, das etwa 600 000 Flurnamen aus dem ganzen Land verzeichnet
hat, zeigen das gleiche negative Ergebnis. Wäre wirklich, wie Helbig behauptet, die Mehrzahl seines Kreuzbestandes – bis auf die
wenigen Stücke, mit denen er nichts anzufangen wusste – als Grenzzeichen gesetzt worden, so hätte sich sicherlich an einer der 150
Stellen eine Spur der Erinnerung im Namen der Steinkreuze, bei der Flurbezeichnung oder in der Volkserzählung erhalten.
Neben diesen tatsächlichen Feststellungen möchte ich den Schöpfer der sächsischen Grenztheorie – ähnlich wie schon im
Jahre 1914 – wiederum auf meine beigefügte und neuerdings stark vermehrte Karte hinweisen, bei der sich selbst die gewagtesten
Zeichenkunststücke für jene angeblichen kirchlichen Hoheitsgrenzen von selbst verbieten dürften.
Schließlich bitte ich auch meine photographischen Bilder zu betrachten, bei denen sich die Frage aufdrängt, wie Helbig die
Verschiedenheit der Größen und Formen und vor allen Dingen die Hieb- oder Stichwaffen, Armbrüste, Beile, Dreschflegel und
Knüppel als kirchliche Abzeichen zu erläutern gedenkt.
Meiner Ansicht nach haben die alten Steinkreuze also mit der Bezeichnung von Grenzen kirchlicher Art in Sachsen nicht das
geringste zu tun, für weltliche Bezirke dagegen beschränkt sich ihre Benutzung auf die besonders erwähnten Ausnahmefälle.
Wenn wir den Kreuzen trotzdem in allen Landesteilen gelegentlich auf dörflichen oder städtischen Flurgrenzen begegnen und
sie sogar an den besonders wichtigen Stellen finden, wo alte Wege das Weichbild verlassen, so ist dies Vorkommen sicherlich auf
andere Zusammenhänge zurückzuführen und erfordert eine sachgemäße Erörterung.
In glaubhafter Weise spricht sich Meiche 2) auf Grund mehrerer
Quellenangaben dazu aus, indem er auf die Umstände und Gebräuche bei der Aufhebung eines Erschlagenen Bezug nimmt.
Benachbarte Gemeinden suchten sich die Unannehmlichkeiten und Kosten, die auch früher bereits mit einem Kriminalfall verbunden
waren, einfach dadurch abzuwälzen, dass sie den Leichnam, der auf ihrer Flur gefunden wurde, irgendwo heimlich über die Grenze
schleppten und damit den Nachbarn die Sorge aufluden. Folgt man dann noch der weiteren Ansicht Meiches, der die mittelalterliche
Steinkreuzsitte mit altgermanischen Bräuchen des Seelenglaubens und Totenkults in Verbindung bringt, so hätte man in solchen
Kreuzen einen Ruhestein zu erblicken, der am Fundort der Leiche gesetzt wurde, um der irrenden Seele ein Asyl zu schaffen.
Wenn sich durch diese Erwägung das Vorkommen der Steinkreuze auf Grenzzügen erklären lässt, müssen wir uns ferner im
Hinblick auf eine andere Gattung von Standorten die Frage vorlegen, wie mancher solcher Stein auf seinen verborgenen Platz, weit
von Wegen und Siedlungen, gekommen ist und welche Aufgaben er dort erfüllen sollte. Auch diese Antwort erscheint verhältnismäßig
einfach, sobald man die alten Steinkreuze im Hinblick auf die überwiegende Anzahl zeitgenössischer Urkunden vom 13. Jahrhundert
ab vorwiegend als Sühnezeichen für begangenen Totschlag anspricht und in dem verkehrsfernen Aufstellungspunkt den Ort des
blutigen Geschehens erblickt. Diese Annahme findet, wie später noch näher nachzuweisen sein wird, in Hunderten von
Sühneverträgen ihre Bestätigung und widerspricht auch dem Wortlaut derjenigen Totschlagsühnen, die sich über den Standort
ausschweigen oder ihn dem Belieben des Verpflichteten überlassen, nach keine Richtung. Sie verträgt sich obendrein auch mit
der ebenerwähnten Ansicht Meiches und kommt äußerlich in gleichen Formen zum Ausdruck.
Weniger leicht dagegen läßt sich die Art ihres örtlichen Vorkommens mit anderen Deutungen der Steinkreuzsitte verknüpfen,
denn beispielsweise wird man ein Gedächtnismal nicht gerade in der Einsamkeit oder ein Grenzzeichen inmitten des abzutrennenden
Machtbereichs zu suchen haben.
Mogk, Mitteilungen des Vereins für sächsische Volkskunde, Oktober 1915, S.79 ff.
Walter, Heimatblätter vom Bodensee zum Main, 1923.
Beck, Schlesien, S.588.
Nägele, Württemberg. Jahrbücher für Statistik und Landeskunde 1913, 2.Heft, S.400.
Pfau, Erzgebirgszeitung XXVIII, Teplitz 1907, Heft 4 ff.
Naumann, Steinkreuze von Bautzen und Umgebung, S.9.
Frank, Deutsche Gaue, Heft 171/72, S. 186.
Eckhardt, Über Berg und Thal, 31. Jahrgang, Heft 12, S.357.
Meiche, Jahresbericht 1910 des Vereins für sächsische Volkskunde, S.10.
Wilhelm, Zeitschrift für österreichische Volkskunde 1899, S.103, 106
Grimm, Rechtsaltertümer II, S. 544 ff.
2) Neues Archiv für Sächsische Geschichte, B XL, Heft 1 und 2, S. 193.