Hussitenbewegung
Ausbeutung und Unterdrückung des tschechischen Volkes
Böhmen war zu Beginn des 15.Jh. durch Silberbergbau, Handwerk und Handel eines der reichsten Länder Europas. Dieser Reichtum kam vor allem der Kirche
zugute. Sie war der größte Grundbesitzer und preßte aus den Gläubigen immer neue Geldzahlungen heraus. Während die Masse der bäuerlichen und städtischen
Bevölkerung aus Tschechen bestand, gab es eine deutsche Oberschicht, die vor längerer Zeit mit Unterstützung des böhmischen Königs ins Land gekommen war.
Aus ihr kamen viele hohe Geistliche und weltliche Feudalherren, Patrizier und reiche Handwerksmeister. Die tschechischen Handwerker, kleinen Händler, Tagelöhner
und Bauern strebten danach, die Ausbeutung durch die geistlichen und weltlichen Feudalherren zu beseitigen und die Privilegien der deutschen Patrizier abzuschaffen.
Die Forderungen des Jan Hus:
Enteignung der reichen Geistlichkeit
Beseitigung der kirchlichen Mißstände
Beseitigung allen Unrechts
Reform der gesellschaftlichen Verhältnisse bei Auf-
rechterhaltung der Macht des weltlichen Feudaladels
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Jan Hus
Die Opposition des tschechischen Volkes wurde von einfachen Geistlichen unterstützt. Sie begeisterten ihre Zuhörer für eine neue Kirche, die die Not der Menschen
versteht. Zu ihnen gehörte Jan Hus. In der Prager Bethlehemskapelle predigte er vor armen Handwerkern und Tagelöhnern in tschechischer Sprache. Hus wurde bald
von der hohen Geistlichkeit verfolgt, aus Prag verbannt und entgegen der Zusicherung des deutschen Königs auf freies Geleit 1415 in Konstanz als Ketzer verbrannt.
Hussitenbewegung
Die Ermordung von Hus 1415 rief in Böhmen große Empörung hervor. In Prag, Plzeň (Pilsen) und anderen Orten brachen Aufstände aus. Mittelpunkt der
Bewegung der Anhänger von Hus, der Hussitenbewegung, war Prag; hier formierten sich unter Führung des Predigers Jan Želivskŷ 1419 revolutionäre Kräfte.
Anfang 1420 entstand im südböhmischen Tábor mit den Taboriten ein neues revolutionäres Zentrum, in dem die Vorrechte des Adels und der Geistlichkeit zeitweilig
beseitigt wurden.
Seit dem Hervortreten einer revolutionären Strömung spaltete sich die Hussitenbewegung. Ihr gemäßigter Flügel - das tschechische Bürgertum und Teile des Adels -
war mit dem Erreichten zufrieden. Er hatte kirchliche Besitzungen und das Eigentum vertriebener deutscher Patrizier erhalten. Als der Kaiser und die alte Kirche den
Gemäßigten einige Zugeständnisse machten, verrieten diese die revolutionären Kräfte der Handwerker, Bauern und Tagelöhner und trugen zu ihrer Vernichtung 1434 bei.
Das Ergebnis der Hussitenbewegung war die Befreiung des tschechischen Volkes von den deutschen Feudalherren und Patriziern, die Selbständigkeit der
böhmischen Kirche, die Beseitigung der weltlichen Macht der Kirche und die weite Verbreitung der hussitischen Lehren. Die revolutionäre Hussitenbewegung war der
erste umfassende Angriff auf die mittelalterliche Kirche und erschütterte die gesamte Feudalordnung. Ihre Gedanken und Taten wurden für den Kampf der Volksmassen
in vielen Ländern zum Vorbild.
Hussitenkriege
Zu den Hauptgegnern der Hussiten gehörte der deutsche König Sigismund; er wollte die böhmische Königskrone für sich gewinnen und die böhmischen Ketzer
ausrotten. Der Papst rief zum Kreuzzug gegen die Hussiten auf. Das Kreuzfahrerheer wurde jedoch 1420 vor Prag am Berg Vitkov durch die Hussiten unter Jan
Žižka in die Flucht geschlagen. Žižka, ein Kleinadliger, war der fähigste Feldherr der Hussiten. Er entwickelte mit seinen Wagenburgen für das
Volksheer eine besonders erfolgreiche Kampfesweise. So wurden die deutschen Feudalheere in weiteren Schlachten besiegt.
Seit 1428 gingen die hussitischen Heere zur Gegenoffensive über und drangen bis nach Schlesien (Śłąsk), der Lausitz, Sachsen, Franken und
Österreich vor. In der Schlacht bei Lipany 1434 wurden die revolutionären hussitischen Heere jedoch vernichtend geschlagen.
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Die Auswirkungen der Hussitenbewegung in den deutschen Territorien |
(Quelle: Geschichte in Übersichten, Wissensspeicher für den Unterricht, 2.Auflage, Berlin 1984)
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Jan Hus Stich aus dem 18.Jh. |
Hus, Jan, tschech. relig. Reformator, * Husinec um 1369, (als Ketzer verbrannt) Konstanz 6.7.1415 Seine an Wiclif (mit z.T. eigener Auffassung)
anschließende Reformbewegung hatte einen ausgeprägt nat. Anstrich u. drang in weite Kreise des tschechischen Volkes. Vom Konzil von Konstanz zum Tode verurteilt.
Hussiten, Anhänger des tschech. Reformators Hus. Nach dem Tod König Wenzels 1420 einigte sich ihre gemäßigte Richtung (Kalixtiner od.
Utraquisten, später als Böhmische Brüder sich absondernd) in Prag mit den radikalen Taboriten u. machte die Anerkennung König Sigismunds von
der Zustimmung zu den 4 Prager Artikeln (Freiheit der Predigt, Armut der Geistlichen, Abendmahlskelch für die Laien, Bestrafung der Todsünden durch die weltl. Gerichte)
abhängig. Die Ablehnung des Königs führte zu den Hussitenkriegen (1420-36; Siege der Hussiten unter Ziska, v.Trocnow u. Prokop), worauf einerseits das Prager
Abkommen, anderseits Sigismund als König Böhmen bestätigt wurden. Die z.T. durch innere Spannungen erzeugten hussit. Wirren dauerten aber noch an.
(Die kleine Enzyklopädie, Erster Band A-K, Zürich 1949, S.746-747)