Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze


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Steine am Wegesrand in und um Kittlitz: Steinkreuze
von Peter Altmann

   Nachdem sich in der Ausgabe Nr.59 (2007) von Kittlitz aktuell Dr. Jörg Kretschmer mit ausgewählten Sagen und Geschichten zu Oberlausitzer Stein-, Mord- und Sühnekreuzen beschäftigt hat, bietet es sich an, den nachstehenden Abschnitt der Steine am Wegesrand in und um Kittlitz mit einer der Kittlitzer Sagen zu beginnen. Es handelt sich um die Sage vom Steinkreuz auf dem Kittlitzer Kirchhofe, wie sie Friedrich Bernhard Störzner 1904 in seinem Sagenbuch, Was die Heimat erzählt, auf Seite 383 festgehalten hat.
   Eine halbe Stunde von Löbau entfernt liegt an der Landstraße, die nach Weißenberg führt, das schmucke Kirchdorf Kittlitz. Das schöne Gotteshaus dieses Ortes wird von einem weiten Kirchhofe umgeben, der recht sehenswerte Grabdenkmäler aus vergangenen Jahrhunderten enthält. Rechts vom Haupteingange an der Westseite der Kirche steht auf dem alten Teile des Gottesackers eine uralte Linde, in deren ausgehöhltem Baumstamme gegen 10 Personen nebeneinander stehen können. Das Alter dieser ehrwürdigen Linde wird auf 800 Jahre geschätzt. Unter derselben befindet sich nach Westen zu ein guterhaltenes Steinkreuz aus Granit. Es ist 1,25m hoch und 30cm stark. Auf der Westseite zeigt es in schwachen Umrissen eine schwertförmige Zeichnung. Ueber die Entstehung dieses Steinkreuzes erzählt das Volk folgendes: Ein Schulknabe stürzte beim Glockenläuten vom Kirchturme. Er kam jedoch glücklich unten an und zwar an der Stelle, da jetzt das Kreuz steht. Sein großer Mantel, der gleichsam als Fallschirm diente, sowie die ausgebreiteten Aeste der alten Linde, auf die er fiel, schützten ihn. Zur Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis wurde dieses Steinkreuz errichtet. Soweit die Sage.
   Grundsätzlich versteht man unter Steinkreuzen aus Stein gehauene Kreuze verschiedener Kreuzformen und deren Formenkombinationen. Die verwendeten Materialien sind regional nach den Vorkommen vor Ort unterschiedlich. Wer nicht über Literatur zu diesen interessanten Objekten unserer Geschichte verfügt, der sei neben Bibliotheken auf die Internetseite von www.suehnekreuz.de aufmerksam gemacht. Neben Auszügen aus aktueller und vergriffener Literatur und weiterführenden Erläuterungen entsteht dort durch engagierte Autoren ein umfangreiches Inventarverzeichnis. Um so ausführlich wie möglich über das Steinkreuz in Kittlitz informiert zu werden, bedarf es eines Blickes in eine Reihe von Abhandlungen.

Abb.13

Abb.14

   Im Jahre 1977 erschien unter dem Titel Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen ein Inventarverzeichnis für den Bezirk Dresden. In ihm behandeln die Autoren Gerhardt Müller und Harald Quietzsch gleichnamiges Thema und stellen systematisiert ihre Forschungsergebnisse in der Reihe Arbeits- und Forschungsberichte zur Sächsischen Bodendenkmalpflege vor. Eine erste zusammenfassende Arbeit für Sachsen, der verschiedene Aufsätze anderer Autoren vorausgegangen waren, hatte G.A. Kuhfahl bereits 1928 vorgelegt und 1936 ergänzt. Aus all diesen Arbeiten können wir zusammenfassend für das Steinkreuz in Kittlitz (Kreis Löbau) entnehmen, dass es sich in der Ortsmitte des Dorfes auf dem Kirchhof, 10m südwestlich vom Hauptportal der Kirche unter einer alten Linde befindet. Es war jene Linde, die Photograph Schmorrde auf einer colorierten Postkarte (Abb.13, Detail) vor knapp einhundert Jahren vor der Hundschen Gruft als 600jährige historische Linde mit dem Steinkreuz ablichtete. Selbige Linde, welche als die älteste der Oberlausitz galt, steht nicht mehr. Besagtes Granitkreuz können wir jedoch noch heute nördlich der restaurierten Gruft annähernd, wenn nicht gar an der Stelle finden, an der es 1880 einen geschützten Platz erhielt (Abb.14).
   Wenn das Steinkreuz erst 1880 auf Veranlassung des Pfarrers Johannes Georg Rentsch umgesetzt bzw. vor dem Zerschlagen gerettet wurde, dann hat die Umsetzung bzw. Sicherstellung wohl nicht oder nicht unmittelbar mit der Erweiterung des Kirchhofes, des Friedhofes, zu tun. Er wurde in zwei Etappen, nämlich 1852 und 1862 wesentlich gegen Morgen (Osten) verändert und vergrößert, und bildete schließlich komplett durch die steinerne Umfriedung mit dem alten Kirchhof eine Einheit. Der Logik des genannten Zusammenhanges von Umsetzung des Kreuzes und Ausbau des Friedhofes folgend müsste sich der alte Standort des Steinkreuzes im neuen Bereich des Friedhofes, östlich der alten Leichenhalle, befunden haben und nicht westlich, wie überliefert. Was war dann der Anlass der Umsetzung und wo befand sich der alte, der ursprüngliche Standort?
   Der Grundform nach ist hiesiges Steinkreuz ein Malteserkreuz. Kurze Arme und Schaft verjüngen sich zur Kreuzung zu, der Kopf ist nahezu gerade. Als Orientierung, als Ausrichtung der Arme wird die Himmelsrichtung mit Nord - Süd angegeben. Das Kreuz aus Granit weist auf seiner Westseite eine Einzeichnung auf: Vom Kopf beginnend bis weit auf den Schaft reichend ist eine Saufeder bzw. einen Spieß, wie er für die Wildschweinjagd genutzt wurde, eingerillt (Abb.16). Der Erhaltungszustand war gut, man notierte 1977 nur geringfügige alte Abschläge an der östlichen Schaftkante. Auf dem Friedhof stehend, sah man eskeiner besonderen Gefährdung ausgesetzt und stellte es im Herbst 1970 unter Denkmalschutz. Das Steinkreuz hat eine Höhe von 116cm im Osten und 112cm im Westen, eine Breite von 59cm sowie eine Stärke von 17cm. Eine Datierung der Entstehung wurde nicht vorgenommen. Sie bleibt ebenso unbenannt wie die Überlieferung, die mit altbekannt als zeitlich unbestimmt zu verstehen ist.
   Da niemand mehr den wahren Grund der Errichtung des Kittlitzer Steinkreuzes kannte, bot der jetzige Standort Ausgang des 19.Jahrhunderts den Anlass der Sagenbildung mit dem aus dem Schallloche gefallenen und glücklich unten angekommenen Schulknaben. Inwieweit kann man ihr Glauben schenken? Schaut man sich den Kirchturm an, dann hat es sich um einen sehr, sehr glücklichen Fall gehandelt. Bei dieser Sage handelt es sich um eine sogenannte Wandersage. Es ist eine Sage, welche ursächlich mit Kittlitz nichts zu tun hat und landesweit so oder ähnlich als Begründung für das Setzen von Steinkreuzen angeführt wird. Mag sich dieser unwahrscheinliche Sturz hier zugetragen haben oder nicht, mit dem ursprünglichen Anlass der Anfertigung des Kittlitzer Steinkreuzes hat er nicht das geringste zu tun, denn der Stein ist älter und seine Symbolik eine andere.
   Blickt man in die Bandbreite der Flurkreuze und Kleindenkmale, zu denen auch die Steinkreuze zählen, lässt sich festhalten, dass die Steinkreuze Zeugen von plötzlichen und meistens tödlichen Ereignissen sind. Die auf vielen Kreuzen dargestellten Motive können sowohl Symbol für die Mordwaffe als auch Statussymbol von Opfer oder Täter sein. Die Sagen und Berichte, so sie überliefert sind, berichten von Sühne und Unglück, Mord und Totschlag, Heidentum und Christianisierung, Grenzmarkierung und manch anderer Begebenheit. Ihre Vielfalt ist so groß wie es Varianten an Formen und Material bei den Steinkreuzen gibt. Oft gibt es zu einem Kreuz gleich mehrere Sagen.
   Welches Ereignis gab nun Anlass zur Stiftung des Kittlitzer Steinkreuzes und wo mag sein ursprünglicher Standort gewesen sein?
   Neben dem Kirchhof liegen die Höfe der beiden Rittergüter, und auch der Gerichtskretscham als Stätte früherer Rechtssprechung war nicht weit entfernt. Viele Steinkreuze stehen an oder in der Nähe von häufig frequentierten Orten wie Kirchen, Kretschamen, Wegen und Weggabelungen, Ortseingängen oder gelegentlich mitten im Ort, selten ursprünglich weglos in Wald und Feld, nicht jedoch primär auf Friedhöfen. Auch gilt es zu beachten, dass sich die Standorte etlicher Kreuze durch Umsetzungen oder Neuaufrichtungen teilweise erheblich verändert haben.
   Man kann demnach als alten Standort in Kittlitz sowohl einen Platz nahe beim abgerissenen Kretscham in Betracht ziehen als auch einen Platz entlang alter Straßen und Wege. Bereist man Kittlitz von Norden kommend über Kotitz, so stand nahe der Einmündung der Straße von Löbau in die Straße von Bautzen nach Weißenberg ebenfalls ein Steinkreuz. Johann Gottfried Schultz hat die Stelle mit dem Kreuz 1775 in einer Zeichnung festgehalten. Verlässt man Kittlitz über Unwürde nach Süden, so trifft man in der Löbauer Neustadt, an der alten Weißenberger Straße, ebenfalls auf ein Steinkreuz.
   Das der Pfarrer sich um die Umsetzung und somit Sicherung eines Steinkreuzes vom Feldwege kümmerte, ist auch aus Krischa (heute Buchholz, Abb.17) im Jahre 1860 überliefert. Ein in Schaft und Einritzung dem Kittlitzer Stein ähnlicher befindet sich ebenerdig in der Herwigsdorfer Friedhofsmauer unweit des dortigen Kretschams (Abb.15, um 90 Grad gedreht). Leider hilft uns das für die Datierung nicht weiter, jedoch in der Widerlegung der Kittlitzer Deutung, denn es wird wohl nicht auch in Herwigsdorf oder Krischa ein Schulknabe vom Turm gefallen sein. Die eingeritzten Lanzen oder Sauspieße waren Jagd-Waffen und sind in Auseinandersetzungen ebenso als Kriegs-Waffen genutzt worden.
   Kuhfahl berichtet 1936 im Zusammenhang mit Pfarrer Rentsch noch über ein weiteres Steinkreuz. Ein Steinkreuz mit eingehauenem Messer befinde sich im Ort Breitendorf bei Löbau. Dies habe Pfarrer Rentsch 1897 in einem privaten Bericht dem Amtsrichter Richard Hahn in Niesky mitgeteilt. Bekanntermaßen waren die Pfarrer von Kittlitz sehr lange Zeit Erb-, Lehn- und Gerichtsherren von Breitendorf. In der Mitte des Dorfes bei den drei Linden vermutet man den Standort einer Kapelle, die zur Kittlitzer Mutterkirche gehörte. Spätere Nachforschungen scheinen nichts ergeben zu haben, denn im Steinkreuzinventar des Bezirkes Dresden, einer erweiterten Fortführung von Kuhfahls Steinkreuzforschung, ist kein Steinkreuz in Breitendorf beschrieben.
   Wer kann hier weiterhelfen, kann aus Überlieferung oder eigenem Erleben Hinweise geben?
   Blicken wir ins nordöstlich gelegene Niederseifersdorf. Dort befindet sich unweit der Kirche außerhalb der Friedhofsmauer ein kleineres, ansonsten ähnliches Steinkreuz mit einem Dolch (Abb.18). Im Gegensatz zu vielen anderen Steinkreuzen braucht man bei der Deutung des Sinnes dieses Kreuzes keine Vermutungen anzustellen oder Sagen mit ungesicherter Überlieferung zu Rate zu ziehen. Hier ist man in der glücklichen Lage, dass in der Kirchenchronik ein Sühnevertrag enthalten ist. I.J. 1440 hat Bauer Hans Friedrich aus Baarsdorf den Bauer Peter Mollner aus Baarsdorf im Streit erschlagen. Laut Urteil des Görlitzer Gerichts mußte Hans Friedrich dem Sohn des Peter Mollner, dessen Stiefmutter und ihren Kindern um Gottes Willen öffentlich Abbitte leisten, dazu 20 Sekel Silber als Wergeld entrichten. Außerdem soll er vor Jahr und Tag eine Wallfahrt nach Aachen tun und ein steinernes Kreuz setzen zu Seyfirsdorff und soll lassen 30 Seelenmessen lesen zu Seyfirsdorff oder hier zu Görlitz bei den Mönchen im Kloster. Die Niederseifersdorfer Kirche ist eine sehenswerte, trutzige, dreiteilige Wehrkirche aus dem 12.Jahrhundert, welche als Offene Kirche zum Besuch einlädt. Sie ist umgeben von einer hohen massiven Mauer mit festem Tor.

Abb.15

Abb.16

Abb.17

Abb.18

   Kittlitz ist ein altes Kirchdorf. Hat sich hier ähnliches im 15. oder 16.Jahrhundert zugetragen? Dass der Anlass des Setzens des Steinkreuzes ein plötzlicher Todesfall gewesen ist, kann als sicher angenommen werden. Ob es sich dabei jedoch um einen Jagdunfall, einen tödlich endenden Streit unter Bauern, einen Mord oder ein anderes Unglück gehandelt hat, bleibt leider offen.
   Der Beleg von Niederseifersdorf zeigt gut Sinn und Bedeutung der Steinkreuze. Einerseits galt es zivilrechtlich den Geschädigten, hier den Hinterbliebenen des Getöteten, Ausgleich in Form des Wergeldes, des Manngeldes, für den Ausfall des Ernährers der Familie zu zahlen. Selbstredend ebenso die Begleichung der Gerichtskosten. Andererseits kam die kirchenrechtliche Seite zum Tragen. Hierzu zählt das Lesen von Messen ebenso wie das Setzen des Kreuzsteines. Selbiger forderte als Symbol Vorbeigehende dazu auf zu verweilen, innezuhalten und für das Seelenheil des unverhofft und unvorbereitet zu Tode Gekommenen zu beten. Das Steinkreuz, es ist nicht nur ein Zeichen mittelalterlichen Rechts, vielmehr als ein mittelalterliches Seelgerät zu verstehen. Harald Quietzsch zieht in einem Aufsatz zur Geschichte der Sächsischen Steinkreuzforschung Resümee und schreibt: Verständlich wird der Sinn des Steinkreuzes dann, wenn man vom Kreuz an sich ausgeht, dem Symbol für Tod und Auferstehung. Das niedrige Steinkreuz in der Flur bedeutet, unabhängig von seinem Aufstellungsgrund, stets Gedenken - Totengedächtnis.
   Auch wenn sich die Bräuche wandelten: Dass die Pfarrer Broske und Rentsch Steinkreuze bargen und ihnen im Pfarrgarten von Krischa und auf dem Friedhof von Kittlitz einen neuen Platz gaben, dürfte ihnen demnach ein ureigenstes Anliegen gewesen sein.
(Kittlitz aktuell, Nr.60, Jan. 2008, S.6-7)



Steine am Wegesrand in und um Kittlitz: Kreuzsteine
von Peter Altmann

Abb.19

Abb.20

Abb.21 / Abb.22

Abb.23

   Neben den Steinkreuzen bilden die Kreuzsteine eine weitere Gruppe der Flurdenkmale. Ihnen ist grundsätzlich eigen, dass sie Steinplatten mit erhabenem oder vertieftem Kreuz sind und in der Regel ähnlich den Steinkreuzen aufrecht stehen.
   Während wir das
Kittlitzer Steinkreuz auf dem Kirchhof zwischen Kirche und Hundscher Gruft finden, befand sich jahrzehntelang ein Kreuzstein im Pfarrhof von Kittlitz. Sicher jeder, der Kirche und Friedhof vom Pfarrhaus aus durch die Pforte östlich der Gruft betrat, war zuvor achtlos an ihm vorbeigegangen.
   Reinhard Spehr publizierte 1994 in Frühe Kirchen in Sachsen, Ergebnisse archäologischer und baugeschichtlicher Untersuchungen (s)einen Versuch, wie er es nennt, der Darstellung der Christianisierung und früheste Kirchenorganisation in der Mark Meißen. Mit enthalten und abgebildet ist ein Grabstein aus dem 13.Jahrhundert, welcher sich in Kittlitz Kreis Löbau in einer Mauer zwischen Kirche und Pfarrhaus befand. (Weiterführende Informationen zur Entwicklung der Kirchenorganisation können in dieser Veröffentlichung des Landesamtes für Archäologie mit Landesmuseum für Vorgeschichte, Band 23 nachgelesen werden.) Selbiger Grabstein wird heute in der Kirche verwahrt, ist also nicht mehr direkt am Wegesrand zu sehen.
   Betrachten wir Photograph Schmorrdes Aufnahme für eine Postkarte von vor 100 Jahren (Abb.19). Ein aufgeräumter Pfarrhof lud den Besucher des Pfarrers ein. Er, Pfarrer Rentsch, dürfte auch auf der Bank sitzend abgebildet sein. Weiterhin erkennen wir eine mittlerweile zur Hälfte abgebrochene Mauer zwischen Pfarrhaus und Scheune, davor der Brunnen mit Holzpumpe. Die Westseite des Pfarrhauses ziert ein Spalierholzbaum. Nördlich des Pfarrhauses Richtung Friedhof befand sich besagte Mauer mit einem, wie vielerorts zu finden, sekundär vermauerten Grabstein. Dass auch bei der Errichtung der heutigen Kirche Denksteine aus der früheren Kirche und Grabsteine vom Kirchhof als Baumaterial Verwendung fanden, schrieb Johannes Georg Rentsch 1884 in der Geschichte der Kirche und Kirchfahrt zu Kittlitz nieder. Heute spricht man landläufig von Baumaterialrecycling. Seit einigen Jahren sind die Gebäude des Pfarrhofes saniert und befinden sich wieder in ansprechendem Zustand (Abb.20).
   Einen Versuch, die Geschichte des Grabkreuzsteins zu deuten, hat Eberhard Schmitt aus Bautzen unternommen. Von ihm stammt die Photoaufnahme (Abb.21) in Spehrs Abhandlung aus obengenannter Publikation. Er hat den Stein seinerzeit genau vermessen. Lesen Sie nachfolgend seinen bislang unveröffentlichten Artikel.

Zum Grabkreuzstein von Kittlitz, Kreis Löbau

   Im November 1983 meldete Herr Dr. Gerhard H. Köhler (Beiersdorf) dem zuständigen Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden die Auffindung eines Kreuzsteines im Pfarrhausgarten von Kittlitz.
   Herr Harald Quietzsch (Dresden) beurteilte 1984 den Fund, wonach es sich um einen Kreuzstein des 14.Jahrhunderts handelt, der einst als Grababdeckung für eine Bestattung auf dem der Fundstelle benachbarten Friedhof angefertigt wurde. Der Stein war also weder als Flurdenkmal noch als Grabstein frei aufgestellt gewesen, sondern er fand liegend Verwendung. Weil seine Bedeutung als ein Denkmal im Sinne der "Verordnung zum Schutz und zur Erhaltung der ur- und frühgeschichtlichen Bodenaltertümer" vom 28.Mai 1954 erkannt wurde und dem Stein sein Denkmalcharakter ohne weiteres anzusehen ist, genießt er von vornherein den Schutz nach dieser Verordnung.
   Der Kreuzstein befindet sich liegend (Abb.21, Maßskizze Abb.23) in der Verbindungsmauer zwischen dem 1704 errichteten Pfarrhaus und der Friedhofsmauer, unmittelbar über dem Erdboden. Erst als das vor der Westseite der Mauer befindliche Strauchwerk beseitigt war, wurde das Denkmal überhaupt sichtbar. Da es wesentlich älter als die Mauer ist, wurde dieser hier sekundär als Baustein verwendet.
   Es handelt sich um einen plattigen Granitblock von etwa 1,3m Länge, 38 bis 40cm Basisbreite und nahezu 25cm Stärke. Auf der (der Basis gegenüberliegenden) Stirnseite ist eine recht gleichmäßige Verjüngung festzustellen, die letztlich in einer etwas stumpf gestalteten Rundung endet. In der Fundlage weist diese Rundung in südliche Richtung. Für die nachfolgende Beschreibung der beiden Kreuzdarstellungen hat man sich den Stein aus der waagerechten Fundlage um 90 Grad auf das als Basis bezeichnete breitere Ende gedreht (Abb.22) vorzustellen.
   Das nun untere Kreuz ist leicht erhaben gestaltet und die Konturen weisen eine fühlbare Rundung auf. Seine Arme enden jeweils direkt an den Steinkanten des Steines, wobei der auf dem Foto nach oben weisende Arm durch einen Abschlag schräg beschädigt ist. Sowohl Schaft und Kopf als auch dessen Arme sind an ihren Enden erweitert und aufgebogen. Gegen die Basis des Steines ist beim Schaft des Kreuzes eine spürbare Abflachung zu bemerken. Ähnlich gestaltet ist auch der weit aufgebogene Kopf des Kreuzes.
   Die zweite über dem beschriebenen Kreuz sichtbare Kreuzdarstellung wurde etwa 1cm tief eingerillt. Die Arme dieses Kreuzes sind schon etwa ab der Hälfte ihrer Länge dreieckig erweitert, wobei diese Weitung flächig vertieft ausgearbeitet ist. Damit wurde wohl der Eindruck von gespaltenen Enden beabsichtigt. Die Arme enden auch bei diesem Motiv direkt an den äußeren Kanten des Steines. Der Schaft ist stumpfwinkeliger geweitet als die Arme, so dass ein gegabelter Fuß entsteht. Diese Weitung erreicht fast den Kopf des darunter befindlichen Reliefkreuzes derart, dass man den Eindruck gewinnt, als sei das Ritzkreuz aus dem darunter befindlichen hervorgegangen. Der Kopf ist den Armen ähnlich gestaltet, aber die dreieckige Weitung ist nicht so lang gezogen wie es bei den Armen der Fall ist. Auch hier erscheinen die Konturen der Weitungen von Armen und Kopf leicht aufgebogen und nicht als gerade Linien.
   Die Gestaltung der Kreuzdarstellung weicht von den aus dem heimischen Kreuzsteininventar (Gerhard Müller und Harald Quietzsch: Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen, Band I, Inventar Bezirk Dresden. Berlin 1977.) bekannten Darstellungen ab und erschwert gleichzeitig auch die nähere zeitliche Einordnung.
   Die im wesentlichen vorhandene Gleicharmigkeit der Kreuze (bezogen auch auf Schaft und Kopf), die Abbildung ohne den Stab des Vortragekreuzes und die nicht nur schlichte Gestaltung der Kreuze, sondern die eingebrachte "Verzierung" zeugen von einem äußerst interessanten Denkmal mit nicht zu unterschätzenden wissenschaftlichen Wert. An Hand mit Vorsicht geführter Vergleiche lässt sich in den Motiven ein über die deutsche mittelalterliche Gestaltung hinaus reichender südlicher Einfluss erkennen.
   Im Juli 1987 wurde bei einer Kontrolle durch Bodendenkmalpfleger festgestellt, dass die Mauer zwischen Pfarrhaus und Friedhof abgetragen und das Material samt des Kreuzsteines abtransportiert worden ist.
   Sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen blieben zunächst erfolglos, da die Schuttanlieferungen auf der Deponie Oppeln bereits planiert waren. Die hier durchgeführte mehrstündige Suche verlief ergebnislos, ebenso die Sichtung des anderswo zur Wegebefestigung abgeladenen Materials.
   Eine nochmalige Befragung aller am Mauerabbruch und Abtransport beteiligter Personen ergab den Hinweis auf eine LKW Fuhre Steine nach Kleinradmeritz zur Uferbefestigung des Löbauer Wassers. Tatsächlich konnte der Grabkreuzstein gefunden und geborgen werden. Am 30.07.1987 erfolgte mittels PKW sein Rücktransport nach Kittlitz wo er sich vorläufig an der Südseite der Kirche in Fundlage befindet.
   An dieser Stelle soll im Namen der Bodendenkmalpflege all jenen die durch ihre freiwillige Bereitschaft zur Wiederauffindung des Grabkreuzes beitrugen herzlicher Dank und Anerkennung ausgesprochen werden. Durch schnelles und umsichtiges Handeln wurde ein heimatgeschichtlich wertvolles Denkmal vor gedankenloser Vernichtung bewahrt und bleibt hoffentlich endgültig erhalten.


   Ein weiterer Kreuzstein mit der vertieften Jahreszahl 1813 befindet sich in der Hohle zwischen Unwürde und Löbau im Bereich der dortigen Baumschule. Da er jedoch gleichzeitig unter die Rubrik Gedenksteine fällt, wird er im nächsten Abschnitt beschrieben.
(Kittlitz aktuell, Nr.61, Feb. 2008, S.6-7)




Steine am Wegesrand in und um Kittlitz: Gedenksteine
von Peter Altmann

Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erwähnt, finden wir in der Hohle auf Flur Unwürde mit dem Gedenkstein 1813 einen weiteren Kreuzstein vor. Mit ihm wurde einem oder mehreren Opfer(n) aus dem Jahre 1813 gedacht. Ein erster Versuch, seine Entstehung, seine Erwähnungen und zwischenzeitlich erfolgte Lageveränderungen zu erfassen, wurde 2006 im Buch zur 700jährigen Ersterwähnung von Unwürde und Laucha unternommen. Mittlerweile stehen mehr Unterlagen über ihn zur Verfügung.
Wer den schlichten Kreuzstein erschaffen hat ist nicht bekannt. Ebenso ungewiss ist unmittelbarer Nähe errichtet wurde. Unternehmen wir einen weiteren Versuch, eine zeitliche Abfolge und Beschreibung der Geschichte des Steines zu erstellen.
Der Kreuzstein ist ein recht plattenartiger, granitener Stein von sichtbar ca. 65cm Länge, ca. 60cm Breite und ca. 20cm Stärke. Während seine Ostseite recht plan, jedoch leicht nach innen gekrümmt ist und unter einem eingearbeiteten Kreuz mit 36cm Länge des Schaftes und 28cm Länge des Querbalkens die Jahreszahl 1813 enthält, ist die Westseite unbearbeitet bzw. nur grob zugehauen. Früheren Fotos nach zu schließen, könnte die Gesamtlänge des Steines einen knappen Meter betragen. Dem Aussehen des Steines nach zu urteilen, kann es sich um einen Feldstein oder Bruchstein aus der Umgebung des Standortes handeln. Ein anderenorts hergerichteter Werkstein wäre sicherlich ringsherum glatt bearbeitet worden. Denkbar ist ebenso eine ursprünglich liegende und nicht aufrechte Positiondes Steins, bei welcher die unebene Unterseite keine Rolle spielte. Die Enden des Kreuzes sind als Punkte etwas markanter gearbeitet als die Linien. Die Inschrift stellt einen klaren Bezug zum Jahr 1813 her.
In den Folgejahren werden wohl Anwohner, welche das hier stattgefundene tragische Ereignis kannten, für die Errichtung des Gedenksteines Sorge getragen haben. Als im Jahre 1840 die Flur Unwürde mit Laucha vermessen wurde, kam es in der Folge auch zur Erfassung der Flurnamen. Die unmittelbar östlich des Weges, der Alten (Weißenberger / Kittlitzer oder auch Unwürder) Straße gelegenen Flurstücke 355, 354 und 357 tragen die Namen Die Kreuzwiese, An der Kreuzwiese und Bei der Kreuzwiese. Die Kulturart dieser Flächen war mit Wiese, Wiese und Birkenniederwald und Feld angegeben. Heute findet man eine ähnliche Nutzung der Flächen vor. Sie säumen den Wegesrand bzw. sind von der nahen Baumschule genutzt. Wir erhalten demnach um das Jahr 1840 einen ersten Hinweis auf das Vorhandensein eines Kreuzes an dieser Stelle durch die überlieferten Flurnamen, wenngleich sich der Kreuzstein heute westlich des Weges befindet. Zieht man die naheliegende Interpretation für den Flurnamen Kreuzwiese vor und stellt eine gleichfalls in Betracht kommende Interpretation der Kreuzform der Wiese oder einer Wegkreuzung hinten an, dann war der Gedenkstein schon vor der Mitte des 19.Jahrhunderts vorhanden und befand sich auf der Kreuz-Wiese. Wurde der Kreuzstein wegen der Umnutzung eines Flurstückes von der Ostseite auf die Westseite des Weges verlegt?
Betrachtet werden sollten auch die Eigentumsverhältnisse. Während Flurstück 409 der Kommunicationsweg von Unwürde nach Löbau war, befand sich in diesem Bereich der südöstlichen Flur Unwürde lediglich die Kreuzwiese im Besitz des Rittergutes. Alle anderen angrenzenden Flurstücke um den alten / neuen Standort des Kreuzes gehörten 1840 zum Bauerngut des Johann Gottfried Micklisch und einem ihm höchstwahrscheinlich verwandtschaftlich verbundenen Kleingärtner Andreas Micklisch. Hat der Kreuzstein gar einen rein familiären Bezug zur Bauernfamilie Micklisch? Sie besaß das Bauerngut schon zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. 1896 kaufte es Gustav Paul Pietsch, seit 1937 kennt man es als Wauers Gut. Eine direkte familiäre Überlieferung gibt es nicht, denn die Bauern Pietsch und Wauer kamen von außerorts.

Abb.24

Abb.25

Abb.26

Bedingt durch Bau, Fertigstellung und Nutzung der Weißenberger Chaussee von Löbau nach Weißenberg in den Jahren 1838 bis 1845, welche weiter westlich verläuft, geriet der Stein in Vergessenheit, frei nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Möglicherweise ist das auch eine Erklärung dafür, dass der Gedenkstein bei Alfred Moschkau 1913 auch in der zweiten Auflage seiner Publikation Denksteine und Soldatengräber aus der Zeit Napoleon I. in der Oberlausitz nebst Aufzeichnungen über solche aus den Hussitenkriegen, dem Dreißigjährigen Kriege und den Kriegen zwischen Preußen und Österreich keine Erwähnung findet, obwohl es ihn zu diesem Zeitpunkt schon gegeben haben muss.
Schaut man sich die Fortschreibung der Messtischblätter, der Topographischen Karten Sektion Kittlitz (Nr.56; 2814) an, so findet man in ihnen 1884 und 1906 noch keinen Kreuzstein mit Kreuz symbolisiert und als Denkst. beschriftet, sondern erst in der Kurrentstellung von 1920 und den Folgejahren. Einerseits kann das der schrittweisen Vervollständigung der Karten geschuldet sein, andererseits erfolgte in genau dieser Zeit die Elektrifizierung der Dörfer und Städte unserer Region. Bei den Bauarbeiten zur Freileitungstrasse stieß man u.U. rein zufällig auf den Kreuzstein und plazierte ihn gut sichtbar neben dem Fundament eines der Masten am Weg.
Erst 1923 beschreibt ihn Hermann Popig im Lausitzer Wanderbuch, einem Führer zur Kenntnis der Heimat für alle Natur- und Wanderfreunde und für die Schule, in einem Beitrag (von Löbau aus) "Durch Wiesen und Felder nach Weißenberg". An der linken Waldecke ... steht unter Strauchwerk ein einfach behauener Granitstein mit der Jahreszahl 1813, gefallenen Kriegern zum Gedächtnis gesetzt.
Dieses Wanderheftchen ist sehr lesenswert und als Nachdruck erhältlich. Es enthält zahlreiche Tipps für kurze und längere Ausflüge in die heimatliche Umgebung. Interessant daran ist der Vergleich von fast einhundert Jahren Entwicklung in unserer Region. Wer wird zum Beispiel schon in 20 Jahren noch so einfach nachvollziehen können, dass er soeben von der Hohle aus Löbau kommend über die Bahnlinie Löbau - Weißenberg schreitend nach Unwürde gelangte? Die Bahnschienen wurden unlängst demontiert und auch an einem offiziellen Ortseingangschild zum Löbauer Ortsteil Unwürde mangelt es gegenwärtig nach wie vor noch. Vielleicht steht es ja dann.
Die gleiche Lagebeschreibung für den Gedenkstein gibt uns 1926 Lehmanns Führer durch die Oberlausitz und das nördliche Böhmen sowie ein Handzettel aus dem Bestand der Bibliothek des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege in Dresden. Auf ihm ist vermerkt, dass 1931 Schneidermeister Max Miethe aus Unwürde den Landesverein Sächsischer Heimatschutz auf den unscheinbaren und versteckt liegenden Stein aufmerksam macht.
In einer Ausgabe des Sächsischen Postillions des Jahres 1938 wird über die Aktivitäten des Löbauer Humboldvereines für die Wegemarkierungen berichtet. Weiter heißt es: Auch eine würdige Aufstellung des Gedenksteins von 1813 in der sogenannten Hohle an der alten Weißenberger Straße ist in Aussicht genommen. Dazu ist es wohl bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und danach durch die Überwindung seiner Folgen nicht gekommen. Diese Notiz lässt den Schluss zu, dass der Stein älteren Datums sein muss und nicht erst zwei oder drei Jahrzehnte alt war. Als solcher hätte er sicher ein solides Fundament gehabt und es wäre nicht schon kurze Zeit darauf notwendig gewesen, ihn würdig wieder aufzurichten.
So blieb der Denkstein abseits des Weges weiterhin weitgehend unbeachtet und überwucherte wieder mit Moos und Gestrüpp. Nur Ortsansässige und Ortskundige kannten und fanden ihn. Einer von ihnen war auch Erich Sprenger, der, nach dem Kriege in Löbau wohnend, ein ausgeprägtes Interesse für die Steine der Oberlausitzer Heimat hatte und den Landesdenkmalpflegern in Dresden helfend zur Seite stand. So fertigte er auch Fotoaufnahmen an und führte erste Vorortbesichtigungen für Harald Quietzsch durch, welcher am Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden ein Inventar der Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen erarbeitete. Beider Zusammenarbeit verdanken wir Fotoaufnahmen und Kommentare aus den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, welche das Landesamt für Archäologie Sachsen für diesen Artikel in Kittlitz aktuell zur Verfügung stellte. Die Abbildungen 24, 25 und 27 wurden von Erichm Sprenger 1970 aufgenommen.

Abb.27

Abb.28

Abb.29

Sie zeigen den Kreuzstein noch neben dem Betonsockel eines Stahlgittermasten liegen, der zur Mittelspannungstrasse gehörte, welche parallel zur Alten Strasse von Unwürde zum Löbauer Elektrizitätswerk führte. Eine Fotoaufnahme Sprengers von 1958, die den Stein von der Inschriftenseite her abbildet, ist mit von Süden beschriftet. Dies wäre die Blickrichtung ähnlich Abb.27 (zum Vergleich aktuell Abb.28), auf der sich der Stein rechts unten neben dem Strommasten befindet. Schon im April 1971 als Harald Quietzsch vor Ort den Stein und seine Lage aufnimmt und beschreibt, fehlen der Strommast nebst seinem sichtbaren Betonfundament. Die Freileitung wurde damals abschnittsweise durch Erdkabel ersetzt. Als in der Folgezeit zudem noch Abwasserarbeiten stattfanden, wurde der Kreuzstein an die heutige Stelle umgesetzt. Das Freischneiden der Freileitungstrasse, Abholzungs- und Wiederaufforstungsarbeiten veränderten über Jahrzehnte das Landschaftsbild an besagter Waldecke.
Quietzsch charakterisiert den Kreuzstein als in der Form langgestreckte rechteckige Platte mit Viertelkreisabschluss. Das an der Südseite des Steines eingeritzte Linienkreuz mit verlängertem Schaft ist gleicher Art wie die darunter eingeritzte Jahreszahl. Dies bestätigt, dass nach seiner Erfassung eine Aufrichtung und Drehung des Kreuzsteines mit der Schriftseite nach Osten (Abb.26 u. 29), zum Wege hin stattgefunden hat.
Da sich mit der Besichtigung und Beurteilung ergeben hatte, dass es sich hier um keinen mittelalterlichen Kreuzstein mit wie so oft nachträglich eingehauener Jahreszahl handelte, wurde er auch nicht in den 1977 erschienenen Teil 1 (Bezirk Dresden) des Inventarverzeichnis der Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen aufgenommen.
Die gegenwärtige Karteiablage im Sächsischen Landesamt für Archäologie benennt für den Standort Flurstücksnummer 325 mit dem Namen Russenstein. Zieht man das erste Flurbuch mit seiner Flurkarte und die Karte 56g (Abb.30) von 1930 mit eingetragener Freileitungstrasse heran, so befand sich der mittlerweile demontierte Stahlgittermast mit dem Kreuzstein im Inneneck auf Flurstück 326. Für diesen Bereich der Flur sind sehr viele Flurnamen überliefert. Am jetzigen Standort sind es der Schinderplan und An den Schinderplan (Schinder = Abdecker).

Abb.30

Abb.31

Daran anschließend sind Harraßbusch, Harraßfeld, Harraßwiese und An der Harraßwiese mit dem hier bisher nicht erklärbaren Personennamen eines Besitzers Harraß bekannt. Hat ein Spross der adligen thüringer Familie Harras oder ein anderer Offizier in deutschen oder fremden Kriegsdiensten stehend hier einst den Tod gefunden? Der Gedenkstein wäre wohl prächtigeren Stils.
Soweit zu den beschreibenden Angaben in chronologischer Reihenfolge. Doch welchem Ereignis ist der Denkstein nun zuzuschreiben? Die bekannten Quellen geben dazu keine Antwort. Eine gesicherte Überlieferung fehlt.
Schaut man ins Internet, so stößt man auf eine umfangreiche und sehr interessante Seite, die Homepage loebauerland von Peter Emrich. Er hat seine wie unsere heimatliche Umgebung aufgenommen, zu ihr recherchiert und sie, wie es heißt ins weltweite Netz gestellt. Seiner Meinung nach wurde der Kreuzstein zur Erinnerung an die (in der) Schlacht bei Ebersdorf am 9.September 1813 (gefallenen Krieger) errichtet. Sage: Die französisch-polnischen Verteidiger von Ebersdorf konnten den russisch-preußischen Angreifern nicht standhalten und mussten bis hierher, in die sog. Hohle, zurückweichen. Dass jedoch auf einer Lichtung nördlich von Löbau, einer Schlacht südlich von Löbau gedacht wird, ist nicht schlüssig. Nachvollziehbar ist die Idee mit dem Rückzug, dann wären hier in einem Lager Verwundete verstorben oder Tote bestattet worden, derer man gedacht hat oder es gab auch hier ein Scharmützel. Zu beachten gilt es weiterhin, dass im Jahre 1813 mehrfach Truppen durch unsere Gegend zogen. Es kann sowohl ein Zusammenhang mit den Ereignissen in Ebersdorf als auch mit denen bei Reichenbach oder Hochkirch bestehen.
Die Legende eines gefallenen russischen, französischen oder polnischen Offiziers wird über weit über unser Gebiet hinaus zur Deutung eines Kreuzsteines oder Steinkreuzes herangezogen, wenn die Überlieferung einen Abbruch erfahren hat und Vermutungen nach dem Grund der Setzung der Steine herangezogen werden. Erst recht, jedoch nicht zwingend, wenn es sich um einen Stein aus dem Jahr der Völkerschlacht handelt. Der angeführte Name Russenstein bringt zwar einen gefallenen russischen Krieger als Möglichkeit in den Blickpunkt der Betrachtung, doch tauchte der Name zuvor nirgends auf.
Muss der Kreuzstein wirklich an einen Soldaten erinnern? Es sollte darüber hinaus auch an einen zivilen Unglücksfall oder zumindest an zivile Opfer gedacht werden. Eine Suche in den Sterberegistern der umliegenden Kirchen könnte zur Klärung des wahrhaftigen Anlasses der Setzung des Gedenksteines beitragen. Der Kittlitzer Pfarrer Dr. Harald Rabe hat sich dieser Mühe unterzogen. Doch die Suche im Totenbuch erbrachte keinen Hinweis.
Offen ist zudem die Frage des Stifters des Gedenksteines. War es eine Privatperson, war es ein lokaler Verein? Wieso blieb er trotz patriotischer Zeiten und Vorhandenseins eines Kriegervereins in Kittlitz lange Zeit unbeachtet und unerwähnt? Eine endgültige Erklärung aller Fragen wird sich möglicherweise nicht finden. Man (be)achte ihn und die ihn umgebende Natur. Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass nicht alle Feld-, Waldund Wiesenflächen der gerade vonstatten gehenden Industrialisierung unserer Flur geopfert werden und hier weiterhin Dachs und Hase ungestörten Rückzug in der Natur finden. Erholung Suchende wissen diesen Flecken Erde zu schätzen.
(Kittlitz aktuell, Nr.62, März 2008, S.4-5 und Nr.63, April 2008, S.4)

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Sühnekreuze & Mordsteine