Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Totschlag
von Helmut Schuhmann

Schon die ältesten germanischen Quellen unterscheiden zwischen Totschlag und Mord, wenn auch das Wort Mord ursprünglich nichts anderes bedeutet als Tod, Tötung. Das Mittelalter gebraucht die allgemeinen Ausdrücke wie homoicidium, manslacht, Totschlag für jede Tötung, auch für die absichtslose Tötung, oder die Tötung in Notwehr. Der mittelalterliche Sprachgebrauch unterscheidet jedoch zwischen Totschlag und Mord nicht scharf, obwohl die beiden Verbrechen fast überall verschieden behandelt werden. Seit dem 12. Jahrhundert gilt nach Reichsrecht der Totschlag grundsätzlich als todeswürdiges Verbrechen. Früher wird dieses Delikt regelmäßig durch Wergeldzahlung gesühnt und die Acht griff nur bei Ungehorsam des Täters Platz. Seit dem 12. Jahrhundert ist aber die Anwendung des Wergeldes, soweit es sich überhaupt erhalten hat, auf Tötung von ungefähr oder in Notwehr beschränkt, während der absichtliche Totschlag peinlich gestraft wird. Seit diesem Zeitpunkt ist die gewöhnliche Strafe die Enthauptung. Vereinzelt begegnet auch der Galgen. Gegen Ende des Mittelalters wird an manchen Orten der Totschlag dem Mord gleichgestellt und, wie dieser, mit dem Rad bestraft. Nach Art. XXVIII § 1 des Augsburger Stadtbuches wird der Totschläger mit "blutiger hant", also mit dem Schwert gerichtet. Wurde im Falle eines Totschlages Notwehr geltend gemacht, so mußte der, der sich darauf stützte, sich und das Schwert dem Vogte stellen und "antwurten in des rihters gewalt uf reht". Die Notwehr mußte "mit sinen zwain vingern beredt", also beeidet werden. In einem solchen Falle war der Beklagte dem Vogt und den Klägern keine Buße schuldig. In Landsberg war der Täter mit Leib und Gut der Gewalt des Landesherrn verfallen. Kam der Totschläger mit dem Leben davon, dann wurde er für zehn Jahre aus der Stadt verbannt und durfte nur mit Erlaubnis des Rates und unter bestimmten Bedingungen zurückkommen. In der Reichsstadt Memmingen wurde beim Totschlag unterschieden, ob der Getötete ein Bürger oder ein Gast war. Entleibte ein Bürger einen anderen in der Stadt und ergriff man den Täter bei oder nach der Tat, so wurde er, wenn nicht Notwehr oder Unschuld vorlag, mit dem Schwert gerichtet. Hatte der Täter sich jedoch in einer Freistatt oder sonstwo in Sicherheit gebracht und auf die Klage seine Schuld vor Gericht durch zwei Ansager offen zugestanden, so hatte er vorerst der Stadt eine Abgabe zu entrichten, ferner die Freundschaft des Getöteten durch Erlegung des Wergeldes zu versöhnen und fünf Jahre das Gebiet zu meiden. Tötete jedoch ein Bürger einen Ausmann außerhalb des Stadtgebietes, so brauchte er sich nur mit der Freundschaft seines Opfers zu vergleichen, sonst hatte er weder Strafe noch Buße zu erleiden.

Im 16. Jahrhundert findet sich die Anwendung des alten Kompositionensystems und des Wergeldes nur in wenigen Ausnahmefällen bei Adeligen und angesehenen Personen. 1539 befreite sich z.B. der Landgraf Johannes v. Leuchtenberg in Nördlingen durch Zahlung einer Buße an die Hinterbliebenen des von ihm Erschlagenen. Nach Nördlinger Stadtrecht - Stadtrecht A Art. 5, Stadtrecht C Art. 68 - betrug bei Totschlag das Strafgeld 20 Gulden, die an die Stadt zu zahlen, also echte Strafe und nicht Wergeld waren. Außerdem war der Totschläger friedlos und ein Jahr aus der Stadt verbannt. War jedoch der Totschlag "ufsätziglich mit vorbedachtem mut" geschehen, so war er als "mortlicher Totschlag" mit Leben und Blut zu büßen (Stadtrecht C Art. 173).

Merkwürdig ist die Tatsache, daß der Totschlag zu einer Zeit, die andere Delikte mit grausamen Strafen sühnte, in der Regel durch Vergleich erledigt werden konnte, daß die Sühne wenigstens bei nicht handhafter Tat so zur Regel werden konnte, daß die Todesstrafe als Ausnahme erscheint, die etwa bei Zahlungsunfähigkeit zur Anwendung kommt. Dabei war der Totschlag, wie aus dem Augsburger Achtbuch zu entnehmen ist, früher ein sehr häufiges Delikt. In den 31 Jahren von 1338 bis 1369 sind hier 169 Totschläge verzeichnet und in den 31 Jahren von 1369 - 1400 sind es 59. Diese Totschläge verteilen sich wie folgt:

1338 - 48
1348 - 58
1358 - 68
im Jahre 1368
1369 - 79
1379 - 89
1389 - 99
1399

40 Totschläge
61        "
57        "
11        "
25        "
18        "
14        "
  2        "
 
 
 
 
(1372 und 1375 fehlen)
(1388 fehlt)
 
 

Wer zu Kaufbeuren einen entleibte, wird gerichtet, wenn nicht eine Einigung mit den Verwandten des Toten zustande kommt. Findet ein Vergleich mit diesen statt, so muß er dennoch fünf Jahre lang die Stadt meiden oder 50 Pfund h dafür zahlen. 1490 mußte ein Täter, der seine Frau so schlug, daß sie tags darauf starb, in Kaufbeuren lediglich Urfehde schwören. Mutwilliger, "freffenlich" Totschlag wurde jedoch mit dem Schwert bestraft, wenn auch im 16. Jahrhundert die milde Behandlung der Totschläger fortdauerte, obwohl die Carolina die Strafe der Enthauptung schlechthin darauf gesetzt hatte. Überhaupt scheint der "Mutwille" das Kriterium für die Annahme eines Totschlages gewesen zu sein. Ein Eintrag im Augsburger Strafbuch von 1554 - 62 soll dies untermauern.

"1560. 23.11. ...Susanna Keppelerin von Augsburg hat ain junges kind bey zway jaren alt, mutwilliger weis aber jr schoß an die erden fallen lassen, vnd es also ligend mit ainem fueß in die prust getreten, davon es todts verschieden vnd wiewol sie damit das leben verwurkt vnd ain ernstlich straffe verdient, so hat doch ain Ersamer Rate irer jugent vnd ansehnlicher furbitt halb aus gnaden erkannt das sie jnn ewiger gefennkhnus erhalten werden soll."

Ferner finden sich Formulierungen wie "one ainiche gegebene ursach". Nördlinger Quellen treffen nach der Schilderung des Tatbestandes die rechtliche Qualifikation wie folgt: "...und heut dato als ain Todschleger uff Mark mit dem Schwert vor der Barr gerichtet."

Nicht immer griff jedoch eine milde Behandlung der Totschläger Platz. Die Reichsstadt Augsburg bestraft im 16. Jahrhundert den Totschlag grundsätzlich mit dem Schwert. Lediglich um Gnadenstrafe handelt es sich, wenn ewiges Gefängnis oder ewige öffentliche Strafe ausgesprochen wurde. Als Ausnahmefall dürfte es anzusehen sein, wenn ein Missetäter gar nur für sechs Jahre an die ungarische Grenze "condemnirt" wurde. Die Entleibung in Notwehr führte in Augsburg 1581 lediglich zur Verurteilung, während eines Zeitraumes von fünf Jahren in Ungarn gegen die Türken zu kämpfen. Der Ehemann, der seine Frau samt dem Ehebrecher auf frischer Tat ertappte und tötete, wurde lediglich eine Zeitlang aus der Stadt verwiesen und dann gegen Bezahlung von 20 fl vom Rat begnadigt.

Im 17. Jahrhundert finden wir in unserem Untersuchungsgebiet gleichfalls die Schwertsstrafe, die jedoch im Gnadenwege wieder gemildert werden konnte, indem der Verurteilte auf Lebenszeit sich im "Kriegswesen" gebrauchen lassen mußte.

Auch das 18. Jahrhundert setzte in Augsburg auf Totschlag die Schwertstrafe, die bei Soldaten im Gnadenwege in Erschießung umgewandelt wurde.

Im Fürststift Kempten wurde die fahrlässige Tötung eines Knaben mittels einer Schußwaffe lediglich mit vier Wochen öffentlicher Arbeit in den "Springen" bestraft; Augsburg verhängt wegen Körperverletzung mit Todesfolge eine Bastonade, bestehend aus fünfzehn Schlägen.
(Schuhmann, Helmut - Der Scharfrichter, seine Gestalt - seine Funktion, Kempten 1964, S.8-11)

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Was sind Leichsteine? -
Ein Beitrag zur Kreuzsteinforschung

von Baptist Müller, Burgkunstadt

Kreuzstein etwa 600 Meter östlich Wolfsloch an der Kreibitzen (Flurlage) am Wege nach der Trebitzmühle. Aus Flurnamen als Leichstein erschließbar.

Kreuzstein 100 Meter westlich der Mainbrücke bei Burgkunstadt an der Feldfuhre nach Strössendorf; 1593 "alter Leichtstein" genannt.

Einer der 4 Kreuzsteine an der Straße Dörfles - Motschenbach (Landkreis Lichtenfels), die sog. Handwerksburschensteine.

Sog. Sammelstein 1km ndl. Schimmendorf (Landkreis Kulmbach) am Jurasteilabfall; 1568 "Leichstein" genannt.

Es entbehrt nicht eines gewissen Reizes beim Durchblättern "alter Schwarten" gelegentlich auf einen Ausdruck zu stoßen, der uns unverständlich erscheint und irgendwie stutzig macht. Man hält inne, überliest nochmals und hält die "Beute" schließlich auf einem Zettel fest.

Auf der Suche nach Flurnamen stieß ich in der Beschreibung des bischöflich bambergischen Amtes Weismain von 1596 auf folgende Stelle:
"Ein Vischwasser, die waidt, geht vom Burgkunstadter Müllwehr bis an die Prucken hinab zu einem alten Leichtstein an der Pfeil, wo die alte Prucken vor Jahren gestanden ..." Ja, Sie haben richtig gelesen, es heißt: Leichtstein. Der gleiche Stein wird 1604 Leichstein genannt.

So heißt es bei dem Bericht über den Gerichtsbezirk (Fraisch) von Kronach von 1568: ... bis auf die Straße "von Weisenbrunn uff den Leußerain (Rain westl. Kirchleus), die Straßen hinfür biß zu einem Leichstein, darein ein Mannsbildt gehibenn und jetziger Zeit ein hegseulen darbey steht; do sich die Margrevische obrigkeyt Endt und das Amt Niesten oder Weismain beginnt ..."

Es handelt sich hier eindeutig um den sog. Sammelstein oberhalb Schimmendorf. 1673 wird von ihm gesagt, daß er seiner Relation nach ein Leichenstein sein soll.

Im Grundsteuerkataster der Gemeinde Wolfsloch erscheinen die Flurstücke: "Acker unterm Laichstein" PL. Nr. 249, "Acker oberm Laichstein" PL. Nr. 253."

An der Flurgrenze Lettenreuth - Schwürbitz liegt der "Leichensteinacker" (PL Nr. 618).

1551 wird der "Laichhütsacker" (= Acker an der Hut beim Laichstein), Flurlage am Bohnberg bei Thelitz. erwähnt.

An der Grenze der Gemarkungen Ober-, Unterwallenstadt und Lichtenfels stand ehedem auch ein "Leichstein".

Diese Reihe ließe sich bei eingehender Sichtung von Urbarien, Grenzbeschreibungen u.a. bestimmt weiter fortsetzen. Wir halten also fest: drei Schreibungen "Leichstein", zweimal "Leichenstein", dreimal "Laichstein", einmal "Leichtstein".
Von den umseitig erwähnten urkundlichen Leich-, Laich-, Leicht- oder Leichensteinen sind heute noch drei erhalten. Zwei davon sind Kreuzsteine, der andere ist der sog. Sammelstein.
Sind diese Leichsteine nun Steinmale besonderer Art, warum heißen sie Leichsteine oder ahnlich, was sind sie ihrem Wesen nach?
In unserer Volkssprache heißt Leich oder Leicht im allgemeinen Beerdigung. Das "t" in Leicht ist lediglich eine formale Weiterbildung von Leich. Dem Wort Leich "Begräbnis" liegt Leiche althochdeutsch lih, mittelhochdeutsch lieh "toter Körper" zugrunde. Laich im Sinne von Fischlaich darf hier ausgeschieden werden.
Die aufgeführten urkundlichen Nachrichten über Leichsteine gehören schon dem Neuhochdeutschen an. Liegt bei unseren Leichsteinen die Etymologie nordhochdeutsch Leiche mittelhochdeutsch lich althochdeutsch lih zugrunde, so wären diese der Sprache nach Steinmale, die Grabstätten bezeichnen. Auf dem Stein an der Burgkunstadter Mainbrücke ist ein Kreuz eingerillt, auf dem Wolfslocher "Laichstein" ist es erhaben herausgemeilselt. Auch das könnte dafür sprechen, die Kreuzsteine als eine Art Grabsteine anzusehen.
Um jeden Kreuzstein hat der Volksmund eine Sage schaurigen Inhalts gerankt. Immer handelt es sich um eine Blutschuld. Zur Erinnerung an einem Unglücksfall jedoch setzte man eine Marter (Marterl), welche im allgemeinen Darstellungen des Leidens Christi sind.

Steinkreuze, Steine in Form eines Kreuzes gehauen, sind in allen Fällen Sühnekreuze. Sie müssen vor Einführung der Bambergischen Peinlichen Halsgerichtsordnung 1507 gesetzt worden sein; denn später war im Hochstift Bamberg durch Verschärfung des Strafrechts die Sühne für Totschlag in Form einer Steinsetzung kaum mehr möglich.

Aus den Baniberger Zentgerichtsbüchern des 16. Jh. wissen wir, daß man Entleibte vor das Dorf an die Zent- oder Flurgrenze trug und vielfach auch dort begrub. Hierfür einige urkundliche Belege:

1599 hatte Hans Döber von Gärtenroth bei dem "Seelein" zwischen Mainroth und Gärtenroth den Bartel Gautsch mit dem Schrotbeil durch etliche Streiche so verwundet, daß dieser beim Bader in Mainroth verschied. Der Tote wurde zu einem Kreuzstein vor das Dorf getragen "auf die Zent" (= Zentgrenze). wo man die Entleibten des Ortes zu begraben pflegte.

Drei Söhne des Weidener Hirten besuchten zum 23. Juli 1604 den Markt in Burgkunstadt, um Almosen zu sammeln. Am Abend des Markttages schlug Bartel der Ältere seinen Bruder Georg mit dem Stock. Als sie dann heraus zur Mainbrücke gingen, fiel dem älteren Bartel das "Fraischliche" (= sein Vergehen) wieder ein, wie es wörtlich heißt, und er tloh. Der jüngere Bartel führte Georg über die Brücke an einen kleinen Rangen, wo ein Leichstein steht und die Weinberge, Hühnerberg genannt, angehen. Hier verstarb der Geschlagene.

1593 verwehrte Wilhelm von Redwitz zu Tüschnitz dem Vogt von Weismain das Begräbnis eines 14jährigen Mädchens, welches sich in der Badstube zu Küps erhängt hatte, an der Wegscheide zwischen Burkersdorf und Küps. Das Mädchen wurde dann unter dem nächsten Galgen begraben.

Peter Linz aus Weiden auf dem Gebirge hatte sich 1604 m einer Hüll (= Wasserloch) ertränkt. Er wurde an einer Wegscheide begraben.

Wie die angeführten Nachrichten über Gerichtsfälle des 16. Jh. ergeben, wurden Selbstmörder oder im Zusammenhang mit einem Verbrechen Getötete meist an Wegscheiden oder an der Dorfgemarkung begraben. Nun standen an solchen Orten vielfach aus vergangenen Zeiten Zent- oder Kreuzsteine. Es wäre daher die Bezeichnung "Leichstein, Leichenstein" auch der Sache nach ganz natürlich.

Leichsteine als die Punkte anzusehen, bis zu welchen die Gesamteinwohnerschaft dem "ehrlichen" Toten das Geleit gab, während vom Stein ab nur mehr Verwandte und Freunde den Sarg begleiteten, scheint mir schon aus sprachlichen Gründen nicht zutreffend. Leich(e), Leicht im Sinne von Beerdigung ist eine späte Bildung.

Die Etymologie des Wortes "Leieh", aber auch die Gerichtspraxis des 16. Jh. und vor allem die Sage, könnten die Leichsteine als Grabsteine von unglücklichen Menschen wahrscheinlich machen. - Noch eine zweite Deutung darf hier nicht übersehen werden.
Alle bisher angeführten möglichen Erklärungen über Wesen und Aufgabe der Leichsteine sind jüngeren Datums. Auch das Wort "Leichstein" muß im Sprachraum des Ostfränkischen spät entstanden sein; denn die mittelhochdeutschei Stammsilbe "leich" gibt es nicht, wohl aber laech.

Gehen wir von dem althochdeutschen lah, mittelhochdeutsch lach "Grenzmarke in Holz oder Stein", dazu lachus (mlat) "Einhieb in Grenzbaum" aus und erschließen daraus das Adjektiv ahd lahin » mhd laechen » nhd mda le-ichen. Eine Bildung aus: ahd ze demo lahinon steine, mhd ze dem lachenen (laechenen) steine, nhd zu dem Le-ich(en)stein "zu dem mit dem Grenzzeichen versehenen Stein", wäre sprachlich durchaus möglich. Es fällt nämlich auf, daß in den Urkunden zwar Lachbäume oder durch Verdumpfung des langen mhd a zu o Lochbäume erscheinen - jene mannshohen Baumstümpfe, welche seit Jahrhunderten Grenzsäume von Wald und Weideflächen bezeichnen und die heute noch vereinzelt auf unseren Fluren zu finden sind - doch finden sich m.W. in den Urkunden keine Lachsteine, wohl aber Leichsteine im ehemaligen Hochstift Bamberg und der Markgrafschaft Kulmbach, denen im schwäbischen Sprachraum die La-uch-steine und im bayerischen die Loich-, Loachsteine entsprechen.

Der oder die Lach in der Kreuzesform des römischen X ist uralt und kann nach Jakob Grimm, Rechtsaltertümer II S.73 Anmerk., vorchristlich sein. Aut Steinen erscheint die Lach im Hoch- und Spätmittelalter in den verschiedensten Kreuzformen.

Der Brauch aber, Grenzen durch einen Einhieb in Bäume in Kreuzform oder durch Kreuzdarstellungen auf Steinen festzulegen, wird bis ins 18. Jh. hinein geübt. 1492 heißt es: "do ein kreutz in ein Erlenpaumb gehauen und ein Markstein darpey gesetzt". 1673: ... an einen Stein, so ein Markstein und mit einem Kreuz bezeichnet ist ...
Das Kreuz auf den Steinmalen ist in den meisten Fällen die Lach. Danach wären die Kreuzsteine im allgemeinen Lach- bzw. Leichsteine. Alle aufgeführten Leichsteine, soweit sie noch erhalten geblieben sind, stehen an Altstraßen, an Grenzen von Ortsfluren, Gerichtsbezirken oder bezeichnen Geleitgrenzen.

Der weitaus größte Teil der fast mannshohen, rechteckigen Steinplatten ist älter als meist angenommen. Vereinzelt mögen die Steinmale der großen Rodungsperiode des 12.-14. Jh. anzugehören, in der unsere Kulturlandschaft ihr heutiges Gepräge erhielt.

Der Kreuzstein am Südufer des Mains bei Burgkunstadt wird 1593 alter Leichtstein genannt. Er bildet die Grenze der Gemarkung von Burgkunstadt, welche hier mit einem schmalen Brückenkopfstreifen, dem sog. "Ederlein", auf das Südufer des Mains übergreift, und der Gemeinde von Altenkunstadt und Strössendorf. Wahrscheinlich dürfte er noch in die Zeit zurückreichen, als die Burgkunstadter Gemarkung aus der Großmark Altenkunstadt ausgegliedert wurde, was in der ersten Hälfte des 13. Jh. erfolgt sein wird. Damals wurde die alte Furt über den Main vielleicht zum ersten Male oder nach Zerstörung der Brücke neu überbrückt.

Fassen wir die gewonnenen Erkenntnisse über die Leichsteine zusammen. Sie können den Platz bezeichnen, wo man Entleibte dem Zentrichter übergab oder auch verscharrte. Dies scheint im 16. und 17. Jh. vor allem der Fall gewesen zu sein. Die Etymologie der Stammsilbe "le-ich", nicht leich mit offenem ei, aber auch der Standort der Steinmale lassen bei aller gebotenen Zurückhaltung den Schluß zu, daß die Leichsteine die Nachfolger der urkundlich und sprachlich gesicherten Lachbäume sind, von denen wir schon in der Karolingerzeit erfahren und die sogar heute noch vereinzelt in unseren Wäldern zu finden sind. Es darf auch mit großer Wahrscheinlichkeit behauptet werden, daß die meisten unserer Kreuzsteine nichts anderes als Lach- oder Leichsteine sind. Die Standorte der 14 im Landkreis Lichtenfels noch erhalten gebliebenen Kreuzsteine lassen diesen Schluß durchaus zu. Die Bezeichnung "Kreuzstein" erscheint in den Urkunden m.W. selten.

Als Rechtsaltertümer besonderer Art sind die Kreuzsteine und Leichsteine der Erhaltung und unserer Pflege wert. Es sind ehrwürdige, stumme Zeugen vergangener Jahrhunderte. Sie ein wenig zum Sprechen zu bringen, war die Absicht dieser Zeilen.
(aus: Geschichte am Obermain / Colloquium Historicum Wirsbergense, Lichtenfels, Band 2, 1964/65, S.67-72)

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Die sog. Kreuzsteine
Dr. Johann Michael Raich

   Von Italien bis hinauf nach Schweden und Norwegen und zu den Shetlandinseln (nördlich von Schottland), vom badischen Hegau bis hinüber nach Böhmen und Schlesien, 1) trifft man da und dort an Straßen, Wegen und Fußpfaden alte massive Monolithe in Kreuzesform von mäßiger Höhe, die vom Volke mancherorts treffend als "Kreuzsteine" bezeichnet werden. Nicht zum wenigsten begegnet man solchen im Bistum Augsburg.
Die "Deutschen Gaue" (Herausgeber
Kurat Frank in Kaufbeuren) zählen neuestens (Bd. 3 v.J. 1902) zirka 150 Orte in Schwaben auf, woselbst Kreuzsteine erhalten sind. Ich selbst fand im südwestlichen Oberbayern 68 Orte mit Kreuzsteinen. 2)
   Fünfmal hatte ich die erwünschte Gelegenheit, die Raumverhältnisse ausgegrabener Kreuzsteine feststellen zu können. Der eine bei
Etting, unweit Weilheim, hatte 82 cm Höhe, 47 cm Breite, 13 cm Dicke. Der zweite bei Gossenhofen, gleichfalls in der Weilheimer Gegend, war 90 cm hoch, 64 cm breit, 15 cm dick. Der dritte, ebenfalls bei Gossenhofen, ergab 92 cm Höhe, wovon 37 cm in der Erde stacken, 52 cm Breite, 17 cm Dicke. Der vierte und größte bei Raisting, südwestlich vom Ammersee war 173 cm hoch, 74 cm breit, 30 cm dick. Der fünfte bei Sölb (nächst Raisting gelegen) war nur 70 cm hoch, 50 cm breit und 18 cm dick. Bei Eglfing ( nordöstlich vom Staffelsee) sah ich einen Kreuzstein von nur 9 cm Dicke.

Kreuzstein bei Bauerbach

   Die Längen- und Querbalken der mir zu Gesicht gekommenen Kreuzsteine waren immer keilförmig und zwar regelmäßig in der Richtung gegen die Kreuzung verjüngt. Zweimal, bei Bauerbach (westlich von Bernried am Starnbergersee) und bei Reichling (südlich von Landsberg a. Lech) wurden die Querbalken ausnahmsweise gegen die Kreuzung hin stark breiter. Die Seiten der Keile fand ich teils eben, so daß die Längen- und Querbalken mit einander spitze Winkel bilden, teils etwas nach innen geschweift, so daß sie Spitzbogen bilden. Von 14 Kreuzsteinen, in welche deutlich und klar die Jahrzahl 3) kunstvoll eingehauen und erhalten war (die weitaus überwiegende Mehrzahl erwies sich ohne jedes Schriftzeichen), waren 8 (aus den Jahren 1449, 1534, 1633, 1703, 1705, 1776, 1779, 1782) spitzwinkelig, 6 (aus den Jahren 1671, 1704, 1714, 1727, 1764, 1784) spitzbogig. Hiernach erscheint die an die byzantinische Kunst erinnernde winkelige Keilform als die ältere, die an die Gotik mahnende bogige Keilform als die jüngere, wenngleich erstere sich bis in neuerer Zeit zu behaupten wußte.
   Kürzlich sah ich bei
Bettenried westlich von Sonthofen im Allgäu an einer Vicinialstraße einen stark verwitterten Kreuzstein, auf welchem ein Kruzifiixus und daneben Maria und Johannes en haut gemeißelt sind.
   Ein älterer Mann aus dem Volke, unweit Pähl (südwestlich vom Ammersee) nannte mir die Kreuzssteine "Ulrichskreuze", womit er den Gedanken verband, unser Diözesanpatron, St. Ulrich (923–73), habe an solchen Stellen gepredigt. Eine solche Ansicht läßt isch mit den oben angegebenen Jahreszahlen nicht vereinbaren und dürfte auch nicht nachzuweisen sein. 4) Ich wenigstens weiß nur von sogenannten Hochkreuzen, um deren vier Balken sich ein kreisförmiger, aus demselben Monolith herausgearbeiteter Ring zieht, welche seit dem 7. Jahrhundert bei den Kelten und Angelsachsen an Stelle der auf dem Lande noch spärlich errichteten Kirchen als Mittelpunkt der Andacht dienten. 5) vielmehr scheinen mir jene metallenen Erinnerungskreuzchen an die Schlacht auf dem Lechfeld (955), welche den hl. Ulrich hoch zu Roß zeigen und "Ulrichsreuze" genannt werden, 6), Anlaß zu erwähnter Benennung der Kreuzsteine gewesen zu sein. Denn die Grundform der Ulrichskreuzchen ist genau dieselbe, wie diejenige der von mir erforschten Kreuzsteine, und zwar so, daß die spitzwinkelige Keilform gleichfalls als die ältere erscheint. Die Gleichheit der Formen dürfte auch erklären, daß mir jemand einen Kreuzstein in Unterpeißenberg als "Malteserkreuz" bezeichnete.

Kreuzstein bei Dettenhofen (Vorders.)

   Bei Rott, südlich von Landsberg, sah ich auf einem Kreuzstein ein großes Kreuz en haut auf der Mittellinie der Balken ausgehauen. Bei Rottenbuch ist ein Kreuzstein mit tief eingehauenem, quaderförmigen Kreuz in der Mitte. Bei Wessobrunn begegnete ich einem fast quaderförmigen Kreuzstein mit umrißweise eingemeißeltem Kreuze in der Mitte der Balken.
   Mehrere Kreuzsteine zeigten außer der Jahrzahl einige Buchstaben in lateinischer Form, 5–15 cm hoch, en bas in den Stein eingemeißelt. Die Anordnung der Zahl- und Schriftzeichen ist dabei nicht immer die gleiche. Ein Kreuzstein bei Aidenried (am Südwestende des Ammersee's) trägt am Längenbalken oben die Zahl 17, unten die Zahl 79; am linken Querbalken den Buchstaben J, am rechten ein F. Ein Kreuzstein bei Dettenhofen (westlich von Diessen am Ammersee) läßt auf der Vorderseite erkenne: M.. B. (am Längenbalken oben), 16 (am Querbalken links), 71 (am Querbalken rechts, in der Kreuzug) IHS mit Kreuzchen auf dem wagrechten Strich des H, (Monogramm des Namens Jesu. 7) Auf der Rückseite in der Kreuzung): JESU MART MSEP. 8) Ein Kreuzstein bei Dettenschwang (unweit Dettenhofen) zeigt vorn V.S., hinten 1714. Ein Kreuzstein bei Raisting läßt undeutlich die Zahl 1616, darunter aber deutlich die Inschrift "R W E V Den 16 December" erkennen. Bei Utting (am Ammersee) ist auf einem Kreuzstein zu lesen: 1776 M P S + G D G 9).
   Nächst Reichling endlich begegnete ich einem kleinen Kreuzstein (44 cm über der Erde hoch, 37 cm breit, 12 cm dick) mit rechteckiger Vertiefung 
10) in der Kreuzung, worin noch ein schmiedeeiserner Nagel stack. Über der Vertiefung ist eingemeißelt: I O R, links von der Vertiefung: 17, rechts 84.

Die Volkssage meldet, es sei da jemand vom Blitz erschlagen worden. Wirklich meldet die dortige Pfarrmatrikel unter dem Jahre 1784: "Am 7. Juin wurde der ehrengeachtete und allgemein beliebte Herr Josef Ostner, als er um die Mittagszeit etwas außer dem Dorfe spazieren ging, unver sehens vom Blitz getroffen und tot aufgefunden.

   Hiernach wären die Buchstaben zu deuten: J(ofef) O(stner) R(eichling). Auch erscheint es glaubhaft, wenn die Volksüberlieferung zu einem Kreuzsteine südlich von
Königsdorf (bei Wolfratshausen), der die Jahrzahl 1705 und die Buchstaben B. P. trägt, meldet, an jener Stelle sei B(artlmä) P(auli) auf der Rückkehr von der Schndlinger Schlacht seinen Wunden erlegen. Auf dem Kirchhofe zu Traubing (zwischen Starnberger- und Ammersee) finden sich auf den Steinsockeln eiserner Grabkreuze heute noch ähnliche Abkürzungen eingemeißelt, z.B. "B. K. 1876", während auf einem ovalen Täfelchen in der Kreuzung ausführlich, aber nicht so dauerhaft geschrieben ist: "Bernhard Klostermair 1876." In dere erwähnten Vertiefung, die ich öfters in der Mitte der Kreuzsteine bemerkte, war offenbar ein Täfelchen aus Eisen oder Holz eingelassen und festgenagelt, welches genauer berichtete, was auf Tuff nur angedeutet war. Im Salzburgischen steht übrigens an der Straße von Elsbethen nach Kuhl nächst dem Schlosse Urstein ein fast quaderförmiger Kreuzstein von rotem Marmor, worauf ohne Kürzung eingemeißelt ist:

Kreuzstein bei Utting: 1776.


"Hier ist erschossen wordn Michael Lambacher umb Unschuld 11) Anno dom MCCCCXLIII dem got genad."

   Darunter ist ein Wappenschild. 
12) Weiters ist auf einem Kreuzstein bei Oberotterbach in Niederbayern gut zu lesen: "Hier ist N.N. 13) von Schalchsdorf entleibt worden."
   Es liegt nahe, dass auch die Kreuzsteine ohne Buchstaben und ohne Jahrzahl dem frommen Andenken jäh Verstorbener dienten. Der Zweck, die Vorübergehenden zum Gebete für deren Seelenruhe zu erinnern, wurde so erreicht. Die einheimischen Zeitgenossen wußten, um welche Person es sich da handle, für Fernstehende hatte die volle Namensnennung so wenig Bedeutung als die Anfangsbuchstaben derselben.
   In
Raisting fand man unter einem Kreuzsteine ein langes Messer vergraben. Daß hier der Zufall keine Rolle spielte, ist aus zwei ähnlichen Funden bei Ravensburg 14) ersichtlich. Es scheint sich in diesen Fällen um Mordwaffen zu handeln.
   Unter dem Datum "Prag, 21. Mai 1556" berichtet P. Ursmarus Goissonius brieflich an den hl. Ignatius von Loyola über die gefahrvolle Reise von Wien nach Prag und kommt dabei auf "kleine steinerne Kreuze miit eingemeißelten Schwertern, Äxten, Beilen und Dolchen" zu sprechen, die er da und dort am Wege bemerkte und als Erinnerungszeichen an räuberische Überfälle mit tötlichem Ausgang ansah. Die betreffende Stelle findet sich in dem großen Sammelwerke "Monumenta historica Societatis Jesu, litterae quadrimestres, tom. IV. 325 Madrid 1897 und lautet: "quod (scil. latrones ibi latitare) verum fuisse facile advertimus, cum in huiusmodi sylvosis viis, quae olim Hersinia sylva dicebantur, lapideae passim humiles cruces, quibus con juncta erant iisdem lapidibus ensens, asciae, secures, pugiones, insclupta conspiceremus."
   Nächst
Rettenbach bei Günzburg a.d. Donau steht an der Straße ein Kreuzstein. In der Kreuzung der Balken ist eine noch sehr leicht erkennbare Pflugschar und, allerdings stark verwittert, der Kolter (das senkrecht stehende Pflugmesser) eingemeißelt. Soll hiermit in einfacher aber allgemein verständlicher Sprache gesagt sein, daß jemand durch genannte Instrumente ums Leben kam? Oder sind Pflugschar, Winzermesser (öfters auf fränkischen Kreuzsteinen) u. dgl. als alte bäuerliche Hausmarken anzusehen? 15) Erwähnt sei bei dieser Gelegenheit, daß an den Kreuzstein mit der Jahrzahl 1449 bei Unterhausen unweit Weilheim sich die alte Sage knüpft, es sei auf dem angrenzenden Acker ein Bauernbube von seinem eigenen Vater mit einer Ackerräute (Pflugschar) tot geworfen worden. 16)
   Ähnlich ist auf einem großen Kreuz bei
Zittau ein großes Messer eingemeißelt. 17)
   Eine handschriftliche Memminger Chronik enthält die bemerkenswerte Angabe: "1466 nach Veitstag schlug ein Karren Heu Büchlein den Bäcker zu Tod im Freudenthal bei dem Bächlein, so von der Schießstätten hereinläuft. Man machet ihm einen Kreuzstein."
   Es liegt nahe, daß es in der Regel Sache der Familienangehörigen war, einem durch Unfall jäh zu Tod Gekommenen einen Kreuzstein zu errichten.
   Zur Zeit der Totschlagsühne surch gerichtlichen Vergleich jedoch (14.–16. Jahrh.) wurde sehr oft (aber nicht immer cf. Groß 1.c.) dem Täter unter anderm die Auflage gemacht, für sein unglückliches Opfer einen Kreuzstein errichten zu lassen. So berichtet z.B. Benedikt Stadelhofer, Prior des Klosters Münch-Roth in Schwaben, in seiner i.J. 1787 bei Nik. Doll in Augsburg gedruckten Geschichte dieses Stiftes (historia collegii Rothensis) Bd. II S.148, daß i.J. 1484 Sigmund Golter von Habsegg und Jörg Ermann von Zell den Zacharias Wicko von Mittelried erschlugen. Zur Abwendung der Blutrache einigten sich die beteiligten Familien in demselben Jahre zu Memmingen zu folgendem Vergleiche:
   Die Thäter sollen "des erschlagenen und allen Christglaubigen Selen zu Trost Hilf und Fürdrung ewiger Freid und Säligkeit":

1. in der Pfarrei Tannheim, zu welcher der Erschlagene gehörte, einen Dreißigst und 2. in der Pfarrei Roth, zu welcher die Täter gehörten, an 3 aufeinanderfolgenden Tagen insgesamt 3 Ämter und 47 Beimessen abhalten lassen. Dabei sollen am ersten Tage der "Besingnus" an der Bahre 4 Wachskerzen je 1 Pfund schwer aufgesteckt werden und die Täter, mit einpfündigen Wachskerzen in der Hand, auf Geheiß des Pfarrers "im Umgang ob dem Grab mit uffstan und niederlegen" 18) Buße tun.
2. sollen die Täter vier Gäng tun und zwar beide einen nach Rom, und einen zu unsre lieben Frau ge Auch (Aachen), einen zu unserer lieben Frau gen Einsiedeln und einen "zu sannt Lienharten gen Inchenhofen". 
19)
3. "Item zum vierden ein Stain Crütz das fünf Schuch lang, dryer brait und ains Schuchs dick seye ungefährlich in der Pfarr zu Roth, an welches Ennd des erschlagenen (Freunde) haissen und wollen, setzen."
4. Obgemelte Bußen haben innerhalb Jahresfrist zu geschehen.
5. Der Witwe und ihren Kindern sind 250 gut Rinisch Guldin auzuzahlen.

   Ein weiteres Beispiel aus Oberbayern: Graf Hans v. Törring (1508–55) welcher seinen reisigen Knecht Christian Leitgerb erschlug, verstand sich vor dem Herzog Wilhelm in Bayern zu folgendem Vergleich mit Nikolaus Leitgerb, dem Bruder des Erschlagenen:

1. Hans v. Törring läßt innerhalb Monatsfrsit den Begräbnisgottesdient, Siebent und Dreißigst halten, jedesmal mit gesungener Vigil am Vorabend und 29 stillen Messen; 14 Männer müssen dabei Wachskerzen halten, opfern und der Graf diesen Feierlichkeiten beiwohnen.
2. Soll derselbe eine Romfahrt machen und einen Mann auf seine Kosten eine "Fahrt gen Ach" tun lassen. Innerhalb eines Vierteljahrs soll er auf dem Weg von Seefeld nach Alting ein steinernes Kreuz auf seine Kosten setzen, "damit des Entlebten und seiner Selle dabei möge gedacht werden".
3. Für Erziehung eines Kindes des Erschlagenen muß Törring 100 fl. und als Schmerzensgeld an die Hinterbliebenen ebenfalls 100 fl. rheinisch bezahlen.
4. Der Spruchbrief muß dem Nik. Leitgerb unentgeltlich eingehändigt werden. Gegeben zu München am Freitag nach Catharina virginis im fünfzehnhundert achtzehnten Jahr (Mathias Graf, Geschichte der Pfarrei Oberalting, München 1902 bei C.A. Seyfried u. Cie. 1.Teil S.58). 20)


   Eysn gibt 1.c. eine Urkunde vom Jahre 1550 wieder, worin für Totschlag eines Vermögenlosen "ain Hültzen kreuz mit unsers Herrn auch unserer lieben Frauen und sanndt Johannes Pildnuß" zu setzen aufgetragen wird.
   Um das Jahr 1530 tötete Wolfgang Fesemmayer von Steinbach (Schwaben) absichtlich den Joh. Walch. Unter anderm wurde bestimmt: "An das Ort ungeverlich (= an die Stelle ungefähr), da er Hans Walchen vom Leben zum Tode gebracht, soll er setzten und aufrichten ain staine Kreutz, das da sei obe der Erden 5 Schuch hoch und 3 brait" (Stadelhofer 1.c. S.156). Ebenda wird (S.155) zum Jahre 1556 berichtet, daß Thomas Waldvogel von Karrdorf mit seinen Söhnen Joh. und Georg seinen Nachbarn Georg Biechlin derart prügelte, daß derselbe nach wenigen Tagen starb. Im Vergleiche heißt es: "Die Täter sollen in Jahresfrist, des entleibten Seel zu Gedächtnis, da ihm des entleibten Wittfraw oder Freund die Stat anzaigen werden, ain gut steine Kreuz, das 6 Werkschuh hoch, drei Werkschuh breit und aines Werkschchs dick sei, aufrichten und setzen.
   Meist wohl sind es die Kreuzsteine, nach Art der heute noch üblichen sog. Marterln, an der Unglücksstätte, resp. am nächst gelegenen Wege errichtet worden, so daß der Zweck frommer Fürbitter um so leichter erreicht wurde. Doch wurde, wie wir in der ersten Vergleichs-Urkunde sahen, manchmal ein geeigneter Platz am Wohnorte des Verblichenen zur Stelle des Kreuzsteins erwählt. Letztere Übung erklärt am einfachsten, wie an manchen Orten mehrere Kreuzsteine gruppenweise bei einander stehen, wie ich solches westlich von Schongau in
Schwabsoien (3 Kreuzsteine hintereinander, in je 2 m Entfernung), südlich von Landsberg in Denklingen (3 bei der Antonikapelle) sah. 21) Allerdings könnte die Möglichkeit, daß an derselben Stelle gleichzeitig oder im Laufe der Jahre mehrere eines jähen oder gewaltsamen Todes starben, Anlaß zu Kreuzstein-Gruppen gegeben haben. Die Volkssagen jedoch, welche aus dem Vorhandensein mehrerer Kreuzsteine gern auf ein einziges schaudervolles Ereignis schließen, das so viele Opfer erforderte, als Kreuzsteine an der betreffenden Stelle vorhanden sind, dürften regelmäßig nichts weiter als müßige Kombination sein.
   Der Umstand, daß Kreuzsteine meist an Wegen gefunden werden, hat manche auf den falschen Gedanken geführt, das seien Wegweiser aus der Römerzeit, woher der Ausdruck "Römerkreuz" stammt, oder auch sog. "Hermen", d.h. Steine, auf welchen die Reisenden den Gott des Handels, Hermes (Merkur) opferten. Eher lälßt sich die manchmal geäußerte Volksansicht anhören, es handle sich um "Schwedenkreuze" oder um "Franzosenkreuze", wobei man an Massengräber aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges oder des spanischen Erbfolgekrieges denkt. Es ist richtig, daß die Schlachtstatt bei
Seckenheim, wo Friedrich von der Pfalz im Jahre 1462 siegte, durch ein großes Steinkreuz bezeichnet wurde, wovon sich ein Abbild in den Sammlungen des Mannheimer Altertumsvereins befindet. Auch errichteten die Verwandten des Kaisers Rudolf von Nassau, welcher 1298 bei Göllheim fiel, an der Todesstätte ein Steinkreuz mit crucifixus und Wappen. 22) Auch wurde das Massengrab dere bei Sempach am 9. Juli 1386 Gefallenen mit kleinen Steinkreuzen abgegrenzt. Ferner erinnere ich an das gemeinsame Grab der am 27.Juli 1361 bei Wisby von den Dänen getöteten Gothländer, worüber ein Steinkreuz mit entsprechender Inschrift errichtet ist. (cf. Groß S.46.) Immerhin aber fehlen geschichtliche Beweise, daß man die Massengräber der in der Schweden- oder Franzosenzeit Gefallenen mit Kreuzsteinen bezeichnete. Schon Stadelhofer führt dagegen an (S.149), daß man in Schwaben wenigsten unter Kreuzsteinen keine Gebeine gefunden habe. Auch beweisen die an Kreuzsteinen vorgefundenen Jahrzahlen die Unzulänglichkeit dieser Ansicht. Vielmehr hat die Volksüberlieferung wohl meist die dunkle Erinnerung verschollener Bluttat mit dem jungen Schrecken der Schweden- 23) oder Franzosenzeit verquickt. Immerhin ist denkbar, daß Einheimische zur Erinnerung an Angehörige, die von den Franzosen oder den Schweden getötet wurden, an der Todesstätte eine Kreuzstein errichteten, während die Leichname im Kirchhofe beerdigt worden waren.
   Die hier und da bestehende Volksmeinung, "da sei einer begraben", erwuchs wohl aus der dunklen Überlieferung, daß die am Galgen erhängten Raubritter an Scheidewegen beerdigt wurden. 
24)
   Sehr häufig hört man sagen, die Kreuzsteine seien "Pestkreuze". So heißt es z.B. bei
Denklingen betreffs der oben erwähnten Kreuzsteingruppe, bis dahin seien zur Pestzeit die Müller gefahren, das Mehl abzuladen und das Getreide aufzulegen. Zugegeben, diese und ähnliche Meldungen der Volksfantasie seien richtig, so wäre damit doch der Ursprung jener Kreuzsteine nicht aufgeklärt. Es wäre eben sozusagen ein Nebenamt, zu welchem der bereits vorhandene Kreuzstein in der Pestzeit hätte dienen müssen. Nicht anders verhält es sich, wenn da und dort ein Kreuzstein nebenbei als "Zehentstein" diente d.h. als Sammelplatz für die Zehentgarben; odere am Ortsende als "Totenrast" d.h. als herkömmliche Stelle, wo die Filialisten mit dem Leichenwagen auf die Aussegnung des Toten durch den Pfarrer warteten, oder als übliche Sammelstation für Wallfahrerzüge; oder als "Freisteine" (Asylsteine), als sichere Zufluchtsstätten gegen gewaltsamen Angriff auf Leib und Leben. 25) Bezüglich der ziemlich verbreiteten Ansicht, die Kreuzsteine seien "Klostermarken", d.h. Marksteine 26) einstigen klösterlichen Besitztums, verweise ich auf P. Maurus Feyerabend, Prior des ehemaligen Benediktiner-Reichsstifts Ottobeuren (Schwaben), der im J. 1814 im 2.Bd. seiner "Ottenbeurischen Jahrbücher" S.507 sagt: "Einige hielten dieselben für Marksteine, allein ganz irrig, weil die alten aufgesuchten Marken weder von so einem steinernen Kreuze ausgingen, noch auf dasselbe zurückführten."

Steinkreuze auf dem Friedhof zu Merkstein bei Aachen.

   Gleichwie heutzutage noch in Schwaben und Oberbayern zum frommen Andenken an Verunglückte außer dem einfachen und billigen "Marterl", d.h. dem bekannten hölzernen Bildstock, nicht selten an Straßen ein mehr dauerhafter und kostspieliger Gedenkstein gesetzt wird, der ein getreues Abbild unserer modernen Grabsteine in kleinerem Maßstabe ist, so dürfte auch in vergangenen Jahrhunderten der Grabstein der Typus für die Kreuzsteine gewesen sein. Ich sah im Friedhofe in Wessobrunn auf einem Grabe einen Kreuzstein mit der Inschrift 17 V W V R 03. Leider fehlt der betreffende Band in dortiger Sterbematrikel. Auch in
Leutstetten bei Starnberg entdeckte ich im Kirchhofe einen Kreuzstein, aber ohne Inschrift. Ferner fand man i.J. 1902 im Boden einer Kapelle bei Baisweil (westlich von Kaufbeuren), die mit dem anstoßenden Friedhofe als Begräbnisstätte diente, 3 kleine Kreuzsteine liegen, ca. 50 cm hoch, wovon 2 die Jahrzahl 1592 zeigten. Manche halten diese Baisweiler Kreuzsteine für Grabkreuze. 27) Dagegen verdanke ich Herrn Bergingenieur Franz Büttgenbach in Kirchrat bei Aachen (vgl. dessen Werk "Die kirchl. Kunst", Verlag von Ign. Schweitzer in Aachen, S.198) nebst 15 diesbezüglichen Photographien die Mitteilung, daß sich in der Gegend um Aachen, namentlich in Merkstein, Kirchrat, Buir und Waldfeucht, in Friedhöfen zahlreiche ältere, verschieden geformte (keil-, quaderförmig, häufig mit scheibenförmigen Erweiterungen in der Kreuzung, oder mit Zierwulsten, Kreuzbalken oben spitz abgedacht) Grabsteine befinden, welche als massive, niedrige Monolithe in Kreuzgestalt, sich wesentlich als Kreuzsteine darstellen. Auf einem derselben, in Kirchrat, aus hellblauem, devonischem Kalkstein steht unter der Grabschrift vom Jahre 1718 das Monogramm: G T D S; auf einem andern, ebendort, aus tertiärem Sandstein, ist über der Grabschrift vom Jahre 1695 das Zeichen IHS mit Kreuzchen im H; auf einem dritten, in Waldfeucht, ist über der Grabschrift vom Jahre 1635 der crucifixus mit Maria und Johannes, unten aber heißt es ausführlich: gott trot die seel. Ähnliche Kreuze sollen früher zahlreich, zumal in der niederen Eifel, an Wegen zum Andenken an Verunglückte gestanden sein. In Süsteren bei Roermond steht nun im Kirchhof ein Kreuzstein, der vor ca. 35 Jahren eine halbe Stunde davon entfernt gestanden; er erinnere an einen erschlagenen Fuhrmann aus Maastricht. Zwischen Buir und Monheim steht am Waldessaume ein Kreuzstein im Zopfstil, 130 cm hoch, mit crucifixus, darunter ein Totenkopf, zum Andenken an einen im Jahre 1747 unschuldig Erschossenen.

Literatur:
1) cf. Marie Eysn, "Über alte Steinkreuze und Kreuzsteine in der Umgebung Salzburgs" (Zeitschr. f. österr. Volkskunde, Wien u. Prag, Verlag von F. Tempsky, 3. Jahrg. 1897, S. 65–79) – mit 6 Abbildungen und zahlreichen weiiteren Litereraturangaben.
2) Beschrieben in "Deutsche Gaue" Bd. 4. – Gemäß privater Mitteilung befinden sich Kreuzsteine auch bei Deubach, Zaiertshofen und Rieden a.d. Kötz ( all 3 Orte in Mittelschwaben).
3) Das älteste datierte ist zu Varmissen in Hannover: 1260.
4) Auf dem Eichsfelde werden die Kreuzsteine auch Bonifaziussteine , in Böhmen und Mähren auch Cyrillkreuze genannt, welche Namen um so mehr meist auf irgend eine lose volkstümliche Ideenverbindung zurückzuführen sind, als Kreuzsteine im Eichsfelde auch Zehentsteine heißen, womit das Volk die Sage der Zehentfreiheit des Eichsfeldes verbindet. cf. Otte-Wernicke, Handbuch der kirchl. Kunstarchäologie, Leipzig, T.O. Weigel 1893, B.I S. 383; ferner J. Havelka in Sbornik Velehredský, rocnik I. Brünn 1880, S. 220–225.
5) cf. Franz Xaver Kraus, Geschichte der christlichen Kunst, bei Herder in Freiburg, Bd. I, S. 612.
6) Jos. Friesenegger, Die Ulrichskreuze, Huttler-Augsburg 1895.
7) Dieses Monogramm sah ich auch auf einem Kreuzstein bei Machtlfing unweit Andechs.
8) cf. Otto-Wernicke I. c. Bd. I S. 399. MSE vielleicht Abbreviatur für miserere (ib.).
9) Wohl = G(ott) D(em) G(enad), eine beliebte Abbreviatur.
10) Solche Vertiefungen traf ich an je einem Kreuzstein bei Ottobeuren (Schwaben), Bauerbach, Tauting, Waltersberg (letztere 3 Orte in Oberbayern).
11) Gleich Gedächtnistag der "Unschuldigen Kinder", 28. Dez.
12) cf. Eysn 1. c S. 74
13) Der Name ist lediglich vom Berichterstatter nicht mitgeteilt. cf. "Deutsche Gaue" Bd. 3, S. 207
14) cf. J. Groß "Von alten Steinkreuzen" in "Allgäuer Geschichtsfreund" 8. Jahrg. S. 52.
15) cf. Janssen, Gesch. d. deutschen Volkes I. S. 289
16) cf. Fr. S. Sailers vindeliciae sacrae, Augsburg 1756 pag. 173.
17) cf. Deutsche Gaue Bd. 3, S. 41
18) Eysn erwähnt 1. c. S. 72 und z3 in zwei anderen Fällen: Liegen des Täters im kreuzweise ausgestreckten Armen auf dem Grabe während des placebo; ferner: Streichen derselben mit Ruten durch den Geistlichen (heute in Rom Zeichen der Absolution durch den Großpönitentiar).
19) Gleich dem Brudermörder Kain sollte der Christ, der seinem Mitbruder das Leben genommen, flüchtig gehen, in ältesten Zeiten (ab 7. Jahrh.) ohne vorgeschieben Zeil ins Elend (Ausland) überhaupt, und zwar gewöhnlich auf 7 Jahre, später meist nach Rom zum Papste, um von ihm die Absolution zu erhalten (cf. Hausmann, Geschichte der Reservatfälle, Regensburg, Pustet 1868).
20) cf. Otto Rieder, Totschlagsühnen im Hochstift Eichstätt im "Sammelblatt des hist. Ver. v. Eichstätt" 6.–8.Jahrg.
21) In Eschenbach bei Gunzenhausen stehen 5 Kreuzstein auf einem Hügel unmittelbar vor der Stadt (Deutsche Gaue Bd. 3, S. 201).
22) cf. Joh. Geißel, Die Schlacht am Hasenbühl, Speier 1835, S. 63.
23) Otte-Wernicke bemerkt 1. c. Bd. I S. 382 zum Ausdruck "Schwedenkreuze": "Bei der Schwedenzeit bleibt überhaupt die volkstümliche Deutung unverstandener Denkmäler der Vorzeit gerne stehen".
24) cf. Meier Helmbrecht (13. Jahrh.), erschienen bei Ph. Reklam, Leipzig S. 50.
25) cf. Lludwig Baumann, Geschichte des Allgäus, Bd. II, S. 326.
26) cf. Karl Alberti, "Über die Bedeutung der Kreuzsteine". Asch in Böhmen, Selbstverlag, 1897.
27) Private Mitteilung, cf. auch "Deutsche Gaue" Bd. 3, S. 39, 41.

(aus: Der Katholik. Zeitschrift für katholische Wissenschaft und kirchliches Leben. 84.Jg. 1904, 3. Folge, Bd.XXIX, S.42-54)

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