Beiträge zur Geschichte der Steinkreuze |
Nachdem sich in der Ausgabe Nr.59 (2007) von Kittlitz aktuell Dr. Jörg Kretschmer mit ausgewählten Sagen und Geschichten
zu Oberlausitzer Stein-, Mord- und Sühnekreuzen beschäftigt hat, bietet es sich an, den nachstehenden Abschnitt der Steine am Wegesrand in und um Kittlitz mit einer
der Kittlitzer Sagen zu beginnen. Es handelt sich um die Sage vom Steinkreuz auf dem Kittlitzer Kirchhofe, wie
sie Friedrich Bernhard Störzner 1904 in seinem Sagenbuch, Was die Heimat erzählt, auf Seite 383 festgehalten hat.
Eine halbe Stunde von Löbau entfernt liegt an der Landstraße, die nach Weißenberg führt, das schmucke Kirchdorf Kittlitz. Das schöne
Gotteshaus dieses Ortes wird von einem weiten Kirchhofe umgeben, der recht sehenswerte Grabdenkmäler aus vergangenen Jahrhunderten enthält. Rechts vom
Haupteingange an der Westseite der Kirche steht auf dem alten Teile des Gottesackers eine uralte Linde, in deren ausgehöhltem Baumstamme gegen 10 Personen
nebeneinander stehen können. Das Alter dieser ehrwürdigen Linde wird auf 800 Jahre geschätzt. Unter derselben befindet sich nach Westen zu ein guterhaltenes
Steinkreuz aus Granit. Es ist 1,25m hoch und 30cm stark. Auf der Westseite zeigt es in schwachen Umrissen eine schwertförmige Zeichnung. Ueber die Entstehung
dieses Steinkreuzes erzählt das Volk folgendes: Ein Schulknabe stürzte beim Glockenläuten vom Kirchturme. Er kam jedoch glücklich unten an und zwar an der Stelle,
da jetzt das Kreuz steht. Sein großer Mantel, der gleichsam als Fallschirm diente, sowie die ausgebreiteten Aeste der alten Linde, auf die er fiel, schützten ihn. Zur
Erinnerung an dieses denkwürdige Ereignis wurde dieses Steinkreuz errichtet. Soweit die Sage.
Grundsätzlich versteht man unter Steinkreuzen aus Stein gehauene Kreuze verschiedener Kreuzformen und deren Formenkombinationen. Die
verwendeten Materialien sind regional nach den Vorkommen vor Ort unterschiedlich. Wer nicht über Literatur zu diesen interessanten Objekten unserer Geschichte
verfügt, der sei neben Bibliotheken auf die Internetseite von www.suehnekreuz.de aufmerksam gemacht. Neben Auszügen aus aktueller und vergriffener Literatur und
weiterführenden Erläuterungen entsteht dort durch engagierte Autoren ein umfangreiches Inventarverzeichnis. Um so ausführlich wie möglich über das Steinkreuz in
Kittlitz informiert zu werden, bedarf es eines Blickes in eine Reihe von Abhandlungen.
Abb.13 |
Abb.14 |
Abb.15 |
Abb.16 |
Abb.17 |
Abb.18 |
Abb.19 |
Abb.20 |
Abb.21 / Abb.22 |
Abb.23 |
Im November 1983 meldete Herr Dr. Gerhard H. Köhler (Beiersdorf) dem zuständigen Landesmuseum für Vorgeschichte
in Dresden die Auffindung eines Kreuzsteines im Pfarrhausgarten von Kittlitz.
Wie im vorangegangenen Abschnitt bereits erwähnt, finden wir in der Hohle auf Flur Unwürde
mit dem Gedenkstein 1813 einen weiteren Kreuzstein vor. Mit ihm wurde einem oder mehreren Opfer(n) aus dem Jahre 1813 gedacht. Ein erster Versuch, seine
Entstehung, seine Erwähnungen und zwischenzeitlich erfolgte Lageveränderungen zu erfassen, wurde 2006 im Buch zur 700jährigen Ersterwähnung von Unwürde und
Laucha unternommen. Mittlerweile stehen mehr Unterlagen über ihn zur Verfügung.
Abb.24 Abb.25 Abb.26 Abb.27 Abb.28 Abb.29 Abb.30 Abb.31
Herr Harald Quietzsch (Dresden) beurteilte 1984 den Fund, wonach es sich um einen Kreuzstein des 14.Jahrhunderts handelt, der einst als
Grababdeckung für eine Bestattung auf dem der Fundstelle benachbarten Friedhof angefertigt wurde. Der Stein war also weder als Flurdenkmal noch als Grabstein frei
aufgestellt gewesen, sondern er fand liegend Verwendung. Weil seine Bedeutung als ein Denkmal im Sinne der "Verordnung zum Schutz und zur Erhaltung der ur- und
frühgeschichtlichen Bodenaltertümer" vom 28.Mai 1954 erkannt wurde und dem Stein sein Denkmalcharakter ohne weiteres anzusehen ist, genießt er von vornherein den
Schutz nach dieser Verordnung.
Der Kreuzstein befindet sich liegend (Abb.21, Maßskizze Abb.23) in der Verbindungsmauer zwischen dem 1704 errichteten Pfarrhaus und der
Friedhofsmauer, unmittelbar über dem Erdboden. Erst als das vor der Westseite der Mauer befindliche Strauchwerk beseitigt war, wurde das Denkmal überhaupt sichtbar.
Da es wesentlich älter als die Mauer ist, wurde dieser hier sekundär als Baustein verwendet.
Es handelt sich um einen plattigen Granitblock von etwa 1,3m Länge, 38 bis 40cm Basisbreite und nahezu 25cm Stärke. Auf der (der Basis
gegenüberliegenden) Stirnseite ist eine recht gleichmäßige Verjüngung festzustellen, die letztlich in einer etwas stumpf gestalteten Rundung endet. In der Fundlage
weist diese Rundung in südliche Richtung. Für die nachfolgende Beschreibung der beiden Kreuzdarstellungen hat man sich den Stein aus der waagerechten Fundlage um
90 Grad auf das als Basis bezeichnete breitere Ende gedreht (Abb.22) vorzustellen.
Das nun untere Kreuz ist leicht erhaben gestaltet und die Konturen weisen eine fühlbare Rundung auf. Seine Arme enden jeweils direkt an den
Steinkanten des Steines, wobei der auf dem Foto nach oben weisende Arm durch einen Abschlag schräg beschädigt ist. Sowohl Schaft und Kopf als auch dessen Arme
sind an ihren Enden erweitert und aufgebogen. Gegen die Basis des Steines ist beim Schaft des Kreuzes eine spürbare Abflachung zu bemerken. Ähnlich gestaltet ist
auch der weit aufgebogene Kopf des Kreuzes.
Die zweite über dem beschriebenen Kreuz sichtbare Kreuzdarstellung wurde etwa 1cm tief eingerillt. Die Arme dieses Kreuzes sind schon etwa
ab der Hälfte ihrer Länge dreieckig erweitert, wobei diese Weitung flächig vertieft ausgearbeitet ist. Damit wurde wohl der Eindruck von gespaltenen Enden beabsichtigt.
Die Arme enden auch bei diesem Motiv direkt an den äußeren Kanten des Steines. Der Schaft ist stumpfwinkeliger geweitet als die Arme, so dass ein gegabelter Fuß
entsteht. Diese Weitung erreicht fast den Kopf des darunter befindlichen Reliefkreuzes derart, dass man den Eindruck gewinnt, als sei das Ritzkreuz aus dem darunter
befindlichen hervorgegangen. Der Kopf ist den Armen ähnlich gestaltet, aber die dreieckige Weitung ist nicht so lang gezogen wie es bei den Armen der Fall ist. Auch hier
erscheinen die Konturen der Weitungen von Armen und Kopf leicht aufgebogen und nicht als gerade Linien.
Die Gestaltung der Kreuzdarstellung weicht von den aus dem heimischen Kreuzsteininventar (Gerhard Müller und Harald Quietzsch: Steinkreuze
und Kreuzsteine in Sachsen, Band I, Inventar Bezirk Dresden. Berlin 1977.) bekannten Darstellungen ab und erschwert gleichzeitig auch die nähere zeitliche Einordnung.
Die im wesentlichen vorhandene Gleicharmigkeit der Kreuze (bezogen auch auf Schaft und Kopf), die Abbildung ohne den Stab des
Vortragekreuzes und die nicht nur schlichte Gestaltung der Kreuze, sondern die eingebrachte "Verzierung" zeugen
von einem äußerst interessanten Denkmal mit nicht zu unterschätzenden wissenschaftlichen Wert. An Hand mit Vorsicht geführter Vergleiche lässt sich in den Motiven
ein über die deutsche mittelalterliche Gestaltung hinaus reichender südlicher Einfluss erkennen.
Im Juli 1987 wurde bei einer Kontrolle durch Bodendenkmalpfleger festgestellt, dass die Mauer zwischen Pfarrhaus und Friedhof abgetragen und
das Material samt des Kreuzsteines abtransportiert worden ist.
Sofort eingeleitete Rettungsmaßnahmen blieben zunächst erfolglos, da die Schuttanlieferungen auf der Deponie Oppeln bereits planiert waren.
Die hier durchgeführte mehrstündige Suche verlief ergebnislos, ebenso die Sichtung des anderswo zur Wegebefestigung abgeladenen Materials.
Eine nochmalige Befragung aller am Mauerabbruch und Abtransport beteiligter Personen ergab den Hinweis auf eine LKW Fuhre Steine nach
Kleinradmeritz zur Uferbefestigung des Löbauer Wassers. Tatsächlich konnte der Grabkreuzstein gefunden und geborgen werden. Am 30.07.1987 erfolgte mittels PKW
sein Rücktransport nach Kittlitz wo er sich vorläufig an der Südseite der Kirche in Fundlage befindet.
An dieser Stelle soll im Namen der Bodendenkmalpflege all jenen die durch ihre freiwillige Bereitschaft zur Wiederauffindung des Grabkreuzes
beitrugen herzlicher Dank und Anerkennung ausgesprochen werden. Durch schnelles und umsichtiges Handeln wurde ein heimatgeschichtlich wertvolles Denkmal vor
gedankenloser Vernichtung bewahrt und bleibt hoffentlich endgültig erhalten.
Ein weiterer Kreuzstein mit der vertieften Jahreszahl 1813 befindet sich in der Hohle zwischen Unwürde
und Löbau im Bereich der dortigen Baumschule. Da er jedoch gleichzeitig unter die Rubrik Gedenksteine fällt, wird er im nächsten Abschnitt beschrieben.
(Kittlitz aktuell, Nr.61, Feb. 2008, S.6-7)
von Peter Altmann
Wer den schlichten Kreuzstein erschaffen hat ist nicht bekannt. Ebenso ungewiss ist unmittelbarer Nähe errichtet wurde. Unternehmen wir einen weiteren Versuch,
eine zeitliche Abfolge und Beschreibung der Geschichte des Steines zu erstellen.
Der Kreuzstein ist ein recht plattenartiger, granitener Stein von sichtbar
ca. 65cm Länge, ca. 60cm Breite und ca. 20cm Stärke. Während seine Ostseite recht plan, jedoch leicht nach innen gekrümmt ist und unter einem eingearbeiteten Kreuz
mit 36cm Länge des Schaftes und 28cm Länge des Querbalkens die Jahreszahl 1813 enthält, ist die Westseite unbearbeitet bzw. nur grob zugehauen. Früheren Fotos
nach zu schließen, könnte die Gesamtlänge des Steines einen knappen Meter betragen. Dem Aussehen des Steines nach zu urteilen, kann es sich um einen Feldstein
oder Bruchstein aus der Umgebung des Standortes handeln. Ein anderenorts hergerichteter Werkstein wäre sicherlich ringsherum glatt bearbeitet worden. Denkbar ist
ebenso eine ursprünglich liegende und nicht aufrechte Positiondes Steins, bei welcher die unebene Unterseite keine Rolle spielte. Die Enden des Kreuzes sind als Punkte
etwas markanter gearbeitet als die Linien. Die Inschrift stellt einen klaren Bezug zum Jahr 1813 her.
In den Folgejahren werden wohl Anwohner, welche das hier stattgefundene tragische Ereignis kannten, für die Errichtung des Gedenksteines Sorge getragen haben.
Als im Jahre 1840 die Flur Unwürde mit Laucha vermessen wurde, kam es in der Folge auch zur Erfassung der Flurnamen. Die unmittelbar östlich des Weges, der Alten
(Weißenberger / Kittlitzer oder auch Unwürder) Straße gelegenen Flurstücke 355, 354 und 357 tragen die Namen Die Kreuzwiese, An der Kreuzwiese und Bei der
Kreuzwiese. Die Kulturart dieser Flächen war mit Wiese, Wiese und Birkenniederwald und Feld angegeben. Heute findet man eine ähnliche Nutzung der Flächen vor. Sie
säumen den Wegesrand bzw. sind von der nahen Baumschule genutzt. Wir erhalten demnach um das Jahr 1840 einen ersten Hinweis auf das Vorhandensein eines
Kreuzes an dieser Stelle durch die überlieferten Flurnamen, wenngleich sich der Kreuzstein heute westlich des Weges befindet. Zieht man die naheliegende Interpretation
für den Flurnamen Kreuzwiese vor und stellt eine gleichfalls in Betracht kommende Interpretation der Kreuzform der Wiese oder einer Wegkreuzung hinten an, dann war
der Gedenkstein schon vor der Mitte des 19.Jahrhunderts vorhanden und befand sich auf der Kreuz-Wiese. Wurde der Kreuzstein wegen der Umnutzung eines Flurstückes
von der Ostseite auf die Westseite des Weges verlegt?
Betrachtet werden sollten auch die Eigentumsverhältnisse. Während Flurstück 409 der Kommunicationsweg von Unwürde nach Löbau war, befand sich in diesem
Bereich der südöstlichen Flur Unwürde lediglich die Kreuzwiese im Besitz des Rittergutes. Alle anderen angrenzenden Flurstücke um den alten / neuen Standort des
Kreuzes gehörten 1840 zum Bauerngut des Johann Gottfried Micklisch und einem ihm höchstwahrscheinlich verwandtschaftlich verbundenen Kleingärtner Andreas
Micklisch. Hat der Kreuzstein gar einen rein familiären Bezug zur Bauernfamilie Micklisch? Sie besaß das Bauerngut schon zur Zeit des Dreißigjährigen Krieges. 1896
kaufte es Gustav Paul Pietsch, seit 1937 kennt man es als Wauers Gut. Eine direkte familiäre Überlieferung gibt es nicht, denn die Bauern Pietsch und Wauer kamen
von außerorts.
Bedingt durch Bau, Fertigstellung und Nutzung der Weißenberger Chaussee von Löbau nach Weißenberg in den Jahren 1838 bis 1845, welche weiter westlich verläuft,
geriet der Stein in Vergessenheit, frei nach dem Motto: Aus den Augen aus dem Sinn. Möglicherweise ist das auch eine Erklärung dafür, dass der Gedenkstein bei
Alfred Moschkau 1913 auch in der zweiten Auflage seiner Publikation Denksteine und Soldatengräber aus der Zeit Napoleon I. in der Oberlausitz nebst Aufzeichnungen
über solche aus den Hussitenkriegen, dem Dreißigjährigen Kriege und den Kriegen zwischen Preußen und Österreich keine Erwähnung findet, obwohl es ihn zu diesem
Zeitpunkt schon gegeben haben muss.
Schaut man sich die Fortschreibung der Messtischblätter, der Topographischen Karten Sektion Kittlitz (Nr.56; 2814) an, so findet man in ihnen 1884 und 1906 noch
keinen Kreuzstein mit Kreuz symbolisiert und als Denkst. beschriftet, sondern erst in der Kurrentstellung von 1920 und den Folgejahren. Einerseits kann das der
schrittweisen Vervollständigung der Karten geschuldet sein, andererseits erfolgte in genau dieser Zeit die Elektrifizierung der Dörfer und Städte unserer Region. Bei den
Bauarbeiten zur Freileitungstrasse stieß man u.U. rein zufällig auf den Kreuzstein und plazierte ihn gut sichtbar neben dem Fundament eines der Masten am Weg.
Erst 1923 beschreibt ihn Hermann Popig im Lausitzer Wanderbuch, einem Führer zur Kenntnis der Heimat für alle Natur- und Wanderfreunde und für die Schule, in
einem Beitrag (von Löbau aus) "Durch Wiesen und Felder nach Weißenberg". An der linken Waldecke ... steht unter Strauchwerk ein einfach behauener Granitstein
mit der Jahreszahl 1813, gefallenen Kriegern zum Gedächtnis gesetzt.
Dieses Wanderheftchen ist sehr lesenswert und als Nachdruck erhältlich. Es enthält zahlreiche Tipps für kurze und längere Ausflüge in die heimatliche Umgebung.
Interessant daran ist der Vergleich von fast einhundert Jahren Entwicklung in unserer Region. Wer wird zum Beispiel schon in 20 Jahren noch so einfach nachvollziehen
können, dass er soeben von der Hohle aus Löbau kommend über die Bahnlinie Löbau - Weißenberg schreitend nach Unwürde gelangte? Die Bahnschienen wurden
unlängst demontiert und auch an einem offiziellen Ortseingangschild zum Löbauer Ortsteil Unwürde mangelt es gegenwärtig nach wie vor noch. Vielleicht steht es ja dann.
Die gleiche Lagebeschreibung für den Gedenkstein gibt uns 1926 Lehmanns Führer durch die Oberlausitz und das nördliche Böhmen sowie ein Handzettel aus dem
Bestand der Bibliothek des Sächsischen Landesamtes für Denkmalpflege in Dresden. Auf ihm ist vermerkt, dass 1931 Schneidermeister Max Miethe aus Unwürde
den Landesverein Sächsischer Heimatschutz auf den unscheinbaren und versteckt liegenden Stein aufmerksam macht.
In einer Ausgabe des Sächsischen Postillions des Jahres 1938 wird über die Aktivitäten des Löbauer Humboldvereines für die Wegemarkierungen berichtet. Weiter
heißt es: Auch eine würdige Aufstellung des Gedenksteins von 1813 in der sogenannten Hohle an der alten Weißenberger Straße ist in Aussicht genommen.
Dazu ist es wohl bedingt durch den Zweiten Weltkrieg und danach durch die Überwindung seiner Folgen nicht gekommen. Diese Notiz lässt den Schluss zu, dass der
Stein älteren Datums sein muss und nicht erst zwei oder drei Jahrzehnte alt war. Als solcher hätte er sicher ein solides Fundament gehabt und es wäre nicht schon kurze
Zeit darauf notwendig gewesen, ihn würdig wieder aufzurichten.
So blieb der Denkstein abseits des Weges weiterhin weitgehend unbeachtet und überwucherte wieder mit Moos und Gestrüpp. Nur Ortsansässige und Ortskundige
kannten und fanden ihn. Einer von ihnen war auch Erich Sprenger, der, nach dem Kriege in Löbau wohnend, ein ausgeprägtes Interesse für die Steine der Oberlausitzer
Heimat hatte und den Landesdenkmalpflegern in Dresden helfend zur Seite stand. So fertigte er auch Fotoaufnahmen an und führte erste Vorortbesichtigungen für Harald
Quietzsch durch, welcher am Landesmuseum für Vorgeschichte in Dresden ein Inventar der Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen erarbeitete. Beider Zusammenarbeit
verdanken wir Fotoaufnahmen und Kommentare aus den sechziger und siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts, welche das Landesamt für Archäologie Sachsen
für diesen Artikel in Kittlitz aktuell zur Verfügung stellte. Die Abbildungen 24, 25 und 27 wurden von Erichm Sprenger 1970 aufgenommen.
Sie zeigen den Kreuzstein noch neben dem Betonsockel eines Stahlgittermasten liegen, der zur Mittelspannungstrasse gehörte, welche parallel zur Alten Strasse
von Unwürde zum Löbauer Elektrizitätswerk führte. Eine Fotoaufnahme Sprengers von 1958, die den Stein von der Inschriftenseite her abbildet, ist mit von Süden
beschriftet. Dies wäre die Blickrichtung ähnlich Abb.27 (zum Vergleich aktuell Abb.28), auf der sich der Stein rechts unten neben dem Strommasten befindet. Schon im
April 1971 als Harald Quietzsch vor Ort den Stein und seine Lage aufnimmt und beschreibt, fehlen der Strommast nebst seinem sichtbaren Betonfundament. Die
Freileitung wurde damals abschnittsweise durch Erdkabel ersetzt. Als in der Folgezeit zudem noch Abwasserarbeiten stattfanden, wurde der Kreuzstein an die heutige
Stelle umgesetzt. Das Freischneiden der Freileitungstrasse, Abholzungs- und Wiederaufforstungsarbeiten veränderten über Jahrzehnte das Landschaftsbild an besagter
Waldecke.
Quietzsch charakterisiert den Kreuzstein als in der Form langgestreckte rechteckige Platte mit Viertelkreisabschluss. Das an der Südseite des Steines eingeritzte
Linienkreuz mit verlängertem Schaft ist gleicher Art wie die darunter eingeritzte Jahreszahl. Dies bestätigt, dass nach seiner Erfassung eine Aufrichtung und Drehung
des Kreuzsteines mit der Schriftseite nach Osten (Abb.26 u. 29), zum Wege hin stattgefunden hat.
Da sich mit der Besichtigung und Beurteilung ergeben hatte, dass es sich hier um keinen mittelalterlichen Kreuzstein mit wie so oft nachträglich eingehauener
Jahreszahl handelte, wurde er auch nicht in den 1977 erschienenen Teil 1 (Bezirk Dresden) des Inventarverzeichnis der Steinkreuze und Kreuzsteine in Sachsen
aufgenommen.
Die gegenwärtige Karteiablage im Sächsischen Landesamt für Archäologie benennt für den Standort Flurstücksnummer 325 mit dem Namen Russenstein. Zieht man
das erste Flurbuch mit seiner Flurkarte und die Karte 56g (Abb.30) von 1930 mit eingetragener Freileitungstrasse heran, so befand sich der mittlerweile demontierte
Stahlgittermast mit dem Kreuzstein im Inneneck auf Flurstück 326. Für diesen Bereich der Flur sind sehr viele Flurnamen überliefert. Am jetzigen Standort sind es der
Schinderplan und An den Schinderplan (Schinder = Abdecker).
Daran anschließend sind Harraßbusch, Harraßfeld, Harraßwiese und An der Harraßwiese mit dem hier bisher nicht erklärbaren Personennamen eines Besitzers Harraß
bekannt. Hat ein Spross der adligen thüringer Familie Harras oder ein anderer Offizier in deutschen oder fremden Kriegsdiensten stehend hier einst den Tod gefunden? Der
Gedenkstein wäre wohl prächtigeren Stils.
Soweit zu den beschreibenden Angaben in chronologischer Reihenfolge. Doch welchem Ereignis ist der Denkstein nun zuzuschreiben? Die bekannten Quellen geben
dazu keine Antwort. Eine gesicherte Überlieferung fehlt.
Schaut man ins Internet, so stößt man auf eine umfangreiche und sehr interessante Seite, die Homepage loebauerland von Peter Emrich. Er hat seine wie unsere
heimatliche Umgebung aufgenommen, zu ihr recherchiert und sie, wie es heißt ins weltweite Netz gestellt. Seiner Meinung nach wurde der Kreuzstein zur Erinnerung an
die (in der) Schlacht bei Ebersdorf am 9.September 1813 (gefallenen Krieger) errichtet. Sage: Die französisch-polnischen Verteidiger von Ebersdorf konnten den
russisch-preußischen Angreifern nicht standhalten und mussten bis hierher, in die sog. Hohle, zurückweichen. Dass jedoch auf einer Lichtung nördlich von Löbau, einer
Schlacht südlich von Löbau gedacht wird, ist nicht schlüssig. Nachvollziehbar ist die Idee mit dem Rückzug, dann wären hier in einem Lager Verwundete verstorben oder
Tote bestattet worden, derer man gedacht hat oder es gab auch hier ein Scharmützel. Zu beachten gilt es weiterhin, dass im Jahre 1813 mehrfach Truppen durch unsere
Gegend zogen. Es kann sowohl ein Zusammenhang mit den Ereignissen in Ebersdorf als auch mit denen bei Reichenbach oder Hochkirch bestehen.
Die Legende eines gefallenen russischen, französischen oder polnischen Offiziers wird über weit über unser Gebiet hinaus zur Deutung eines Kreuzsteines oder
Steinkreuzes herangezogen, wenn die Überlieferung einen Abbruch erfahren hat und Vermutungen nach dem Grund der Setzung der Steine herangezogen werden. Erst
recht, jedoch nicht zwingend, wenn es sich um einen Stein aus dem Jahr der Völkerschlacht handelt. Der angeführte Name Russenstein bringt zwar einen gefallenen
russischen Krieger als Möglichkeit in den Blickpunkt der Betrachtung, doch tauchte der Name zuvor nirgends auf.
Muss der Kreuzstein wirklich an einen Soldaten erinnern? Es sollte darüber hinaus auch an einen zivilen Unglücksfall oder zumindest an zivile Opfer gedacht werden.
Eine Suche in den Sterberegistern der umliegenden Kirchen könnte zur Klärung des wahrhaftigen Anlasses der Setzung des Gedenksteines beitragen. Der Kittlitzer Pfarrer
Dr. Harald Rabe hat sich dieser Mühe unterzogen. Doch die Suche im Totenbuch erbrachte keinen Hinweis.
Offen ist zudem die Frage des Stifters des Gedenksteines. War es eine Privatperson, war es ein lokaler Verein? Wieso blieb er trotz patriotischer Zeiten und
Vorhandenseins eines Kriegervereins in Kittlitz lange Zeit unbeachtet und unerwähnt? Eine endgültige Erklärung aller Fragen wird sich möglicherweise nicht finden. Man
(be)achte ihn und die ihn umgebende Natur. Bleibt abschließend nur zu hoffen, dass nicht alle Feld-, Waldund Wiesenflächen der gerade vonstatten gehenden
Industrialisierung unserer Flur geopfert werden und hier weiterhin Dachs und Hase ungestörten Rückzug in der Natur finden. Erholung Suchende wissen diesen Flecken
Erde zu schätzen.
(Kittlitz aktuell, Nr.62, März 2008, S.4-5 und Nr.63, April 2008, S.4)