volkstümliche Bezeichnungen von Flurdenkmalen |
Nach der Annahme der Rechtsarchäologen und Rechtshistoriker können Steinkreuze Gerichtswahrzeichen sein1). Sie stellen dann eine Fortentwicklung des hölzernen oder steinernen Gerichtspfahls auf der Dingstätte dar, der in altgermanischer Zeit Schwert, Schild und Dingfahne als Gerichtssymbole trug, an dem aber auch Verbrecher und Kriegsgefangene den Göttern geopfert wurden. Der Gerichtspfahl, ursprünglich das den Ahnen verkörpernde Wahrzeichen auf dem als Kult-und Gerichtsplatz dienenden hügelförmigen Ahnengrab, kann schon in vorchristlicher Zeit Kreuzform gehabt haben, am ehesten die Form des Antoniuskreuzes (T), denn zum Aufhängen der Gerichtssymbole war ja ein Querbalken nötig; auch der Galgen hatte ursprünglich diese Form2). Die Deutung als Gerichtskreuz liegt besonders nahe, wenn das Steinkreuz sich auf einem stufenförmigen Sockel erhebt. Der Stufensockel ist eine Weiterentwicklung des "Stapels"3), des Gerichtssteins, der dem Richter bei der Eröffnung des Gerichts und der Verkündigung des Urteils als erhöhter Standplatz diente.
Das Coesfelder Marktkreuz in der Form, die es von 1427 bis zum Jahre 1897 hatte. |
Marktkreuz aus der Oldenburger Handschrift des Sachsenspiegels (14. Jahrhundert). |
Anmerkungen:
1) Ich richte mich im folgenden in der Hauptsache nach Karl Frölich, Rechtspflege, S.10, Rätsel S 65; Eb. v. Künßberg S.95ff; John Meier, Rechtsstein, S.53ff, S.58ff; Herb. Meyer, Freiheitsroland, S.5ff. und Handgemal S.53, 61, 84f.; K. v. Amira u. Cl. von Schwerins. 21f., S.151 Anm.46, S.162 Anm.122.
2) Frölich, Rätsel, S.62. - Herb. Meyer, Heerfahne, S.477, 485.
3) In Dortmund stand auf dem Gelände des ehemaligen Grafenhofes noch im H.Jahrhundert, als das königliche Gericht schon nicht mehr bestand, der Stapel, ein Baumstumpf oder Pfahl, auf den die "Stapelleute" ihre Abgaben niederlegen mußten (Wilh. Hücker, Dortmunder Stapelgüter und Stapelleute, in: Beitr. z. Gesch. Dortmunds u.d. Grafschaft Mark. Bd.43, Dortmund 1937 S.123ff). Die Funktion des Stapels zu Herford beschreibt das Herforder Rechtsbuch aus dem 14. Jahrhundert (John Meier, Rechtsstein, S.54 u. Wigands Archiv 2 S.27). Bei Theod. Lindner erscheint ein Freistuhl "upten Fenstapel vor Lüdinchusen" (Die Veme, Paderborn 1896, S.30). - F. Philippi, Landrechte des Münsterlandes, Münster 1907, nennt S.169 den "Schwertpfahl" des Gerichts von Büren im Amte Rheine-Bevergern. Das bei Philippi abgebildete Siegel des Gogerichts Sandwell zeigt ein hohes, abgestütztes Kreuz auf der Stufenpyramide. - Für John Meier sind abweichend Stapel (Gerichtsstein) und Pfahl (Gerichtssäule) zwei verschiedene Ausstattungsgegenstände der Gerichtsstätte, die Zusammenfassung beider zum Kreuz auf der Stufenpyramide lehnt er ab (Rechtsstein S.57f.). Nach Cl. v. Schwerin ist die Stufenpyramide ein Import aus der christlichen Antike (S.163).
4) Eichler und Laufner, bes. S.75ff. u. 109ff
5) Ich folge bei der Beschreibung dem Aufsatz von Hans Hüer "Das Marktkreuz in Coesfeld", in: Westfälischer Heimatkalender 1957, Ausg. Coesfeld, S.193ff., ferner: A. Ludorff, Die Bau-und Kunstdenkmäler des Kreises Coesfeld, Münster 1913, S.35,39,59, Taf.37.
6) Hierauf machte mich Herr Dr. Eickel, Landesmuseum Münster, aufmerksam.
7) E. v. Künßberg, S.99.
8) Le Bras S.334.
9) Roger Wilmans, Westf. Urkundenbuch III, Nr.1149. - Nik. Kindlinger, Münsterische Beiträge zur Geschichte Deutschlands hauptsächlich Westfalens, Bd.III.: Urk. Nr.88 (S.226f.) In dieser Urkunde gestattet Johann v. Rechede als Stuhlherr der Freigrafschaft Wesenfort die Verlegung eines alten Weges beim Hofe Horstorp und die Versetzung eines Kreuzes. Es heißt dort: "...transpositione crucis, que facta est ad eandem veterem viam a nobis vel a nostro libero judice" (...Versetzung eines Kreuzes, welches gemacht (geschehen) ist an jenem alten Wege von uns oder vielmehr von unserm Freigrafen). Ein Zusammenhang mit dem Freistuhl könnte als sicher angenommen werden, wenn die Wendung "que facta est" so zu deuten wäre, daß das Kreuz von Johann v. Rechede oder seinem Freigrafen errichtet worden war; Herr Landesarchivdirektor Dr. Herberhold ist aber der Meinung, daß der Nachsatz sich auf die Versetzung des Kreuzes beziehen müsse.
10) Über diese Kreuze vgl. Heimberger.
11) Lippstädter Heimatblätter 8.Jg., 6.II. 1926.
12) H. Bll. der Glocke, Beckum 1954 Nr.31, S.121f.
13) Mittig. von Rektor Alldieck, Recklinghausen.
14) Außer Frölich: Naegele S.274, S.377f. - Mößinger, Steinkreuze, S.41.
15) Kalliefe (S.81f.) nimmt zahlreiche Gerichtskreuze an, da ja die "Gerichtsstätten auch Opferstätten" waren. - Auch Herb. Meyer neigt zu dieser Annahme (vgl. insbesondere "Handgemal" S.53, 61, 84f.). Nach ihm ist die Form des Radkreuzes, "welches auch immer ihre kultische Bedeutung gewesen sein mag, im germanischen Altertum und im Mittelalter offenbar als Wahrzeichen des Gerichts und des Gerichtsbannes aufgefaßt worden" (Handgemal S.99). Er räumt aber im Sinne von Naegele S.386, 396ff. ein, daß "die große Mehrzahl der deutschen Steinkreuze" Sühnekreuze sind (Handgemal S.53).
16) Herb. Meyer, Handgemal S.84f.
17) Le Bras, S.323.